Japan (Verfassung. Verwaltung. Finanzen. Heer. Wappen. Unterrichtswesen)
mehr
861 Die Herstellungskosten betragen im Durchschnitt 110000 M. für 1 km; das
Anlagekapital sämtlicher
Bahnen betrug 1889,
bei einer Länge von 1952 km, 372474000 M. oder 190796 M. für 1 km. Zur Unterstützung und
Beratung der Regierung ist auf
Grund des Gesetzes vom nach europ.
Muster ein Eisenbahnrat
gebildet worden. Der Bedarf an Bahnmaterial wurde zumeist aus England bezogen.
PostundTelegraph
[* 2] sind staatlich. Es gab (1891) 3796 Postanstalten, die 238,76 Mill. Sendungen im innern und 1,11 Mill. im
äußern Verkehr verschickten.
Vorläufig übersteigen die
Ausgaben noch die Einnahmen um 3 Mill.
Frs. Die
Länge der Telegraphenlinien betrug 12253, der
Drähte 62595 km. Im ganzen wurden 4,47 Mill. Depeschen befördert.
Seit 1890 hat J. eine konstitutionelle Verfassung. Der
Kaiser hat bedeutende
Vorrechte: er behielt u.a.
die
Entscheidung über Organisation und Friedensstärke des Landheers und der Flotte, über Organisation der Civilverwaltung,
über die Gehälter der
Beamten u.s.w. Der Landtag (kokkai) besteht aus zwei Häusern, dem Herrenhaus
(kizokuin) und dem Abgeordnetenhaus (shugiin). Das Herrenhaus besteht aus den männlichen Mitgliedern der kaiserl.
Familie nach zurückgelegtem 20. Lebensjahre, aus den Mitgliedern der zwei ersten Adelsklassen, aus den auf sieben Jahre
von ihren
Verbänden gewählten Mitgliedern der drei folgenden Adelsklassen.
Die Mitglieder der Adelsklassen müssen wenigstens 25 J. alt sein. Außerdem können vom
Kaiser noch Mitglieder aus den Höchstbesteuerten
aus sieben Jahre oder solche
Personen, die sich um das Land verdient gemacht haben, auf Lebenszeit berufen werden. Das Abgeordnetenhaus
besteht aus 300 Mitgliedern. Die Einwirkung auf die Festsetzung des
Budgets ist beschränkter als bei
uns. Die aktive Wahlfähigkeit hängt ab von der
Staatsangehörigkeit, dem
Alter von 25 Jahren, einjährigem Wohnsitz in einem
bestimmten Verwaltungsbezirk und der
Zahlung von mindestens 15
Yen (etwa 50 M.) jährlichen
Steuern.
Aktive Militärbeamte sind nicht wahlberechtigt. Die passive Wahlfähigkeit hängt ab von denselben
Bedingungen, nur ist ein
Alter von 30 Jahren nötig. Nicht wählbar sind Justiz- und Polizeibeamte, Priester und aktive Militärbeamte.
Die Mitglieder gehen aus direkten
Wahlen des
Volks hervor. Die
Wahlen finden alle vier Jahre statt; die jährlich stattfindenden
Sessionen sollen höchstens drei
Monate dauern.
Außer den Reisekosten erhalten die Mitglieder beider Häuser
je 800
Yen jährlich, doch fällt dieser Betrag bei Staatsbeamten weg. Persönliche
Freiheit sowie Rede-,
Preß- und
Religionsfreiheit
sind gewährt.
und Justizwesen. Nach der neuen
Einteilung desReichs zerfällt J. in drei große
Städte (Fu),
Tokio,
[* 3]
Kioto
und
Osaka und in
Arrondissements
(Ken), deren Zahl jetzt 46 beträgt. Früher bestanden 81
Provinzen (s.
die Aufzählung derselben auf der Karte:
Japan).
[* 4]
Tokio ist Residenz, und das Schloß des Shogun daselbst Wohnsitz des
Kaisers.
Die
InselJesso mit den
Kurilen steht unter der unmittelbaren
Verwaltung des Ministeriums des Innern und bildet jetzt ein besonderes
Amt: Hokkaidocho genannt.
An derSpitze derVerwaltung der
Ken und der drei
Städte
steht ein
Präfekt oder Gouverneur (Chiji). Seit 1889 giebt
es auch Selbstverwaltung nach preuß.
Muster. Das
Staatsministerium besteht seit 1885 aus dem Ministerpräsidenten (Soridaijin)
und den Ressortministern (Daijin). Die Anzahl der Ministerien beträgt zehn, nämlich das Ministerium des
Auswärtigen, des
Innern, der
Finanzen, des
Krieges, der Marine, des Unterrichts, für
Handel und
Landwirtschaft, der Justiz,
des kaiserl. Hauses und das der Post und
Telegraphen.
[* 5]
Alle diese Ministerien sind, soweit es die Verhältnisse erlauben, denen in Europa
[* 6] nachgebildet. Als höchster Beirat
des
Kaisers existiert seit 1888 der
Staatsrat (Sumitsin), dem außer den kaiserl. Prinzen und Ministern
auch eine Anzahl ernannter
Staatsräte angehören. – Die früher barbarische Kriminaljustiz ist bedeutend gemildert worden.
