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gewebe, eine solche von Knorpelzellen als Knorpel- gewebe u.s.w. Alle Zellen eines solchen Gewebes haben im allgemeinen eine gleiche, aber ganz cha- rakteristische Form, die für ihre jedesmalige Funk- tion besonders zweckmäßig erscheint; sie sind unter- einander durch sog.Intercellnl ar-(Kitt-) Sub- stanz en fest verbunden, sodaß sie auch äußerlich ein einheitliches Ganzes bilden. Indessen giebt es auch einige Gewebe, auf welche die gegebene Definition insofern nicht paßt, als bei ihnen die verbindende Kittmasse wegfällt und an ihre Stelle eine Flüssigkeit tritt,in welcher dann die Gewebezellen isoliert umher- schwimmen. Zu derartigen Geweben würden, wenn man den Namen Gewebe beibehalten will, z. B. Blut und Lymphe des Tierkörpers zu rechnen sein.
Daß bei niedern Tieren, wo die einzelnen Funk- tionen des Lebens noch nicht so scharf voneinander getrennt sind, auch die Gewebe noch nicht die aus- gesprochen specifische Ausbildung erlangt haben wie bei den höchst organisierten Klassen, ist selbstverständ- lich (s. Zelle,zoolog.). So kommt es auch, daß man die typischen Formen der Gewebe am deutlichsten bei den letztgenannten Tieren, d. h. bei den Säugetieren und dem Menschen findet, bei welch letzterm sie auch von seiten der Anatomen und Arzte zuerst genauer unter- sucht wurden.
Ursprünglich ein Zweig der beschrei- benden Anatomie, entwickelte sich das Studium der Struktur der Gewebe allmählich zu einer selbstän- digen Wissenschaft, der fog. mikroskopischen Anatomie, Geweblehre oder Histologie, mit deren Em- porblühen die Namen Henle, Gerlach, Hensen, Virchow, Mar Schultze, Kölliker, Remak, Waldeyer, Beale, Carpenter, Ranvier u. s. w. untrennbar verknüpft sind. Erst später ging man auch dazu über, den Bau der Gewebe in den einzelnen, verschieden hoch organisierten Tierklassen zu vergleichen und da- durch weitere Aufschlüsse über den p'hysiol.
Wert des Ganzen sowie der einzelnen Gewebebestandteile zu gewinnen; es entstand als Gegenstück zu der ver- gleichenden Anatomie die vergleichende Histologie, die, wie die erstere in der Entwicklungsgeschichte des Einzeltiers (der Ontogenie), in der Lehre von der Entwicklung der Gewebe, der Histogenese, eine weitere Stütze fand. Zu den Hauptförderern dieser letztgenannten Wissenschaften gehören namentlich Joh. Müller, Leydig, von Siebold, Max Schultze, F. E. Schulze, Vütschli, die beiden Hertwig u. a. Die einzelnen Gewebe treten im Körper der Tiere nur selten isoliert auf; meist verbinden sich mehrere derselben zu einem Ganzen höherer Ordnung, das dann, einer besondern physiol. odermechan.
Funktion dienend, als Organ (s. d.) bezeichnet wird. Gegenwär- tig unterscheidet man gewöhnlich folgende Gewebe:
1) Epithel- oder Öberhautgewebe, welches fast alle innern Höhlungen des Körpers auskleidet, vor allem aber die Oberstäche desselben überzieht (s. Haut). Es repräsentiert bei niedern Tieren eine einfache Zellenlage, die vielfach nach außen eine festere, chitinige oder gar kalkige Masse als Kuti- kularbildung absondert (Insektenpanzer, Muschel- schalen); bei den Wirbeltieren ist es mehrfach ge- schichtet und verhornt nach außen allmählich; Nägel, Haare, Federn u. s. w. sind Produkte des Oberhaut- gewebes.
2) Nervengewebe bildet den wesent- lichen Bestandteil des Nervensystems der Tiere (s. Nerven). Man unterscheidet bei ihm zwei verschie- dene Elemente: Zellen (Ganglienzellen), welche von außen kommende Reize verarbeiten, und Fasern (Nervenfasern), welche von den Zellen gegebene Im- pulse fortleiten und andern Zellen übermitteln.
