Die von dem Militärattache bei der österr.-ungar.
Botschaft in
Rom,
[* 2] dem Oberst Haymerle, verfaßte
Broschüre«Italicae res»
wies die Verzweigungen und die Ziele der I. nach und machte die Regierung
Italiens
[* 3] selbst für die
Excesse dieser extremen
Partei verantwortlich.
Menotti Garibaldi wagte sogar 1881 dem Ministerium mitzuteilen, daß er und seine
Partei beschlossen hätten, 100
Bataillone Freiwilliger zu errichten, und bat nicht um die Erlaubnis zur
Aufstellung dieser
Bataillone, sondern nur um die Genehmigung einer
Uniform;
der Kriegsminister hatte viele Mühe, das Ministerium zu einem Beschlusse
zu vermögen, wonach die
Bildung solcher
Bataillone nicht geduldet werden sollte.
Der Haß der I. gegen
Osterreich ging so weit, daß mehrere Mitglieder den Beschluß faßten, den
KaiserFranzJoseph, der nach
Triest
[* 4] kam,
zu ermorden. Es wurden zwei
Attentate gegen ihn verübt;
der
Urheber des einen, der Triestiner Deserteur Oberdank, wurde den
Tag vorher verhaftet und später durch denStrang hingerichtet, der des andern, der Apotheker Ragosa, welcher
entflohen war, auf ital. Gebiet verhaftet und von den
Geschworenen in
Udine freigesprochen.
Die Regierung fing endlich an,
gegen die Kundgebungen der I. schärfer einzuschreiten, zumal da sie zu Anfang des J. 1883 dem deutsch- österr.
Defensivbündnis
beizutreten wünschte.
In der Kammersitzung vom sprach sich der Minister
Mancini aufs schärfste
über die I. aus und warf ihnen vor, daß es ihnen weniger um
Triest und
Trient,
[* 5] als um den
Sturz der Monarchie zu thun sei.
Doch dauern die Widerwärtigkeiten, welche die besonders auf den Pöbel
Roms gestützte Partei der Regierung
bereitet, fort.
Truppen, diejenigen Truppenkörper, deren Organisation und Fechtweise von der in Europa
[* 6] üblichen abweicht.
Werden in besondern Fällen
Truppen gebildet, die außerhalb des Rahmens des regulären
Heers stehen, wie die
Freischaren Garibaldis, mit denen er nach
Sicilien und Neapel
[* 7] zog, die franz. Francs-Tireurs im
Kriege 1870-71, so müssen
auch diese in gewissem
Sinne als I. T. bezeichnet werden. - In
Rußland heißen I. T. die Kosaken (s. d.) und
Milizen (s. d.).
In frühern
Zeiten rechnete man zu den I. T. ferner die sog. «Fremdvölker»,
d. h.
Baschkiren, Kalmüken,
Tataren u. a. wilde Reiterstämme, die allmählich in den verschiedenen Kosakenheeren aufgegangen
sind.
(neulat.), Unregelmäßigkeit, bezeichnet im kath.
Kirchenrecht ein Hindernis, welches eine
Person vom Empfange der geistlichen
Weihen (s. Ordination) ausschließt. Sie hat ihren
Grund entweder in einem
Mangel (Irregularitas
ex defectu) der Eigenschaften, die zur ordentlichen Amtsversehung
erforderlich sind (z. B. Defectus aetatis, scientiae, corporis, d. h.
zu jugendliches
Alter,
Mangel der nötigen Kenntnisse, anstoßerregende Gebrechen), oder in einem
Vergehen, das sich der Kandidat
hat zu Schulden kommen lassen (Irregularitas
ex delicto). Die
Weihe eines
Irregulären ist zwar gültig, aber strafbar
an dem ordinierenden
Bischof, und der
Geweihte darf die mit dem empfangenen
Weihegrade verbundenen
Rechte nicht ausüben.
(früher auch
Irrenhäuser, vielfach auch
Asyle genannt), zur ärztlichen Behandlung
bez. zur
Verpflegung
von Geisteskranken bestimmte und zu diesem Behufe mit besondern Einrichtungen ausgestattete Hospitäler.
Diese Einrichtungen sollen einesteils eine genaue Überwachung insbesondere der gefährlichen Irren gewährleisten, sodaß
dieselben weder sich noch andern Schaden zufügen können, andernteils möglichst günstige hygieinische
Bedingungen schaffen
und eine zweckmäßige Beschäftigung ermöglichen.
