der in Fabriken beschäftigten
Kinder beiderlei Geschlechts keine geringe. 1890: 165 653, wovon 1044 10- bis 12jährige und 164 814 12-
bis 14jährige. Zu diesen
Zahlen kommt noch die der in Waisenhäusern, Zufluchtsanstalten und Arbeitssälen beschäftigten
Kinder, die auf etwa 7000 geschätzt wird.
Ein großes
Maß von Überarbeitung und Verwahrlosung zeigt die Beschäftigung jugendlicher
Personen in
den
Niederlanden. In der
Provinz Limburg
[* 2] (für das ganze Land sind keine
Daten vorhanden) waren in 1240 Fabrikbetrieben 11 156
Arbeiter
beschäftigt, von denen sich 1821 im
Alter von 12 bis 16 J., 1351 im
Alter von 16 bis 18 J. befanden. Wenig erfreulich
sind auch die Zustände in
Italien,
[* 3] wo jedenfalls mehrere hunderttausend
Kinder unter 14 Jahren thätig sind. Nach der Zählung
von 1881 sind es 149 964 männliche und 159 413 weibliche, allerdings einschließlich der Lehrlinge.
Besonders zahlreich finden sie sich in der Seidenindustrie (1889: etwa 40000
Kinder unter 15 Jahren) und
im Schwefelbergbau
Siciliens (1888 unter 27 897
Arbeitern 6753
Kinder unter 15 Jahren). Auch in
Belgien
[* 4] sind specielle Industriezweige,
wie
Bergbau
[* 5] und
Textilindustrie, mit einer sehr großen Anzahl jugendlicher
Arbeiter belastet. Die Steinkohlengewinnung beschäftigte
unter 44 757
Arbeitern 6346
Kinder unter 14 Jahren und 10 093 im
Alter von 14 bis 16 J., die
Textilindustrie
unter 71725
Arbeitern 6493
Kinder von 12 bis 14 J. und 10152 im
Alter von 14 bis 16 J.
Über die neuerdings von fast allen
Staaten gegen
Ausdehnung
[* 6] der und zum Schutze des geistigen, sittlichen und natürlichen
Lebens der
Kinder getroffenen gesetzlichen Bestimmungen s. Fabrikgesetzgebung und Dienstmiete.
Litteratur.JulesSimon, L'ouvrier de huit ans (Par. 1867);
Friedländer, Il lavoro delle donne e dei fanciulli
(Rom
[* 7] 1886;
deutsch von C.
Fleischer, Forbach
[* 8] 1887);
Conférence internationale concernant le réglement du travail aux établissements
industriels et dans les mines (Lpz. 1890);
Anton, Geschichte der preuß. Fabrikgesetzgebung (ebd. 1891);
Kleinkinderschulen, Anstalten, in welchen kleine
Kinder, deren Eltern den
Tag über außer dem
Hause ihren Broterwerb suchen müssen, Wartung und Pflege finden. Bereits
Pestalozzi empfiehlt die Einrichtung
von Kinderhäusern oder
Not- und Hilfskinderschulen warm in seiner «Lienhard und
Gertrud». Pfarrer Oberlin in
Steinthal im Elsaß
richtete in seinen Gemeinden 1779 mehrere derartige Anstalten ein. Im J. 1802 errichtete die Fürstin Pauline von
Lippe-Detmold
in
Detmold
[* 10] eine solche Anstalt, die besonders vielen andern zum
Muster gedient hat.
Gefördert wurden die Bestrebungen am Anfange des 19. Jahrh. namentlich in England, wo unter
anderm der
SchotteRobert Owen (s. d.) 1800 in seiner Fabrik zu
New-Lanark eine Pflegeanstalt für die
Kinder seiner
Arbeiter
einrichtete, und
Vereine, wie die von
Brougham gegründete Infant-School
Society, dafür eifrig thätig
waren. Von hier aus empfing auch
Deutschland
[* 11] wieder neue Anregung; Privatpersonen, Frauenvereine,
die kath. weiblichen
Orden,
[* 12] die
Innere Mission in der evang.
Kirche riefen zahlreiche derartige Anstalten ins Leben; Gemeinden und Regierungen nahmen sich
der Sache an, und hervorragende
Pädagogen, wie Niemeyer,
Türk,
Schwarz, Zerenner, Diesterweg, traten dafür
ein.
Neuerdings hat der
Oberlin-Verein in Nowawes bei
Potsdam
[* 13] wieder vielfach Anregung zur Gründung von Kinderbewahranstalten gegeben durch das «Oberlin-Blatt.
Zeitschrift für Kleinkinderpflege und Gemeindepflege». Anstalten zur Ausbildung von Pflegerinnen an Kinderbewahranstalten bestehen
in
Kaiserswerth, Nonnenweiler
(Baden),
[* 14] Großheppach
(Württemberg),
[* 15]
Darmstadt,
[* 16] Neuendettelsau
(Bayern),
[* 17]
Breslau,
[* 18]
Frankenstein in
Schlesien,
[* 19] Nowawes bei
Potsdam u. s. w. (S. auch Krippe.) -
Vgl. Diesterweg, Der Unterricht in der Kleinkinderschule
(5. Aufl., Bielef. 1852);
Leyrer, Die christl. Kleinkinderpflege (Stuttg. 1879);
Ranke, Die Gründung, Unterhaltung und Leitung
von Krippen, Bewahranstalten und Kleinkinderschulen (7. Aufl., Elberf.