3) Muskelgewebe besorgt die Bewegungsleistung des Organismus. Die Muskelgewebe sind meist lang gestreckt (daher der Name Muskelfasern) und in hohem Grade kontraktil. Bei vielen niedern Tieren sowie bei den sog. unwillkürlichen Muskeln der Wirbeltiere sind die Muskelgewebe glatt, es sind mehr oder weniger lange spindelförmige ela- stische Fasern; eine erhöhte Kontrattionsfähigkeit besitzen die Muskelgewebe der Insekten und Krebse sowie die sog. willkürlichen Muskelgewebe der Wirbeltiere, deren Substanz in eine ganze Anzahl hintereinander gelegener feiner Scheibchen zerfällt (quergestreiftes Muskelgewebe). Eine Mittelstellung nehmen die Muskelgewebe der Spul- würmer und Blutegel ein, bei denen ein kontraktiler Mantel eine weniger kontraktile Innenmasse um- giebt(Muskelröhren).
4) Drüsengewebe wird gebildet von meist großen, plasmareichen, mit Blut- gefäßen in Verbindung stehenden Zellen, welche aus dem Blute gewisse Stoffe entnehmen und diese als Sekrete nach außen abgeben (s. Drüsen). Bei den niedern Tieren übernimmt vielfach die einzelne Drüsenzelle die Funktion der Drüsengewebe (ein- zellige Drüsengewebe), bei den höhern Tieren gruppieren sich die Drüsengewebe zu schlauch- oder traubenähnlichenGebilden (mehrzellig eDrüsen- gewebe). Ein sehr wechselndes Aussehen besitzen die Gewebe der Vindesubstanz.
5) Das ge- wöhnliche Bindegewebe besteht aus sehr ver- schieden geformten Zellen, die große Festigkeit be- sitzen und durch Ausläufer in eine innige gegen- seitige Verbindung treten. Bindegewebe findet sich überall im Tierkörper, wo es sich um Festigung anderer Gewebe und ihrer Elemente oder Schutz derselben gegen äußere Insulten handelt. So um- hüllt Bindegewebe die Elemente der Nervengewebe und verbindet dieselben zu soliden Strängen (Ner- ven) , es umhüllt und verbindet die Muskelfasern zu einem einheitlichen Ganzen (den Muskeln), es stützt und verbindet die Zellen des Drüsengewebes zu Drüsen u. s. w. Besondere Modifikationen des Bindegewebes sind Sehnen- und Fettgewebe. Zu den Geweben der Vindesubstanz gehören auch das fast nur bei Wirbeltieren vorkommende 6) Knor - pelgewebe, dessen Zellen durch eine fast durch- sichtige, aber ziemlich feste elastische Zwischensubstanz verbunden sind (s. Knorpel), und das nur den höhern Wirbeltieren eigentümliche 7) Knoch en- ge webe, bei welchem die Grundsubstanz durch Auf- nahme von Kaltfalzen eine ungemeine Festigkeit er- langt (s. Knochen).
Manche Gewebe können sich, wenn sie Verletzungen erlitten haben, wieder ersetzen (regenerieren); durch eine besondere Fähigkeit derRegeneration(s.d.) zeich- nen sich vieleniedere Tiere (Polypen, Würmer), unter den Wirbeltieren besonders Amphibien und Repti- lien aus. Bei andern wird die entstandene Lücke nur durch neugebildetes Bindegewebe ausgefüllt. (S. Narbe.) In Krankheiten erleiden die Gewebe mannigfache Veränderungen; es können sich aber durch trankhafte Vorgänge auch neue Gewebe bil- den, die mit normalem Gewebe mehr oder weniger Ähnlichkeit haben. Ebenso sprechen sich Erkrankungen von Organismen auch in einer krankhaften Be- schaffenheit der Farbe aus. Die Lehre von solchen Umänderungen der Gewebe in krankhaften Zustän- den , die path ologische Histologie, ist eine verhältnis- mäßig junge Wissenschaft, als deren hervorragendste