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864 der andere in Joshino existierten. Am Ende des 13. Jahrh. fanden mehrere erfolglose Einfälle der Mongolen unter Chublai Chan statt, die Marco Polo, der am Hofe Chublais lebte, veranlaßten, das in Europa [* 2] noch gänzlich unbekannte J. – er nennt es Zipangu (vom chines. Dschippen kuo, d. i. Sonnenaufgangsland) – in seinem Reisewerke zu beschreiben. In der Mitte des 16. Jahrh. war die Macht der Feudalfürsten, der Daimio, so erstarkt, daß einer von ihnen es (1571) wagen konnte, den Shogun abzusetzen. Von dieser Zeit an bis 1603 gab es keinen Shogun, die Regierung war in den Händen von Ota (gest. 1582) und nach ihm von Hidejoshi, gewöhnlich Taiko sama genannt, einem Manne von niedriger Herkunft, aber großer Tapferkeit und Klugheit. Um seinem 6 J. alten Sohne Hidejori die Nachfolge zu sichern, hatte er eine Regentschaft eingesetzt, deren einflußreichstes Mitglied der Fürst von Mikawa, Ijejas, aus der Familie Tokugawa und dem Geschlechte Minamoto, war.
Nach Taikos Tode entbrannte der innere Krieg aufs neue, indem die meisten der Daimio sich der Oberherrschaft, die jetzt Ijejas für Hidejori ausübte, wieder zu entziehen strebten. Ijejas gelang es aber nicht nur, seine Macht noch mehr auszubreiten und zu befestigen, sondern sie auch erfolgreich gegen Hidejori und dessen Anhänger zu gebrauchen. Er nötigte 1603 den 107. Kaiser Gojozei (1587–1612), ihn zum Shogun zu ernennen, während Hidejori nur die nächstfolgende Reichswürde, die eines Naidaijin (wörtlich innerer Minister), verliehen wurde. Ijejas wurde auf diese Weise Meister aller Verhältnisse in J., sodaß er dem Reiche jene merkwürdige, in der Weltgeschichte einzig dastehende Verfassung gab, die erst in der Revolution von 1868 ihr Ende fand. Ijejas dankte schon 1605 zu Gunsten seines Sohnes Hidetada ab, behielt jedoch bis zu seinem Tode 1616 großen Einfluß auf die Regierung.
Die zweite Hälfte des 16. Jahrh. wurde auch durch die Einführung des Christentums merkwürdig. 1542 wurden Portugiesen nach der südl. Insel Tanegashima verschlagen, und es entstand allmählich ein lebhafter Verkehr zwischen den portug. Besitzungen und J. 1549 begab sich der berühmte Jesuit Franciscus Xaver nach J. und predigte in den verschiedensten Gegenden, selbst zu Kioto, das Christentum. 1552, als Xaver J. wieder verließ, hatte es bereits feste Wurzeln gefaßt und breitete sich in den folgenden Jahrzehnten immer weiter aus.
Einige der vornehmsten unter den japan. Christen schickten sogar eine feierliche Gesandtschaft nach Madrid [* 3] und Rom [* 4] ab, die 1582 Nagasaki verließ, von König Philipp II. und Papst Sixtus V. auf die ehrenvollste Weise empfangen wurde und 1590 nach J. zurückkehrte. In J. hatten indessen Feindschaft und Erbitterung gegen das Christentum die Oberhand gewonnen. Schon Taiko hatte der weitern Verbreitung entgegengewirkt; die blutige und gänzliche Ausrottung der japan. Christen und die Vertreibung aller Portugiesen und Spanier aus J. fand aber erst unter Ijejas, besonders aber unter dessen Enkel Jemits (1623–51) statt. Die Schlußscene bildete die Erstürmung des Kastells von Shimabara bei Nagasaki, wohin sich der Rest der japan. Christen geworfen hatte.
