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dien-865 ten die sog. jüngern Reichsräte (wakadoshijori) als Vorsteher der einzelnen Verwaltungszweige. Die Macht dieses Reichsrates war sehr groß und nahm in dem Maße zu, als die Herrschergewalt der Shogune beschränkter wurde. Der Reichsrat überwachte den Shogun, um bei ihm nicht die leiseste Regung zu polit. Reformen aufkommen zu lassen, während zugleich jedes seiner Mitglieder durch alle übrigen scharf beobachtet wurde. Er hielt sich von dem wirklichen Zustande des Reichs bis in dessen fernste Winkel [* 2] durch kontrollierende Beamte fortwährend genau unterrichtet.
Die richterliche Macht war nicht von der Verwaltung getrennt. Die Gesetze waren sehr kurz und bestimmt, viele davon auch einem jeden Japaner seit seiner frühesten Jugend wohlbekannt; die Rechtsprechung außerordentlich streng, aber unparteiisch. Auf schwere Verbrechen stand Todesstrafe. Bei Verbrechern, die der Kriegerkaste angehörten, fand das Harakiri (s. d.), das Bauchaufschneiden, statt. Auf leichtere Vergehen standen Leibes-, Freiheits- und Vermögensstrafen. Zu den Freiheitsstrafen gehörte häufig Verbannung nach bestimmten Inseln (Hadschidscho, Sado u.s.w.).
Mit Ausnahme von 5 Kronlandschaften und einigen Städten und Gebieten zerfiel das Reich in die Länder der Reichsvasallen (Daimio), deren Anzahl ursprünglich den 68 Landschaften entsprach, worin die acht großen Hauptprovinzen (Do, d. h. Wege) geteilt wurden. Die Einkünfte des Shogun bestanden in dem Ertrage der Kronlandschaften sowie dem der genannten Reichsstädte, dem Tribut der Daimio, dem Ertrage der Minen und Bergwerke sowie endlich dem Überschusse aus dem Handel mit den Niederländern und Chinesen. In materieller Hinsicht war der Einfluß der neuen Verfassung glücklich. Mehr als zwei Jahrhunderte herrschte vollkommene Ruhe, und die Wohlfahrt des Landes sowie die Bevölkerung nahmen stetig zu. Die Bevölkerung zerfiel in bestimmte, aber keineswegs so schroff wie die ind. Kasten voneinander geschiedene Klassen:
1) die Daimio, die nach der Größe ihres Besitzes in verschiedene Klassen zerfielen;
2) die Samurai, ebenfalls in verschiedene Klassen zerfallend; aus ihnen gingen Offiziere, Beamte und Soldaten hervor;
3) die Priester des Shinto und Buddhismus, Ärzte, Gelehrte, Künstler u.s.w., insofern sie nicht Beamte des Shogun und der Daimio waren, wodurch sie höhern Rang und wie die Samurai das Recht, zwei Säbel zu tragen, erhielten;
4) Landleute;
5) Handwerker, Schiffer, Fischer u.s.w.;
6) Kaufleute. Alle diese verschiedenen Klassen hatten ihre bestimmten Rechte. Der Übergang aus einer niedern in eine höhere Klasse, persönlicher Verdienste wegen, war nicht ausgeschlossen. In der Regel ging das Amt, der Erwerbszweig und die Lebensbeschäftigung des Vaters auf den Sohn über. Außerhalb des Verkehrs mit der übrigen Bevölkerung [* 3] und mit ihr «in keiner Gemeinschaft des Feuers und Wassers» stehend, als «unrein» verachtet und gemieden, waren die Eta, eine Art von Paria, die sich mit dem Abdecken des gefallenen Viehs, der Lederbereitung u.s.w. beschäftigten. Aber auch sie hatten ihre Rechte, und ihr Haupt wurde selbst an dem Neujahrstage in den Palast des Shogun zugelassen, um diesem ein paar Ledersandalen zu überreichen.