1887).
Die
Ernährung von
Kindern vollzieht sich im großen nach denselben Regeln wie die der Erwachsenen.
Im einzelnen jedoch zeigt der Ernährungsvorgang (s.
Ernährung) bei den
KindernAbweichungen von dem der Erwachsenen, die darin
begründet sind, daß der kindliche Körper noch wächst, fortwährend neue Zellen und neue Organelemente
bildet und die Funktionen des Körpers und seiner Organe noch nicht ihre höchste Leistungsfähigkeit erreicht haben.
Letzterer Umstand macht sich besonders in den
Verdauungsorganen bemerkbar und bedingt, daß Quantität und Qualität der Verdauungssäfte
nicht genügen, gewisse Nahrungsbestandteile zu verdauen und der
Aufsaugung zuzuführen. Solche unverdauliche
Bestandteile
belästigen aber den empfindlichen Verdauungsapparat der
Kinder, erzeugen Verdauungsstörungen mit ihren
für den kindlichen Körper viel bedenklichern Einflüssen auf den gesamten Ernährungszustand.
Dadurch, daß der kindliche Körper fortwährend an
Masse und in den ersten Lebensjahren ganz erheblich zunimmt, wird verursacht,
daß die Nahrung des
Kindes nicht nur soviel an Nahrungsstoffen, als der augenblickliche
Stoffwechsel erheischt,
enthalten muß, sondern es muß dieselbe einen gewissen Überschuß an Nahrungsstoffen besitzen, damit der Organismus die
zum Wachstum nötige Zellbildung bethätigen und einen gewissen Vorrat an Körperstoffen zum
Ausgleich der unvermeidlichen
Schwankungen in der Nahrungszufuhr aufspeichern kann. Da zur Zellbildung ferner wesentlich eiweißartige
Stoffe und sog. Aschebestandteile
notwendig sind, so bedarf der kindliche Körper einer relativ stärkern Zufuhr von
Eiweiß und Aschebestandteilen als der
ausgewachsene Körper.
Allen Bedürfnissen des
Kindes in der ersten Lebenszeit entspricht nur die
Ernährung mit
Muttermilch. Sie enthält nicht nur
alle
Stoffe, welche der kindliche Körper benötigt, in der leicht löslichsten und leicht verdaulichsten
Form, sondern auch in der entsprechenden Mischung und Menge, über die Quantitäten
Milch, welche der Säugling täglich zu
sich nimmt und über die in diesen Quantitäten enthaltenen Nahrungsstoffmengen giebt nachstehende
Tabelle Aufschluß (nach
Camerer):
Kindererziehung (relig
* 20 Seite 60.344.
^[Artikel, die man unter K vermißt, sind unter C aufzusuchen.]
¶
In der Muttermilch verhält sich die Eiweißmenge zu der Menge der stickstofffreien Nahrungsstoffe (auf Milchzucker berechnet)
wie 1:6,7, in der Kuhmilch, die reicher an Eiweißstoffen und ärmer an Fett und Milchzucker ist als die Muttermilch, wie 1:3,9.
Auch hat das Eiweiß der Kuhmilch andere Eigenschaften als das der Muttermilch. Immerhin kann durch bestimmte
Veränderungen, welche man mit der Kuhmilch vornimmt, ein günstigeres Verhältnis der Nahrungsstoffe geschaffen werden
(durch Verdünnen der Kuhmilch mit ½ Teil 12,3 proz. Milchzuckerlösung [Soxhlet] oder mit 1 Teil einer 69 g im Liter enthaltenden
Milchzuckerlösung [Hofmann-Heubner]).
Ungünstiger ist das Mischungsverhältnis der Nahrungsstoffe bei allen sog.
künstlichen Kindernahrungsmitteln (s. Auffütterung der Kinder). Mit zunehmendem Alter ändert sich Menge und Mischung der Nahrungsstoffe
in der Kost der Kinder wieder und nähert sich mehr und mehr der des Erwachsenen; immerhin bleibt aber noch lange Zeit hindurch
die relative Nahrungsmenge und besonders die Eiweißmenge eine größere. Das hohe Eiweißbedürfnis
der Kinder hat vielfach Veranlassung gegeben zu der Anschauung, man müßte den Kindern recht viel eiweißhaltige oder ausschließlich
eiweißreiche Nahrungsmittel
[* 21] darreichen. Dies ist ein grober Irrtum, da nach den Gesetzen des Stoffwechsels (s. d.) bei eiweißreicher
Kost die Eiweißzersetzung im Körper steigt, ohne daß ein größerer Eiweißansatz stattfindet. Man
muß den Kindern auch Fett und leicht verdauliche Kohlehydrate in entsprechender Menge zur Kost zumischen und auch an dem von
den Kindern so sehr begehrten Zucker
[* 22] nicht zu viel sparen.
Wegen der geringern Leistungsfähigkeit des kindlichen Verdauungsapparates ist es notwendig, bei der Auswahl der
Nahrungsmittel auf die schwerverdaulichen besonders zu achten, ferner die Zahl der Mahlzeiten zu erhöhen (5 statt 3) und
namentlich bei den kleinern Kindern die zuträglichen Temperaturen der Speisen einzuhalten. Von den stärker reizenden Genußmitteln,
namentlich von den alkoholischen Getränken, soll in der Kinderernährung so wenig wie möglich Gebrauch gemacht werden.