in dem 1534 erschienenen Wörterbuch des
Rabbi Anschel. Da die
Sprache
[* 2] der Wissenschaft unter den
Juden das
Hebräische blieb,
so war die Litteratur dieses Jargons vorzugsweise eine populäre, daher diese
Sprache auch Weiberdeutsch genannt wurde, weil
vorzugsweise die jüd. Frauen gern solche
Bücher lasen. So waren sehr verbreitet dasMa'ase-Buch mit seinen 300
Geschichten
(1662), das
Buch Zenne Renne (z'êna urêna, «kommet und sehet»),
eine populäre israel. Geschichte (etwa 1600) u. s. w. Nicht
zu verwechseln ist mit dem J. die jüd.-deutsche
Sprache und Litteratur, d. h. das Schrifttum der Werke, die von
Juden in der
deutschen Schriftsprache ihres Zeitalters verfaßt sind. Diese Werke haben einen ganz reinen deutschen
Sprachcharakter. -
Vgl. J. C.
^[JohannChristoph] Wagenseil, Belehrung der jüdischen teutschen Schreibart (Königsb. 1699;
auch Nürnb. 1715 u. d. T. «Belehrung
der jüd.-deutschen Red- und Schreibart»);
Zunz, Gottesdienstliche Vorträge der
Juden (Berl. 1832);
Eine dem J. verwandte Erscheinung ist das Ladino, ein Mischdialekt auf span. Sprachgrundlage,
der besonders in der
Türkei
[* 3] und den Balkanländern verbreitet ist.
fälschlich
Anlauffrischen, die Modifikation der Frischarbeit (s. Eisenerzeugung,
Bd. 5, S. 926 a), bei der man einzelne
Brocken des gefrischten
Eisens zu
Stangen anschweißt und ausschmiedet.
in
Luthers Bibelübersetzung Bezeichnung der sog. Proselyten, d. h.
Heiden, die sich zur Verehrung des einen
Gottes bekehrt und dem jüd. Gottesdienst angeschlossen hatten.
Veranstaltungen zur
Bekehrung der
Juden zum
Christentum. Die vom Papst
Paul III. 1549 begründete
Anstalt in
Rom
[* 5] gehört zur Propaganda. Die kath. Konvertiten Ratisbonne haben in neuerer Zeit in
Frankreich und im
Orient eine
lebhafte Thätigkeit in Erziehungs-, Waisen- und Arbeitsanstalten für Judenkinder entfaltet. Protestantischerseits wurden
schon im Reformationsjahrhundert gelehrte
Beziehungen zu den
Juden unterhalten. Das Hallische Institutum
Judaicum blühte von 1728 bis 1760. (Vgl. de le Roi, Das Institutum Judaicum, Karlsr. 1884.)
Im 19. Jahrh. bildete sich zuerst 1809 ein
Verein für Judenbekehrung in England, der auf 38
Stationen 130
Lehrer und Missionare
hat; 1826 entstand in Basel
[* 6] der
«Verein der Freunde Israels», 1822 in
Berlin
[* 7] die «Gesellschaft zur
Beförderung
des
Christentums unter den
Juden», 1844 die «Rheinisch-westfälische Gesellschaft».
Frz.
Delitzsch
[* 8] begründete 1870 in
Leipzig
[* 9] den evang.-luth. Centralverein für Mission unter Israel, 1886 ein Seminar zur
Ausbildung
von Theologen für die J. Die
Übersetzung des
NeuenTestaments ins
Hebräische wurde seit 1875 in 40000 Exemplaren
verbreitet. Die Zahl der im 19. Jahrh. bekehrten
Juden wird auf 100000 geschätzt. Neuerdings ist in
Bessarabien unter Jos.
Rabinowitsch eine Art judenchristl. Gemeinden hervorgetreten, die den
Glauben an den Messias
Jesus und die Feier von
Taufe und
Abendmahl mit der
Beschneidung und andern jüd.-nationalenSitten für vereinbar halten. -
Die beste Litteratur über J. ist die von
Delitzsch und Faber begründete
Serie der
Schriften des Instititum Judaicum in
Leipzig
(bis 1893 erschienen 37 Nummern).
der
Glaube und der durch diesen bedingte
Inhalt der Religionsidee und Gesetze der
Juden. In ältester Gestalt
tritt uns das J. in der durch die Rückwanderung der deportierten
Judäer und Benjaminiten seit 536 entstandenen jüd.
Gemeinde entgegen, deren
Religion eine unter dem Einflusse prophetischer Ideen entstandene Umbildung der altisrael.
Religion
darstellt. Charakteristisch ist ihr, daß sie als Volksreligion bereits Züge der Weltreligionen besitzt.
Der nur in
Jerusalem
[* 12] durch den Opferdienst der Gemeinde zu verehrende Volksgott Jahwe gilt als Weltgott, alleiniger Gott,
Schöpfer und Erhalter der Welt. Aber nur seinem auserwählten
Volke hat er sich offenbart und seinen
Willen in dem Gesetze
Moses niedergelegt. Die innern
Widersprüche, die hierin liegen, wie die
Widersprüche zwischen dem religiösen
Besitze des jüd.
