die berufsmäßige, namentlich in der
Industrie hervortretende Beschäftigung von
Kindern. In der
Hauptsache sind erwachsene
Männer zur produktiven Thätigkeit berufen. Indes wird man auch Frauen (s. Frauenarbeit) und
Kinder zur
Arbeit heranziehen dürfen; nur kommt es darauf an, was und wo sie arbeiten und für welchen Zweck sie thätig sind.
Leider hat nun aber die
Not des Lebens, angeregt durch die Fortschritte der
Technik in der Maschinenkonstruktion,
für die
Kinder in übermäßiger Menge Arbeitsgelegenheit nachgewiesen und dahin geführt, daß mit der regelmäßigen Beschäftigung
von
Kindern ein starker
Mißbrauch getrieben wird.
Die
Kinder sind von der modernen Fabrikindustrie massenhaft herangezogen worden, weil ihre
Arbeit billiger zu haben war. Namentlich
in England entwickelten sich in dieser
Richtung höchst besorgniserregende Zustände. Unter 100
Arbeitern
der engl.
Baumwollindustrie waren 1850: 6
Kinder, 1875: 14. Die Zahl der in der engl.
Baumwollindustrie beschäftigten
Kinder
im
Alter von 8 bis 13 J. wuchs von 14 993 im J. 1850 auf 66 900 im J. 1875, in derWollindustrie während
der gleichen Zeit von 17 050 auf 38 416, in der Flachsindustrie von 1581 auf 12 678. 1890 waren in der
Textilindustrie Englands 35 166
Knaben
und 38 653 Mädchen mit halber Arbeitszeit beschäftigt.
Ähnliches, wenn auch nicht in annähernd gleichem
Umfange, zeigte sich in
Deutschland,
[* 5] besonders in der
ersten Zeit der aufkommenden Fabriken am Niederrhein.
Über die in den verschiedenen Erwerbszweigen giebt folgende auf
Grund
der Berufszählung von 1882 zusammengestellte
Tabelle Aufschluß:
Mit Ausnahme des
Bergbaues und der chem.
Industrien zeigen also alle Gruppen eine stark zunehmende Verwendung der
Kinder. Die
Zahl der in der Hausindustrie (s. d.) beschäftigten
Kinder unter 15 Jahren wurde von der Gewerbezählung (1882) auf 4449 ermittelt.
Doch ist dieselbe offenbar zu gering angegeben, da manche Eltern die Erwerbsthätigkeit ihrer
Kinder verschwiegen
haben. Was aus mehrern neuern Monographien über einzelne Hausindustrien bekannt geworden ist, zeigt, daß in ihr eine sehr
bedenkliche Ausnutzung der
Kinder vorzukommen pflegt.
In
Österreich
[* 6] soll die Verwendung von
Kindern unter 14 Jahren im fabriksmäßigen Betriebe in stetiger
Abnahme begriffen sein. In der
Schweiz
[* 7] machten noch 1880 die
Kinder und jugendlichen
Personen 14 Proz. aller Fabrikarbeiter aus;
aber die neuern
Berichte der Fabrikinspektoren betonen, daß in den letzten sechs Jahren die Zahl der
Kinder und jungen Leute
unter 18 Jahren in den Fabriken abgenommen habe. In
Frankreich ist die Zahl
Kinderarzt - Kinderern
* 8 Seite 60.343.
^[Artikel, die man unter K vermißt, sind unter C aufzusuchen.]
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mehr
der in Fabriken beschäftigten Kinder beiderlei Geschlechts keine geringe. 1890: 165 653, wovon 1044 10- bis 12jährige und 164 814 12-
bis 14jährige. Zu diesen Zahlen kommt noch die der in Waisenhäusern, Zufluchtsanstalten und Arbeitssälen beschäftigten
Kinder, die auf etwa 7000 geschätzt wird.
Ein großes Maß von Überarbeitung und Verwahrlosung zeigt die Beschäftigung jugendlicher Personen in
den Niederlanden. In der Provinz Limburg
[* 9] (für das ganze Land sind keine Daten vorhanden) waren in 1240 Fabrikbetrieben 11 156 Arbeiter
beschäftigt, von denen sich 1821 im Alter von 12 bis 16 J., 1351 im Alter von 16 bis 18 J. befanden. Wenig erfreulich
sind auch die Zustände in Italien,
[* 10] wo jedenfalls mehrere hunderttausend Kinder unter 14 Jahren thätig sind. Nach der Zählung
von 1881 sind es 149 964 männliche und 159 413 weibliche, allerdings einschließlich der Lehrlinge.
Besonders zahlreich finden sie sich in der Seidenindustrie (1889: etwa 40000 Kinder unter 15 Jahren) und
im Schwefelbergbau Siciliens (1888 unter 27 897 Arbeitern 6753 Kinder unter 15 Jahren). Auch in Belgien
[* 11] sind specielle Industriezweige,
wie Bergbau
[* 12] und Textilindustrie, mit einer sehr großen Anzahl jugendlicher Arbeiter belastet. Die Steinkohlengewinnung beschäftigte
unter 44 757 Arbeitern 6346 Kinder unter 14 Jahren und 10 093 im Alter von 14 bis 16 J., die Textilindustrie
unter 71725 Arbeitern 6493 Kinder von 12 bis 14 J. und 10152 im Alter von 14 bis 16 J.
Über die neuerdings von fast allen Staaten gegen Ausdehnung
[* 13] der und zum Schutze des geistigen, sittlichen und natürlichen
Lebens der Kinder getroffenen gesetzlichen Bestimmungen s. Fabrikgesetzgebung und Dienstmiete.
Litteratur. Jules Simon, L'ouvrier de huit ans (Par. 1867);
Friedländer, Il lavoro delle donne e dei fanciulli (Rom
[* 14] 1886;
deutsch von C. Fleischer, Forbach
[* 15] 1887);
Conférence internationale concernant le réglement du travail aux établissements
industriels et dans les mines (Lpz. 1890);
Anton, Geschichte der preuß. Fabrikgesetzgebung (ebd. 1891);