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Monopolverpachtungen, welche böses Blut machten. Indessen ging die Kurie unter dem ihr von Napoleon gewährten Schutz wieder mit scharfen Maßregeln gegen nationale Aufwiegelungen in dem ihr gebliebenen Gebiete vor und an dieser Deckung Roms durch Frankreich scheiterte auch, obwohl I.s Beziehungen zu Preußen sich nach dem Kriege von 1866 alsbald sehr gelockert hatten, die Verwirklichung des geplanten Bundes zwischen Österreich, Frankreich und I. Das Kabinett Menabreas, ohnedem mißliebig geworden durch seine Unnachsichtigkeit republikanischen Umtrieben gegenüber, trat schließlich Ende März 1869 zurück, da Frankreich zu einer gutwilligen Entfernung seiner Truppen aus Rom nicht zu bewegen war. An seine Stelle kam der liberale Lanza, unter welchem sich Sella mit neuer Kraft an die Ebnung der finanziellen Lage machte, auf die auch jetzt das Hauptaugenmerk der Regierung gerichtet blieb. Da brach der Deutsch-Französische Krieg aus und eröffnete Victor Emanuel mit einem Male den Weg nach Rom Nachdem die Volksabstimmung vom 2. Okt. auch hier mit ungeheurer Mehrheit für den Anschluß an Victor Emanuels Reich entschieden hatte, zog der König in Rom ein und nahm dann daselbst gemäß dem Beschluß der Kammer dauernd seinen Sitz. Zuvor aber war die souveräne Stellung des Papstes und eine äußerst freie und günstige Stellung der Kirche im Staat, Cavours Vermächtnis entsprechend, durch das Garantiegesetz (s. d.) gewährleistet worden. Der Papst verharrte jedoch in seiner Unversöhnlichkeit (S. Historische Karten von Italien 4.)
12) Von der Einigung (1870) bis zur Gegenwart. Während die Beziehungen zu Frankreich alsbald nach dem Kriege erkalteten und die schroff ablehnende Haltung, in der Pius IX. verharrte, nur dazu beitragen konnte, ein von Jesuiten geleitetes Papsttum als den gefährlichsten Gegner der endlich errungenen Einigkeit ganz I.s immer wieder in Erinnerung zu bringen, begann sich die Anschauung Bahn zu brechen, daß man diesen beiden Mächten gegenüber an dem neuen Deutschen Reiche den natürlichen Bundesgenossen habe.
Die Kammer, welche zum erstenmal auf Montecitorio in Rom zu tagen begann, hatte denn auch bereits die von der Regierung vorgeschlagene Armeereform gebilligt, welche die allgemeine Wehrpflicht, wenn auch nur in abgeschwächter Form, einführte. Unmittelbar darauf bestätigte der Senat das Gesetz über die Gotthardbahn, zu welcher I. trotz der schwierigen Finanzlage 45 Mill. Frs. beizutragen übernahm. In Beantwortung der Feindseligkeit Pius' IX. wurde dann 1873 das Klostergesetz von Kammer und Senat genehmigt; Ende Oktober erfolgte die Aufhebung der Ordenshäuser in Rom.
Dagegen wurde Mancinis Antrag auf Ausweisung der Jesuiten von der Kammer verworfen. Schwierigkeiten bot nun aber die Neuordnung des Unterrichtswesens; wegen Ablehnung seiner Anträge nahm Correnti, dann Scialoja seine Entlassung. Die Bewegung für das allgemeine Stimmrecht, welche von der Linken schon 1872 in Fluß gebracht worden war, führte zunächst nur zu kleinern Störungen der Ordnung. Bedenklicher war, daß seit 1871 neben der übermäßigen Verfolgung nur örtlicher Interessen sich der Streit der Parteien in der Kammer zu einem Kampf der leitenden Persönlichkeiten um die Macht umzubilden begonnen hatte.
Dieser zwang das verdiente Ministerium Lanza-Sella zum Rücktritt, da die Kammer ihm großen Aufwand für die Landesverteidigung zumutete, ohne ihm doch neue Einnahmen zu eröffnen. Minghetti trat an seine Stelle als Ministerpräsident. Ein Erfolg dieses Kabinetts war die Herstellung innigerer Beziehungen zu Österreich und Deutschland vermittelst eines Besuches, den Victor Emanuel in Wien und Berlin 17. bez. machte, und der ihm von beiden Kaisern 5. April bez. in Venedig und Mailand zurückgegeben wurde.
Aber auch Minghettis Kabinett erfreute sich bei seinen Vorschlägen zur Herstellung der Finanzen und zur Einführung des Staatsbetriebes der Eisenbahnen nicht der vollen Unterstützung der Kammer, sodaß es einer parlamentarischen Koalition gelang, im März 1876 seinen Sturz herbeizuführen. Das Kabinett Depretis trat an seine Stelle. Bei den Wahlen im Nov. 1874 hatte die Rechte gesiegt; aber die Neuwahlen nach Auflösung der Kammer Ende Nov. 1876 verminderten dieselbe auf kaum 100 Mitglieder gegenüber mehr als 400 der Linken. Das Gesetz gegen staatsfeindliche Mißbräuche der Kultusbeamten in Ausübung ihres Amtes verwarf zwar der Senat dagegen kam im Juli ein Gesetz über die Volksschule zu stande, welches die Teilnahme am Religionsunterricht freigab, ebenso wurde die Unvereinbarkeit des Abgeordnetenmandats mit einer großen Zahl von Ämtern beschlossen und festgesetzt, daß nur 40 Abgeordnete Beamte statt der frühern 104 im aktiven Dienst sein könnten.