Auch die Holländer waren 1600 nach J. gekommen und erhielten 1610 von Ijejas unter höchst günstigen Bedingungen die Zulassung zu freiem Handel sowie die Erlaubnis, auf der Insel Hirado an der Westküste von Kiushiu eine Faktorei einzurichten. Infolgedessen wurde der Handelsverkehr mit den Japanern für sie außerordentlich gewinngebend. Aber nach dem Tode des Ijejas wurde der Freibrief beschränkt, und wurden die Holländer gezwungen, ihre Faktorei auf Hirado zu verlassen und die kleine Halbinsel Desima bei Nagasaki zu beziehen. Später wurde die Ausfuhr von edeln Metallen aus J. verboten und von 1790 an auch die des Kupfers beschränkt. Trotzdem hat aber ihre Faktorei zu Desima bis in die Neuzeit fortbestanden. Auch mußten sie früher alle Jahre, seit 1790 aber nur alle vier Jahre, eine Reise nach Jedo, der Residenz des Shogun, zur Überbringung von Geschenken an den Shogun unternehmen.
Die von Ijejas gegründete Staatseinrichtung brachte sein Enkel und zweiter Nachfolger, der Shogun Jemits, dadurch zum Abschluß, daß er den Japanern, die bis dahin in Handels- und Schifffahrtsverkehr mit den meisten ostasiat. Reichen gestanden hatten, bei Todesstrafe verbot, ihr Vaterland zu verlassen. Der Hauptzweck war, sich selbst durchaus unverändert fortzuerhalten und dem Lande durch Abschließung nach außen hin den Frieden zu bewahren. Hierzu diente hauptsächlich das feste und unverrückbare Verhältnis, in das alle Teile der japan. Staatsmaschine zueinander gebracht wurden, und ferner der als feste Richtschnur für die leitende Macht der Shogune angenommene Grundsatz, daß jedes von Ijejas und dessen ersten Nachfolgern erlassene Gesetz für alle spätern Shogune von bindender Kraft [* 5] sein sollte.
Haupt des Staates war noch immer der Kaiser, obgleich die Zügel der Regierung sich nicht mehr in seinen Händen befanden. Selbst seinem Einflusse als höchster Priester des Shinto-Kultus wurde dadurch, daß Ijejas und seine Nachfolger den Buddhismus begünstigten, ein Gegengewicht gegeben. Unsichtbar vor dem Volke und außer aller Gemeinschaft mit den Reichsvasallen, den Daimio, die nur durch Vermittelung des Shogun mit ihm verkehren durften, lebte der Kaiser wie ein Gefangener in seinem weitläufigen Palast zu Kioto, dem Dairi oder Kinri, allein umgeben von seinen Frauen, von Priestern und den Beamten seiner Hof- und Haushaltung, die dem aus etwa 150 Familien bestehenden Hofadel (Kuge) entnommen wurden. Um ihn fortwährend zu überwachen, namentlich allen Verkehr zwischen ihm und den Daimio zu verhüten, war in Kioto ein hoher Beamter des Shogun angestellt.
Die Gelder für die Aufrechterhaltung des kostspieligen Hofstaates war der Shogun verpflichtet, dem Kaiser aus den Reichseinkünften zufließen zu lassen. Der Einfluß des Kaisers auf die Angelegenheiten des Reichs erstreckte sich nur auf die Verleihung der höchsten Titel und titulären Würden und auf das Recht, Verträge mit fremden Staaten abzuschließen und Amnestie zu erteilen. Eigentliches Haupt der Staatsverwaltung war der Shogun oder Kubo, Kubo sama (in letzter Zeit Taikun, großer Herr, genannt).
