Thätlich-869 keiten. Der Gegensatz spitzte sich besonders in der letzten Sitzung (1892/93) zu. Das
Unterhaus verweigerte
die Bewilligung für den
Bau von
Kriegsschiffen, weil es zum jetzigen Marineministerium kein Vertrauen habe. Da keine Einigung
zu stande kam, richtete das
Unterhaus eine
Adresse an den
Kaiser und legte in derselben seine
Gründe für
die
Ablehnung und
Beschwerden dar. Die Antwort erfolgte sehr bald. Er ermahnte das Parlament zu einmütigem
Handeln mit dem
Ministerium, man könne nicht sparen, wo es sich um die Verteidigung des
Landes handle. Um die
Mittel trotz des ablehnenden
Votums des
Unterhauses zu beschaffen, befahl er allenBeamten, ein Zehntel ihres Gehaltes auf 6 Jahre abzugeben,
er selbst stellte ebenfalls den zehnten
Teil seiner Einkünfte zur
Verfügung.
Der Ministerpräsident
Graf Ito versprach außerdem, die thunlichsten
Beschränkungen und Ersparnisse in der
Verwaltung einzuführen.
Die Opposition im
Unterhaus drängt auf eine parlamentarische Regierung, wie sie in England besteht, hin und
richtet ihre
Angriffe gegen die einseitige Zusammensetzung des Ministeriums aus den Mitgliedern der südl.
Clane Satsuma, Nagato und
Tosa. Was die Territorialveränderungen in neuester Zeit anbetrifft, so wurde 1875 der südl.
Teil der
Insel Sachalin an
Rußland abgetreten und dafür der größte
Teil der
Kurilen eingetauscht;
ferner wurden in demselben Jahre
die Liu-Kiu-Inseln, die bis dahin den Herrscher J.s nur als ihren Lehnsherrn anerkannt hatten, unter dem
Namen Okinawaken
dem
JapanischenReiche einverleibt;
der König dieser Gruppe, Shotai, wurde nach
Tokio
[* 2] berufen und ihm hier einPalast
zum Aufenthalt angewiesen.
Die
Beziehungen zu den europ. Mächten waren gute und wurden auch nicht getrübt durch das
Attentat,
das ein fanatischer Polizist bei dem Besuche des russ. Thronfolgers (1891) in Otsu am Biwasee
auf diesen machte, wobei er den Prinzen leicht verwundete. Wiederholt besuchten auch nahe Verwandte des japan.
Kaisers die
Höfe Europas. Das
Deutsche Reich
[* 3] machte
Jokohama zu einer Flottenstation und erbaute hier ein Marinelazarett.
Litteratur zur japanischen Geschichte. Fast jedes ausführlichere Werk über J. enthält einen Abriß der Geschichte
(s. oben S. 862 b). Le
[* 4] J. à l'Exposition universelle (1878);
Adams, Historyof J. (Lond. 1874–75; deutsch
Gotha
[* 5] 1876);
Die neueste
Zeit allein behandeln: Moßmann, New J. (Lond. 1873); Satow, Kinsei Shiryaku
(Jokohama 1873). Die
Verträge J.s mit dem
Auslande
finden sich in einer von der japan. Regierung veranstalteten
Ausgabe
(Tokio 1884).
Ente, eine 1878 aus
Japan
[* 6] eingeführte große
Ente, die alle andern Entenschläge an
Größe übertrifft, mit
langem Körper und verhältnismäßig langem
Halse und daher sehr aufrechter Haltung, von stockentenähnlicher Färbung. Ob
sie ein sich konstant vererbender Entenschlag ist, ist nicht endgültig entschieden.
Kunst. Die handelspolit.