Nachdem kurz vor Pius' IX. Tod, Victor Emanuel II. verschieden war und sein Sohn als Humbert I. den Thron bestiegen hatte, übernahm es der radikale Cairoli, Depretis' Nachfolger (März 1878), die Reformzusagen Humberts betreffs des Wahlrechts, der Ministerverantwortlichkeit, der Gewährung größerer Selbständigkeit der Gemeinden und Provinzen u. s. w. einzulösen. Nachdem der Handelsvertrag mit Frankreich an der Ablehnung der franz. Kammer gescheitert war, riefen die Beschlüsse des Berliner Kongresses (s. d.), die Österreich Bosnien und die Herzegowina, England Cypern überließen, während I. leer ausging, große Erbitterung hervor. Cairoli versäumte jedes feste Auftreten, womit er nur die gewaltthätigen Elemente und das republikanische Klubwesen ermunterte. Als sein Minister des Innern, Zanardelli, nach dem Mordversuch Passanantes auf den König erklärte, er bleibe bei seiner Politik, brach sein Kabinett Dez. 1878 zusammen. An seine Stelle trat wieder Depretis.
Auch dieses Ministerium erreichte aber das längst angekündigte Gleichgewicht im Staatshaushalt ebensowenig, als es die Steuer- und Wahlreform zu verwirklichen vermochte, da der persönliche Kampf der einzelnen Fraktionsführer der Linken einer gedeihlichen Arbeit im Wege stand. So führten auch die Verhandlungen über den Berliner Vertrag zu keinem Ergebnis; dagegen kamen die Handelsverträge mit Österreich, Deutschland, Frankreich, England, Belgien und Serbien zum Abschluß sowie die Gesetze über I.s weitern Beitrag von 10 Mill. zur Gotthardbahn und seine Beteiligung an der Monte-Cenerebahn. Während Depretis und Biancheri Frankreich durch unvorsichtige Äußerungen reizten, erschienen die «Italicae res» des österr. Militärattachés in I., Baron Haymerle, welche eine scharfe, wenn auch vom
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Kaiserstaate selbst verleugnete Drohung gegen ein irredentistisches I. enthielten. Trotz der Höhe der Staatsschuld, welche sich bereits auf 8445 Mill. Frs. belief, wurde Florenz, das für seine vorübergehende Stellung als Hauptstadt große Ausgaben gemacht hatte und tief in Schulden geraten war, eine staatliche Beihilfe bewilligt. Als es sich aber um eine Steuererhöhung behufs Aufhebung der Mahlsteuer handelte, kam das Kabinett Depretis zu Fall; die Leitung übernahm wieder Cairoli (Juli 1879), mußte jedoch schon Ende November Depretis sich wieder beigesellen.
Das Ministerium Cairoli-Depretis erlangte die Zustimmung der Kammer für seine auswärtige Politik, stieß aber dann bei der Budgetberatung auf solche Feindseligkeit, daß die Kammer aufgelöst werden mußte. Die Neuwahlen ergaben eine kleine Verstärkung der Rechten. Ganz zu Gunsten dieser und der Klerikalen fielen auch die Provinzial- und Kommunalwahlen in Rom aus. Die Abänderung des Wahlgesetzes, durch welche das Wahlrecht von 650000 auf mehr als 2½ Mill. Köpfe ausgedehnt wurde, indem der Census auf 19,80 Frs. direkte Steuern und das nötige Alter auf 21 Jahre zurückgesetzt wurde, erhielt ebenso wie das Listenscrutinium erst 1881 bez. 1882 die Zustimmung des Senats; die Verlängerung der Handelsverträge mit Belgien, Frankreich, Deutschland, England und der Schweiz wurde noch 1880 von der Kammer genehmigt.
Dem Einmarsch franz. Truppen in Tunis März 1881) folgte der Vertrag von Bardo, durch welchen das von vielen Italienern bewohnte Tunis dem Protektorat Frankreichs unterstellt wurde. Das Kabinett Cairoli, welches sich in seiner Vertrauensseligkeit hatte täuschen lassen, mußte nun zurücktreten. Dennoch verblieb die Staatsleitung der Linken; Depretis, der wieder an Cairolis Stelle trat, nahm aber in sein Ministerium Mancini auf, der, von der öffentlichen Erbitterung über Frankreichs Vordringen in Nordafrika getragen, nun I. dem Bunde Deutschlands und Österreichs zuzuführen unternahm.
Ein erster Schritt hierzu war König Humberts Reise nach Wien Ende Okt. 1881, welcher scharfe Maßregeln gegen die Irredenta und eine Verstärkung des Heers von 330000 Mann Linie und Reserve und 150000 Mann Landwehr auf 430000 bez. 200000 Mann folgten. Trotz der Mehrausgaben von 128 Mill. Frs. für Armee und Befestigungen, namentlich der Umgebung von Rom, gestalteten sich aber die Finanzen immer günstiger; 1875 war zuerst ein Überschuß von 14 Mill. Frs. erzielt worden, 1881 ergab sich ein solcher von 50 Mill. Frs. Das Gesetz vom April 1881 verordnete die Aufhebung des Zwangskurses; zugleich konnte I. mit der Erwerbung von Assab in Afrika Fuß fassen. Der Tod Garibaldis, war namentlich ein Schlag für die Radikalen, die jedoch nach Auflösung der Kammer bei den Neuwahlen vom sich von 30 auf 50 Köpfe vermehrten. Dies hatte eine stärkere Anlehnung Depretis' an die Rechte zur Folge.
Schwierigkeiten brachte aber die ital. Politik in Afrika, wo man sich 1885 den König Johannes von Abessinien (s. d., Bd. 1, S. 38 b) durch Besetzung von Massaua zum Feinde machte. Die ital. Truppen erlitten die Niederlage bei Saati in der Nähe von Dogali Aus der infolge dieser Niederlage entstandenen Ministerkrise ging Depretis nochmals als Präsident hervor; doch hatte er von der Linken Crispi als Minister des Innern und Zanardelli als Justizminister aufnehmen müssen.