Volks und seiner gedrückten
Lage, finden nach dem
Glauben des ältesten J. ihren
Ausgleich durch das Weltgericht,
in dem Israels und Jahwes Feinde überwunden, Israels und Jahwes Macht für alle
Zeiten festgestellt werden.
Der
Besitz von Gesetz und messianischer Hoffnung ist charakteristisch für die älteste jüd.
Gemeinde. Diese
Entwicklung umfaßt die Zeit von der Rückkehr aus dem babylon. Exil bis zur macedon.
Herrschaft 536-332. Eine Krise bildete für das J. das Eindringen der griech.
Kultur. In
Palästina
[* 13] wie in den hellenistischen
Reichen beginnt sich das jüd.
Denken mit der griech. Kultur einzulassen; aber
während es in den hellenistischen
Ländern, insbesondere in
Alexandria, zu einer eigentümlichen Verschmelzung beider kommt,
wird in
Palästina der begonnene Prozeß jäh unterbrochen durch die gewaltsamen Versuche des
Antiochus
IV.
Epiphanes, die
Juden zu hellenisieren. Es kommt zu einer energischen nationalen Reaktion, durch die alles eingedrungene
Fremde ausgemerzt wird. Die Partei der
Pharisäer (s. d.) ist
Träger
[* 14] der religiösen Weiterentwicklung. Das religiöse Ideal
ist, das Gesetz im Leben des
Volks wie des Einzelnen
¶
mehr
immer völliger zur Herrschaft zu bringen und damit den Eintritt des Gottesreichs zu ermöglichen, in dem Israel herrschen
und die Güter der Welt genießen wird. Erreicht soll es werden durch peinlich genaue Regelung aller Erweisungen der Frömmigkeit
(Zaun um das Gesetz). Die Predigt Jesu, die die Vorstellungen vom Reiche Gottes ins Geistige und Ethische
umbildet und an die Stelle der Kleinigkeiten der Pharisäer das königl. Gesetz der Liebe setzt, vermag das jüd.
Volk nicht zu gewinnen.
Die Zerstörung Jerusalems (70 n. Chr.) beraubte das jüd. Volk des religiösen Mittelpunktes und des Kultes. Damit gewannen
die pharisäischen Rabbinen die Herrschaft über den Geist des Volks. Sie bilden das J. zu einer im Sinne
der alten Zeit kultlosen Gemeinschaft um, deren Glaube und Volkstum durch peinlich genaue Befolgung des mosaischen Gesetzes
in rabbinischer Deutung gewährleistet wird. Die hellenistische Judenheit findet teils den Weg in die christl. Kirche, teils
wird sie von den pharisäischen Rabbinen palästinisiert; den Niederschlag dieser geistigen Bewegung aber
bildet der Talmud. Es vollzog sich dieselbe in der Zeit vom Beginn der Ptolemäischen Herrschaft, 4. Jahrh.
v. Chr. bis ungefähr 500 n. Chr. Das Resultat war die Preisgebung der damaligen
Weltbildung, um die Selbständigkeit der Religion und der Nation zu retten. Die Grundlage, die das J.
im Laufe dieser Zeit durch den Talmud erhielt, hat sich ungeachtet des Widerspruchs der Karäer (s. d.) und anderer bald wieder
verschwundener Sekten bei der großen Mehrheit der Juden behauptet und im 6. bis 10. Jahrh. von Palästina und Babylonien, später
von Italien
[* 16] und Syrien aus sich über alle von Juden bewohnte Länder, soweit Nachrichten vorhanden sind,
verbreitet.
In der dritten Periode, vom 10. bis 16. Jahrh., drohte eine ähnliche Krise von seiten der den Juden durch die arab.-maur.
Kultur übermittelten Philosophie, die man mit der nationalen Religion zu versöhnen suchte. Die Altgläubigen setzten diesen
Versuchen, neben Bibel
[* 17] und Talmud noch eine andere Quelle
[* 18] der Wahrheit zuzulassen, heftigen Widerspruch entgegen,
der sich besonders gegen das klassischeWerk der philos. Richtung, den More nebuchim des Maimonides richtete. Diese Kämpfe
wurden besonders in Spanien
[* 19] und Südfrankreich ausgefochten. Daneben entwickelte sich gegenüber den christl.
Bekehrungsversuchen und Angriffen eine Litteratur der Apologetik und Polemik und die durch die jurist. Haarspaltereien
der Talmudisten und die theologischen der Religionsphilosophen unbefriedigten Gemüter warfen sich der mystischen Kabbala
(s. d.), der angeblichen Geheimlehre göttlicher Offenbarung, in die Arme.
