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die Herstellung des alten I. und die Ausmerzung aller fremden Elemente in Lehre [* 2] und Leben zum Zwecke hatte. Diese Bestrebung kam in der Bewegung der Wahhâbiten (s. d.) in Arabien und Indien zu kräftigem Ausdruck. Auf der andern Seite werden die gebildeten Kreise [* 3] der Mohammed. Völker immer mehr und mehr durch europ. Bildung beeinflußt. Sie ist zuerst in Ägypten [* 4] infolge der Bestrebungen Mohammed Alis und seiner Nachfolger selbständig hervorgetreten und hat unter den der engl. und franz. Herrschaft unterworfenen Mohammedanern in Indien und Nordafrika immer größern Raum gewonnen.
Der Siegeslauf des I. in Asien [* 5] und Afrika [* 6] hat in der Geschichte kaum seinesgleichen (s. Chalif); auch ist die Ausbreitung des I. mit der Blütezeit des mohammed. Staates nicht abgeschlossen. Kaum ein Jahrhundert nach dem Tode des Propheten war die Herrschaft des I. durch Waffengewalt über die Grenzen [* 7] Arabiens hinaus nach Syrien, Persien, [* 8] Mittelasien, Ägypten, über die ganze Nordküste Afrikas bis tief nach Spanien [* 9] hin verbreitet. Trotz der Zerklüftung im Innern des gewaltigen Weltreichs und trotz der Schwächung und dem völligen Absterben der centralen Macht des Chalifates eroberte der I., immer wieder gekräftigt durch frische sich ihm unterwerfende Volksstämme Asiens, weitern Boden, bis endlich die Osmanen den Halbmond auf der Hagia Sophia in Konstantinopel [* 10] aufpflanzten und ihre siegreichen Heere bis vor die Thore von Wien [* 11] sendeten.
Seitdem begann aber die Macht des I. zu sinken; seine polit. Herrschaft mußte in Europa, [* 12] Asien und Afrika in sehr ansehnlichen Gebieten der Eroberung europ. Mächte weichen. Unterdessen hat sich der I. über zahlreiche afrik. Stämme ausgebreitet und hier seine versittlichende Kraft [* 13] erwiesen. Eine vom Golf von Benin nach Sansibar [* 14] gezogene Linie bezeichnete früher die südl. Grenze der Ausdehnung [* 15] des mohammed. Einflusses in Afrika. Seitdem hat der I. von Sansibar aus in Mozambique, in den portug. Kolonien der Küste, bei den Kaffern und selbst in Madagaskar [* 16] Eingang gefunden.
Hinsichtlich eines großen Teiles der von Mohammedanern bevölkerten Gebiete ist es unmöglich genaue statist. Daten aufzustellen; dazu finden sich in den verschiedenen Quellen widersprechende Angaben in Bezug sowohl auf die Gesamtzahl der Bekenner des I. als auch deren Verteilung auf die einzelnen Gebiete der Erde. Die Gesamtziffer der Mohammedaner fetzt man mit 175 Mill. an;
sie verteilen sich auf die einzelnen Länder ungefähr nach folgenden Verhältnissen: Russisches Reich 10600000 (europ. Rußland 2600000, asiat. Rußland 8 Mill.);
Osmanisches Reich [* 17] 17700000 (europ. Türkei [* 18] 2300000, asiat. Türkei 15400000);
Bulgarien, [* 19] Bosnien [* 20] und Herzegowina, Griechenland, [* 21] Rumänien, Serbien und Montenegro zusammen 1370000;
die Chanate Buchara und Chiwa 3200000;
Persien, Afghanistan [* 22] und Belutschistan 13 Mill.;
unabhängiges Arabien (mit Ausschluß des türk. Gebietes und Omans) 2 Mill.;
Indobritisches Reich 57 Mill.;
niederländisch-indische Besitzungen 14 Mill.;
Nordafrika mit Ägypten 18 Mill.;
Sudanstaaten mit dem ehemals ägypt. Sudan 25 Mill.;
Sahara 2500000;
Sansibar 300000. Die Anzahl der Mohammedaner in den verschiedenen Negerländern läßt sich überhaupt nicht abschätzen. (S. Karte: Verteilung der Religionen auf der Erde, Bd. 6, S. 253.) Litteratur.