Als aber Depretis schon starb, übernahm Crispi das Auswärtige und das Präsidium im Kabinett. Am erklärte er der erstaunten Kammer, daß er keine Parlamentsregierung dulden, sondern fest für eine konstitutionelle Regierung eintreten werde. Nachdem I. einen Teil der Verstärkungen wieder aus Afrika zurückgenommen hatte, traf die zurückgebliebenen zwei Freiwilligenregimenter bei Saganeiti eine zweite schwere Niederlage durch den Neffen des Negus, Debeb.
Mit diesen Mißerfolgen am Roten Meer hing es zusammen, daß der neue Sultan von Sansibar, Said Chalifa, die von seinem Vorgänger, Said Bargasch, zugesagte Abtretung des Kismaju-Gebietes an der Mündung des Jubaflusses ablehnte; daraufhin schloß sich I. der deutsch-engl. Blockade der Insel an. Ihrer afrik. Verlegenheiten wurde die ital. Regierung dadurch enthoben, daß König Johannes in einer Schlacht gegen die Derwische fiel und nun ein Thronfolgestreit zwischen seinem Neffen Debeb und Mongascha und seinem Schwiegersohn Menilek von Schoa ausbrach.
Nachdem Menilek in Adua, der Hauptstadt des Tigre, Febr. 1890 eingezogen, in Antoto als Menilek II. zum Negus Nagast von Äthiopien gekrönt worden war, kam ein Vertrag mit Menilek zu stande, demzufolge sich I. und Abessinien gegenseitige Handelsfreiheit zusprachen, letzteres sich zur Unterdrückung des Sklavenhandels und zur Benutzung ital. Vermittelung bei allen Verhandlungen mit auswärtigen Mächten verpflichtete; ferner erhielt I. gegen Verbürgung einer Anleihe von 4 Mill. Frs. die Zolleinnahmen von Harrar zugesichert und seine Souveränität in seinen Besitzungen am Roten Meer bestätigt, wofür es Menilek als Kaiser von Äthiopien anerkannte.
Die afrik. Erwerbungen hatten allmählich eine ziemliche Ausdehnung gewonnen, da I. Febr. 1889 die Schutzherrschaft über das Sultanat von Opia und Nov. 1889 die Schutzherrschaft über diejenigen Teile von Ostafrika übernommen hatte, welche zwischen den 1886 dem Sultan von Sansibar zuerkannten Ortschaften liegen. (S. Erythräa.) Crispis Ausdauer in diesem von ihm ursprünglich nicht gebilligten Unternehmen belohnte ein von Menotti Garibaldi beantragtes Vertrauensvotum der Kammer und seine Nachfolger Rudim und Giolitti schreckten zwar vor weiterm Aufwand für die neue Kolonie und deren Vergrößerung zurück, bestanden aber auf Erhaltung des Erworbenen.
Die Stellung zum Ausland und zum Vatikan änderte sich nicht, seit die Ausbreitungsbestrebungen Frankreichs in Nordafrika und die Rußlands in der Balkanhalbinsel sowie die immer klarer hervortretenden Bemühungen auch Leos XIII. für die Wiederherstellung der weltlichen Macht der Kurie I. bewogen hatten, dem Deutsch-Österreichischen Bunde beizutreten. Crispis Erklärung vom er halte ein friedliches Zusammenleben von Frankreich und I. für notwendig, hinderte nicht, daß nach vielen Verhandlungen dennoch ein unnachsichtiger Zollkrieg zwischen Frankreich und I. ausbrach, durch welchen dieses schon im ersten Jahr die Hälfte seiner Ausfuhr nach Frankreich, im Betrag von 173 Mill. Frs., einbüßte, während die franz. Einfuhr nach I. nur um ein Drittel (62 Mill. Frs.) zurückging. Weitere Schwierigkeiten suchte
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Frankreich I. zu machen in Zula, südlich von Massaua, und namentlich in Tunis; beidemal wurde Frankreich zum Rückzug genötigt, während I. für seine Erzeugnisse allmählich in Deutschland einigen Ersatz für den franz. Markt fand. Das Verhältnis zum Vatikan verschlimmerte sich; nachdem I. das Ansinnen des Papstes, ganz Rom, dann wenigstens die Leoninische Stadt je mit einem entsprechenden Gebietsstreifen dem Tiber entlang bis zum Meer abzutreten, abgewiesen und den Bürgermeister von Rom, welcher im Namen der Stadt ohne Wissen der Regierung und des Gemeinderats Leo XIII. Glückwünsche hatte aussprechen lassen, abgesetzt hatte, ward dem neuen Strafgesetzbuch von 1888 der auch in andern Staaten geltende, in I. bisher für erläßlich gehaltene Satz einverleibt, welcher Priestern Umtriebe und Aufreizungen gegen den Bestand, die Einrichtungen und Gesetze des Staates und die Handlungen einer Behörde untersagte.
Zugleich wurde in dem Gesetz über Gemeinde- und Provinzialreform der Regierung die Ernennung der Bürgermeister in Orten unter 10000 E. vorbehalten, um diese dem in ihnen übermächtigen Einfluß der Geistlichkeit zu entziehen. Sehr gereizt aber wurde Leo XIII. durch die Feier bei der Enthüllung von Giordano Brunos Denkmal, welche in Rom stattfand. Auf das von der Umgebung des Papstes ausgesprengte Gerücht, er werde nach Valencia übersiedeln, antwortete Crispi mit der Androhung eines Schismas.