Verbindungen, welche
Japan in letzter Zeit mit Europa
[* 7] angeknüpft hat, haben nicht
nur neue Aufschlüsse über
seine staatlichen Verhältnisse und Kultur gebracht, sondern auch insbesondere den
Blick auf die
Kunst und
Industrie jenes ostasiat. Inselreichs gelenkt. Bis dahin ging die Kenntnis nicht hinaus über
eine Anzahl Lackarbeiten und einiges Porzellan, das man nicht einmal vom chinesischen zu unterscheiden vermochte. Nun hat
man mit Erstaunen gesehen, daß in
Japan eine Kunst vorhanden ist, die selbst eine Geschichte besitzt, eine Kunst, die sich
zwar mit einer gewissen
Bizarrerie der europ. Kunst direkt entgegenstellt, sich aber durch
eine scharfe
Beobachtung der Natur und charakteristische Wiedergabe derselben auszeichnet. (Hierzu die
Tafeln: Japanische KunstI und II.) 1)
Baukunst.
[* 8]
Unsere Kenntnis des japan.
Baustils ist noch ziemlich gering; er ist stark vom chinesischen beeinflußt, doch ist er unentwickelter,
aber auch reiner in seinen Formen geblieben als dieser. Die
Tempel
[* 9] (Mia), auf Hügeln oder in der Mitte
von Hainen gelegen, sind von Kapellen, sämtlich auf
Stäben stehend, von verschiedener Gestalt umgeben; ihre Dächer sind
weit ausladend, geschweift und mit Ziegeln oder Kupfer
[* 10] gedeckt. Die
Wohnhäuser,
[* 11] meist aus Holz,
[* 12] haben fast alle nur ein
Stockwerk
oder wenigstens ein niedriges zweites; die Zimmer sind bloß durch span.
Wände getrennt, können daher vergrößert oder verkleinert werden.
2) Malerei. Die japan. Malerkunst ist chines. Ursprungs
und wird auf einen chines.
Maler, Nanriu oder Shin-ki, der sich im 5. Jahrh. n.Chr. in
Japan niedergelassen hat, zurückgeführt.
Durch die im 6. Jahrh. erfolgte Einführung des Buddhismus erhielt die
Malerei einen mächtigen und nachhaltigen Impuls. Die bis auf den heutigen
Tag in dem
Tempel Hōriūji in Nara erhaltenen buddhistischen
Wandmalereien gelten für das älteste
Denkmal aus jener Zeit. Zunächst verblieb die Malerei ausschließlich in den
Händen
von
Chinesen und Koreanern.
Unter den einheimischen Künstlern der ältesten Zeit nimmt Kose-no Kanaoka (8. Jahrh.)
die ersteStelle ein, dessen bedeutendste Schöpfung, das
Bildnis des Shotoku Daishi, noch heute im
Kloster Ninnaji in
Kioto aufbewahrt
wird. Seine Nachkommen lassen sich
bis in das 15. Jahrh. verfolgen und zeichneten sich besonders als
Maler buddhistischer
Stoffe
aus. Allmählich wandten sich die japan.
Maler auch nationalen
Stoffen zu, so Sō-ken, während die buddhistische
Kunst, Butsu-ye, bis auf die Gegenwart herab ihre eigenen Pfade gewandelt ist und in Chō Densu (gest.
1427) ihren Höhepunkt erreichte.
Japanische Kunst
* 14 Seite 59.872.
Die buddhistische Malerei unterscheidet sich von den weltlichen Schulen, abgesehen von den behandelten Gegenständen, besonders
durch das Streben nach Farbenpracht und dekorativem Effekt, so unter anderm durch die Einführung und
reichliche Verwendung von
Gold.
[* 13] Die Gründung der nationalen Malerschule, Yamato-riū genannt, wird auf Kasuga Motomitsu (11.
Jahrh.) zurückgeführt. Im 13. Jahrh. nahm diese Schule von
ihrem damaligen Hauptvertreter Fujiwara-no Tsunetaka den
NamenTosa an, welchen sie seitdem auch behalten
hat. Sie behandelt mit Vorliebe
Stoffe aus der einheimischen Sage und Geschichte. Zu ihren Eigentümlichkeiten gehört die
große Zartheit der Zeichnung (bedingt durch die besondere Feinheit der von den Tosamalern gebrauchten Pinsel), eine ausgesprochene
Vorliebe für das
Detail und eine gewisse konventionelle Manieriertheit in der Behandlung menschlicher
[* 1]
Figuren. Zu ihren
¶
mehr
870 namhaften Meistern gehören Mitsunobu (1496–1593) und dessen Sohn Mitsushige (gest. 1560), deren
Nachkommen bis auf die Gegenwart im Dienste
[* 15] der Kunst gewirkt haben. Bereits im 14. Jahrh.
macht sich durch die Wiedergeburt der chines. Schule eine Gegenströmung gegen die nationaljapan.