Döllinger, Mohammeds Religion nach ihrer innern Entwicklung und ihrem Einflusse auf das Leben der Völker (Regensb. 1838);
Dozy, Het Islamisme (Haarlem [* 24] 1863; französisch von Chauvin: Essai sur lhistoire de l’Islamisme, Par. 1879);
A. von Kremer, Geschichte der herrschenden Ideen des I. (Lpz. 1868);
ders., Kulturgeschichtliche Streifzüge auf dem Gebiete des I. (ebd. 1873);
Garcin de Tassy, L’islamisme d’après le Coran (3. Aufl., Par. 1874);
John Mühleisen Arnold, Der I. nach Geschichte, Charakter und Beziehung zum Christentum (englisch, Lond. 1874; deutsch, Gütersloh 1878);
Vámbéry, Der I. im 19. Jahrh. (Lpz. 1875);
Houtsma, De strijd over het dogma in den I. tot op el-Ash’arî (Leid. 1875);
A. von Kremer, Kulturgeschichte des Orients unter den Chalifen (2 Bde., Wien 1875-77);
Bosworth-Smith, Mohammed and the Mohammedanism (2. Anst., Lond. 1876);
Hughes, A dictionary of I. (ebd. 1885);
Sell, The faith of I. (Madras [* 25] 1886);
Snouck Hurgronje, De I. (in der Zeitschrift «De Gids», 1886);
Le [* 26] Chatelier, L’I. au 19e siècle (Par. 1889);
Goldziher, Mohammed.
Studien (2 Bde., Halle [* 27] 1889-90); Montet, La propagande chrétienne et ses adversaires musulmans (Par. 1890). (S. Arabische Sprache und Litteratur, Bd. 1, S. 792 a.) Islamītische Kunst, die Kunst der islamit. Völker gegenüber der heidnisch-antiken und Christlichen Kunst (s. d.). Sie entstand mit dem Islam seit dem 7. Jahrh. auf Grundlage der damals herrschenden Altchristlichen Kunst (s. d.) und benutzte zunächst deren Kunstformen. Die Abweichungen nahmen je später je mehr zu, bis auf die jüngste Zeit, in der wieder eine Annäherung stattfindet.
Während die christl. Kunst in religiösem Interesse ihre beste Kraft an die Wiedergabe menschlicher [* 1] Figuren setzte, vernachlässigte die I. K. allmählich infolge religiöser Bedenken gerade diese. Der Koran allerdings bestimmte nichts über die Abbildung lebender Wesen, nur ein traditionell überlieferter Ausspruch des Propheten verbietet sie. Die Sunniten (Türken u. s. w.) halten sich dadurch für gebunden, die Schiïten (Perser u.s.w.) hingegen nicht, sodaß die türk. Kunst figurenlos ist, die ältere arab. und die perf.
Kunst aber Tiere und Menschen abbildet. Der Schwerpunkt [* 28] der I. K. liegt besonders auf ornamentalem Gebiet; auf diesem hat sie Hervorragendes geschaffen und auch die christl. Kunst beeinflußt. In Asien heimisch, hat sie im Gefolge des Islam mehrfach auf europ. Boden übergegriffen, nach Spanien, Sicilien, der Türkei. Ihr bewundertstes Werk in Europa ist die Alhambra (s. d.). Hierzu die Tafel. Kunst des Islam 1 (Abbildungen entnommen dem Werke von Owen Jones, Plans, elevations, sections and details of the Alhambra (2 Bde., Lond. 1842-45) und Tafel: Kunst des Islam II. (S. auch Arabische Kunst.) Island, [* 29] d. i. Eisland, Insel im hohen Norden [* 30] zwischen 63° 24' bis 66° 33' nördl. Br. und 13° 30' bis 24° 30' westl. L. von Greenwich, 300 km von Grönland und 970 km von Norwegen [* 31] entfernt gelegen, zu Dänemark [* 32] gehörig. (S. Nebenkarte auf Karte: Dänemark und Südschweden, Bd. 4, S. 760.) Bei einer Längenausdehnung von 490 km und einer Breite [* 33] (von N. nach S.) von 375 km bedeckt I. 104785 qkm, von denen nur 42068 bewohnbar sind. Küsten- und Oberflächengestaltung. Im W. und N. schneiden tiefe, im O. kleinere Fjorde in ¶
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das Land ein und bilden vortreffliche Häfen. Diese fehlen nur an der Südküste, wo in einer Strecke von 185 km die Gletscher fast unmittelbar aus der See aufsteigen und nur einen schmalen, von Gletscherablagerungen gebildeten Randstreifen übriglassen. Der nordwestl. Teil besteht aus einer über 13700 qkm großen, vielfach zerklüfteten Halbinsel, zu der zwischen den Meeresbuchten Breidifjord und Hunastoi ein nur 7,5 km breiter Isthmus führt. Mit Ausnahme schmaler Küstenstriche und einer ausgedehntern Flachlandsbucht am Fax Fjördr bei Reykjavik ist die Insel ein Gebirgsland durchaus vulkanischer Natur, eine flachgewölbte, nahe der Mitte etwa 700 m hohe Fläche mit aufgesetzten Bergmassen, unzähligen Kegeln und Kuppen.