Darauf blieb der Papst, obwohl noch im Dezember desselben Jahres ein neuer empfindlicher Schlag gegen die Macht der Geistlichkeit geführt wurde, indem ihr die Verwaltung der Wohlthätigkeitsanstalten entzogen wurde, welche unter einer neu geregelten Oberaufsicht des Staates im wesentlichen den Gemeinden verblieb. Das Gesetz ging aber im Senat erst nach ernsten Verhandlungen durch. Angesichts der Bestrebungen Rußlands, mit seiner Flotte ins Mittelmeer einzudringen, betonte Crispi schon I. als Mitglied des Dreibundes (s. d.) richte im Unterschied von Deutschland seine Spitze gegen Rußland, nicht gegen Frankreich, dem gegenüber es I. genüge, die frühere Abhängigkeit in Handel, Kredit, Eisenbahnwesen und Politik abgeschüttelt zu haben.
Etwas abweichend erklärte er jedoch 17. März und und während I. im Dreibund die Stellung eines Gleichberechtigten errungen und an Österreich die Schutzwehr gegen den Einbruch des Slawentums habe, sei es mit England durch das gemeinsame Bestreben, das Mittelmeer nicht zu einem franz. See werden zu lassen, verbunden. Die Versuche Englands, bei den Verhandlungen 1890) über Kassala und die Abgrenzung der beiderseitigen Einflußsphären I.s Kraft im Süden von Ägypten auszunutzen, scheiterten.
Der immer schwieriger werdende Posten des Finanzministers ward unter Crispi mehrfach neu besetzt; Dez. 1888 wurde an Stelle Maglianis Grimaldi zum Finanzminister, der Senator Perazzi zum Schatzminister gemacht und Miceli mit dem bisher von Grimaldi versehenen Posten eines Ackerbauministers betraut, während Boselli an Stelle Coppinos den Unterricht übernahm. Wieder wegen Meinungsverschiedenheit zwischen Kammer und Regierung in Finanzsachen trat eine Neubildung des Kabinetts März 1889 ein;
an Stelle Grimaldis und Perazzis traten Seismit-Doda und Giolitti, an Stelle Saraccos der Senator Finali als Minister der öffentlichen Arbeiten;
der Linken gehörten nun im Kabinett an Crispi, Zanardelli, Seismit-Doda, Miceli, Giolitti und der Marineminister Brin, während dem rechten Centrum Bertolè-Viale, Finali und Boselli entnommen waren. Am wurde aber auch Seismit-Doda wegen Irredentismus verabschiedet;
Giolitti, der aushilfsweise dessen Amt mit übernahm, überwarf sich jedoch alsbald mit Finali, worauf Finanzen und Schatz wieder Grimaldi übernahm.
Der Kammer ward der Entwurf des neuen Strafgesetzes vorgelegt, welches endlich in I., wo im Norden bisher noch nach piemontesischem, in Toscana nach toscanischem, im Süden nach bourbonischem Recht gerichtet worden war, die im bürgerlichen Recht schon 1860 erreichte Einheit auch im Strafrecht herstellte; die Todesstrafe ward durch dasselbe abgeschafft. Von der Kammer wurde seine Annahme 9. Juni, vom Senat beschlossen. Außerdem ward eine Provinzial- und Gemeindereform von der Kammer 19. Juli, vom Senat gutgeheißen und eine Reform des Polizeigesetzes von der Kammer angenommen.
Einen Hauptgegenstand der Kammerverhandlungen bildete die immer trauriger sich gestaltende Finanzlage. Nachdem nach der Niederlage von Dogali der Regierung 5 Mill. Frs. außerordentlicher Kredit bewilligt worden war teilte Magliani der Kammer, welche eben eine Erhöhung des Einfuhrzolls namentlich auf Zucker beschlossen hatte, Dez. 1887 mit, daß zwar die Einnahmen von 1887/88 den Voranschlag um 50 Mill. Frs. überstiegen hätten und für die erhöhten Militärausgaben die Überschüsse früherer Jahre ausreichten, er aber gleichwohl die Ausgabe von 70 Mill. Frs.
Obligationen beantrage; das Deficit für 1888/89 sei auf 15 Mill. Frs. herabgemindert und die Erhöhung von Steuern werde eine Vermehrung der Einnahmen um 25 Mill. Frs. ergeben. Als aber 1888 das von Magliani vorgelegte Budget mit 70 Mill. Frs. Fehlbetrag schloß, hatte er heftige Angriffe zu erfahren; die Getreidezölle mußten nun von 3 auf 5 Frs. erhöht werden. Dennoch warnte Crispi vor Sparsamkeit bei Rüstungen um den Frieden zu erhalten, nötigenfalls zu erzwingen, bedürfe I., das schon größere finanzielle Schwierigkeiten überwunden habe, einer starken Armee und Marine.
Der außerordentliche Kredit von 127 Mill. Frs., welcher nun vom Kriegsminister gefordert wurde, steigerte das Deficit von 1888 auf 230 Mill. Frs. Magliani, der mit 60 Mill. Frs. neuer Steuern dasselbe binnen 4½ Jahren zu decken versprach, fand keinen Glauben mehr. Im Hinblick auf die großen Verluste, die I. der Zollkrieg mit Frankreich brachte, forderte nun König Humbert in der Thronrede vom bei strenger Erfüllung der übernommenen Verpflichtungen in betreff der öffentlichen Arbeiten und der militär. Maßnahmen die Herabminderung der Ausgaben auf die äußerste Grenze und den Aufschub von Unternehmungen, welche neue Lasten auflegen würden. Perazzi berechnete das Deficit von 1888/89 auf fast 192 Mill. Frs.; um es zu decken, beantragte er die 1881 gegründete und damals mit 27 Mill. Frs. Rente ausgestattete Pensionskasse aufzulösen bez. das Kapital auszugeben und die Pensionen wieder auf das Budget zu übernehmen, wie es 1893 unter Giolitti thatsächlich geschah. Der darüber zwischen Kammer und Kabinett entstehende Meinungsstreit veranlaßte Crispi, letzteres 28. Febr.
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bis umzubilden und zuzusagen, daß mit Ausnahme einer Neuansetzung der Gebäudesteuer keine neuen Auflagen gefordert, der Ausfall im übrigen durch Ersparnisse gedeckt werden solle.
