Aufmerksamkeit aller europ.
Kabinette und Märkte ist auf die immer noch unbehobene Krisis des ital.
Staatshaushalts gerichtet.
An
Zinsen der
Staatsschuld (s. oben S. 750 b) bezahlte I. 1892 an das
Ausland 155 Mill.
Frs., 30 Mill. mehr als 1891 infolge
des gesunkenen Wechselkurses. Die Konsolidierung der schwebenden Schuld ist aber nur möglich bei Behebung
des nun seit sechs Jahren zwischen 60 und 100 Mill. schwankenden Deficits durch größere, bei der europ.
Lage aber bedenkliche Ersparungen in den Heeresausgaben oder durch neue
Steuern.
Für
Steigerung der letztern erklärte sich denn auch
Giolitti, entgegen frühern wiederholten Zusicherungen, in seiner Bankettrede
vom 18. Okt. zu Dronero; von einer Erbschaftssteuer und einer progressiven
Besteuerung des Einkommens über 5000
Frs.
versprach er sich die Herstellung des
Gleichgewichts. Am traten die Kammern wieder zusammen.
Gleich in der ersten
Sitzung der Deputiertenkammer rief die Verlesung des
Berichts des zur Prüfung der Bankangelegenheit eingesetzten
parlamentarischen Siebener-Ausschusses eine solche Erregung hervor, daß
Giolitti, obwohl er persönlich darin nicht angegriffen
war, es vorzog, mit dem Ministerium seine Entlassung zu nehmen.
Litteratur zuritalienischen Geschichte. Die Hauptsammlung der
Quellen bildet Muratori, Rerum italicarum scriptores (29 Bde.,
Mail. 1723–51; fortgesetzt von
Tartini, Flor. 1748–70); teils
Quellen, teils Monographien veröffentlichen
das Bullettino dell' Istituto storico italiano
(Rom),
[* 2] die Miscellanea di storia italiana
(Turin),
[* 3] die Rivista storica italiana,
das Archivio storico italiano
(Florenz),
[* 4] die Rassegna nazionale (ebd.) und die
Nuova Antologia
(Rom). – Von den Bearbeitungen
der ital. Geschichte sind hervorzuheben: Muratori, Annali d'Italia (12
Bde., Mail. 1744–49 u. ö.;
deutsch von Baudis, 9 Bde., Lpz. 1745–50),
an die sich Coppis Annali d'Italia dal 1750–1861 (Flor. 1848 fg.) und die Annali d'Italia incontinuazione degli Annali del Muratori e del Coppi (von J. Ghiron, bis 1870; 8 Bde.,
Mail. 1888–90) anschließen; ferner die Werke von
Bossi (19 Bde., ebd. 1819–23),
Campiglio (7 Bde.,
ebd. 1837–67),
Balbo
(Tur. 1841 u. ö.) und dessen Fortsetzer Molinari, La Farina, C.
Cantù(Storia degl' Italiani, 6 Bde.,
ebd. 1854; 4 Bde., 1859),
Balan (7 Bde., Modena 1878–88) und das unter Villaris Leitung
erscheinende große Sammelwerk einer Geschichte I.s in Einzelbearbeitungen.
Von Zeittafeln sind hervorzuheben C. Rinaudo, Cronologia della storia d'Italia476–1870 (4. Aufl., Flor. 1888), undL.
Cappelletti, Fatti principali della storia d'Italia (1774–1878;
Tur. 1891). Hierzu kommen von deutschen
Arbeiten: Lebret,
Geschichte von I. (9 Bde.,
Halle
[* 5] 1778–87);
Leo, Geschichte der ital.
Staaten (5 Bde., Hamb.
und Gotha
[* 6] 1829–30);
von Reumont, Beiträge zur ital. Geschichte (6 Bde.,
Berl. 1853–57).
– Unter den zahlreichen
Arbeiten
über das Mittelalter sind hervorzuheben: Sismondi, Histoire des républiquesitaliennes dumoyen âge (16 Bde., Par. 1809–18; 5. Aufl.,
ebd. 1840–44; deutsch, 16 Bde., Zür.
1807–24);
Troya, Storia d'Italiadel medio evo (14 Bde., Neap.
1839–55);
Morbio, Storia de' municipj italiani (6 Bde., Mail.
1841–46);
Hegel, Geschichte der Städteverfassung von I. (2 Bde., Lpz.
1847);
F. Bertolini, Storia d'Italia,
Medioevo (Mail. 1892).
– Die Neuzeit haben
C. G. G.
Botta (s. d.),
Ferrari(Histoiredes révolutions d'Italie), 4 Bde., Par.
1858), Reuchlin (Geschichte I.s von der Gründung der regierenden Dynastien bis zur Gegenwart, 4 Bde.,
Lpz. 1859–73), C.
Bulle (Geschichte des zweiten Kaiserreichs und des Königreichs I., Berl. 1890; Onckensche
Sammlung) und N. Nisco (Storia civile del regno d'Italia1814–80, 5 Bde., Neap.