Hauptsächlich sind Basalt und Tuff sowie neuere vulkanische Produkte vertreten, während Trachyte nur hier und da vorkommen; zwischen den gewöhnlichen horizontalen Basaltdecken findet man im Tuff oft Braunkohlen (Surtarbrand) vor. Die Hochebene, die namentlich im Innern eine schauerliche Lavawüste bildet (Odada-Hraun), fällt bald sanft, bald in steilen Felswänden zu den zerschnittenen Küsten ab, durchfurcht von Spalten und Flußthälern und überdeckt mit Sand, Lava, Schnee [* 35] und Eismassen.
Inselartig erheben sich die mit Gletschern belasteten Schneeberge (Jökulls) bis gegen 2000 m, so im SO. der Batna oder Klofa Jökull (8500 qkm) und Spuren der Eiszeit [* 36] findet man überall. Unter den vielen Vulkanen, welche, wie die häufigen Erdbeben, [* 37] oft furchtbare Verwüstungen angerichtet haben, ist die 1557 m hohe Hekla (s. d.) der bekannteste, der Oräfajökull (1959 m) aber der höchste. Askja im Dyngjufjell hatte 1875 eine Bimssteineruption. Gewässer. In Zusammenhang mit den vulkanischen Kräften stehen die lauwarmen Quellen (Laugar, d. i. Bäder), heißen Springquellen (Hverar), unter denen der Große Geysir (s. d.) die berühmteste ist, Schwefelquellen (Namar, eigentlich Minen oder Gruben), Schwefelpfuhle und Schlammvulkane.
Die Flüsse [* 38] (Skjalfandafljot, Jökullsa u. a.) haben teils starkes Gefalle mit Kaskaden, teils durchstießen sie in ebenem Terrain festen Weide- und Wiesenboden, teils auch ausgedehnte Sumpfstrecken. Unter den Seen ist, außer dem Myvatn mit seinen vulkanischen Umgebungen im N., der Thingvallasee im SW. bemerkenswert. Obgleich Torf und Braunkohlen (Surtarbrand) vorhanden sind, bedient man sich vielfach als Brennmaterial des Treibholzes und der eingeführten Steinkohlen, auch wohl getrockneten Schafmistes.
Von nutzbaren Mineralien [* 39] findet man Zeolith, Kalkspat, [* 40] Chalcedon und in geringem Umfange Schwefel, dessen Ausbeutung (Schwefeldistrikt von Krisuvik) neuerdings wieder durch Engländer begonnen hat. Das Klima ist unbeständig, feucht und gegen O. sehr nebelig. Das angetriebene Eis [* 41] liegt an der Nord- und Ostseite bisweilen bis zum Juni oder Juli, erreicht aber nie die Südwestküste. Östl. Winde [* 42] herrschen vor; Orkane sind nicht selten. Zu Reykjavik beträgt die mittlere Temperatur des Jahres +4,1°, des Winters -1,5°, des Sommers +12° C., dagegen zu Akreyri an der Nordküste die des Jahres 0°, des Winters -6,1°, des Sommers +7,5°. Die Regenmenge ist am größten gegen S. und SO.; in Djupivogr (Berufjord) jährlich 1100 mm, in Reykjavik 750 mm. Tierwelt.