Hierzu dienen teils bautechnische Vorkehrungen, wie verwahrte Fenster (am besten aus starkem
Glas),
[* 9] festkonstruierte
Isolierzimmer (früher Tobzellen genannt), eventuell mit Polsterung von
Wänden und Fußböden («Polsterzellen»),
noch viel
mehr aber ein besonders geschultes, möglichst zahlreiches und human gesinntes Krankenwartepersonal (in Heilanstalten mindestens 1 auf 6
Kranke),
endlich Werkstätten, Gärten, Felder
u. dgl. m., wo die
Kranken unter der Leitung von Angestellten arbeiten.
Um ein möglichst ungestörtes Zusammenleben der
Kranken zu ermöglichen, den Ruhebedürftigen Ruhe zu schaffen, Aufregungen
zu vermeiden, müssen besondere
Abteilungen einerseits für die Ruhigen, andererseits für die
Störenden, besonders scharf
zu überwachenden («Wachabteilungen») vorhanden sein.
Daneben finden sich gewöhnlich noch Räume zur geselligen Unterhaltung, zu Vergnügungen, religiösen
Übungen, zu Schulunterricht
u. s. w. Zur ärztlichen Behandlung bettlägeriger
Kranker dienen Räume (Infirmerie), welche die gewöhnlichen Hospitaleinrichtungen
darbieten; die Wohn- und Schlafräume der übrigen
Kranken pflegt man jetzt meist ganz wie im gewöhnlichen Leben auszustatten.
Dasselbe gilt auch für den
Baustil im ganzen und großen, wobei insbesondere alles Gefängnisähnliche thunlichst zu vermeiden
ist. Während man früher vielfach ein kloster- oder schloßartiges
Äußere erstrebte, was zum
Teil darauf
zurückzuführen ist, daß viele der ältern I. aus
Klösternbez. Schlössern in I. umgewandelt worden waren, wendet man neuerdings
bei Neubauten, wo es sich um größere Anstalten handelt, gewöhnlich das «Pavillonsystem»
an, wie bei den Hospitälern für körperliche
Kranke. (S.
Krankenhaus.)
[* 10]
In
Deutschland
[* 11] ruht die gesamte Oberleitung in der
Hand
[* 12] des ärztlichen Direktors, dem auch die
Verwaltung, geistliche Pflege
u. s. w. unterstellt ist, da nur so eine allseitig zweckmäßige Behandlung der
Kranken erreicht werden kann. Der Direktor
wird hier von der vorgesetzten Verwaltungsbehörde kontrolliert; in andern
Ländern überwachen besondere
Kommissionen die I. (in England Commissioners in lunacy). Die Zahl der Irren in den einzelnen Anstalten schwankt meist
zwischen 100 und 1200, selten mehr (bis zu 2000); die öffentlichen (vom
Staat,
Provinzen oder Gemeinden unterhaltenen) I.
sind naturgemäß viel größer als die für die wohlhabenden
Stände bestimmten Privatanstalten.
Geschichtliches. Früher wurden die Irren nur aus polizeilichen
Gründen aus der Gemeinschaft der Gesunden
entfernt und bald in Gefängnissen zusammen mit Verbrechern und
Vagabunden, bald in
Armen- und
Arbeitshäusern, meist in den
schlechtesten Räumlichkeiten, untergebracht. Mit der
¶
mehr
fortschreitenden Erkenntnis, daß die Geisteskrankheiten zum Teil wie viele andere Krankheiten heilbar sind, daß Zwangsmittel
hierbei meist völlig entbehrlich, ja nur schaden (s. Conolly), strebte man mehr eine ärztliche
Behandlung an und erkannte alsbald, daß eine solche meist nur in besondern Anstalten zweckmäßig durchführbar sei. Wenn
nun auch schon vorher an manchen Orten Häuser zur ausschließlichen Aufnahme Irrer bestanden, so z. B.
St. Lukes in London
[* 14] (seit 1751), Waldheim in Sachsen
[* 15] (seit 1787) u. a., so trat dieser Umschwung doch erst zur Zeit der Französischen
Revolution ein, als der berühmte Irrenarzt Pinel (der Ältere), der mit Gefahr seines Lebens vom franz. Konvent
die Erlaubnis erwirkte, den Irren in der Anstalt Bicêtre bei Paris
[* 16] die Ketten abzunehmen, Grundsätze für das wissenschaftliche
Studium wie für die rationelle Behandlung der Geistesstörungen aufstellte, die später von seinem SchülerEsquirol (s. d.)
noch weiter ausgebildet wurden. In Deutschland brachte im Anfang dieses Jahrhunderts Langermann den Grundsatz zur Geltung,
daß für die erfolgreiche Behandlung der Irren vor allem eine Trennung der frisch Erkrankten von den unheilbar Blödsinnigen
notwendig sei, und es entstanden so besondere Anstalten für Heilbare (Heilanstalten) einerseits, für Unheilbare andererseits
(Pflegeanstalten): Sonnenstein in Sachsen (1811) war die erste reine Heilanstalt in Deutschland, der alsbald zahlreiche andere
nachfolgten.
