tionalismus fest, indem er die moralischen Zwecke der Kirche erst im Jenseits wirklich erreicht werden ließ. Dem
gegenüber fand Schleiermacher in der Kirche die Gemeinschaft des von dem urbildlichen
Christus ausgehenden vollkommenen religiösen
Lebens, in welcher die geistigen Wirkungen dieser Lebensmacht das Unsichtbare, die äußere Erscheinung derselben dagegen
das Sichtbare seien. Infolgedessen ward es in der neuern
Theologie vielfach herkömmlich, im direkten
Gegensatze zu den Neulutheranern, welche die Kirche einfach als Gesamtheit der Getauften fassen, die Kirche wieder
als Gemeinschaft der Gläubigen, d. h. als Gemeinde zu betrachten, wobei aber
Hegels Schule besonders betonte, daß sie keine
«Gesellschaft», sondern «Gemeinschaft»
sei, d. h. nicht durch zufälliges Zusammentreten gleichgestimmter Individuen,
sondern durch die organisierende Macht einer objektiven «Idee», des
«ReichesGottes», begründet sei.
Klarer wird die Sache durch die Unterscheidung eines religiösen und eines ethisch-socialen Kirchenbegriffs. Nach dem
erstern ist die Kirche allerdings ein objektiver, geistiger Organismus vermöge des in ihr sich wirksam
erweisenden
Geistes Christi, d. h. des geschichtlich durch
Christus und durch das Evangelium von
Christus bestimmten christl.
Gemeingeistes, der sich als ein Gemeinschaft stiftendes und Gemeinschaft erhaltendes Princip erweist, das über den einzelnen
Personen steht
und sie zu einem geistigen Ganzen zusammenhält. Im ethisch-socialen
Sinne dagegen ist die Kirche eine sittliche
Gemeinschaftsform, wie «das
Volk», «die Familie», «der
Staat», die sämtlich nicht willkürlich von dem
Menschen gemacht sind, sondern vermöge einer dem Menschenwesen innewohnenden
allgemeinen
Notwendigkeit sich verwirklichen. Im Unterschiede vom
Staate als der Organisation des sittlichen Lebens eines bestimmten
Volks ist die Kirche die Organisation des religiösen Gesamtlebens, das der Pflege und Fortpflanzung
des christl.
Glaubens dient.
Nach diesem ihrem allgemeingültigen Zwecke auf keinen bestimmten
Staat und auf keine bestimmte Nationalität beschränkt,
ist sie doch als äußere gesellschaftliche Organisation auf die jedesmal vorgefundenen Verhältnisse als ihre Existenzbedingungen
angewiesen. Als geschichtlich-sittliche Gemeinschaft ist daher die Kirche niemals etwas fertig Vollendetes und
unfehlbar
Vollkommenes, sondern sie unterliegt dem Gesetze geschichtlicher
Entwicklung vom Unvollkommenern zum Vollkommenern,
und zwar in allen ihren Lebensbeziehungen und äußern Ordnungen. Die Entstehung einzelner Teilkirchen, wie der römisch-katholischen,
der griechisch-orientalischen, der evangelisch-lutherischen und evangelisch-reformierten, ist durch die innern Gegensätze
veranlaßt gewesen, in die das christl.-religiöse Leben geschichtlich auseinanderging.
Was die geschichtliche
Entwicklung des Verhältnisses zwischen
Staat und Kirche betrifft, so wurde die Kirche anfangs
von der
Staatsgewalt bald verfolgt, bald nicht beachtet, seit
Konstantin d. Gr. aber erst geduldet (Mailänder
Edikt) und bald
nachher durch
Konstantins Nachfolger im «christl.