Die Landfauna ist arm an Arten, aber, wenigstens was die Vögel [* 43] betrifft, reich an Individuen. Es finden sich bloß zwei Landsäugetiere, der Eisfuchs und eine besondere Maus (Mus islandicus Nils.). Wasser- und Wadvögel sind 72 Arten, Landvögel 23 vorhanden, 3 davon sind lokale Rassen, 20 ganz europäisch. Von den Wasservögeln sind 2 amerikanisch. Früher war der Handel mit Jagdfalken sehr einträglich. Alke sind sehr häufig, die jungen Larventaucher (Mormon fratercula Temm.) dienen eingesalzen stellenweise als Nahrungsmittel; [* 44] der Riesenalk ist seit fast 50 Jahren völlig ausgerottet.
Enten, [* 45] darunter die Eiderente, Gänse und der Singschwan sind zahlreich. Reptilien und Amphibien giebt es nicht, aber die süßen Gewässer enthalten viele Lachsformen. Insekten [* 46] und Landmollusken sind sehr dürftig vertreten, um so üppiger die Meerestiere. Hauptgegenstände des sehr ergiebigen Fischfangs sind der Kabeljau, der Hering, der Helleflunder (Hippoglossus maximus L.) und der Hakall (norweg. haakjaering, Scymnus borealis Scarsby), ein Haifisch mit thranhaltiger Leber.
Den wichtigsten Teil der Viehzucht [* 47] bildet die Zucht der Schafe, [* 48] die zuweilen vier Hörner haben und treffliches Fleisch sowie gute Wolle liefern. Die Schafzucht und das innige Zusammenleben mit den Hunden unter unsaubern Verhältnissen verursacht auch die große Häufigkeit des Hülsenwurms bei den Isländern (16-20 Proz. der Bevölkerung). [* 49] Rindvieh, meist ungehörnt, wird hauptsächlich der Milch wegen gezogen. Bedeutender ist die Zucht von Pferden, die zwar klein, aber flink, ausdauernd und mit magerer Kost zufrieden sind.
Die seit 1770 aus Lappland eingeführten Renntiere haben sich in die einsamsten Gegenden zurückgezogen. Pflanzenwelt. Die Flora verbindet Grönland mit Skandinavien und Schottland; die milden Gegenden gehören zur nordeurop. Birkenregion, doch sind die Birken fast vernichtet und Wiesen bilden die natürlichen Hilfsquellen des dürftigen, auf Viehzucht hingewiesenen Landes. Getreide [* 50] kommt nur ausnahmsweise zur Reife. Brot [* 51] ist außerhalb der Hafenorte ein Leckerbissen.
Strandhafer, Löffelkraut, Engelwurz, Isländisches Moos und gewisse Arten von Tangen werden als Nahrungsmittel gebraucht. Der Anbau von Kartoffeln und Küchengewächsen, insbesondere von Kohl, ist jedoch in Gartenkultur möglich und nimmt von Jahr zu Jahr zu. Bevölkerung. Die Zahl der Bewohner, die sich sämtlich zur luth. Kirche bekennen, ist trotz der großen Fruchtbarkeit der Frauen ziemlich stationär geblieben. Sie belief sich zu Anfang des 12. Jahrh. auf etwas über 50000, 1850 auf 59000, 1880 auf 72440, 1890: 70927 (33689 männl., 37238 weibl.) E., d. i. nur 0,7 auf 1 qkm der Gesamtfläche.
Davon lebten 73 Proz. von der Viehzucht und nahezu 12 Proz. von der Fischerei. [* 52] Die Kindersterblichkeit ist ziemlich groß; Typhus, Leberleiden, Grippe, Maulsperre sind gewöhnliche Krankheiten. Die Isländer sind altnordischer Abkunft, ernst und treu, gastfrei und patriotisch, auch sehr vertraut mit der in den Sagas und Gedichten aufbewahrten ältern Geschichte ihres Vaterlandes. Ihre Sprache [* 53] ist noch immer die altnordische, fast in ursprünglicher Reinheit, und besitzt eine reiche, höchst bedeutende Litteratur. (S. Isländische Sprache und Litteratur.) Obgleich die Kinder ihren Unterricht nicht in Schulen, sondern nur von ihren Eltern unter Aufsicht der Geistlichen erhalten, kann jeder lesen und schreiben. Verfassung. I. hat seit seine eigene Verfassungsurkunde, die mit in ¶