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geheimen geistlichen Rate die letzte Entscheidung über die Beschlüsse der Kammer vor.
Unmittelbar darauf lief die Nachricht von der Wiener Revolution ein, und alsbald erhob sich Mailand, [* 2] um nach fünftägigem Ringen Radetzky in der Nacht vom 22. auf den 23. März zum Abzug zu zwingen. Gleichzeitig hatte sich Venedig [* 3] erhoben. Hier hatten die Österreicher in der ersten Bestürzung die Stadt aufgegeben; Manin übernahm deren Leitung, und in kurzem schlossen sich Treviso, Vicenza, Padua [* 4] und Rovigo ihr an. Ebenso sahen sich die Herzöge von Modena und Parma [* 5] zur Flucht genötigt.
Während sich die Kurie und Toscana von der nationalen Bewegung nur bis zu ermunternden Erklärungen und zur Entsendung von Truppen an die Grenzen [* 6] treiben ließen, überschritt diese Karl Albert mit seinem Heere 25. März und drang dem hinter den Mincio zurückgewichenen Radetzky nach. Dieser zog sich auf Verona [* 7] zurück, um, gestützt auf das Festungsviereck, den Piemontesen den Übergang über die Etsch unmöglich zu machen. Während sich Karl Albert vor Peschiera und Mantua [* 8] und in fruchtlosen Kämpfen vor Verona hinhalten ließ und aus der Lombardei, Toscana und Modena nur ungenügende Verstärkungen erhielt, hatte der Papst bereits 29. April sich außer stände zu einem Angriffskrieg gegen Österreich [* 9] erklärt.
Auch die röm. Truppen, mit denen Durando auf eigene Verantwortung den Po überschritt, um den Venetianern unter Zucchi die Hand [* 10] zu reichen, vermochten die Vereinigung der unter Nugent vom Isonzo [* 11] herbeieilenden Truppen mit Radetzky in Vicenza (10. Juni) nicht zu verhindern. Radetzky, schon vorher von Tirol [* 12] her verstärkt, ging nun Ende Juli mit starker Übermacht bei Custozza [* 13] und Sommacampagna zum Angriff auf die lang gestreckte Linie der Piemontesen über; nur mit großer Mühe entging Karl Alberts Heer einer Durchbrechung. Kopflos ließ es sich nach seiner Niederlage durch Radetzky auf Mailand zurückwerfen und mußte auch dies in der Nacht des 6. Aug. räumen. Radetzky bewilligte hierfür einen Waffenstillstand, der die Piemontesen zum Abzug aus der Lombardei, Venetien und den Herzogtümern und zur Rückgabe des kurz zuvor endlich gewonnenen Peschiera verpflichtete.
Schon vor dem Siege der Österreicher in Oberitalien [* 14] hatte jedoch die Reaktion in Unteritalien triumphiert. Hier hatte nach dem Ausbruch des Kampfes im Norden [* 15] Ferdinand II. der öffentlichen Stimme zwar scheinbar entsprochen, indem er nationale Erklärungen erließ und Heer und Flotte nach dem Kriegsschauplatz entsandte, untersagte dann aber über den Kopf seiner Minister hinweg beiden Teilen das Eingreifen in den Kampf, und als sich beim Zusammentreten der Abgeordneten für das Parlament Unruhen in Neapel [* 16] zeigten, ward das Parlament wieder aufgelöst und ein neues, dem König ergebenes Ministerium gebildet, das alsbald das Heer zurückrief.
Diesem Befehle versagte mit einem Teile der Truppen Pepe den Gehorsam und zog Venedig zu. In Neapel suchte man an Stelle der aufgelösten eine gefügigere Kammer zu erhalten durch die Beschränkung des Wahlrechts; das Land sandte jedoch die frühern Abgeordneten wieder. Nun half sich die Regierung, indem sie die Kammer vom bis wiederholt vertagte und währenddessen die Unterwerfung Siciliens betrieb. Angesichts dieser Entwicklung im Norden und im Süden gewann unter den schwachen Regierungen des Kirchenstaates und Toscanas mehr und mehr die Partei der Republikaner die Oberhand. Um seine auf Österreichs Gebiet vorgedrungenen Truppen völkerrechtlich zu schützen, hatte Pius IX. dieselben zwar dem Oberbefehl Karl Alberts unterstellt, aber zu dem von Gioberti betriebenen Bunde mit Toscana und Piemont konnte er sich nicht entschließen, und der von ihm ins Ministerium berufene Rossi überwarf sich vollends mit Piemont.
Als Rossi, der die Zahl seiner Feinde namentlich durch die Entschlossenheit, mit der er die Radikalen niederhielt, noch vermehrt hatte, 15. Nov. ermordet worden war, flüchtete der Papst nach Mola di Gaëta (24. Nov.), von wo aus er seine Rückkehr ebenso ablehnte wie die Einsetzung einer Regierung. Auf die Selbsthilfe angewiesen, beschloß nun die Kammer die Wahl einer konstituierenden Versammlung. Diese trat, der Einsprache des Papstes ungeachtet, zusammen, erklärte den Kirchenstaat zur Republik und übergab die ausübende Gewalt einem Triumvirat, worin bald Mazzini die ausschlaggebende Persönlichkeit wurde. Ähnlich war die Entwicklung in Toscana. Hier hatten sich nach Karl Alberts Niederlage Unruhen namentlich in Livorno [* 17] erhoben, und durch das Anschwellen der Macht der extremen Partei waren Montanelli und Guerrazzi ans Ruder gekommen, während sich die Gemäßigten, an ihrer Spitze Gino Capponi, von der Regierung zurückzogen. Dennoch wich der Großherzog erst, nachdem die toscan. Kammer die Einberufung einer konstituierenden Nationalversammlung für ganz I. beschlossen hatte. Wie der Papst flüchtete er aus seinem Lande nach Gaëta und verweigerte von hier aus gleichfalls sowohl die Rückkehr als die Einsetzung einer stellvertretenden Regierung.
Darauf wurde auch in Toscana ein Triumvirat gebildet, die Gewalt aber ging thatsächlich in Guerrazzis Hände allein über. Für Piemont hatten inzwischen England und Frankreich einen Frieden zu vermitteln gesucht und namentlich das erstere suchte für Karl Albert auch jetzt noch die in der ersten Bedrängnis des Krieges angebotene Lombardei herauszuschlagen; aber während Österreich die Verhandlungen in die Länge zog, bis es in Ungarn [* 18] wieder Herr geworden wäre, war Mittelitalien mehr und mehr haltlos in den Strudel der Revolution verfallen.
Die Unruhe und Ungeduld, die hierüber auch sein Königreich ergriff, bewog endlich Karl Albert zu dem verzweifelten Schritte der Aufkündigung des Waffenstillstandes. Trotz eifriger Arbeit war das piemont. Heer noch nicht wieder auf der frühern Höhe; dazu kam Radetzkys Feldherrnüberlegenheit. Kaum über die Grenze gedrungen, schlugen die Österreicher die Piemontesen vernichtend bei Novara Karl Albert legte die Krone zu Gunsten seines Sohnes Victor Emanuel II. nieder und dieser mußte den Waffenstillstand dadurch erkaufen, daß er sich von der Erhebung des übrigen I. zurückzog und österr. Truppen bis zum Friedensschluß aufnahm. Während Victor Emanuel unendliche innere Schwierigkeiten zu überwinden hatte, um das Land zu vermögen, den Frieden anzunehmen, schlugen die Österreicher zunächst unter Haynau das letzte nationale Aufflackern in der Lombardei, in Brescia, mit furchtbarer Härte nieder und wandten sich dann gegen Toscana, den Kirchenstaat und Venedig. Gegen die Diktatur Guerrazzis in Toscana hatte ¶
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sich endlich das Volk erhoben, worauf unter Gino Capponi, Ricasoli, Serristori u. a. eine provisorische Regierung gebildet wurde. Die erneute Einladung dieser beantwortete Leopold II. mit der Ernennung Serristoris Zum Kommissar, der Auflösung der konstituierenden Versammlung und der Suspendierung der Verfassung, worauf die Österreicher zunächst das wieder sich erhebende Livorno (5. April), dann Florenz [* 20] (27. April) besetzten. Hierher kehrte der Großherzog erst 28. Juli zurück, und nachdem D'Aspre und Serristori die Verfolgung der Demokraten in Toscana besorgt hatten, löste er 15. Sept. das Parlament auf und schaffte dann auch die Verfassung wieder ganz ab. Über ein gemeinsames Vorgehen gegen die röm. Republik verhandelten zunächst Österreich, Spanien, [* 21] Neapel und Frankreich; Frankreich aber gelang es, einen Beschluß zu hintertreiben, worauf es seinerseits allein Oudinot mit einem Besatzungsheer nach Civitavecchia entsandte. Nachdem 29. April ein Handstreich auf Rom [* 22] mißlungen war, drangen die Neapolitaner vorübergehend im Kirchenstaat ein, während die Österreicher unter Wimpffen Bologna und Ancona [* 23] nach erbittertem Widerstände in ihre Hand brachten. Von Frankreich war indessen Ferd. Lesseps zu Unterhandlungen nach Rom gesendet worden; nachdem er aber wegen Überschreitung seiner Vollmachten zurückgerufen worden war, gelang es endlich Oudinot Rom durch Sturm zu nehmen. Gleichzeitig war der letzte Rest des Widerstandes auf Sicilien gebrochen worden. Für dieses waren Frankreich und England eingetreten; als aber die provisorische Regierung der Insel, die erzielte Zusage einer bloßen Personalunion mit Neapel unter eigenem Vicekönig; Ministerium und Parlament ablehnte, begann der Kampf aufs neue. Er endete nach der Niederlage Mieroslawskis bei Catania 15. Mai mit der Unterwerfung Palermos. So stand zuletzt im Kampfe gegen die Österreicher allein noch Venedig, das heldenmütig bis zum ausharrte.
11) Einigung durch Victor Emanuel II. (1849-70). Das Bestreben, die begangenen Fehler gutzumachen, erfüllte die ersten zehn Jahre der Regierung Victor Emanuels II., welcher mit dem treubewahrten Erbe der Volksvertretung auch die Erbschaft der Vertretung der nationalen Idee auf sich und sein Land übernommen hatte. Nachdem endlich auf die Proklamation von Moncalieri hin das Land eine vierte Kammer gesendet hatte, in der sich, um Cavour und Rattazzi geschart, zwei gemäßigte Mittelparteien bildeten, welche die Gutheißung des Friedensvertrags mit Österreich durchsetzten, und nachdem die notwendigsten Schritte zur Ordnung der zerrütteten Finanzen und des erschütterten Heers geschehen waren, eröffnete Piemont den Kampf gegen die geistige Vormacht der Reaktion in I., die Kurie.
Diese, gestützt auf franz. und österr. Waffen, [* 24] ließ die schärfste Verfolgung der Liberalen in ihren Gebieten walten und schlug unter der Leitung Antonellis Napoleons Mahnungen in den Wind. In sachgemäßer Einleitung des Streites bot Victor Emanuel II. der Kurie zunächst eine Verständigung an über die geplanten kirchenpolit. Neuerungen in seinem Reiche, um dann die schroffe Ablehnung einer solchen mit dem Erlaß der Siccardischen Gesetze und die Widersetzlichkeit des Erzbischofs Franzoni von Turin [* 25] mit dessen Verbannung zu beantworten.
Die Kurie rief darauf ihren Nuntius ab. Vorsichtiger verhielt sich Piemont Österreich gegenüber. Auf dessen fortgesetzte Klagen über Flüchtlinge, welche aus der Lombardei wie aus dem übrigen I. in Piemont zusammenströmten, wurden zwar nur wirkliche Unruhestifter entfernt, man suchte aber dann Österreich doch durch einen vorteilhaften Handelsvertrag zu beschwichtigen. Ein Anfang der Reaktion auch in diesem einzigen Verfassungsstaate I.s schien dagegen die Beschränkung der Preßfreiheit zu sein, zu der man sich nach dem Staatsstreiche Napoleons III. gezwungen sah, um sich nicht auch auf dieser Seite einen Feind zu schaffen. Schon aber hatte der mächtige Aufschwung begonnen, den Piemont Cavours Eintritt in das Ministerium zu danken hatte. Nachdem dieser freihändlerische Verhandlungen namentlich mit England und Frankreich angeknüpft hatte, durch die er dort Stimmung für Piemont machte, verband er sich mit Rattazzi und der Partei des linken Centrums. Nach kurzer Entfernung aus dem Ministerium kehrte er als dessen Ministerpräsident zurück und begann nun den unter D'Azeglio ins Stocken geratenen Feldzug gegen die Kurie alsbald wieder in Gang [* 26] zu bringen.
Seine Hauptaufgabe aber sah er zunächst in der Steigerung der Staatseinnahmen und der Entwicklung der Verkehrsmittel und der Leistungsfähigkeit des Landes, dessen Lasten der Krieg fast verdoppelt hatte; gleichzeitig brachte La Marmora das Heer wieder empor. Während ein von Mazzini ausgegangener Aufstand in Mailand der österr. Regierung neuen Anlaß zu harten Verfolgungen und den Vorwand zum Abbruch der diplomat. Beziehungen mit Piemont bot, verschaffte die Verwicklung der Orientalischen Frage (s. Orientkrieg) Piemont die Gelegenheit zum Bund mit den Westmächten gegen das absolutistische Rußland.
Dieser Bund ermöglichte zuerst dem piemont. Heere in der Krim [* 27] (1855) seine Achtbarkeit vor Europa [* 28] und I. an den Tag zu legen, und setzte dann (1856) Cavour in die Lage, auf dem Pariser Kongresse die üble Regierung in den verschiedenen Staaten I.s und die bedrohliche Machtstellung Österreichs zur Sprache [* 29] zu bringen. Hierbei hatte er sich namentlich der Unterstützung Englands und Frankreichs zu erfreuen. Diese beiden Staaten hatten nach Gladstones Veröffentlichungen von 1851 über die schändliche Behandlung der betrogenen und dann niedergeschlagenen liberalen Parteien in Neapel dort vergebliche Vorstellungen über die Mißwirtschaft gemacht und riefen nun kurz nach dem Kongresse (1857) ihre Gesandten aus Neapel ab. Dieser entschiedene diplomat.
Sieg Cavours hatte zur Folge, daß nicht nur die Augen von ganz Europa sich auf I. wandten, sondern auch die von ganz. I. auf Piemont, das gewagt und vermocht hatte, sich zum Anwalte seiner Leiden [* 30] zu machen. Selbst Republikaner wie Manin erklärten sich nun bestimmt für die Savoyer und gegen das Verschwörertum, und er und andere, wie Garibaldi, traten dem über ganz I. sich ausbreitenden, von La Farina und Giorgio Pallavicino geleiteten Nationalvereine bei. Ein von Mazzini ins Werk gesetzter Handstreich auf Genua [* 31] scheiterte an der Einsicht der Bevölkerung, [* 32] und der Versuch, durch eine Landung in Sapri Unteritalien zur Erhebung zu bringen, diente nur dazu, die Aussichtslosigkeit solcher Unternehmungen in Erinnerung zu bringen. Eine ernste Gefahr für die Politik Cavours ¶