Seit Ijejas, der Jedo in der Provinz Musashi zu seiner Hauptstadt gemacht hatte (1590), war diese Stadt die Residenz. Dem Shogun stand ein Ministerkollegium oder -Rat (Goroju) zur Seite, meistens fünf bis sechs Mitglieder zählend; über ihnen stand der Gotairo, der Ministerpräsident, eine Würde, die jedoch nicht immer besetzt war. Sie waren Minister des Hauses, zugleich aber im Namen ihres Herrn mit der ganzen Staatsverwaltung beauftragt. Zu ihrer Unterstützung ¶
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dien-865 ten die sog. jüngern Reichsräte (wakadoshijori) als Vorsteher der einzelnen Verwaltungszweige. Die Macht dieses Reichsrates war sehr groß und nahm in dem Maße zu, als die Herrschergewalt der Shogune beschränkter wurde. Der Reichsrat überwachte den Shogun, um bei ihm nicht die leiseste Regung zu polit. Reformen aufkommen zu lassen, während zugleich jedes seiner Mitglieder durch alle übrigen scharf beobachtet wurde. Er hielt sich von dem wirklichen Zustande des Reichs bis in dessen fernste Winkel [* 7] durch kontrollierende Beamte fortwährend genau unterrichtet.
Die richterliche Macht war nicht von der Verwaltung getrennt. Die Gesetze waren sehr kurz und bestimmt, viele davon auch einem jeden Japaner seit seiner frühesten Jugend wohlbekannt; die Rechtsprechung außerordentlich streng, aber unparteiisch. Auf schwere Verbrechen stand Todesstrafe. Bei Verbrechern, die der Kriegerkaste angehörten, fand das Harakiri (s. d.), das Bauchaufschneiden, statt. Auf leichtere Vergehen standen Leibes-, Freiheits- und Vermögensstrafen. Zu den Freiheitsstrafen gehörte häufig Verbannung nach bestimmten Inseln (Hadschidscho, Sado u.s.w.).
Mit Ausnahme von 5 Kronlandschaften und einigen Städten und Gebieten zerfiel das Reich in die Länder der Reichsvasallen (Daimio), deren Anzahl ursprünglich den 68 Landschaften entsprach, worin die acht großen Hauptprovinzen (Do, d. h. Wege) geteilt wurden. Die Einkünfte des Shogun bestanden in dem Ertrage der Kronlandschaften sowie dem der genannten Reichsstädte, dem Tribut der Daimio, dem Ertrage der Minen und Bergwerke sowie endlich dem Überschusse aus dem Handel mit den Niederländern und Chinesen. In materieller Hinsicht war der Einfluß der neuen Verfassung glücklich. Mehr als zwei Jahrhunderte herrschte vollkommene Ruhe, und die Wohlfahrt des Landes sowie die Bevölkerung nahmen stetig zu. Die Bevölkerung zerfiel in bestimmte, aber keineswegs so schroff wie die ind. Kasten voneinander geschiedene Klassen:
1) die Daimio, die nach der Größe ihres Besitzes in verschiedene Klassen zerfielen;
2) die Samurai, ebenfalls in verschiedene Klassen zerfallend; aus ihnen gingen Offiziere, Beamte und Soldaten hervor;
3) die Priester des Shinto und Buddhismus, Ärzte, Gelehrte, Künstler u.s.w., insofern sie nicht Beamte des Shogun und der Daimio waren, wodurch sie höhern Rang und wie die Samurai das Recht, zwei Säbel zu tragen, erhielten;
4) Landleute;
5) Handwerker, Schiffer, Fischer u.s.w.;
6) Kaufleute. Alle diese verschiedenen Klassen hatten ihre bestimmten Rechte. Der Übergang aus einer niedern in eine höhere Klasse, persönlicher Verdienste wegen, war nicht ausgeschlossen. In der Regel ging das Amt, der Erwerbszweig und die Lebensbeschäftigung des Vaters auf den Sohn über. Außerhalb des Verkehrs mit der übrigen Bevölkerung [* 8] und mit ihr «in keiner Gemeinschaft des Feuers und Wassers» stehend, als «unrein» verachtet und gemieden, waren die Eta, eine Art von Paria, die sich mit dem Abdecken des gefallenen Viehs, der Lederbereitung u.s.w. beschäftigten. Aber auch sie hatten ihre Rechte, und ihr Haupt wurde selbst an dem Neujahrstage in den Palast des Shogun zugelassen, um diesem ein paar Ledersandalen zu überreichen.
