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Ansturm der Irredentisten auf den Dreibund daran fest, daß dieser um so mehr erhalten bleiben müsse, als er I. keinerlei Mehrausgaben für Heer und Marine auflege, und verlängerte die Bündnisverträge vor ihrem Ablauf. [* 2] Ebenso wurde auf der überkommenen Kolonialpolitik verharrt trotz des zweideutigen Gebarens König Menileks. Ende 1891 trat Rudinì nochmals für I.s Festhalten am Dreibund öffentlich ein, wies gleichzeitige Angriffe auf die Garantiegesetze ebenso von sich als eine Politik der Abenteuer in Afrika, [* 3] da es sich für I. zunächst um Sammlung und Vermeidung weiterer Heeresausgaben handle.
Der Fehlbetrag im Staatshaushalt war nach Luzzattis Angabe vom 1. Dez. auf 1 Mill. Frs. für 1891/92 vermindert, während er für 1892/93 einen Überschuß von 9 Mill. Frs. in Aussicht stellte. Nachdem aber die Zollverträge mit Deutschland [* 4] durch die Kammer genehmigt worden waren, mußte bereits im Februar für 1891/92 ein Fehlbetrag von 75, für 1892/93 ein solcher von 20-30 Mill. Frs. eingeräumt werden; da aus Pelloux' Vortrag hin die Kammer davon absah, die Heeresorganisation zu ändern und auf militär. Gebiete große Ersparungen zu suchen, so mußten die Ausgaben in der Verwaltung beschränkt und der Aufwand beim Bau neuer Eisenbahnen auf jährlich 30 Mill. Frs. herabgemindert werden.
Außerdem erfolgte 14. bis 21. April eine Neubildung des Ministeriums Rudinì unter Rücktritt des Finanzministers Colombo, [* 5] dem aber Rudinìs eigener Sturz in kurzem folgte. An seine Stelle trat Giolitti, dessen Programm die Besserung der finanziellen und wirtschaftlichen Lage des Landes an die Spitze stellte, wobei er jedoch unter Festlegung der jährlichen Heeresausgaben auf 246 Mill. Frs., an der auswärtigen Politik der Bündnisse, die auf Frieden ziele, festzuhalten versprach. Im Juni 1892 fand sich Humbert mit der Königin und dem Minister des Auswärtigen Brin in Berlin [* 6] ein, worauf Brin und dann Giolitti selbst 3. Nov. die Notwendigkeit betonten, am Dreibund festzuhalten und die nicht durch diesen, sondern durch die allgemeine Lage Europas auferlegten Rüstungen [* 7] zu tragen.
Die Columbusfeier gab in Rom [* 8] 7. Aug. Anlaß zu einem Zusammenstoß zwischen Klerikalen und Liberalen, 9. Sept. in Genua [* 9] Gelegenheit zu einem glänzenden Flottenfeste. Nachdem 7. Juli an Stelle Ellenas Grimaldi das Schatzministerium übernommen und nachdem Giolitti sein zweites, ausschließlich finanzielles Programm veröffentlicht hatte, worin er erklärte, durch Erleichterung der Pensionslast, Einführung des Petroleummonopols, Steuerreform und Reform der verschiedenen Verwaltungszweige das Gleichgewicht [* 10] erreichen und die spruchreifen socialen Fragen in Angriff nehmen zu wollen, wurde die Kammer 12. Okt. aufgelöst. Die Neuwahlen 6. Nov. fielen überwiegend zu Gunsten der Linken und Giolittis aus, dem sie eine Mehrheit von mehr als 300 Abgeordneten brachten. Während sich Crispi 20. Nov. zu Palermo [* 11] in einem dem Dreibund und der Monarchie wenig günstigen Sinne aussprach, hob der König in der Thronrede 23. Nov. die friedlichen Gesinnungen der Regierungen hervor und sicherte die Herstellung des Gleichgewichts ohne Erschwerung für die Steuerzahler zu.