Die Regierung des Shogun hatte bis zur Mitte des 19. Jahrh. alle Ansuchen auswärtiger Mächte, mit J. in Handels- und Freundschaftsbeziehungen zu treten, mit Entschiedenheit zurückgewiesen. Die Engländer, die 1674 nach J. kamen, um ihre frühern, 1623 freiwillig aufgegebenen Handelsverbindungen mit diesem Lande wieder anzuknüpfen, wurden abgewiesen. Das widerfuhr auch dem russ. Gesandten Laxmann 1782 und Krusenstern, der sich vom bis ohne etwas zu erreichen, in der Bai von Nagasaki aufhielt.
Ebenso erfolglos blieben neuere Versuche der Engländer 1803 und 1811. Dessenungeachtet aber war seit der Erwerbung Kaliforniens durch Nordamerika [* 4] und dem Entstehen von San Francisco, seit der teilweisen Erschließung Chinas infolge des Friedens von Nanking 1842 und der großen Zunahme des Walfischfangs durch engl. und nordamerik. Schiffe [* 5] in den japan. Meeren mit Sicherheit vorauszusehen, daß die Regierung zu Jedo sehr bald nicht mehr im stande sein würde, das System der Abschließung von der Außenwelt aufrecht zu erhalten.
Den Nordamerikanern war es vorbehalten, durch eine aus acht Kriegsschiffen bestehende und von Kommodore Perry geleitete Expedition die verschlossenen Pforten des Japanischen Reichs zu öffnen. Perry war zuerst am in Uraga, nicht weit vom heutigen Jokohama, gelandet und überbrachte einen Brief des Präsidenten der Vereinigten Staaten, [* 6] worin dieser um einen Freundschafts- und Handelsvertrag mit J. bat. Am wurde endlich zu Kanagawa der Vertrag zwischen J. und Nordamerika abgeschlossen, dessen Ratifikationen zu Shimoda ausgewechselt wurden.
Die amerik. Schiffe erhielten Zugang zu Shimoda auf der Halbinsel Isu und Hakodate auf Jesso. Ein von den Engländern zu Nagasaki den Japanern abgedrungener und ratifizierter Vertrag öffnete außer den genannten Häfen auch noch Nagasaki. Dieselben Häfen wurden auch den Russen in einem zu Nagasaki geschlossenen und ratifizierten Handels- und Grenzvertrag geöffnet. Den erwähnten Verträgen folgten bald nachher neue, und zwar mit Nordamerika ratifiziert zu Washington [* 7]
mit den Niederländern und
mit Frankreich ratifiziert Den Vertragsmächten wurden vom an die Häfen Hakodate, Nagasaki und Jokohama an Stelle von Kanagawa, vom an Niigata, vom an auch Hiogo (Kobe) und Osaka geöffnet.
Den Ausländern ward erlaubt, an den genannten Orten Grundbesitz zu erwerben und Handel ohne Zwischenkunft japan. Beamten zu treiben, Häuser und Kirchen zu bauen, ihre Religionsgebräuche auszuüben, auch vom an sich des Handels wegen an einem begrenzten Platze in Jedo niederzulassen. Ihre Gesandten und Konsuln üben über die Unterthanen ihrer Länder Jurisdiktion aus und sollen das Innere des Landes bereisen können. Von der Einfuhr ward nur Opium, von der Ausfuhr nur gemünztes Kupfer [* 8] ausgeschlossen. Unter gleichen Bedingungen schlossen auch Portugal [* 9] 1860 und Preußen [* 10] durch Graf Eulenburg für sich und den Zollverein und die Schweiz [* 11] Handelsverträge mit J. Später folgten Handelsverträge mit Belgien [* 12] 1866, mit Schweden [* 13] und Norwegen 1868, mit dem Norddeutschen Bunde 1868, mit Österreich-Ungarn [* 14] 1869 sowie mit den Sandwichinseln und China. [* 15] Die nach dem Sturz ¶
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866 des Shogunats und Wiederherstellung der Kaisermacht abgeschlossenen Verträge mit Korea (1876), Mexiko [* 17] und Nicaragua [* 18] (1892) enthalten wesentlich andere, für J. günstige Bestimmungen. Mit dem Abschluß schon der ersten dieser Handels- und Freundschaftsverträge hörte auch das von dem dritten Shogun der letzten Dynastie, Jemits, für die Japaner erlassene Verbot, ihr Vaterland zu verlassen, auf. Seit dieser Zeit befinden sich viele Japaner im Ausland, um fremde Einrichtungen und ausländische Wissenschaft kennen zu lernen.
