mehr
alle laufenden Sachen nur mit den Schöffen erledigen solle, die jetzt aus einem Ausschuß der Gemeinde zu einem Richterkollegium wurden. Ferner suchte er dem Mißbrauch der Amtsgewalt durch regelmäßige Aussendung von außerordentlichen Beamten, Sendboten oder missi dominici, zu steuern, die auf Grund besonderer Anweisungen K.s (capitula missorum) in den überwiesenen Gauen Gerichtssitzungen zu halten, Klagen entgegenzunehmen und jede Art der Aufsicht zu führen hatten.
Ferner ermahnte er 811 die Geistlichen nachdrücklich, die
Bauern nicht wie bisher durch Vorspiegelung himmlischer Belohnung
zu verlocken, ihr Gut an
Kirchen und Klöster zu schenken. Aber K.s Bemühungen konnten die
Entwicklung nicht aufhalten: diese
Schenkungen an die
Kirche und die Lasten des
Staates erdrückten den
Stand der
Freien, und gegen Ende seiner
Regierung zeigte sich, daß die bisherige Grundlage des
Staates, der Unterthanenverband, in der
Zersetzung begriffen sei. Karl
steuerte
der
Not noch durch seine Persönlichkeit, durch die Sorgfalt, die er auf die
Verwaltung der
Staats- und
Kirchengüter verwandte; aber unter seinen Nachfolgern vollzog sich der Prozeß rasch; der Unterthanenverband fand jedoch
in dem Lehnsverband einen gewissen Ersatz.
Karl
hat erst als Mann und nie ordentlich schreiben gelernt, aber er verstand außer seiner hochdeutschen Muttersprache
auch das Volkslatein und das Schriftlatein. Er sammelte einen
Kreis
[* 2] von Gelehrten um sich (s.
Alkuin und
Einhard) und wußte sie für
die Hebung der
Bildung seines
Reichs, besonders seiner Geistlichen und der
Kinder seiner Hofleute
wie seiner eigenen in der sog. Hofschule, sowie bei der Regelung von
Maß und Gewicht, bei seinen Bauten, bei der Sammlung
und Erneuerung der Gesetze, für seinen Briefwechsel und seine
Staatsschriften u. s. w. zu benutzen. In
einer Art von Hofakademie kam er mit den Gelehrten seines
Hofs unter angenommenen
Namen zwanglos zusammen, um mit ihnen
Studien
zu treiben, wichtige Fragen zu behandeln und zu scherzen.
Groß von Gestalt und stark in seinen
Begierden, nicht ohne einen Rest von merowing. Roheit in seinen
Sitten, war Karl
doch auch der feinern Empfindungen fähig. Er fühlte sich als
Kaiser der
Römer,
[* 3] aber in erster Linie doch als
fränk. König; sein Wesen blieb deutsch wie seine
Sprache.
[* 4] Er herrschte gewaltthätig, aber in den Formen der fränk.
Verfassung,
er war kein
Despot und wurde kein
Römer. Für gewöhnlich kleidete er sich auch in fränk.
Weise:
Wams und
Hosen
[* 5] bis zum Knie,
Binden um die
Waden, an den Füßen Schuhe, nur zuweilen legte er röm. Gewand an. Er starb 28. Jan. 814 nach
kurzem Krankenlager und wurde in dem von ihm erbauten
Münster
[* 6] zu
Aachen
[* 7] beigesetzt.
Kaiser
Otto III. ließ
im J. 1000 sein
Grab öffnen, und
Kaiser
Friedrich I. erhob 1165 seine Gebeine und ließ ihn durch den (Gegen-)Papst Paschalis
III. heilig sprechen. Vermählt war Karl
viermal, mit
Desiderata, Tochter des
Desiderius, Hildegard,
Fastrada und Liutgard. Von
seinen drei ehelichen
Söhnen überlebte ihn nur
Ludwig der Fromme. Bekannt sind mehrere seiner Nebenfrauen
und deren
Kinder. -
Vgl. Vétault, Charlemagne (2. Aufl., Tours [* 8] 1880);
Böhmer, Regessta Imperii, Bd. 1 (neu bearb. von Mühlbacher, Innsbr. 1880-89);
Waitz, Deutsche [* 9] Verfassungsgeschichte, Bd. 3 u. 4 (2. Aufl., Kiel [* 10] 1883 u. 1884);
Jahrbücher
des
Fränkischen
Reichs unter Karl
d. Gr. (Bd.
1 von
Abel, in 2. Aufl. von Simson, Lpz. 1888; Bd. 2 von
Simson, ebd. 1883);
Mombert, Charles the Great (Lond. 1888);
Clemen, Die Porträtdarstellungen Karl
d. Gr.
(Aachen 1890).