Die Regierung des Shogun hatte bis zur Mitte des 19. Jahrh. alle Ansuchen auswärtiger Mächte, mit J. in Handels- und Freundschaftsbeziehungen zu treten, mit Entschiedenheit zurückgewiesen. Die Engländer, die 1674 nach J. kamen, um ihre frühern, 1623 freiwillig aufgegebenen Handelsverbindungen mit diesem Lande wieder anzuknüpfen, wurden abgewiesen. Das widerfuhr auch dem russ. Gesandten Laxmann 1782 und Krusenstern, der sich vom bis ohne etwas zu erreichen, in der Bai von Nagasaki aufhielt.
Ebenso erfolglos blieben neuere Versuche der Engländer 1803 und 1811. Dessenungeachtet aber war seit der Erwerbung Kaliforniens durch Nordamerika [* 9] und dem Entstehen von San Francisco, seit der teilweisen Erschließung Chinas infolge des Friedens von Nanking 1842 und der großen Zunahme des Walfischfangs durch engl. und nordamerik. Schiffe [* 10] in den japan. Meeren mit Sicherheit vorauszusehen, daß die Regierung zu Jedo sehr bald nicht mehr im stande sein würde, das System der Abschließung von der Außenwelt aufrecht zu erhalten.
Den Nordamerikanern war es vorbehalten, durch eine aus acht Kriegsschiffen bestehende und von Kommodore Perry geleitete Expedition die verschlossenen Pforten des Japanischen Reichs zu öffnen. Perry war zuerst am in Uraga, nicht weit vom heutigen Jokohama, gelandet und überbrachte einen Brief des Präsidenten der Vereinigten Staaten, [* 11] worin dieser um einen Freundschafts- und Handelsvertrag mit J. bat. Am wurde endlich zu Kanagawa der Vertrag zwischen J. und Nordamerika abgeschlossen, dessen Ratifikationen zu Shimoda ausgewechselt wurden.
Die amerik. Schiffe erhielten Zugang zu Shimoda auf der Halbinsel Isu und Hakodate auf Jesso. Ein von den Engländern zu Nagasaki den Japanern abgedrungener und ratifizierter Vertrag öffnete außer den genannten Häfen auch noch Nagasaki. Dieselben Häfen wurden auch den Russen in einem zu Nagasaki geschlossenen und ratifizierten Handels- und Grenzvertrag geöffnet. Den erwähnten Verträgen folgten bald nachher neue, und zwar mit Nordamerika ratifiziert zu Washington [* 12]
mit den Niederländern und
mit Frankreich ratifiziert Den Vertragsmächten wurden vom an die Häfen Hakodate, Nagasaki und Jokohama an Stelle von Kanagawa, vom an Niigata, vom an auch Hiogo (Kobe) und Osaka geöffnet.
Den Ausländern ward erlaubt, an den genannten Orten Grundbesitz zu erwerben und Handel ohne Zwischenkunft japan. Beamten zu treiben, Häuser und Kirchen zu bauen, ihre Religionsgebräuche auszuüben, auch vom an sich des Handels wegen an einem begrenzten Platze in Jedo niederzulassen. Ihre Gesandten und Konsuln üben über die Unterthanen ihrer Länder Jurisdiktion aus und sollen das Innere des Landes bereisen können. Von der Einfuhr ward nur Opium, von der Ausfuhr nur gemünztes Kupfer [* 13] ausgeschlossen. Unter gleichen Bedingungen schlossen auch Portugal [* 14] 1860 und Preußen [* 15] durch Graf Eulenburg für sich und den Zollverein und die Schweiz [* 16] Handelsverträge mit J. Später folgten Handelsverträge mit Belgien [* 17] 1866, mit Schweden [* 18] und Norwegen 1868, mit dem Norddeutschen Bunde 1868, mit Österreich-Ungarn [* 19] 1869 sowie mit den Sandwichinseln und China. [* 20] Die nach dem Sturz ¶