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Uddschajinī, der früh von der Sage umwoben worden ist, an dessen geschichtlicher Persönlichkeit aber nicht gezweifelt werden darf. Die ind. Tradition setzt ihn ins 6. Jahrh. n. Chr. und läßt an seinem Hofe die «Neun Perlen» leben: Dhanvantari, Kshapaṇaka, Amarasiṃha, Çanku, Vētālabhaṭṭa, Ghaṭakarpara, Kālidāsa, Varāhamihira und Vararuci. Von diesen ist weitaus der bekannteste Kālidāsa, der berühmteste Dichter Indiens. Von Ghaṭakarpara sind nur zwei kleinere Gedichte erhalten, zu 21 und 22 Strophen, wovon das eine, das Yamakakāvya (oft herausgegeben; mit deutscher Übersetzung von Dursch, Berl. 1828), trotz seiner Künsteleien m Indien hochgefeiert war, sodaß es sogar von dem Çaivaphilosophen Abhinavagupta kommentiert worden ist.
Dhanvantari schrieb ein Wörterbuch der Materia medica, Amarasiṃha ist berühmt als Lexikograph und sein Wörterbuch, der Amarakōça (hg. von Loiseleur Deslongchamps, Par. 1839-45; von Kielhorn, 2. Aufl., Bombay [* 2] 1882 u. ö. in Indien), das älteste und angesehenste unter den synonymischen Wörterbüchern. Als Dichter ist er uns bisher nur durch sechs Strophen bekannt. Varāhamihira war als Astronom, Vararuci als Grammatiker berühmt; von den drei übrigen weiß man bis jetzt nichts oder nur Unsicheres. Ein älterer Zeitgenosse der «Neun Perlen» ist der Astronom Ārjabhaṭa und der Zeit nach nicht fern stehen wird der Lyriker Amaru.
Dem 6., vielleicht noch Anfang des 7. Jahrh. gehören ferner an die gefeierten Dichter Bhāravi und der jüngere Māgha, wahrscheinlich auch Bhaṭṭi. Sie sind die Hauptvertreter der mahākāvya («großes Gedicht») genannten Dichtungsform. Diese mahākāvya entlehnen ihren Stoff meist dem Mahābhārata und Rāmāyana oder schildern das Leben fürstl. Gönner des Dichters in übertriebener, oft ganz märchenhafter Gestalt. Der Stoff ist Nebensache; Schilderungen des Mond- und Sonnenaufgangs, von Städten, Bergen, [* 3] des Meers, Vergnügungen aller Art, Reden u. dgl. bilden die Hauptsache; schwungvolle Metren und Künsteleien sollen über den Mangel an wirklicher Poesie hinweghelfen.
Die Inder rechnen zu den mahākāvya auch Kalidāsas Epen, die sich aber von den übrigen durch ihre Einfachheit abheben, namentlich der Kumārasaṃbhava. Von dieser Gattung seien noch genannt: das Nāishadhacaritam des Çrīharsha (Tl. 1, hg. Kalkutta [* 4] 1836; 2. Aufl. 1870; Tl. 2, von Röer, in der «Bibliotheca Indica», ebd. 1855; beide Teile, ebd. 1875-76), des Sohnes des Hīra, der auch noch eine Reihe anderer Werke verfaßt hat und dessen Zeit nicht sicher ist;
das Çrīkaṇṭhacarita des Mankha oder Mankhaka (hg. in der Kāvyamālā, Nr. 3), der auch ein Sanskritwörterbuch verfaßt hat und um 1140 blühte, das Bālabhāratam des Amaracandra, eines Dschain im Anfang des 13. Jahrh., der auch grammatische und rhetorische Werke verfaßt hat.
Das Bālabhāratam war lange nur in der griech. Übersetzung des Demetrios Galanos bekannt (Athen [* 5] 1847; jetzt herausgegeben im «Paṇḍit», Nr. 40-64; eine neue Ausgabe ist in der «Kavyamālā» im Druck). Von der zweiten Gattung der mahākāvya, den pseudo-historischen, die jedoch immerhin auch für die Geschichte, vorsichtig benutzt, nicht ohne Wert sind, seien genannt das Vikramānkadēvacarita des Bilhaṇa aus der zweiten Hälfte des 11. Jahrh. und die Kīrtikāumudī des Sōmēçvara (um 1200), hg. von Kāṭhavate (Bombay 1883). Hierher gehören auch die in Prākrit geschriebenen mahākāvya, zur ersten Gattung der Rāvaṇavahō, zur zweiten der Gaūḍavahō (s. Prākrit). Im 6. Jahrh. lebte wohl auch noch Daṇḍin (s. d.) und der Verfasser des Dramas Mṛcchakaṭikā, wenn dieser nicht Daṇḍin ist.