Staate» selbst zur Staatsanstalt erhoben. Wie die äußere kirchliche Ordnung
seitdem von der weltlichen Gewalt unter Zuziehung der
Bischöfe als geistlicher Obern geregelt wurde,
so handhabte man auch die kirchlichen Dogmen als Staatsgesetze. Im Mittelalter bildete sich allmählich ein Übergewicht
der geistlichen über die weltliche Gewalt, und die Kirche stellte sich selbst als
Universalmonarchie dar, der
alle weltliche
Staatsordnung nur dienstbar sei, wie dies in der
BulleUnam SanctamBonifacius’ VIII. von 1302 am schärfsten
und stärksten ausgesprochen ist.
Als danach im 16. Jahrh. die polit. Interessen sich von den kirchlichen emancipiert hatten,
geriet im
Protestantismus die Kirche wieder in strenge Abhängigkeit von der
Staatsgewalt, wogegen die katholische Kirche vermöge
ihrer festen äußern Organisation sich der staatlichen
Eingriffe zu erwehren suchte. In
Deutschland
[* 2] hat
der moderne
Staat das Verhältnis zur katholischen Kirche bis jetzt noch nie anders zu gestalten vermocht als im
Sinne eines mehr
oder minder günstigen modus vivendi. Leichter ist das Verhältnis des
Staates zur evangelischen Kirche, die niemals
als eine über die staatlichen Grenzen
[* 3] hinausgehende jurist.-polit. Organisation existiert hat, zu regeln.
Das Kirchenamt hat nach kath. Kirchenrecht zur
Voraussetzung die
Aufnahme in den
Stand des Klerus durch die Ordination
(s. d.) und zwar regelmäßig deren höchste
Stufe, die Priesterweihe; doch können bloße Jurisdiktionsämter
auch von Klerikern der untern Weihestufen bekleidet werden (s. z. B.
Archidiakonus). Das
Amt ist sachlich der
Inbegriff einer bestimmten Gruppe kirchlicher Funktionen zu dauernder Ausübung infolge
eines von den Obern erteilten
Auftrages, sei es rein geistlicher, sei es kirchenregimentlicher, sei es rein verwaltender Natur.
Nach kanonischem
Recht beruhen die
Ämter von Papst und
Bischof auf göttlicher Ordnung, ersteres ausgestattet
mit der plenitudo potestatis jurisdictionis, letzteres mit der plenitudo potestatis ordinis. Aus dieser plenitudo fließen
die
Vollmachten der übrigen Amtsträger. Das evang. Kirchenrecht kennt ein göttlich gesetztes
Amt nicht und lehnt jeden innern Unterschied der ab («non
sunt diversi gradus episcopi et pastoris»). Die
Aufnahme in den geistlichen
Stand erfolgt auch hier in den meisten Landeskirchen
durch Ordination und daraufhin erst die Übertragung eines
Amtes. Das wichtigste Kirchenamt ist allenthalben das des Pfarrers. Die
Ämter des Kirchenregiments (Konsistorien,
Superintendenten) sind in den evang. LandeskirchenDeutschlands
[* 4] zwar landesherrliche, aber nicht Staatsämter, sondern Kirchenamt. - Das
Amt (officium) ist nach kanonischem
Recht grundsätzlich mit
einer Pfründe (beneficium) verbunden; beide
Ausdrücke werden auch gleichbedeutend gebraucht; ebenso soll nach kanonischem
Recht jedes
Amt grundsätzlich dauernd besetzt sein (Ausnahme die sog. Succursalpfarren).
Exkommunikation oder kurzBann, die mit feierlichen Verwünschungen verknüpfte
Strafe
des thatsächlichen
Ausschlusses von der Gemeinschaft wegen
Abfalls vom
Glauben oder wegen kirchlicher
Verbrechen. Die mosaische
Gesetzgebung kannte statt des
Ausschlusses aus der hebr. Volksgemeinde nur die
Todesstrafe. Dagegen unterschieden die spätern
Juden drei Abstufungen der
Exkommunikation. Der erste
Grad hieß
Niddui, der kleinere
Bann, wenn jemand wegen
eines
Verbrechens 30
Tage lang von dem Besuche der
Synagoge ausgeschlossen ward, um öffentlich beschämt zu werden. Der zweite
Grad, Cherem, der mittlere
Bann, ebenfalls 30
Tage dauernd, enthielt noch die Verschärfung, daß kein
Jude mit dem Ge-
Artikel, die man unter K vermißt, sind unter C aufzusuchen.