1891) bearbeitet. – Unter den zahlreichen
Arbeiten über die jüngsteEpoche der ital. Geschichte sind
ferner zu nennen: Montanelli, Memorie sull'Italiadal 1814 al 1850 (2 Bde.,
Tur. 1854–55);
Farini, Storia d'Italiadall'anno 1814 (2 Bde., ebd. 1859);
La Farina, Storia d'Italiadal 1815 al 1850 (2. Aufl., 3 Bde.,
Mail. 1864);
Bianchi, Storia documentata della diplomazia europea inItaliadal 1814 al 1861 (8 Bde.,
Tur.
1865–72);
Butt, The history of Italy from the abdication of Napoleon I. (2 Bde.,
Lond. 1860): Anelli, Storia d'Italiadal 1814 al 1867 (5 Bde., Mail.
1864);
Menacci, Memorie documentate perla storia della rivoluzione italiana (3 Bde.,
Rom 1887–90);
F. Bertolini, Memorie storico-critiche del risorgimento italiano (Mail. 1889);
Bacci, Ricordi del risorgimentoitaliano 1848–89 (ebd. 1890).
Al. Manzoni, La rivoluzione italiana del 1859 (ebd. 1890);
Tivaroni,
L' Italiadurante il dominio austriaco (2 Bde.,
Tur. 1892-93);
außerdem schrieben über die
Kriege von 1848, 1849 und 1859 und über die folgenden Ereignisse: Gualterio,
Gli ultimi rivolgimenti italiani (Flor. 1852);
Ranalli, Le
[* 7] istorie italiane dal 1846 al 1853 (ebd. 1855);
Pisacane, Der
Krieg
in den J. 1848–49 (deutsch von Cloßmann, Chur
[* 8] 1852);
Zur Geschichte des J. 1866 vgl. A.La Marmora. Un po' piùdi luce (Flor. 1873; deutsch Mainz
[* 9] 1873; 2. Aufl. 1874). Von
Bibliographien sind zu nennen: Reumont, Bibliografia dei lavoripubblicati inGermania
[* 10] sulla storiad'Italia (Berl. 1863), und
Manno, Bibliografia storica degli statidella monarchia di Savoia
(Turin).
Befestigungsmanier, s.
Altitalienische Befestigungsmanier^[= begründet durch den Kriegsbaumeister Sanmicheli (s. d.), der 1527 den Umbau der Befestigungen ...]
[* 11] und Neuitalienische
[* 12] Befestigungsmanier.
Eisenbahnen. Das KönigreichItalien
[* 13] besaß ein im Betrieb stehendes Bahnnetz
von 14453 km,
d. i. 4,7 km auf 100 qkm und 4,4 km auf 10000 E. Das
Anlagekapital für 10233 km (1887) betrug: 3039582608
Lire,
d. i. 297037
Lire für 1 km, die Einnahmen (1888) 244695355
Lire, die
Ausgaben 165364975
Lire. Die
Spurweite
beträgt bei den meisten
Bahnen 1,445 m, sonst zwischen 0,85 und 0,96 m, vorwiegend 0,95 m. An
Lokomotiven waren ¶
mehr
2461, an Personenwagen 7201, an Güterwagen 41497 vorhanden. Die erste Eisenbahn in Italien war die eröffnete Bahn
Neapel-Portici (8 km). 1860 waren 1800 km im Betrieb, wovon 350 km dem Staate, die übrigen sieben Aktiengesellschaften gehörten.
In den J. 1860–67 wurden 2800 km neue Bahnen hinzugefügt. Seit 1869 hat der Staat den Bau von Bahnen übernommen,
auch kaufte er das bedeutendste Netz, die AltaItalia (3572 km), an. 1879 waren 8414 km im Betrieb, wovon 4007 km dem Staate
gehörten.
Das Gesetz vom nahm den Ausbau von weitern 64 Linien mit 6020 km für rund 1210 Mill. Lire in
Aussicht. Die Schwierigkeiten, die sich hierbei hinsichtlich der Geldbeschaffung entgegenstellten, veranlaßten die Regierung,
ihr Eisenbahnnetz an Privatgesellschaften zu verpachten und denselben den Bau der neuen Linien, für den die 1210 Mill. Lire
sich als unzureichend erwiesen hatte, zu übertragen. Es wurden mit den Gesellschaften Betriebsüberlassungsverträge
abgeschlossen und unter dem genehmigt.
Danach sind die Eisenbahnen des ital. Festlandes in zwei an dem Mittelländischen und dem
AdriatischenMeere entlang gehende Gruppen geteilt, das Mittelmeernetz und das Adriatische (Adria-) Netz. Die Eisenbahnen der
InselSicilien bilden eine dritte Gruppe für sich. Das AdriatischeNetz wurde der Südbahngesellschaft,
das Mittelmeer- und das SicilischeNetz besonders gebildeten Aktiengesellschaften in Betrieb gegeben; die einzelnen Netze werden
durch Generaldirektionen (s. Eisenbahnbehörden, Bd.