Somit ist in diesem Jahrhundert die Blütezeit des Epos verstrichen. An seine Stelle sind die mahākāvya getreten, deren Charakter ein vorwiegend lyrischer ist, und der Roman in Prosa, zuerst vertreten in Daṇḍins Daçakumāracarita. Die Lyrik blühte, ebenso das Drama, von Wissenschaften die Astronomie, [* 6] Medizin, Lexikographie, Rhetorik, Grammatik, diese in engstem Anschluß an Pāṇini. Wie weit die Dichter dieses Zeitalters, das man das Vikrama-Zeitalter nennen kann, ihren Vorgängern gegenüber wirklich originell sind, entzieht sich unserer Beurteilung völlig. Von der vedischen Zeit sind ihre Dichtungen durch Sprache, [* 7] Inhalt und Form gänzlich verschieden.
Die Dichter des folgenden 7. Jahrh. ragen nicht durch Originalität hervor. An ihrer Spitze steht der Zeit nach Subandhu, der Verfasser des Romans Vasavadattā (hg. mit wichtiger Einleitung von Hall [* 8] in der «Bibliotheca Indica», Kalkutta 1859; Analyse von Weber, «Ind. Streifen», 1, 369 fg., Berl. 1868), der in schwülstiger Prosa geschrieben ist. Unter den Fürsten dieses Jahrhunderts ist der Freund der Dichtkunst, Çrīharsha Çīlāditja, König von Kānjakubdscha, über den man durch den chines. Pilger Hiuen-tsang ausführlichere Nachrichten hat und nach dem man dieses Zeitalter das Çīlāditja-Zeitalter nennen kann.
Sein Hofpoet war Bāṇa. Nach ind. Tradition war sein Konkurrent in der Lyrik Majūra, der von manchen zum Schwiegervater des Bāṇa gemacht wird. Sein Loblied auf die Sonne [* 9] in 100 Strophen, das Sūryaçatakam, ist ein einförmiges Gedicht (hg. von Häberlin, «Kāvyasaṃgraha», Kalkutta 1847, S. 197 fg., und in der «Kāvyamālā», Nr. 19, mit dem Kommentare des Tribhuvanapāla). An demselben Hofe lebte ferner der Verfasser dreier Dramen, der Ratnāvalī, der Priyadarçikā und des Nāgānanda, der nach höfischer Sitte seine Werke unter dem Namen seines Patrones veröffentlichte, sodaß Çrīharsha selbst als Dichter erscheint.
Vermutlich ist der Dichter Dhāvaka. Das interessanteste dieser Stücke ist der Nāgānanda, weil er helles Licht [* 10] auf die religiösen Verhältnisse der damaligen Zeit wirft. Es wurde aufgeführt an einem Feste des Indra, in der Einleitungsstrophe wird Buddha angerufen und den buddhistischen Helden ruft Gāurī, die Frau des Çiva, ins Leben zurück, die auch von der Heldin verehrt wird. Herausgegeben ist der Nāgānanda Kalkutta 1864 u. 1873; neue Ausgabe von Bhānap (Bombay 1892), ins Englische [* 11] übersetzt von Palmer Boyd (Lond. 1872), ins Französische von Bergaigne (Par. 1879). Die beiden andern Stücke sind nach der üblichen Schablone gearbeitet, zeichnen sich aber durch einfache, klare Sprache aus. Die Ratnāvalī ist am besten herausgegeben von Cappeller (in Böhtlingks «Sanskrit-Chrestomathie», 2. Aufl., Petersb. 1887, S. 290 fg.) und sehr oft in Indien; ins Deutsche [* 12] übersetzt von Fritze (Chemnitz [* 13] 1878); die Priyadarçikā ist hg. Kalkutta 1874, besser Bombay 1884.