Die Finanzfrage stand auch 1893 wieder im Vordergrund, daneben war die Aufmerksamkeit auf das Problem der Verschmelzung der Banken gerichtet. Außerdem wollte Martini die Universitäten von 22 auf 12 vermindern; Bonacci verlangte die Einsetzung einer einzigen obersten Instanz auch in Strafsachen. Aber dem Ministerium fehlte die Mehrheit einer geschlossenen, thatkräftigen Partei in der Kammer um so mehr, als Giolitti sich immer mehr als Mann der Augenblicksauskünfte offenbarte und insbesondere sich bei dem raschen Verzicht auf seinen Antrag, die Emissionsbefugnis der Banken auf weitere sechs Jahre unter Verschärfung der Aufsicht und Verstärkung [* 12] des Reservefonds zu erstrecken, schwach gezeigt hatte.
Dazu kam, daß der Senat infolge eines nicht sorgfältig gewählten Senatorenschubs und bei seiner Nichtvertretung im Kabinett Giolittis schwierig war. Schon im Januar aber nahm die Römische [* 13] Bank ganz die öffentliche Aufmerksamkeit in Anspruch, da sich herausstellte, daß deren Leiter Bernardo Tanlongo ohne Befugnis und ohne Deckung 60 Mill. Papiergeld in Umlauf gesetzt hatte. Während dann bereits im Februar ein Kammermitglied sich in den Prozeß der Banca Romana verwickelt sah, fand Grimaldi mit seiner Budgetvorlage und seinem Vorschlag, den Fehlbetrag wieder durch eine Belastung der Zukunft behufs Zahlung der Hälfte der Pensionen zu verdecken, zunächst üble Aufnahme, und das Vertrauen des Landes zu der Regierung schwand zusehends.
Doch wurde die Silberne Hochzeit König Humberts im April unter warmer Teilnahme des ganzen Volks gefeiert, und das Familienfest gewann eine äußere polit. Bedeutung durch die Teilnahme des Großfürsten Wladimir von Rußland und durch Kaiser Wilhelms II. dritten Besuch in Rom, diesmal mit der Kaiserin, sowie durch die Entsendung des Erzherzogs Rainer von Wien. [* 14] Nachdem bei der Beratung des Marinebudgets von Ricotti vor übermäßiger Sparsucht in den Ausgaben für das Heer gewarnt worden, zugleich aber wieder der Plan einer Verminderung des Heers von 12 auf 10 Armeekorps aufgetaucht war, sah sich das Kabinett Giolitti gezwungen, seine Entlassung einzureichen anläßlich der Verwerfung des Budgets der Justiz; der König bewilligte jedoch nur den Rücktritt des Justizministers Bonacci (Mai 1893). Schwierig aber fand die Regierung den Senat bezüglich der Finanzpläne; doch wich letzterer schließlich einem Zwist mit der Kammer aus und gewährte bei Beratung des Pensionsgesetzes Giolitti die gesuchte Anleihe.
Verhältnismäßig wenig Beachtung wurde im Lande dem unerfreulichen Gang [* 15] der Dinge in Afrika geschenkt, wo Menilek, von russ. und franz. Seite unterstützt, die Verpflichtung des Vertrags von Uccialli zur Benutzung ital. Vermittelung im auswärtigen Verkehr und damit das Protektorat I.s über Abessinien abzuschütteln suchte. Trotz der Hinweise des parlamentarischen Untersuchungsausschusses für die Bankfrage auf Beteiligung von Kammermitgliedern an den stattgehabten Unregelmäßigkeiten trat die Kammer noch Anfang Juni in die Beratung des Bankgesetzes ein.