J.s Arbeiter und Kaufleute befinden sich jetzt in größerer Anzahl in Hawaii, Amerika, [* 19] China, Korea u.s.w. Schon 1860 besuchte eine Gesandtschaft des Shogun Nordamerika und eine zweite mehrere europ. Höfe. Die Folge dieses gänzlich veränderten Verhältnisses des Japanischen Reichs zu dem Auslande war aber der Sturz des Shogunats. Sehr bald machte sich eine der Regierung zu Jedo feindliche Partei geltend, an deren Spitze die mächtigern der Daimio des Südens, z. B. von Choshu (Nagato), Satsuma, Hizen und Tosa standen.
Sie näherten sich mehr und mehr dem Kaiser als ihrem ursprünglichen Lehnsherrn, indem sie die Eröffnung des Reichs durch die Regierung in Jedo für einen willkürlichen Eingriff in die Rechte des Kaisers erklärten, wodurch das Shogunat sich selbst seiner Rechtsstellung beraubt habe. Sie hofften zugleich durch den Sturz des Shogunats zu ihrer frühern Selbständigkeit zurückzugelangen. Der Fremdenhaß, von diesen Daimio geschürt, fand seinen Ausdruck in einer Reihe von Mordthaten, deren Opfer verschiedene Fremde waren. Am Abend des wurde Heusken, Sekretär [* 20] und Dolmetscher der nordamerik.
Gesandtschaft, in einer Straße von Jedo erschlagen, und fand ein nächtlicher Angriff auf die Wohnung des engl. Gesandten statt, wobei 23 Personen, darunter zwei Engländer, verwundet wurden. Am wurden die Engländer Lenox Richardson, Clarke, Marshall und Mrs. Borodaile auf einem Spazierritte zwischen Kanagawa und Kawasaki in der Nähe von Jokohama von dem Gefolge des Fürsten von Satsuma angegriffen und Richardson erschlagen.
Die Stellung der Europäer wurde immer unsicherer und bedenklicher. Hierzu trug wesentlich die zunehmende Schwäche der zwischen den Parteien schwankenden Regierung des Shogun bei. Die von ihr zum Schutze der Ausländer erlassenen Befehle wurden nicht nur von den den Fremden feindlichen Daimio wenig beachtet, sondern aus ihrer eigenen Haltung ging auch unzweideutig hervor, daß sie es mit den Handels- und Freundschaftsverträgen keineswegs aufrichtig meine. Im März 1863 verlangte Lord Russell, daß der engl. Gesandte bei dem Shogun darauf dringen solle, daß die Regierung wegen des Angriffs auf die engl. Gesandtschaftswohnung Abbitte und zugleich einen Schadenersatz leiste, den Erben von Lenox Richardson wegen dessen Ermordung aber eine größere Summe auszahle und zugleich den Daimio Shimasu, der die Veranlassung dazu gegeben, bestrafe.
Der ersten Hälfte der Forderung des engl. Ministeriums entsprach die Regierung, allerdings erst, nachdem die Mächte eine drohende Haltung angenommen hatten; die Bestrafung des Shimasu aber widerstrebte ihr und war unmöglich, da er sich bei seinem mächtigen Pflegesohn und Verwandten in Satsuma aufhielt und dieser die Auslieferung seines Verwandten verweigerte. Am zeigte der Reichsrat den europ. Gesandten und Konsuln an, der Shogun habe von dem Kaiser, dem eigentlichen Gebieter über J., die Weisung erhalten, die den fremden Mächten geöffneten Häfen wieder zu schließen.