Die Spruchdichtung, und zwar die erotische wie didaktische, fand in diesem Jahrhundert durch Bhartṛihari (s. d.) hervorragende Vertretung. Nach seinem Vorgange und dem des Amaru hat sich eine ¶
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überaus reiche Litteratur dieser Art gebildet, die Çataka-Dichtung, die als eine der beliebtesten Gattungen der ind. Poesie angesehen werden muß und in der eine Fülle von Lebensweisheit und feiner Natur- und Sittenschilderungen niedergelegt ist. Einer der ältesten Verfasser eines Çatakam, d. h. einer Spruchdichtung in 100 (und oft etwas mehr) Strophen ist Bhallaṭa (hg. in der «Kāvyamālā», IV, 140 fg.), der nicht später sein kann als das 10. Jahrh. und aus Kaschmir [* 15] stammte.
Ganz verschiedenen Zeiten gehören die Sprüche an, die unter dem Namen des Tschānakja, des Ministers des Königs Tschandragupta (s. d.), in zahlreichen Sammlungen vereinigt worden sind (Litteratur bei Monseur, Cāṇakya, Par. 1887). Dem Tschānakja selbst dürfte keiner der Sprüche angehören; aber bereits im 7. Jahrh. war eine Sammlung unter seinem Namen bekannt, die die Pflichten des Königs behandelte. Denselben Stoff hatte sein angeblicher Schüler Kāmandaki verarbeitet; das unter seinem Namen auf uns gekommene Werk, der Kāmandakīyanītisāra (hg. in der «Bibliotheca Indica», Text, Kalkutta 1861; Kommentar, ebd. 1884), ist ebenfalls stark überarbeitet.
Ihrem Inhalte nach sind die Çataka teils rein religiös, wie die des Bāṇa und Majūra, teils erotisch, wie das des Amaru, teils didaktisch, wie die Çataka des Kshēmēndra und die Tschānakja-Sammlungen, teils erotisch und didaktisch, wie Bhartṛhari, ihrer Form nach sehr mannigfach. Ein später Autor, Rāmatschandra, hat es verstanden, in seinem Rasikarañjanam (abgefaßt 1523, hg. in der «Kāvyamāla», IV, 80 fg.) die Worte so zu wählen, daß sie je nach der verschiedenen Abteilung und Interpretation sich auf Liebe oder Leidenschaftslosigkeit beziehen, ein Kunststück, das in Indien schon vor ihm beliebt und gefeiert war. Am bekanntesten ist in dieser Hinsicht das Rāghavapāṇḍavīya, dessen Verfasser Kavirādschasūri am Ende des 12. Jahrh. lebte und sein Gedicht so abgefaßt hat, daß es zugleich den Inhalt des Mahābhārata und des Rāmāyaṇa wiedergiebt, für uns eine Albernheit, für den Inder der Gipfel der Kunst.
Von der großen Beliebtheit der Spruchpoesie legen die in späterer Zeit gemachten Anthologien Zeugnis ab, die trotz mancher Ungenauigkeit, vieler Irrtümer und Widersprüche für die Geschichte der I. L. von großer Wichtigkeit sind. Die älteste ist die Sattasaī des Hāla in Prākrit; aus dem Ende des 13. Jahrh. stammt die Çarṅgadharapaddhati (hg. von Peterson, Bombay 1889), aus dem 15. Jahrh. die Subhāshitāvali des Vallabhadēva (hg. von Peterson und Durgāprasāda, ebd. 1886); andere sind nur handschriftlich bekannt.
Ins 7. Jahrh. gehört vielleicht auch noch Viçākhadatta, der Dichter des Dramas Mudrārākshasa (hg. von Telang, Bombay 1884; ins Deutsche übersetzt von Fritze, Lpz. 1886), eins der bedeutendsten und eigenartigsten Werke der Inder. Die Grammatik blühte weiter; in dieser Zeit schrieb nicht nur Bhartṛhari seine grammatischen Werke, sondern es entstand auch die Kāçikā, der beste und klarste Kommentar zu Pāṇini, das Werk des Vāmana und Dschajāditja, gegründet auf den großen Kommentar des Patandschali, das Mahābhāshyam, dessen Zeit nicht feststeht.