Es giebt jetzt Haft, Gefängnis, Zuchthaus, Deportation nach einer
Insel und
Todesstrafe. Dem Gefängniswesen hat man besondere
Aufmerksamkeit zugewandt.
Das Polizeiwesen wurde 1872 nach dem
Muster des englischen umgeformt, in neuester Zeit aber nach preuß.
Muster reorganisiert. Es giebt 1 Kassationshof (daishinin), 7
Appellhöfe(kosoin), 48 Landgerichte (chihosaibausho) und 299
Amtsgerichte(kusaibausho) mit 1289
Richtern, 406
Staatsanwälten und 7494 Unterbeamten. Zum Kassationshof gelangten (1890) 994, zum Verwaltungsgerichtshof,
der seit kurzem besteht, 352, vor die
Land- undAmtsgerichte 81395 Fälle. Die Zahl der
Verbrechen und
Vergehen
betrug 149357 (3733 und 145624),
Morde gab es 545. Gefängnisse, deren Errichtung zum
Teil den Departements obliegt, gab es 167.
Finanzen waren
bis in die achtziger Jahre in schlechter
Verfassung, seitdem aber hauptsächlich durch das Verdienst
des Ministers Matsukata in Ordnung gekommen. Das
Budget von 1892/93 betrug: ordentliche Einnahmen 79,54,
außerordentliche 6,52 Mill.
Yen; die ordentlichen
Ausgaben 69,039, außerordentliche 17,028 Mill.
Yen. Die Grundsteuern ergaben
38,77, die
Steuern auf Sakebrauerei 15,588 Mill.
Yen; die Einkommensteuer ist unbedeutend. Die größten
Ausgaben erforderte
das
Heer mit über 12 Mill.
Yen. Die
Staatsschulden belaufen sich auf 299,446 Mill.
Yen; das im
Umlauf befindliche
Papiergeld hat sich seit 1883 auf ein Viertel reduziert und betrug 25,702 Mill.
Yen; gemünztes
Geld war im Betrage von 10,55
Mill. im
Umlauf. Das Einkommen der Gemeinden (aus Gemeindegrundsteuer, Häusersteuer,
Patenten u.s.w.) war 1890/91: 22,785,
die
Ausgaben 21,312 Mill.
Yen.
Öffentliches Schulwesen bestand in der Feudalzeit
nur für den Samuraistand, die
Kinder der übrigen
Stände wurden in Privatschulen (terakoya) unterrichtet. Im Juli 1871 wurde das Unterrichtsministerium errichtet, 1872 erschien
die erste Verordnung über Errichtung von
¶
mehr
Elementar-862 schulen und Mittelschulen. Seit dieser Zeit ist auf dem Gebiete des Unterrichtswesens ganz besonders viel experimentiert
worden; 1871–92 wechselten die Kultusminister 14mal. Der Besuch der Elementarschulen ist obligatorisch, aber noch nicht
befriedigend durchgeführt; 1891 besuchten von 7195412 schulpflichtigen Kindern 3674694 die Schule entweder gar nicht oder
kurze Zeit. Die Zahl der von den Gemeinden zu unterhaltenden Elementarschulen betrug 25396 mit 69586 Lehrkräften.
Diese zu erhalten macht Schwierigkeiten. Jede Präfektur hat ein Seminar; zur Ausbildung der Direktoren besteht ein höheres
Seminar in Tokio. Die Elementarschulen zerfallen in zwei Arten, «gewöhnliche» und «höhere»,
erstere sind vom 6. bis 10., letztere vom 10. bis 14. Jahre zu besuchen; die höhern bieten Naturgeschichte,
eine fremde Sprache
[* 11] (englisch), Unterweisung im Ackerbau und Handel. An die Elementarschulen schließen sich die Mittelschulen
an, die möglichst in jeder Präfektur zu errichten sind; 1890 gab es 54 (11 davon privat) mit 11554 Schülern.
Die einzige Universität ist in Tokio. – Für die höhere Bildung der Mädchen ist bis jetzt weniger gesorgt: 1890 gab
es 7 höhere staatliche Mädchenschulen und 21 Privatschulen mit etwa 3000 Schülerinnen. Neben den staatlichen Anstalten
giebt es nun eine große Anzahl von Privatfachschulen für japan. und chines.
Litteratur (703), für engl. Sprache (245), für Handfertigkeit (157), Mathematik (128), Medizin, Ackerbau,
Handel u.s.w. Auch für die Blinden und Taubstummen ist Sorge getragen, für die kleinen Kinder sind Kindergärten (189 mit 12484 Schülern)
errichtet. Die größte Bibliothek in Tokio hat 294344 Bände und wurde von 59717 Personen benutzt. Zwei Schulen für die Kinder
der Adligen stehen unter dem Hausministerium, militär. Schulen unter
dem Kriegs- und Marineministerium, Nautische Schule und eine Anstalt für Post- und Telegraphenwesen unter dem Verkehrsministerium.