In der vierten Periode, vom 16. bis gegen Ende des 18. Jahrh., verlegt sich der Schwerpunkt
[* 20] des J. in
die mittlern und östl. Länder Europas; der Westen dieses Erdteils war durch grausame Verfolgungen von
Juden fast entvölkert und die zahlreichen Keime höherer Entwicklungen waren vernichtet. Vom bürgerlichen Leben, vom Handwerk,
vom Landbau, von öffentlichen Ämtern, vom regelmäßigen Gewerbebetrieb ausgeschlossen, auf Kleinhandel und Geldgeschäfte
angewiesen, sah sich das J. zu immer schrofferer Selbstbehauptung genötigt, bereit, zur Rettung der
Religion und Nationalität jedes Opfer zu bringen. Wissenschaftliche Bearbeitungen der Religion traten unter dem Druck der
Zeiten in den Hintergrund; nur die nationale Litteratur, Talmud und Hagadah,
ward mit Zähigkeit festgehalten.
Die mit der sog. Aufklärungsperiode beginnende Entwicklung des modernen J. ward durch Moses Mendelssohn
eingeleitet, der, wie er selbst mit den christlichen litterar. GrößenDeutschlands
[* 21] den freundschaftlichsten Verkehr pflegte,
so auch das J. von der veralteten Sitte loszureißen und einer freiern humanen Bildung entgegenzuführen sich bemühte. Freilich
ging es auch diesmal nicht ohne innere Kämpfe ab, die bis auf den heutigen Tag noch nicht geschlichtet
sind.
Heftig widerstrebte die orthodoxe Richtung den Änderungen des Gottesdienstes und der alten Sitten, wenn auch die strengste
Aufrechthaltung der letztern innerhalb der Kulturnationen Europas sich als eine Unmöglichkeit erwies. Der eifrigste Verteidiger
der orthodoxen Richtung, S. R. Hirsch
[* 22] (gest. 1888), sah sich genötigt, die veralteten Formen
durch Allegorisierung für die veränderte Zeitbildung genießbar zu machen (vgl. Dalman in der
Zeitschrift «Nathanael», Berl. 1891, I, S. 25-32).
Eine wissenschaftliche Vertretung hat diese Richtung in dem «Rabbiner-Seminar für das orthodoxe J.» in Berlin seit 1873 gefunden.
Ihr gehören an Israel Hildesheimer,
[* 23] A. Berliner
[* 24] u. a. Ihr wissenschaftliches Organ ist das «Magazin für
die Wissenschaft des J. (bis 1892 19 Jahrgänge). Die Reformpartei ging anfangs in ihren Vertretern Holdheim inBerlin, L. Philippson
in Magdeburg
[* 25] u. a. etwas radikal vor. Ihr wissenschaftlich bedeutendster Vertreter war A. Geiger (s. d.). Das Wiederaufleben
jüd. Wissenschaft, eingeleitet durch die Arbeiten von S. J. ^[Salomo Juda] Rapoport (gest. 1867) undL.
Zunz (gest. 1886),L. Löw (gest. 1875) u. a.,
mahnte dazu, die eigentümlichen Schätze jüd. Vergangenheit nicht leichthin über Bord zu werfen. Eine vermittelnde reformistische
Richtung entstand und fand ihre Vertretung vorzugsweise im Breslauer Rabbiner-Seminar (Fränkelsches Stift) durch Männer wie
Z. Frankel, H. Graetz, J. ^[Jacob] Bernays, D. Rosin u. s. w., sowie in der Landes-Rabbinerschule zu Budapest,
[* 26] wo W. Bacher, D. Kaufmann und der hervorragende Arabist I. ^[Ignaz] Goldziher wirken. Ihr litterar. Organ ist die »Monatsschrift
für Geschichte und Wissenschaft des J." (37 Jahrgänge; Breslau).
[* 27] Die Geigersche Richtung ist in der Berliner Hochschule für
die Wissenschaft des J. vertreten. - Eine allgemein für alle jüd. Gemeinden
entscheidende Instanz, die über diese Richtungen das letzte Wort zu sprechen hätte, giebt es innerhalb des J. nicht.
Auch die Rabbinerversammlungen von 1844, 1868, 1884 u. s. w. haben eine solche nicht sein
wollen. Das J. ist dem Gesetz der freien geschichtlichen Entwicklung überlassen. Äußern Zwang gegen
seine Anhänger kennt es nicht. GroßeMassen bröckeln infolgedessen ab. Ob es noch einmal die Macht entwickeln wird, wie zur
Zeit des Talmuds durch freiwillig übernommenen Zwang seine Glieder
[* 28] zusammenzuhalten, muß die Zukunft zeigen. (S. auch Juden
und Jüdische Litteratur.)
Die Glaubenssätze des J. sind behandelt worden in neuester Zeit von Stein (3 Tle., Mannh. 1876 fg.) u. a.
Außerdem vgl. A. Geiger, Allgemeine Einleitung in die Wissenschaft des J. (hg. von seinem Sohne Ludw. Geiger, Berl. 1875);
Wahrmund,
Babyloniertum, J. und Christentum (Lpz. 1882);