Nachdem Senat und König dasselbe 4./5. Aug. bestätigt hatten, entschloß sich die Regierung wenigstens zur Ausgabe von 30 Mill. Einfrankenbillete, um dem Mangel an Kleingeld abzuhelfen. Neue Schwierigkeiten verursachte die schmähliche Mißhandlung ital. Arbeiter in Aigues-Mortes im August, die in I. überall größte Entrüstung, in Rom, Messina, [* 16] Genua und Neapel [* 17] erhebliche Ruhestörungen zur Folge hatte. Die Veröffentlichung der Untersuchungsakten des Prozesses der Banca Romana, dem der Rücktritt des Justizministers Santamaria im September folgte, steigerten noch die öffentliche Erregung. Die ¶
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Aufmerksamkeit aller europ. Kabinette und Märkte ist auf die immer noch unbehobene Krisis des ital. Staatshaushalts gerichtet. An Zinsen der Staatsschuld (s. oben S. 750 b) bezahlte I. 1892 an das Ausland 155 Mill. Frs., 30 Mill. mehr als 1891 infolge des gesunkenen Wechselkurses. Die Konsolidierung der schwebenden Schuld ist aber nur möglich bei Behebung des nun seit sechs Jahren zwischen 60 und 100 Mill. schwankenden Deficits durch größere, bei der europ. Lage aber bedenkliche Ersparungen in den Heeresausgaben oder durch neue Steuern.
Für Steigerung der letztern erklärte sich denn auch Giolitti, entgegen frühern wiederholten Zusicherungen, in seiner Bankettrede vom 18. Okt. zu Dronero; von einer Erbschaftssteuer und einer progressiven Besteuerung des Einkommens über 5000 Frs. versprach er sich die Herstellung des Gleichgewichts. Am traten die Kammern wieder zusammen. Gleich in der ersten Sitzung der Deputiertenkammer rief die Verlesung des Berichts des zur Prüfung der Bankangelegenheit eingesetzten parlamentarischen Siebener-Ausschusses eine solche Erregung hervor, daß Giolitti, obwohl er persönlich darin nicht angegriffen war, es vorzog, mit dem Ministerium seine Entlassung zu nehmen.
Zanardelli wurde zunächst mit der Bildung eines neuen Kabinetts beauftragt; da aber der König die eingereichte Liste nicht genehmigte, trat dieser zurück, und Crispi übernahm die Bildung des Kabinetts, das sich zusammensetzt aus: Crispi (Vorsitz und Inneres), Baron Blanc (Auswärtiges), Sonnino (Finanzen), Calenda (Justiz), Baccelli (Unterricht), Mocenni (Kriegsressort), Morin (Marine), Boselli (Ackerbau), Saracco (Öffentliche Arbeiten), Ferraris (Post und Telegraphie).
Litteratur zur italienischen Geschichte. Die Hauptsammlung der Quellen bildet Muratori, Rerum italicarum scriptores (29 Bde., Mail. 1723–51; fortgesetzt von Tartini, Flor. 1748–70); teils Quellen, teils Monographien veröffentlichen das Bullettino dell' Istituto storico italiano (Rom), die Miscellanea di storia italiana (Turin), [* 19] die Rivista storica italiana, das Archivio storico italiano (Florenz), [* 20] die Rassegna nazionale (ebd.) und die Nuova Antologia (Rom). – Von den Bearbeitungen der ital. Geschichte sind hervorzuheben: Muratori, Annali d'Italia (12 Bde., Mail. 1744–49 u. ö.; deutsch von Baudis, 9 Bde., Lpz. 1745–50), an die sich Coppis Annali d'Italia dal 1750–1861 (Flor. 1848 fg.) und die Annali d'Italia in continuazione degli Annali del Muratori e del Coppi (von J. Ghiron, bis 1870; 8 Bde., Mail. 1888–90) anschließen; ferner die Werke von Bossi (19 Bde., ebd. 1819–23), Campiglio (7 Bde., ebd. 1837–67), Balbo (Tur. 1841 u. ö.) und dessen Fortsetzer Molinari, La Farina, C. Cantù (Storia degl' Italiani, 6 Bde., ebd. 1854; 4 Bde., 1859), Balan (7 Bde., Modena 1878–88) und das unter Villaris Leitung erscheinende große Sammelwerk einer Geschichte I.s in Einzelbearbeitungen.