Im Anfang des 8. Jahrh. lebte der nach Kālidāsa berühmteste Dramatiker Indiens, Bhavabhūti (s. d.), und nicht viel später wird Bhaṭṭanārājaṇa fallen, der Verfasser des Dramas Vēṇīsaṃhāra (hg. von Grill, Lpz. 1871, und sehr oft in Indien), und Murāri, der Dichter des Dramas Anagharāghava (hg. in der «Kāvyamālā», Nr. 5), beide in Indien hochgefeiert. Als Epiker blühte damals Vākpatirādscha, der Verfasser des schon erwähnten, in Prākrit geschriebenen Gaüḍavahō, und als Rhetoriker wahrscheinlich Vāmana, der, wie viele seiner Vorgänger (Udbhaṭa, Bhāmaha, Daṇḍin), auch eigene Strophen in sein Werk, die Kāvyālaṃkāravṛtti, einlegte (hg. von Cappeller, Jena [* 16] 1875; und von Borooah, Kalkutta 1883; das letzte Kapitel ist deutsch übersetzt von Cappeller, «Vāmanas Stilregeln», Straßb. 1880). Gegen Ende dieses Jahrhunderts (788) wurde der große Çivaist Çaṃkarācārja geboren, ein eifriger und bedeutender Vertreter der Philosophie des Vēdānta, der schon 820 im Alter von 32 J. starb.
Çamkara hat Kommentare verfaßt zum Brahmasūtra des Bādarājaṇa selbst, zu einer Anzahl Upanishad, zur Bhagavadgītā. Ihm wird auch eine Reihe eigener kleiner Schriften zur Vēdānta-Philosophie zugeteilt, von denen ihm selbst keine gehören dürfte. Von den zahlreichen ihm zugeschriebenen Gedichten gehören ihm vielleicht an die Ānandalaharī, ein Hymnus auf Pārvatī, die Frau des Çiva, in 103 Strophen, und der Mōhamudgara, eine Predigt im Stile des Abraham a Santa Clara (beide hg. von Häberlin, «Kāvyasaṃgraha», Kalkutta 1847, S. 246 fg. u. sonst).
Aus dem 9. Jahrh. sind bisher sehr wenige hervorragende Dichter bekannt. Zu nennen sind der Rhetoriker Rudraṭa, der durchweg eigene, zum Teil sehr viel citierte und wohlgelungene Strophen seinen Werken einverleibt hat (Kāvyālaṃkāra, hg. in der «Kāvyamālā», Nr. 2; Çṛṅgāratilaka, hg. von Pischel, Kiel [* 17] 1886, und in der «Kāvyamālā», III, 111 fg.),
und Ratnākara, der Dichter des mahākāvya, Haravijaya (hg. in der «Kāvyamālā», Nr. 22),
worin er Bāṇa nachahmt, und der Vakrōktipañcāçikā (hg. in der «Kāvyamālā», I, 101 fg.), 50 Strophen, deren Pointe in Wortspielen liegt. Nicht vor diesem Jahrhundert fand auch das Pañcatantra seinen Abschluß in der uns vorliegenden nördl. Fassung; jünger ist der Hitōpadēça, der Auszüge aus dem Pañcatantra giebt. Nichts Bestimmtes läßt sich sagen über die Zeit der Märchensammlungen Vētālapañcaviṃçatikā (hg. von Uhle, Lpz. 1881), Siṃhāsanadvātriṃçikā oder Vikramacarita (Weber, «Ind. Studien», Bd. 15, ebd. 1878, und hg. Kalkutta 1881) und Çukasaptati (hg. von R. Schmidt, Lpz. 1893), die in Indien sehr beliebt und in fast alle neuern Sprachen des Nordens und Südens übersetzt worden sind. Am Ende des 9. und dem Anfang des 10. Jahrh. blühte der Dramatiker Rādschaçēkhara (s. d.).
Das 10. Jahrh. weist erst in seinem letzten Teile einige ausgezeichnete Dichter auf. Mittelpunkt der Pflege der Kunst war damals die Stadt Dhar in Malwa, wo das Geschlecht der Paramāras eine machtvolle Stellung sich errungen hatte. Vākpatirādscha II., bekannter unter seinem Namen Muñdscha (gest. etwa 995), wird als Dichterfreund und freigebiger Fürst gepriesen. Unter ihm lebten die Brüder Dhanaṃdschja und Dhanika, von denen der erste ein rhetorisches Werk, das Daçarūpa (hg. von Hall in der «Bibliotheca Indica», Kalkutta 1865), verfaßte, der zweite es kommentierte. Von beiden giebt es auch Gedichte. Ferner schrieb damals Halājudha seinen Kommentar zu dem Chandaḥsūtra, dem Lehrbuch der Metrik, des Pingala mit eigenen Versen (hg. in der «Bibliotheca Indica», ebd. 1874); diesem Halājudha gehört auch an das Sanskritwörterbuch Abhidhānaratnamālā (hg. von Aufrecht, Lond. ¶