Neue Ausgaben aber erwuchsen der Regierung durch den Baukrach in Rom. Die bedeutenden Ausgaben, welche Rom aus der Erhebung zur Hauptstadt erwuchsen, hatte 1883 die Regierung zu erleichtern gesucht, indem sie 2½ Mill. Frs. Jahreszuschuß gewährte und sich für eine Anleihe von 150 Mill. Frs. verbürgte, wogegen die Gemeinde Regierungsbauten für 30 Mill. Frs. auf sich übernahm; bei der Untersuchung von 1890 aber ergab sich, daß bereits die Summe von 127 Mill. Frs. verausgabt, von den geplanten Arbeiten jedoch erst der kleinere Teil ausgeführt war.
Die Regierung bewilligte nun den Staatszuschuß von 2½ Mill. Frs. für weitere 20 Jahre bis zur völligen Tilgung der Anleihe und übernahm die Tiberregulierungsarbeiten auf sich, zog dafür aber die städtische Verzehrsteuer in eigene Verwaltung, um aus dieser der Stadt jährlich 4 Mill. Frs. zu zahlen; die noch fehlenden 2 Mill. Frs. hatte diese dann durch neue Steuern aufzubringen. Fast der gesamte Gemeinderat und der Bürgermeister dankten daraufhin ab, und die Regierung sah sich gezwungen, in dem Abgeordneten Finocchiaro-Aprile der Stadt einen Kommissar zur Verwaltung zu geben.
Gleichzeitig glaubte sich die Regierung genötigt, um den Anforderungen an den modernen Staat hinsichtlich der Armenunterstützung genügen zu können, die erwähnte Einziehung des Vermögens der frommen Stiftungen vorzunehmen. Trotzdem schilderte die Thronrede vom die Finanznot als überwunden, um so mehr, als man angesichts des gesicherten Friedens in den Heeresausgaben Sparsamkeit walten lassen könne. Den Fehlbetrag für 1890/91 gab Dez. 1889 Giolitti und der kurz darauf an seine Stelle getretene Seismit-Doda auf 33 Mill. Frs. an; das Deficit von 1889/90 aber betrug 250 Mill. Frs., und schon mußte die Kammer wieder über 15½ Mill. Frs. außerordentlichen Kredit für Vermehrung der Marine und Ankauf neuer Munition gewähren. Kurz darauf erwarb die Regierung von der Familie Garibaldi die Insel Caprera für 332000 Frs., um daselbst Befestigungen anzulegen.
Mehr und mehr suchte die öffentliche Meinung in den Rüstungen und der Teilnahme am Dreibund den Grund der Finanznot; Crispi erklärte dies in einer Rede zu Turin für unzutreffend, die Rüstungen für notwendig und versprach, Reformen und Ersparnisse würden das Deficit beseitigen, neue Steuern nicht aufgelegt werden. Aber bereits bahnte sich Rudinì den Weg zur Stelle des Ministerpräsidenten, indem er den furchtbaren Steuerdruck der auf allen Produktionszweigen, vor allem auf der Landwirtschaft laste, als Hauptursache der wirtschaftlichen Not bezeichnete.
Diese war seit 1887 im Zunehmen; ein Handelsvertrag mit Österreich, welcher seit galt und von der Kammer 1887 genehmigt worden war, hatte zunächst keinen Ersatz für den Ausfall an Ausfuhr nach Frankreich erschlossen, ebensowenig die Verlängerung der alten Handelsverträge mit der Schweiz und Spanien. Besonders hart traf der Ausfall an Weinausfuhr den Süden. Dazu kam, daß die Provinz Cosenza durch ein Erdbeben 2. und noch empfindlicher heimgesucht wurde als die Riviera und Piemont, wo solche schon 23. Febr. und eingetreten waren, und daß die Cholera, welche I. schon 1884 heimgesucht hatte, sich 1887 von Catania und Messina über Reggio bis nach Neapel und Gaëta verbreitete. Im März, April und Mai brachen unter den Arbeitern und der ländlichen Bevölkerung Unruhen aus, und aus dem Süden, namentlich von Sicilien, wo Leute Hungers starben, trafen die übelsten Nachrichten ein.
Die Thronrede vom erklärte deshalb neben der Herstellung des Gleichgewichts in den Finanzen durch Ersparnisse und durch eine Umgestaltung der Besteuerung die Sorge für das Wohl der Arbeiter als die Hauptaufgabe der Kammer. Sehr unterstützt wurden durch diesen Notstand die auf Crispi von Radikalen, Irredentisten und der von Bonghi geführten Rechten gerichteten Angriffe. Zielscheibe bildeten für die Opposition die afrik. Unternehmung der Regierung, welche unerwartet große Opfer an Geld forderte, und die über das Zusammengehen mit Österreich und Deutschland Frankreich gegenüber entstandene Spannung.
Mit Entschiedenheit aber erklärte Crispi einerseits die Ausdauer in Afrika für geboten, andererseits daß als I.s Gegner nicht Österreich, sondern der von Frankreich unterstützte Vatikan zu betrachten sei (11. Mai Die Klerikalen enthielten sich nach päpstl. Weisung immer noch der Wahl von Abgeordneten; ihre Geschäfte besorgten indessen die Radikalen. Nachdem Crispi geschickt die Masse meist irredentistischer Interpellationen von 1889 beantwortet hatte, bezeichnete er in einer Rede zu Florenz als den Punkt, auf welchen die Radikalen zutrieben, den Krieg mit ganz Europa, den Umsturz des Thrones und den Untergang des Vaterlandes.