5, S. 848 b) verwaltet.
Die wesentlichsten Bestimmungen der Verträge sind: Die Betriebsüberlassung erfolgt auf 60 Jahre;
nach je 20 Jahren ist jeder
der beiden Teile (Staat und Gesellschaft) zur Kündigung berechtigt.
Das Betriebsmaterial ist von den Gesellschaften
eigentümlich zu übernehmen; dafür sind von der Mittelmeergesellschaft 135, von der Adriatischen (Südbahn-) Gesellschaft
115, von der Sicilischen 15 Mill. Lire durch Aktienausgabe aufzubringen und an den Staat abzuführen, der als Entgelt für die
Benutzung des Materials der Mittelmeergesellschaft jährlich 7,82, der Adriatischen 6,6 Mill. und der
Sicilischen Gesellschaft 868652 Lire zahlt. Diese Summen entsprechen, abzüglich der Einkommensteuer auf das bewegliche Vermögen,
einer Verzinsung von 5 Proz. des Aktienkapitals für das Material.
Von dem Gelde hat der Staat innerhalb der ersten vier Jahre nach Inkrafttreten der Verträge auf den Mittelmeer-Eisenbahnen
rund 84, auf den Adriatischen Eisenbahnen 49½ und auf den Sicilischen Eisenbahnen 10½, im ganzen 144 Mill. Lire zu bestimmten
Erweiterungs- und Verbesserungsanlagen zu verwenden, die von den Betriebsgesellschaften für Staatsrechnung auszuführen
sind, während der Rest teils zur Beschaffung neuen Fahrmaterials für die drei Netze, teils zum Bau neuer
Eisenbahnen zu verausgaben ist.
Die Gesellschaften haben alle Betriebsausgaben zu tragen, mit Ausnahme derjenigen Kosten, zu deren Bestreitung die für jedes
der drei Netze zu bildenden Reservefonds und die Kasse zur Vermehrung des Vermögensstocks (Cassaper gli aumenti patrimoniali)
bestimmt sind. Als Gegenleistung hierfür erhalten die Gesellschaften einen Anteil am Rohertrage, während
der Rest dieses Ertrags den Reservefonds überwiesen und dem Staate zufällt. Bei der Mittelmeer- und der Adriatischen Gesellschaft
erfolgt die Verteilung der Roheinnahmen wie folgt: 10 Proz. werden für die Reservefonds und als
Entgelt für die Benutzung des Betriebsmaterials entnommen, 62½ Proz. erhält die
Betriebsgesellschaft
für ihre Betriebsausgaben, 27½ Proz. der Staat als Eigentümer der Bahnen.
Bei dem SicilischenNetz fallen 82 Proz. der Gesellschaft zu, der Staat erhält 3 Proz. und die verbleibenden 15 Proz. dienen,
nach Vorwegnahme der als Entgelt der für die Benutzung des beweglichen Materials zu zahlenden Summe von 868650 Lire, zur Ausstattung
der Reservefonds. Diese Art der Verteilung der Roheinnahme ist indessen nur für ein bestimmtes, in den
Verträgen festgestelltes Anfangseinkommen gültig und ändert sich mit letzterm. Sobald ferner die Aktionäre 7½ Proz. des
eingezahlten Kapitals als Dividende erhalten haben, sind die weitern Überschüsse mit dem Staate zu teilen.
Auf Verlangen der Regierung haben die drei Gesellschaften zusammen bis zu 102 Mill. Lire jährlich für
den Bau neuer Eisenbahnen auszugeben und die Mittel dazu durch Ausgabe garantierter 3prozentiger Obligationen aufzubringen. Diese
neuen Linien werden unter den gleichen Bedingungen wie die alten betrieben, sobald sie einen bestimmten kilometrischen Rohertrag
aufweisen; bis dahin erhält jede der beiden festländischen Gesellschaften die Hälfte, die Sicilische
Gesellschaft 65 Proz. der Roheinnahme und außerdem 3000 Lire für das Kilometer als Ersatz für die Betriebskosten.
Die Regierung hat die Oberaufsicht über den gesamten Betrieb der Eisenbahnen und ist befugt, denselben unter Umständen,
namentlich in Kriegszeiten, auch selbst zu übernehmen; sie hat ferner ein eingreifendes Mitwirkungsrecht
in Bezug auf die Feststellung der Tarife und Fahrpläne. Bei Auflösung des Vertrags hat der Staat das Betriebsmaterial zu dem
von den Gesellschaften gezahlten Ankaufspreise, jedoch unter Berücksichtigung der etwaigen Wertverminderung, zurückzuerwerben,
und ebenso die Reservefonds wie die Kasse zur Vermehrung des Vermögensstocks mit Aktiven und Passiven zu
übernehmen.
Die durch das Gesetz vom erfolgte Umgestaltung erhellt aus folgender Tabelle: