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Deltabildung des Po aus einem Tributär dieses Stroms zu einem selbständigen Flußsystem geworden, aber durch Kanäle mehrfach mit dem Po verbunden ist. Dieser selbst ist bis Casale Monferrato (543 km) schiffbar; noch wichtiger ist aber das System künstlicher Wasserstraßen, die in einer Länge von 1164 km die Poebene durchkreuzen und deren wichtigster der Cavourkanal (s. d.) ist. Die venet. Küstenflüsse haben Fiumarennatur; ebenso die sicilischen und die meisten Flüsse [* 2] von Halbinselitalien. Die der adriatischen Seite sind nur Küstenflüsse; größere Systeme haben sich nur auf der Westseite gebildet, doch leiden auch diese durch Schwanken der Wassermenge und ihre geringe Länge. Am bedeutendsten sind Tiber (s. d.), Arno (s. d.) und Garigliano (s. d.), die, wenn auch nur auf kurze Strecken, schiffbar sind.
An Seen ist I. reich. Doch sind es fast nur entweder Meeresreste oder Kraterseen. Zu den ersten sind neben den vielen Lagunen, die besonders an der Adria häufig sind, auch die oberital. Seen: Lago Maggiore, Comer-, Iseo- und Gardasee zu rechnen, da sie als Reste eines ehemals die ganze Poebene ausfüllenden Meerbusens zu betrachten sind. Auch der Trasimenersee sowie die benachbarten kleinern Seen von Chiusi und Montepulciano sind wahrscheinlich die Reste einer pliocänen Meerenge, die das toscan. Apenninvorland vom Apennin trennte: alle drei Becken werden gegenwärtig entwässert und in Kulturland verwandelt. Die bekanntesten Kraterseen sind: der Bolsenersee, der Lago di Vico, Braccianer-, Albaner- und Nemisee. Hierher gehört vielleicht der ehemalige, jetzt trocken gelegte Fucinersee (s. Celano), ein Einsturzbecken, das sein Entstehen wohl vulkanischer Thätigkeit verdankt.
Mineralquellen und Bäder. I. besitzt sehr viel beiße Quellen, namentlich kohlensäurehaltige und Schwefelquellen. Besonders der Apennin und die vulkanischen Gebiete sind überreich. In den Provinzen Pesaro, Ancona, [* 3] Macerata und Ascoli kennt man 54 Schwefelquellen (davon einige heiße), 45 Solquellen und 11 eisenhaltige, in Teramo 54, in der Basilicata 50 Mineralquellen u. s. w. Auf Ischia [* 4] (Casamicciola) zählt man allem 30 heiße alkalische Quellen, einzelne bis 80° C. und mehr. Petroleumquellen sind im ganzen Apenninengebiet zahlreich, jedoch nicht ausbeutungswürdig. Besonders hervorzuheben sind die wirtschaftlich wichtigen borsäurehaltigen Dampfquellen im toscan. Erzgebirge. Sie steigen in kleinen wassergefüllten Becken (Lagoni) auf; das größte ist der Lago-Solfureo bei Monte-Rotondo, dessen Dampfsäulen bis 127° C. zeigen. Sie treten in Gruppen von 16 bis 40 Quellen auf, unter denen die Ausströmung abwechselt.
Gemäß dem Reichtum an heißen Quellen sind unter den Bädern die Thermen sehr zahlreich vertreten. Warme Solbäder sind in Abano, Battaglia, Montecatini und Poretta;
Schwefelthermen in Abano und Acqui;
alkalische in Bagni di Lucca, [* 5] Bormio, San Giuliano (bei Pisa) [* 6] und auf Ischia;
heiße Jodbäder in San Pellegrino;
Stahlbäder in Recoaro.
Seebäder sind besonders an der ligurischen Küste häufig, so San Remo, Alassio, Savona, Pegli, Genua, [* 7] Nervi, Rapallo, Spezia [* 8] u. a. Außerdem sind bedeutend Massa, Viareggio, Livorno, [* 9] Civitavecchia, Ischia, Neapel, [* 10] Castellamare, Palermo, [* 11] Messina, [* 12] Acireale, Catania, Siracusa, Pesaro, Ancona und Venedig. [* 13] Die meisten sind zugleich klimatische und Winterkurorte. Diesem Zwecke allein dienen besonders Orte an den oberital. Seen, wie Bellagio, Pallanza, Riva. Auch Schlammbäder sind häufig.
Klima. [* 14] Das Klima, durch ein dichtes Netz meteorolog. Stationen sehr gut erforscht, ist der klimatischen Mittelmeerprovinz (s. Europa, [* 15] Bd. 6, S. 425 b) zuzurechnen. Man unterscheidet vier Hauptregionen:
1) Oberitalien [* 16] im N. des Apennin, wo im Winter zuweilen noch -15° C. vorkommt, der Schnee [* 17] oft wochenlang die Fluren bedeckt und selbst die adriatischen Lagunen sich mit Eis [* 18] belegen, wo die edeln Südfrüchte nur an begünstigten Stellen im Freien gedeihen. Diese Region ist bei einer mittlern Jahreswärme von 13° C. gekennzeichnet durch bedeutende Temperaturunterschiede zwischen Winter (2,6°) und Sommer (23°), hat also sicil. Sommer neben nordwestdeutschem, aber kürzerm Winter. Eine begünstigte Oase bildet das Gebiet der oberital. Seen, wo der Sommer kühler, der Winter wärmer ist als näher am Po. Die Niederschläge betragen 967 mm im Jahre; es überwiegt zwar der Herbstregen, doch steht diesem der Sommerregen wenig nach. Am geringsten ist der Regenfall im Apennin (Bologna 536 mm), am größten in den Alpen [* 19] (Tolmezzo 2437 mm). Dürreperioden sind selten. - 2) Mittelitalien mit Genua bis zu 41° 30' nördl. Br., wo ein eigentlicher Winter nur in den Gebirgen stattfindet, bleibendes Eis und Schnee in den Thälern selten sind und der Ölbaum und Orangen im Freien überall in den Niederungen gedeihen, zeichnet sich vor der Poebene durch mildere Winter aus. Doch ist der Unterschied zwischen Sommer (25°) und Winter (7°) immer noch bedeutend. Die mittlere Jahreswärme beträgt 14-15° C. und zwar ist die tyrrhenische Seite, besonders die ligurische Küste, begünstigter als die adriatische. Hier ist das Gebiet der Äquinoktialregen, mit längern Dürreperioden. Die jährliche Regenmenge ist überall bedeutend, von 700 (San Remo) bis 1300 mm (Rom) [* 20] im Jahr.
3) Unteritalien bis auf die südlichste Spitze, wo das Thermometer [* 21] nur höchst selten unter 3° Kälte fällt und Schneefall in vielen Wintern in den Niederungen ganz ausbleibt, wo die Aloe und die feinsten Südfrüchte im Freien überwintern, hat völlig mediterranes Klima, eine mittlere Jahreswärme von 16 bis 18° C. und einen Temperaturunterschied von 17° (9° im Winter, 26° im Sommer). Es ist das Gebiet der Winterregen mit jährlicher Trockenzeit von vier bis fünf Monaten und häufigen Herbstgewittern. Die Niederschlagsmenge ist im W. (Neapel 826 mm) größer als im O. (Molfetta 545 mm). - 4) Die südlichste Spitze der Halbinsel, Sicilien und Malta, wo das Thermometer fast nie unter den Gefrierpunkt fällt, neben der Feige auch die Dattelpalme und das Zuckerrohr gedeihen und Aloe und Papyrus zur Einfassung von Feldern benutzt werden, unterscheidet sich vom vorigen Gebiet durch höhere Jahrestemperatur (18-20° 0.), geringere Temperaturschwankungen (11 gegenüber 26° C.) und längere Trockenzeit (5-6 Monate). Die jährliche Regenmenge beträgt durchschnittlich 653 mm; die Gewitter sind im Winter am häufigsten.
Im Sommer ist der Himmel [* 22] heiter, und Seewinde mäßigen die große Hitze; doch leidet das Land häufig an Dürre und im Sommer öfter durch den Sirocco. Noch schädlicher sind die dem Boden entströmenden, unter dem Namen Malaria (s. d.) oder Aria cattiva bekannten Dünste. I. ist am meisten von allen Mittelmeerländern von Malaria heimgesucht. Sie war zwar schon im Altertum vorhanden, ¶
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aber erst in neuerer Zeit ist sie zur jetzigen Bedeutung gekommen, hauptsächlich infolge der Versumpfung großer Landstriche durch Vernachlässigung der Wasserläufe. Völlig malariafrei sind nur sechs Provinzen: die drei ligurischen sowie Florenz, [* 24] Pesaro und Piacenza. Am meisten leiden die tyrrhenische Küste und das angrenzende Hügelland von Livorno bis Terracina, Großgriechenland und die dem mittlern und untern Po zunächst liegenden Teile der lombard. Ebene; auch Sicilien und Sardinien [* 25] sind stark verseucht. Die nördlichste Malariagegend ist die Mündungsebene der Adda bei Colico.
Nachstehende Tabelle giebt die mittlere Jahres-, Januar- und Julitemperatur der wichtigsten meteorolog. Stationen:
Meteorologische Station | Nördliche geogr. Breite | Meereshöhe in Metern | Durchschnittliche Jahrestemperatur in Celsiusgraden | Januartemperatur | Julitemperatur |
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a. Oberitalien:
Mailand | 45° 28' | 147 | 12,8 | 0,5 | 24,7 |
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Turin | 45° 4' | 275 | 12,0 | 0,2 | 23,2 |
Bologna | 44° 30' | 85 | 13,8 | 2,0 | 25,5 |
b. Mittelitalien u. Ligurien:
Genua | 44° 24' | 54 | 15,9 | 7,8 | 24,6 |
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Florenz | 43° 46' | 73 | 14,6 | 5,0 | 25,1 |
Rom | 41° 54' | 50 | 15,3 | 6,7 | 24,8 |
c. Unteritalien:
Neapel | 40° 52' | 149 | 15,9 | 8,2 | 24,3 |
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d. Sicilien:
Palermo | 38° 7' | 72 | 17,9 | 11,0 | 25,4 |
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Pflanzen- und Tierwelt. Die Vegetation beginnt im N. mit einer wundervollen Entwicklung der Mittelmeer-Pflanzenformen an den warmen Südgehängen der Alpen, wo im Seengebiet die Kultur vieler exotischer Subtropengewächse möglich ist, während auf den Höhen die Alpenflora herrscht. Die letztere strahlt noch jetzt auf den Apenninen aus; am Gran [* 26] Sasso ist die Buchengrenze 1650-1800 m hoch, aber die Fichte [* 27] fehlt. Die reiche Entwicklung der Mittelflora beginnt erst wieder nach Überspringung Oberitaliens, wo die Maquis oder Macchia genannten immergrünen Gebüsche von Myrte, Olive, Phillyrea, die Kultur der Orangen u. s. w. mit den Pinien und Lebenseichen herrschend werden.
Die Opuntien, welche als Kaktusform auf Felsboden im S. oft gesellig vorkommen, sind als verwilderte amerik. Bürger zu betrachten. Die große Mehrzahl der Tierarten stimmt noch mit centraleuropäischen überein, je weiter aber nach S., desto zahlreicher werden in der Fauna die mediterranen Elemente. Eine Menge neuer Insektenformen, besonders Käfer [* 28] und Geradflügler, [* 29] weniger Schmetterlinge [* 30] gesellen sich hinzu, Skorpione und andere Spinnentiere [* 31] mit subtropischem Habitus treten auf, Süßwasserkrabben erscheinen, einige sonst in Europa nicht vorhandene Salamander stellen sich ein, die Zahl der Reptilien nimmt zu. Weniger bemerkenswert wird der Unterschied in der so beweglichen Vogelwelt, etwas mehr noch bei den Säugetieren, indem sich hier 10 Fledermausarten finden, die diesseit der Alpen fehlen. In Unteritalien tritt das Stachelschwein und die Zibethkatze (Viverra civetta Schreb.) auf.
Einteilung des alten Italiens. [* 32] Der Name I. ist von dem kleinen Gebiet der Italer in der äußersten Südspitze erst allmählich, endgültig zu Cäsars Zeit auf die ganze Halbinsel ausgedehnt worden. Der nördl. Teil, zwischen Alpen und Apennin, wurde im Altertum bis auf Cäsar als Gallia transpadana und Gallia cispadana politisch nicht mehr zu I. gerechnet. (S. Gallien.)
In Oberitalien waren im NO. die Landschaften Histria und Venetia, welches südlich von der Etsch begrenzt wurde. Das fruchtbare, wasserreiche Thal [* 33] des Po war ursprünglich von Etruskern in zwölf Stadtrepubliken besiedelt, um 400 jedoch von kelt. Volkern erobert, welche die ganze Landschaft dann als Gallia transpadana und cispadana bewohnten. Das Bergland am Golf von Genua war Liguria. In Mittelitalien bildeten die nördl. Hälfte die fruchtbare Landschaft Etruria im W., Umbria im O.; beide schied der Tiber, der auch im S. die Grenze gegen die untere Hälfte von Mittelitalien blieb.
Hier lag Latium im W., Picenum im O.; zwischen beiden das Bergland der Sabiner und mehrerer anderer Gebirgsstämme, wie der Vestini, Marrucini, Äqui, Marsi, Päligni. In Unteritalien folgten von N. bis zur Südwestspitze die drei Landschaften Campania, Lucania, Bruttium, denen im O. Samnium, Apulia, Calabria etwa entsprachen. Die drei großen Inseln Kyrnos (Corsica), [* 34] Sardinia, Sicilia gehörten, obgleich schon im 3. Jahrh. v. Chr. von Rom erobert, politisch erst seit Diocletian zu I. (Hierzu Karte: Das alte Italien.) [* 35] -
Vgl. Helbig, Die Italiker in der Poebene (Lpz. 1879);
Nissen, Italische Landeskunde, Bd. 1 (Berl. 1883);
Czörnig, Die alten Völker Oberitaliens Wien [* 36] 1885).
Das gegenwärtige Königreich I. ist aus den Provinzen des frühern Königreichs Sardinien (mit Ausnahme von Savoyen und Nizza, [* 37] die 1860 an Frankreich abgetreten wurden), einschließlich der Lombardei und Venetiens, aus dem ehemaligen Kirchenstaate und den annektierten Staaten, nämlich den Herzogtümern Parma [* 38] und Modena, dem ehemaligen Großherzogtum Toscana und dem frühern Königreich beider Sicilien zusammengesetzt. Dasselbe grenzt im N. an die Schweiz [* 39] und Österreich [* 40] (Tirol, [* 41] Kärnten, Görz [* 42] und Gradisca), im W. an Frankreich. Die Länge der Grenzen [* 43] gegen Frankreich beträgt 495, gegen die Schweiz 655, gegen Österreich 750 km. Die Küstenlänge beträgt 3657, mit den Inseln 6785 km. Das Festland (mit den Küsteninseln) bedeckt nach der neuen Ausmessung des Militärinstituts zu Florenz 236771,0, nach Strelbitskij 238899, mit Sardinien und Sicilien 286588,3 (288540) qkm.
Bevölkerung. [* 44] Für 1770 wird die Einwohnerzahl auf 14,5, 1816 auf 18,3, 1848 auf 23,6 Mill. geschätzt. 1861 wurden 25016801, 1871: 26801154 E. gezählt. Bei der letzten Volkszählung (1881) wurden gezählt 28459628 (14265383 männl., 14194245 weibl.) E., d. i. 99 auf 1 qkm; für 1892 wurden berechnet 30535848 E.; die Zunahme betrug im Jahrzehnt 1881-91: 1887663 E. oder 6,6 Proz. Im ganzen wird I. in Europa nur von Holland, Belgien [* 45] und Großbritannien [* 46] an Bevölkerungsdichtigkeit übertroffen.
Der Nationalität nach besteht die Bevölkerung größtenteils aus Italienern, die aber nach dem Dialekt (s. Italienische Sprache) in viele Stammesabteilungen zerfallen. Es ist eine echte Mischbevölkerung, entstanden durch Aufnahme zahlloser Sklaven im Römischen Reich, durch die Einwanderung der Germanen im Norden, [* 47] der Saracenen und Normannen im Süden, die aber alle die vorhandene höhere Kultur angenommen haben und im Laufe der Zeit assimiliert wurden. In Friaul ¶