Nachdem die Radikalen 12. Okt. ein Gegenbankett in Florenz gehalten hatten, erfolgte in Palermo 12. Nov. eine begeisterte Kundgebung für Crispi. Eine ähnliche hatte er daselbst und in Neapel schon nach dem Mordanfall auf ihn im Sept. 1889 erhalten, wie in der Kammer ein Vertrauensvotum, bei welchem der größte Teil der Rechten unter Führung Rudinìs für ihn stimmte. Nachdem die alte Kammer aufgelöst worden war, erlitten Radikale und Irredentisten eine schwere Niederlage bei den Neuwahlen vom 23. bis 3 Irredentisten und 39 Radikale standen unter den 508 Neugewählten 392 Anhängern Crispis, 46 Nicoteras gegenüber; 28 bezeichneten sich als Parteilose.
Bei dieser Lage war der Streit, welcher sich im Jan. 1891 zwischen Crispi und der Kammer erhob und jetzt schon Rudinì an Crispis Stelle brachte, um so überraschender. Nachdem Grimaldi in offener Darlegung auch für 1890/91 einen Fehlbetrag von 45 Mill. Frs., für 1891/92 einen solchen von 27 Mill. Frs. angekündigt, und die Regierung unter Festlegung der außerordentlichen Ausgaben auf 85 Mill. Frs. erklärt hatte, mit bloßer Erhöhung einiger Steuern auskommen zu können, griff Crispi, gereizt durch den Widerstand, welchen die Kammer diesen Steuern entgegenstellte, die Rechte mit einer Schärfe an, die seinen Sturz zur Folge hatte. Die Hoffnung Frankreichs auf eine Abwendung I.s vom Dreibund und die Erwartungen des Vatikans infolge des Ministerwechsels erfüllten sich jedoch nicht. Denn während der neue Finanzminister Luzzatti durch Ersparungen und Einnahmenerhöhungen 74 Mill. Frs. herausschlug und der König auf einen Teil der Civilliste verzichtete, hielt auch dieses Kabinett der Rechten gegenüber dem
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Ansturm der Irredentisten auf den Dreibund daran fest, daß dieser um so mehr erhalten bleiben müsse, als er I. keinerlei Mehrausgaben für Heer und Marine auflege, und verlängerte die Bündnisverträge vor ihrem Ablauf. Ebenso wurde auf der überkommenen Kolonialpolitik verharrt trotz des zweideutigen Gebarens König Menileks. Ende 1891 trat Rudinì nochmals für I.s Festhalten am Dreibund öffentlich ein, wies gleichzeitige Angriffe auf die Garantiegesetze ebenso von sich als eine Politik der Abenteuer in Afrika, da es sich für I. zunächst um Sammlung und Vermeidung weiterer Heeresausgaben handle.
Der Fehlbetrag im Staatshaushalt war nach Luzzattis Angabe vom 1. Dez. auf 1 Mill. Frs. für 1891/92 vermindert, während er für 1892/93 einen Überschuß von 9 Mill. Frs. in Aussicht stellte. Nachdem aber die Zollverträge mit Deutschland durch die Kammer genehmigt worden waren, mußte bereits im Februar für 1891/92 ein Fehlbetrag von 75, für 1892/93 ein solcher von 20-30 Mill. Frs. eingeräumt werden; da aus Pelloux' Vortrag hin die Kammer davon absah, die Heeresorganisation zu ändern und auf militär. Gebiete große Ersparungen zu suchen, so mußten die Ausgaben in der Verwaltung beschränkt und der Aufwand beim Bau neuer Eisenbahnen auf jährlich 30 Mill. Frs. herabgemindert werden.
Außerdem erfolgte 14. bis 21. April eine Neubildung des Ministeriums Rudinì unter Rücktritt des Finanzministers Colombo, dem aber Rudinìs eigener Sturz in kurzem folgte. An seine Stelle trat Giolitti, dessen Programm die Besserung der finanziellen und wirtschaftlichen Lage des Landes an die Spitze stellte, wobei er jedoch unter Festlegung der jährlichen Heeresausgaben auf 246 Mill. Frs., an der auswärtigen Politik der Bündnisse, die auf Frieden ziele, festzuhalten versprach. Im Juni 1892 fand sich Humbert mit der Königin und dem Minister des Auswärtigen Brin in Berlin ein, worauf Brin und dann Giolitti selbst 3. Nov. die Notwendigkeit betonten, am Dreibund festzuhalten und die nicht durch diesen, sondern durch die allgemeine Lage Europas auferlegten Rüstungen zu tragen.
Die Columbusfeier gab in Rom 7. Aug. Anlaß zu einem Zusammenstoß zwischen Klerikalen und Liberalen, 9. Sept. in Genua Gelegenheit zu einem glänzenden Flottenfeste. Nachdem 7. Juli an Stelle Ellenas Grimaldi das Schatzministerium übernommen und nachdem Giolitti sein zweites, ausschließlich finanzielles Programm veröffentlicht hatte, worin er erklärte, durch Erleichterung der Pensionslast, Einführung des Petroleummonopols, Steuerreform und Reform der verschiedenen Verwaltungszweige das Gleichgewicht erreichen und die spruchreifen socialen Fragen in Angriff nehmen zu wollen, wurde die Kammer 12. Okt. aufgelöst. Die Neuwahlen 6. Nov. fielen überwiegend zu Gunsten der Linken und Giolittis aus, dem sie eine Mehrheit von mehr als 300 Abgeordneten brachten. Während sich Crispi 20. Nov. zu Palermo in einem dem Dreibund und der Monarchie wenig günstigen Sinne aussprach, hob der König in der Thronrede 23. Nov. die friedlichen Gesinnungen der Regierungen hervor und sicherte die Herstellung des Gleichgewichts ohne Erschwerung für die Steuerzahler zu.