Etwas später hielt man es für zweckmäßiger, je eine Heil- und Pflegeanstalt nebeneinander zu errichten («relativ verbundene
Heil- und Pflegeanstalten»),
so in Halle
[* 17] und Illenau in Baden,
[* 18] was jedoch wenig Nachahmung fand. Alle die genannten I. waren
zunächst «geschlossene» Anstalten, d. h.
mit Vorkehrungen versehen, um das Entweichen der Kranken möglichst sicher zu verhindern. Indem sich in der
Folgezeit die Überzeugung Bahn brach, daß die Irren meist viel mehr Freiheit vertragen, als man gewöhnlich denkt, und daß
die anhaltende Beschäftigung im Freien ein vorzügliches Mittel gegen anhaltende Erregungszustände und tiefern geistigen
Verfall darbietet, worauf insbesondere auch die in Gheel gemachten Erfahrungen hinwiesen, verband
man die geschlossenen I. mit gewöhnlichen ländlichen Gehöften, auf denen die arbeitsfähigen, weniger streng zu überwachenden
Irren wohnen und mit landwirtschaftlichen Arbeiten beschäftigt werden (agrikole oder Ackerbaukolonien).
Die erste derartige, in größerm Maßstabe angelegte Irrenanstalt «mit freier
Verpflegung» ist die Ferme agricole Fitz-James im Depart. Oise (Frankreich), welche die Gebrüder Labitte
im sog. Cottagesystem (cottages = kleine getrennte Häuser) neben ihrer geschlossenen Anstalt in Clermont einrichteten. In
Deutschland folgten alsbald Einum in Hannover,
[* 19] Zschadraß in Sachsen, letzteres zur großen geschlossenen Anstalt Colditz gehörig.
Während man nun die freie Verpflegungsform ursprünglich nur für schon längere Zeit Erkrankte, insbesondere Unheilbare
für zweckmäßig hielt, beginnt man jetzt auch frisch Erkrankte derselben teilhaftig werden zu lassen. Es entstehen so I.,
die in der Hauptsache durch ländliche Gehöfte gebildet werden, neben denen zwar noch eine geschlossene Anstalt vorhanden
ist, indes als ein mehr untergeordnetes Anhängsel.
Ein Beispiel hierfür ist Alt-Scherbitz bei Schkeuditz (ProvinzSachsen), wo die Geisteskranken und ihre Pfleger
selbständig ein großes Rittergut bewirtschaften, eine Form
der I., die mutmaßlich zahlreiche Nachahmungen finden wird.
Doch werden insbesondere große Städte für die rasche Unterbringung frisch erkrankter, insbesondere heftig erregter Irren
immer geschlossener Anstalten bedürfen, deren Einrichtungen sich mehr und mehr denen gewöhnlicher Hospitäler
nähern müssen, sog. Stadtasyle. Besondern Zwecken (dem akademischen Unterricht) dienen die Irrenkliniken, die sich im übrigen
nicht von den Stadtasylen unterscheiden. Für geisteskranke Verbrecher hat man in mehrern Ländern, besonders England (Broadmoor),
besondere Anstalten (Verbrecherasyle) eingerichtet, in Deutschland verpflegt man dieselben in sog. Irrenstationen bei Gefängnissen
oder in besondern Abteilungen gewöhnlicher I. - Gewissermaßen eine Irrenanstalt im Großen stellt das
belg. Städtchen Gheel (s. d.) dar, wo über 1300 Geisteskranke
zerstreut in den Familien untergebracht sind und mit diesen leben und arbeiten, ohne daß es zu größern Unzuträglichkeiten
gekommen wäre. Dieses System der familiären Irrenpflege ist auch in Schottland breit durchgeführt, indem
hier unheilbare und ungefährliche und dabei keiner besondern Pflege bedürftige Geisteskranke in kleinen Kolonien oder in
Familien untergebracht sind (schottisches System der familiären Irrenpflege).