Richtung geltend. Jōsetsu, ein Priester in Kioto, zugleich ein gediegener Kenner der berühmten chines.
Maler aus den Zeiten des Sung und der Yuen, gründete in dem Tempel Sōkokuji eine Malerschule, welche den chines. Stil zum Vorbilde
nahm.
Als das eigentliche Haupt dieser Schule ist Shiu-bun, ein Schüler und Zeitgenosse des Jōsetsu, anzusehen, während die beiden
übrigen hervorragendsten Schüler des letztern, Sesshiu und Masanobu, durch ihre stärker ausgeprägte
Eigenart selbst Begründer neuer Schulen wurden. Sesshiu (1421–1507) hatte vor seinem Meister den Vorzug voraus, die chines.
Kunst in ihrer Heimat studieren zu können; seine eigentliche Bedeutung liegt auf dem Gebiete der Landschaftsmalerei.
Die nach ihm benannte Schule erhielt sich bis in das 17. Jahrh. Einer größern Berühmtheit hatte sich
jedoch die Kanoschule zu erfreuen, die auf Kano Masanobu (1424–1520) zurückgeführt wird; doch war sein Sohn Kano Motonobu
(1477–1559) dem Vater an Bedeutung weit überlegen. Motonobu legte weniger Gewicht auf die Farben als auf die kalligraphische
Feinheit und Sicherheit der Zeichnung. Nächst ihm war Kano Morinobu (1602–72), bekannter unter dem
NamenTan-yu, der hervorragendste unter den Malern dieser Schule (s. Taf. I,
[* 14]
Fig.
3), welche übrigens gegenwärtig noch besteht.
Unabhängig von dem chines. Geschmack hatte sich bereits im 12. Jahrh. eine RichtungBahn gebrochen, welche mehr als irgend
eine der erwähnten Schulen den Stempel der japan. Geistesrichtung an sich trägt, die sog. Toba-ye, welche
dem Toba Sōjō, einem Priester des KlostersToba-no In, ihr Dasein verdankt. Den Inhalt ihrer meist humoristisch-satir. Darstellungen
bilden Vorgänge des täglichen Lebens, sowohl des politischen als des Volkslebens. Der Einfluß, den gerade diese Richtung
auf die moderne Malerei der Japaner, insbesondere die von Iwasa Matahei (Anfang des 17. Jahrh.) begründete
Ukiyo-ye-riū oder volkstümliche Schule (ukiyo-ye heißt weltliche oder profane Malerei) ausgeübt hat, ist unverkennbar.
Unter den Malern, welche dieser Schule angehören, ist Hokusai (1760–1849) einer der populärsten und auch in Europa wohlbekannt
und geschätzt (s. Taf. I,
[* 14]
Fig. 5). Sodann ist die
von Maruyama Okio (1733–95) begründete Shijōschule zu erwähnen, deren Bestreben, zwar unter Beibehaltung der chines.
Malweise, vor allen Dingen auf ein eingehendes Studium der Natur gerichtet ist. Ihr gehörte u.a. Kikuchi Yōsai (1787–1878)
an, der sich besonders durch Bildnisse bekannt gemacht hat.
Endlich sind unter den Malern des 19. Jahrh. noch zu nennen: Toyosuki
(s. Taf. I,
[* 14]
Fig. 4), Soscho Kansin (s. Taf. I,
[* 14]
Fig. 7), Rinsen und Kien (s. Taf. I,
[* 14]
Fig. 6). Eine große Bedeutung hat die japan.
Malerei auch für die Dekoration, die Bemalung von Fächern, Wandschirmen (s. Taf. I,
[* 14]
Fig.
2), Tapetenu. dgl. (s. auch Taf. I,
[* 14]
Fig.
1).