Die Finanzfrage stand auch 1893 wieder im Vordergrund, daneben war die Aufmerksamkeit auf das Problem der Verschmelzung der Banken gerichtet. Außerdem wollte Martini die Universitäten von 22 auf 12 vermindern; Bonacci verlangte die Einsetzung einer einzigen obersten Instanz auch in Strafsachen. Aber dem Ministerium fehlte die Mehrheit einer geschlossenen, thatkräftigen Partei in der Kammer um so mehr, als Giolitti sich immer mehr als Mann der Augenblicksauskünfte offenbarte und insbesondere sich bei dem raschen Verzicht auf seinen Antrag, die Emissionsbefugnis der Banken auf weitere sechs Jahre unter Verschärfung der Aufsicht und Verstärkung des Reservefonds zu erstrecken, schwach gezeigt hatte.
Dazu kam, daß der Senat infolge eines nicht sorgfältig gewählten Senatorenschubs und bei seiner Nichtvertretung im Kabinett Giolittis schwierig war. Schon im Januar aber nahm die Römische Bank ganz die öffentliche Aufmerksamkeit in Anspruch, da sich herausstellte, daß deren Leiter Bernardo Tanlongo ohne Befugnis und ohne Deckung 60 Mill. Papiergeld in Umlauf gesetzt hatte. Während dann bereits im Februar ein Kammermitglied sich in den Prozeß der Banca Romana verwickelt sah, fand Grimaldi mit seiner Budgetvorlage und seinem Vorschlag, den Fehlbetrag wieder durch eine Belastung der Zukunft behufs Zahlung der Hälfte der Pensionen zu verdecken, zunächst üble Aufnahme, und das Vertrauen des Landes zu der Regierung schwand zusehends.
Doch wurde die Silberne Hochzeit König Humberts im April unter warmer Teilnahme des ganzen Volks gefeiert, und das Familienfest gewann eine äußere polit. Bedeutung durch die Teilnahme des Großfürsten Wladimir von Rußland und durch Kaiser Wilhelms II. dritten Besuch in Rom, diesmal mit der Kaiserin, sowie durch die Entsendung des Erzherzogs Rainer von Wien. Nachdem bei der Beratung des Marinebudgets von Ricotti vor übermäßiger Sparsucht in den Ausgaben für das Heer gewarnt worden, zugleich aber wieder der Plan einer Verminderung des Heers von 12 auf 10 Armeekorps aufgetaucht war, sah sich das Kabinett Giolitti gezwungen, seine Entlassung einzureichen anläßlich der Verwerfung des Budgets der Justiz; der König bewilligte jedoch nur den Rücktritt des Justizministers Bonacci (Mai 1893). Schwierig aber fand die Regierung den Senat bezüglich der Finanzpläne; doch wich letzterer schließlich einem Zwist mit der Kammer aus und gewährte bei Beratung des Pensionsgesetzes Giolitti die gesuchte Anleihe.
Verhältnismäßig wenig Beachtung wurde im Lande dem unerfreulichen Gang der Dinge in Afrika geschenkt, wo Menilek, von russ. und franz. Seite unterstützt, die Verpflichtung des Vertrags von Uccialli zur Benutzung ital. Vermittelung im auswärtigen Verkehr und damit das Protektorat I.s über Abessinien abzuschütteln suchte. Trotz der Hinweise des parlamentarischen Untersuchungsausschusses für die Bankfrage auf Beteiligung von Kammermitgliedern an den stattgehabten Unregelmäßigkeiten trat die Kammer noch Anfang Juni in die Beratung des Bankgesetzes ein.
Nachdem Senat und König dasselbe 4./5. Aug. bestätigt hatten, entschloß sich die Regierung wenigstens zur Ausgabe von 30 Mill. Einfrankenbillete, um dem Mangel an Kleingeld abzuhelfen. Neue Schwierigkeiten verursachte die schmähliche Mißhandlung ital. Arbeiter in Aigues-Mortes im August, die in I. überall größte Entrüstung, in Rom, Messina, Genua und Neapel erhebliche Ruhestörungen zur Folge hatte. Die Veröffentlichung der Untersuchungsakten des Prozesses der Banca Romana, dem der Rücktritt des Justizministers Santamaria im September folgte, steigerten noch die öffentliche Erregung. Die
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Aufmerksamkeit aller europ. Kabinette und Märkte ist auf die immer noch unbehobene Krisis des ital. Staatshaushalts gerichtet. An Zinsen der Staatsschuld (s. oben S. 750 b) bezahlte I. 1892 an das Ausland 155 Mill. Frs., 30 Mill. mehr als 1891 infolge des gesunkenen Wechselkurses. Die Konsolidierung der schwebenden Schuld ist aber nur möglich bei Behebung des nun seit sechs Jahren zwischen 60 und 100 Mill. schwankenden Deficits durch größere, bei der europ. Lage aber bedenkliche Ersparungen in den Heeresausgaben oder durch neue Steuern.
Für Steigerung der letztern erklärte sich denn auch Giolitti, entgegen frühern wiederholten Zusicherungen, in seiner Bankettrede vom 18. Okt. zu Dronero; von einer Erbschaftssteuer und einer progressiven Besteuerung des Einkommens über 5000 Frs. versprach er sich die Herstellung des Gleichgewichts. Am traten die Kammern wieder zusammen. Gleich in der ersten Sitzung der Deputiertenkammer rief die Verlesung des Berichts des zur Prüfung der Bankangelegenheit eingesetzten parlamentarischen Siebener-Ausschusses eine solche Erregung hervor, daß Giolitti, obwohl er persönlich darin nicht angegriffen war, es vorzog, mit dem Ministerium seine Entlassung zu nehmen.
Zanardelli wurde zunächst mit der Bildung eines neuen Kabinetts beauftragt; da aber der König die eingereichte Liste nicht genehmigte, trat dieser zurück, und Crispi übernahm die Bildung des Kabinetts, das sich zusammensetzt aus: Crispi (Vorsitz und Inneres), Baron Blanc (Auswärtiges), Sonnino (Finanzen), Calenda (Justiz), Baccelli (Unterricht), Mocenni (Kriegsressort), Morin (Marine), Boselli (Ackerbau), Saracco (Öffentliche Arbeiten), Ferraris (Post und Telegraphie).