¶
mehr
bannten umgehen durfte. Wenn sich der Gebannte in dieser Zeit nicht besserte, trat der dritte Grad, Schammatha oder Anathema
maranatha (vgl.
1 Kor. 16, 22),. ein. Dieser Bann war eine Ausschließung von der Synagoge und Gemeinde für das ganze Leben,
verbunden mit dem Verluste der bürgerlichen Rechte.
In der christlichen Kirche wurden frühzeitig solche, welche in sog. Todsünden verfallen waren, mit der
Ausschließung von der kirchlichen Gemeinschaft belegt, doch entwickelte sich schon früh der principielle Rechtssatz,
daß ein jurist. Ausschluß aus der Kirche überhaupt nicht möglich sei, sondern nur eine thatsächliche Sonderung vom Leibe
der Kirche. Das Recht, den Kirchenbann auszusprechen und aufzuheben, übten die Bischöfe allein, welche die Exkommunikation
bald vorzugsweise gegen Ketzer und Schismatiker anwendeten. Oft wurden ganze Gemeinden und Provinzialkirchen mit dem Kirchenbann belegt.
Diese Exkommunikation verhängte namentlich der Bischof von Rom.
[* 6]
In der katholischen Kirche teilt man nach dem geltenden Kirchenrechte die Exkommunikation in die kleine
(minor) und große (major). Die erstere bewirkt Verlust der Wählbarkeit zu den Kirchenämtern sowie Ausschluß von den Sakramenten,
trifft aber nur noch diejenigen, welche mit einem, der sich im großen Bann befindet, Umgang pflegen. Die große Exkommunikation
dagegen (ein besonders feierlich ausgesprochenes Anathema, s. d.) löst jede Beziehung des von ihr Betroffenen
mit der Kirche und fügt zu den Wirkungen des kleinen Bannes noch Verlust des aktiven kirchlichen Wahlrechts, der kirchlichen
Regierungsgewalt, des kirchlichen Begräbnisses, der Teilnahme am Gottesdienst und jeder Lebensgemeinschaft mit den Gliedern
der Kirche.
Diese zuletzt genannte Folge des großen Kirchenbann ist auch in der neuesten Ausgestaltung des
Rechts (1869) stehen geblieben, während die Rechtsfolge des kleinen Kirchenbann als Konsequenz des Umgangs mit
Gebannten auf einige besonders ausgezeichnete Fälle beschränkt worden ist. Zur Verhängung des Kirchenbann, die
wegen der Schwere der Strafe nur nach vorhergehender wiederholter Mahnung des Schuldigen (monitio canonica) stattfinden soll,
ist der Papst überall, der Bischof für seine Diöcese befugt.
Die neueste Gesetzgebung gestattet der Kirche den Gebrauch dieses Zuchtmittels nur innerhalb bestimmter Schranken, die sich
dahin charakterisieren, daß damit keine Ehrverletzung des Gebannten verbunden sein darf, und daß die Strafe nicht gegen
Staatsbeamte wegen Ausübung ihres Berufs, oder zu dem Zwecke, um auf die Ausübung staatsbürgerlicher
Rechte einen Einfluß auszuüben, angewendet werden darf. (Vgl. preuß. Gesetz vom
§§. 1, 2, Gesetz vom Art. 4.)
Die evangelische Kirche verwarf principiell den großen und sprach sich nur für Beibehaltung des kleinen Kirchenbann aus. Doch wich
die Entwicklung sehr bald von dieser richtigen Grundlage ab, und die Konsistorien haben namens der bischöfl.
Landesherren auch den großen Kirchenbann verhängt. (S. Kirchenzucht.) -