Vgl. W. Anderson, Descriptive and historical catalogue of a collection of Japanese andChinesepaintings in theBritishMuseum (Lond. 1886);
ders., The pictorial arts ofJapan (4 Tle., ebd. 1886);
3) Kunstgewerbe. Das japan. Porzellan
(s. Taf. II,
[* 14]
Fig. 10 u. 12) ist erst im 16. Jahrh. entstanden, durch chines.
Einfluß auf dem Wege über Korea; es verhielt sich daher in erster Zeit dem chinesischen gegenüber nachahmend, sowohl hinsichtlich
der bizarren Ornamente
[* 16] und
[* 14]
Figuren, als auch der phantastischen Tiergebilde. Es
sind daher diese ältern ArbeitenJapans von den chinesischen schwer zu unterscheiden. Aber ihr eigenartiger Sinn führte die
Japaner auch in der Gestaltung des Porzellans ihre eigenen Wege, wenngleich eine gewisse Verwandtschaft und Nachahmung
beiderseits noch ferner erkennbar blieb.
Auch der Japaner ist bizarr, aber doch weniger als der Chinese. Dabei ist er geistreicher, ein schärferer
Beobachter der Natur und zur Selbstironie, zur bewußten Karikatur geneigt. Bei der Dekoration des Porzellans sind unter
den Blumen die Päonien und das Chrysanthemum begünstigt, dann die roten und weißen Blüten einer Pflaumenart (s. Taf. II,
[* 14]
Fig. 12); unter den Tieren die Schildkröte, das Symbol des langen Lebens, und der Kranich, in dessen Darstellung
die japan. Kunst niemals ermüdet.
Von den Arten des japan. Porzellans ist die älteste diejenige, welche in der zweiten Hälfte des 17. Jahrh.
zu Arita in der Provinz Hizen, daher auch Arita-Porzellan genannt, gefertigt wurde, es sind zierliche
Gefäße von weißer Masse, auf deren Flächen Bambusstauden, Blumen und Blätterzweige, bunte Vögel,
[* 17] reich gekleidete Menschen
fein und maßvoll sich dargestellt finden. Eine zweite Art aus der Provinz Hizen, daher Hizen-Porzellan genannt, das weniger
fein, aber sehr dekorativ ist, hat noch eine größere Berühmtheit und auch eine größere Verbreitung erlangt,
da es im 18. Jahrh. für die vornehmen und fürstl.
Tafeln sehr gesucht war. Dekoriert in Blau, Rot undGold und vorzugsweise geschmückt mit Päonien und Chrysanthemen, hat es
von europ. Sammlern die Bezeichnung Famille chysanthémo-péonienne erhalten, als Seitenstück zur Famille verte und Famillerose der Chinesen. Man hielt es damals irrtümlich für chinesisch. Reicher, origineller, auch naturalistischer
in der Verzierung sind die rotgoldenen Porzellane von Kaga und die Arten von Kioto und Satsuma. Die letztern aber, die Arbeiten
von Satsuma (s. Taf. II,
[* 14]
Fig. 4), Gefäße von überaus großer Kühnheit in der Verzierung mit plastischen
[* 14]
Figuren und Reliefs
und von außerordentlicher Feinheit in der mit Gold geführten Zeichnung und Malerei, gehören schon nicht
mehr zum eigentlichen und echten Porzellan, sondern bilden mit ihrer gelblichen Masse einen Übergang zu den Fayencen oder
glasierten Thonarbeiten, in denen sich der künstlerische GeistJapans noch freier und origineller als im Porzellan entwickelt
hat.
Lange unbeachtet, sind sie jetzt hochberühmt unter den Kennern und Freunden der japan. Kunst.
Eigentümlich sind den Japanern zwei besondere Arten von Porzellangefäßen, die einen, welche mit schwarzem oder rotem Lack
und darauf angebrachter Bemalung ganz überzogen sind (s. Taf. II,
[* 14]
Fig. 7 u. 11), die andern, die mit Zellenschmelz
überdeckt sind. Die letztere Art ist neuere Erfindung. Einen guten Überblick über die Entwicklung der japan. Porzellanfabrikation
bietet die Sammlung im Berliner
[* 18] Kunstgewerbemuseum. –
Vgl. Audsley und Bowes, La céramique japonaise (Par. 1877–80);
Alcock, Art and art-industries inJapan (Lond. 1878);