Litteratur zur italienischen Geschichte. Die Hauptsammlung der Quellen bildet Muratori, Rerum italicarum scriptores (29 Bde., Mail. 1723–51; fortgesetzt von Tartini, Flor. 1748–70); teils Quellen, teils Monographien veröffentlichen das Bullettino dell' Istituto storico italiano (Rom), die Miscellanea di storia italiana (Turin), die Rivista storica italiana, das Archivio storico italiano (Florenz), die Rassegna nazionale (ebd.) und die Nuova Antologia (Rom). – Von den Bearbeitungen der ital. Geschichte sind hervorzuheben: Muratori, Annali d'Italia (12 Bde., Mail. 1744–49 u. ö.; deutsch von Baudis, 9 Bde., Lpz. 1745–50), an die sich Coppis Annali d'Italia dal 1750–1861 (Flor. 1848 fg.) und die Annali d'Italia in continuazione degli Annali del Muratori e del Coppi (von J. Ghiron, bis 1870; 8 Bde., Mail. 1888–90) anschließen; ferner die Werke von Bossi (19 Bde., ebd. 1819–23), Campiglio (7 Bde., ebd. 1837–67), Balbo (Tur. 1841 u. ö.) und dessen Fortsetzer Molinari, La Farina, C. Cantù (Storia degl' Italiani, 6 Bde., ebd. 1854; 4 Bde., 1859), Balan (7 Bde., Modena 1878–88) und das unter Villaris Leitung erscheinende große Sammelwerk einer Geschichte I.s in Einzelbearbeitungen.
Von Zeittafeln sind hervorzuheben C. Rinaudo, Cronologia della storia d' Italia 476–1870 (4. Aufl., Flor. 1888), und L. Cappelletti, Fatti principali della storia d' Italia (1774–1878; Tur. 1891). Hierzu kommen von deutschen Arbeiten: Lebret, Geschichte von I. (9 Bde., Halle 1778–87);
Leo, Geschichte der ital. Staaten (5 Bde., Hamb. und Gotha 1829–30);
von Reumont, Beiträge zur ital. Geschichte (6 Bde., Berl. 1853–57).
– Unter den zahlreichen Arbeiten über das Mittelalter sind hervorzuheben: Sismondi, Histoire des républiques italiennes du moyen âge (16 Bde., Par. 1809–18; 5. Aufl., ebd. 1840–44; deutsch, 16 Bde., Zür. 1807–24);
Troya, Storia d' Italia del medio evo (14 Bde., Neap. 1839–55);
Morbio, Storia de' municipj italiani (6 Bde., Mail. 1841–46);
Hegel, Geschichte der Städteverfassung von I. (2 Bde., Lpz. 1847);
F. Bertolini, Storia d' Italia, Medio evo (Mail. 1892).
– Die Neuzeit haben C. G. G. Botta (s. d.), Ferrari (Histoire des révolutions d'Italie), 4 Bde., Par. 1858), Reuchlin (Geschichte I.s von der Gründung der regierenden Dynastien bis zur Gegenwart, 4 Bde., Lpz. 1859–73), C. Bulle (Geschichte des zweiten Kaiserreichs und des Königreichs I., Berl. 1890; Onckensche Sammlung) und N. Nisco (Storia civile del regno d' Italia 1814–80, 5 Bde., Neap. 1891) bearbeitet. – Unter den zahlreichen Arbeiten über die jüngste Epoche der ital. Geschichte sind ferner zu nennen: Montanelli, Memorie sull' Italia dal 1814 al 1850 (2 Bde., Tur. 1854–55);
Farini, Storia d' Italia dall' anno 1814 (2 Bde., ebd. 1859);
La Farina, Storia d' Italia dal 1815 al 1850 (2. Aufl., 3 Bde., Mail. 1864);
Bianchi, Storia documentata della diplomazia europea in Italia dal 1814 al 1861 (8 Bde., Tur. 1865–72);
Butt, The history of Italy from the abdication of Napoleon I. (2 Bde., Lond. 1860): Anelli, Storia d' Italia dal 1814 al 1867 (5 Bde., Mail. 1864);
Menacci, Memorie documentate per la storia della rivoluzione italiana (3 Bde., Rom 1887–90);
F. Bertolini, Memorie storico-critiche del risorgimento italiano (Mail. 1889);
Bacci, Ricordi del risorgimento italiano 1848–89 (ebd. 1890).
Al. Manzoni, La rivoluzione italiana del 1859 (ebd. 1890);
D. Beisso, Il risorgimento italiano (Rom 1891);
Tivaroni, L' Italia durante il dominio austriaco (2 Bde., Tur. 1892-93);
außerdem schrieben über die Kriege von 1848, 1849 und 1859 und über die folgenden Ereignisse: Gualterio, Gli ultimi rivolgimenti italiani (Flor. 1852);
Ranalli, Le istorie italiane dal 1846 al 1853 (ebd. 1855);
Pisacane, Der Krieg in den J. 1848–49 (deutsch von Cloßmann, Chur 1852);
ferner die Schriften von Bazancourt (2 Bde., Par. 1859–60), Lecomte (ebd. 1860), Rüstow und Boggio (Tur. 1864).
Zur Geschichte des J. 1866 vgl. A. La Marmora. Un po' più di luce (Flor. 1873; deutsch Mainz 1873; 2. Aufl. 1874). Von Bibliographien sind zu nennen: Reumont, Bibliografia dei lavori pubblicati in Germania sulla storia d' Italia (Berl. 1863), und Manno, Bibliografia storica degli stati della monarchia di Savoia (Turin).