Von Zeittafeln sind hervorzuheben C. Rinaudo, Cronologia della storia d' Italia 476–1870 (4. Aufl., Flor. 1888), und L. Cappelletti, Fatti principali della storia d' Italia (1774–1878; Tur. 1891). Hierzu kommen von deutschen Arbeiten: Lebret, Geschichte von I. (9 Bde., Halle [* 21] 1778–87);
Leo, Geschichte der ital. Staaten (5 Bde., Hamb. und Gotha [* 22] 1829–30);
von Reumont, Beiträge zur ital. Geschichte (6 Bde., Berl. 1853–57).
– Unter den zahlreichen Arbeiten über das Mittelalter sind hervorzuheben: Sismondi, Histoire des républiques italiennes du moyen âge (16 Bde., Par. 1809–18; 5. Aufl., ebd. 1840–44; deutsch, 16 Bde., Zür. 1807–24);
Troya, Storia d' Italia del medio evo (14 Bde., Neap. 1839–55);
Morbio, Storia de' municipj italiani (6 Bde., Mail. 1841–46);
Hegel, Geschichte der Städteverfassung von I. (2 Bde., Lpz. 1847);
F. Bertolini, Storia d' Italia, Medio evo (Mail. 1892).
– Die Neuzeit haben C. G. G. Botta (s. d.), Ferrari (Histoire des révolutions d'Italie), 4 Bde., Par. 1858), Reuchlin (Geschichte I.s von der Gründung der regierenden Dynastien bis zur Gegenwart, 4 Bde., Lpz. 1859–73), C. Bulle (Geschichte des zweiten Kaiserreichs und des Königreichs I., Berl. 1890; Onckensche Sammlung) und N. Nisco (Storia civile del regno d' Italia 1814–80, 5 Bde., Neap. 1891) bearbeitet. – Unter den zahlreichen Arbeiten über die jüngste Epoche der ital. Geschichte sind ferner zu nennen: Montanelli, Memorie sull' Italia dal 1814 al 1850 (2 Bde., Tur. 1854–55);
Farini, Storia d' Italia dall' anno 1814 (2 Bde., ebd. 1859);
La Farina, Storia d' Italia dal 1815 al 1850 (2. Aufl., 3 Bde., Mail. 1864);
Bianchi, Storia documentata della diplomazia europea in Italia dal 1814 al 1861 (8 Bde., Tur. 1865–72);
Butt, The history of Italy from the abdication of Napoleon I. (2 Bde., Lond. 1860): Anelli, Storia d' Italia dal 1814 al 1867 (5 Bde., Mail. 1864);
Menacci, Memorie documentate per la storia della rivoluzione italiana (3 Bde., Rom 1887–90);
F. Bertolini, Memorie storico-critiche del risorgimento italiano (Mail. 1889);
Bacci, Ricordi del risorgimento italiano 1848–89 (ebd. 1890).
Al. Manzoni, La rivoluzione italiana del 1859 (ebd. 1890);
D. Beisso, Il risorgimento italiano (Rom 1891);
Tivaroni, L' Italia durante il dominio austriaco (2 Bde., Tur. 1892-93);
außerdem schrieben über die Kriege von 1848, 1849 und 1859 und über die folgenden Ereignisse: Gualterio, Gli ultimi rivolgimenti italiani (Flor. 1852);
Ranalli, Le [* 23] istorie italiane dal 1846 al 1853 (ebd. 1855);
Pisacane, Der Krieg in den J. 1848–49 (deutsch von Cloßmann, Chur [* 24] 1852);
ferner die Schriften von Bazancourt (2 Bde., Par. 1859–60), Lecomte (ebd. 1860), Rüstow und Boggio (Tur. 1864).
Zur Geschichte des J. 1866 vgl. A. La Marmora. Un po' più di luce (Flor. 1873; deutsch Mainz [* 25] 1873; 2. Aufl. 1874). Von Bibliographien sind zu nennen: Reumont, Bibliografia dei lavori pubblicati in Germania [* 26] sulla storia d' Italia (Berl. 1863), und Manno, Bibliografia storica degli stati della monarchia di Savoia (Turin).