Die Vertreter des Auslandes gaben aber nicht nach und erhoben formellen Protest gegen eine Schließung. Der engl. Admiral Kuper rückte im August desselben Jahres vor Kagoshima, die stark befestigte und gut verteidigte Hauptstadt des Fürsten von Satsuma, um die Bestrafung des Shimasu Saburo selbst durchzusetzen, mußte aber bald wieder abziehen. Die Auslieferung des Shimasu unterblieb, dagegen bezahlte Satsuma später die verlangte Summe. Im folgenden Jahre wurden von dem Daimio von Nagato in der Straße von Shimonoseki, zwischen Kiushu und der Hauptinsel, Feindseligkeiten gegen europ. Schiffe verübt.
Infolgedessen rückte im Sept. 1864 ein aus engl., franz., holländ, und nordamerik. Schiffen bestehendes Geschwader unter dem engl. Admiral Kuper vor Shimonoseki, zerstörte die Festungswerke, führte sämtliche Kanonen weg und zwang den Fürsten von Nagato, die Straße von Shimonoseki für alle Zeiten offen zu halten und mehrere Millionen Dollar Kriegsentschädigung zu zahlen. Hierauf begaben sich die Repräsentanten der vier Mächte mit der Flotte vor Jedo, wo sie nach einer Konferenz mit dem Reichsrate (5. und 6. Okt.) erwirkten, daß die Regierung des Shogun die Garantie für die von dem Fürsten von Nagato zu zahlende Kontribution übernahm, ihn seiner Würden entsetzte, den fremden Gesandten das Recht zugestand, sich in Jedo aufzuhalten, und sich zugleich verpflichtete, den Kaiser zur Anerkennung der von dem Shogun geschlossenen Verträge zu bewegen. Die feste Haltung der fremden Diplomaten sowie die Berichte der aus Europa [* 21] heimgekehrten Mitglieder der erwähnten Gesandtschaft, die die Überlegenheit der europ. Civilisation darthaten, hatten bei der Mehrzahl der Daimio eine Sinnesänderung zur Folge und bewogen den Kaiser, gegen Ende 1865 im allgemeinen seine Zustimmung zu geben.
Die Machtlosigkeit der Regierung zu Jedo wurde von Tag zu Tag deutlicher, besonders als sie 1866 in einer kriegerischen Expedition gegen Nagato den kürzern zog; in gleichem Maße aber erstarkte das Ansehen und die Macht des Kaisers dadurch, daß sich die mächtigern Daimio des Südens immer fester an ihn anschlossen. Mitten in dieser Zeit der äußersten Verwirrung starb der damalige Shogun und Prinz Hitotsbashi, ein kluger, freisinniger und für den Verkehr mit dem Ausland gestimmter Mann, wurde Haupt der Tokugawa-Familie und bald darauf Shogun. Es wurde ein Gesandter nach Petersburg [* 22] geschickt, um mit der russ. Regierung ein Übereinkommen über die Rußland und J. gemeinschaftlich gehörende Insel Sachalin zu treffen. Es kam zu einem vorläufigen Vertrag, der 1875 dadurch, daß J. seine Ansprüche auf Sachalin aufgab und dafür die russ. Kurilen erhielt, seinen festen Abschluß bekam. Alsdann trachtete der Shogun die mit den fremden Mächten geschlossenen Verträge vollständig zur Ausführung zu bringen und namentlich den Kaiser zu bewegen, endlich den Hafen Hiogo und die Stadt Osaka dem fremden Verkehr zu öffnen. Dies fand, zugleich mit der Öffnung des Hafens von Jedo, statt. Inzwischen war zu Kioto der Kaiser Komei tenno gestorben ¶