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Pakts diente eine travestierte Taufe, wobei der Hexe ein Zeichen auf den Leib gedrückt ward, das Uneingeweihte nur an der Unempfindlichkeit der Stelle erkannten. Die so Geworbenen mußten nun durch Zauberei allerlei Schaden stiften, dem Teufel und seinen Dienern in allem zu Willen sein und insbesondere sich auf nächtlichen Zusammenkünften mit der Höllenbevölkerung und deren Anhange (Hexensabbaten) an obscönen Festen beteiligen. Die Hexe wurde dazu entweder von dem Teufel abgeholt oder fuhr auf einer Ofengabel, einem Besenstiel u. dgl. durch den Schornstein dahin, nachdem sie sich mit einer besondern Hexensalbe bestrichen.
Als von dem Teufel gezahltes Entgelt werden angegeben: Geschenke, die sich kurz darauf in Unflat verwandelten, Schläge und unsaubere Rationen bei den nächtlichen Festen. Die erwähnte Hexensalbe enthielt nach den Angaben Bilsenkraut, wahrscheinlich auch Mandragora und Stechapfel; der Genuß der letztern Pflanze (im sog. Hexentrank) erzeugt eben das Gefühl des Fliegens und ähnlich dem Opium und Haschisch abenteuerliche Einbildungen wie von kleinen schwarzen Tieren.
Die einmal erregte Furcht vor Behexungen sah in jedem Erkranken von Menschen und Vieh, in Mißwachs, Hagelschlag und sonstigen Landplagen nur das Werk boshafter Unholdinnen, deren Entdeckung um so leichter fiel, als schon ein unangenehmes Äußere, den Nachbarn nicht ganz begreifliche Erwerbsverhältnisse, ja selbst die bloße Anklage den höchsten Verdacht besonders auf ältere Personen lenkten. Teilweise scheint auch Eigennutz die Veranlassung zu Hexenprozessen gewesen zu sein, da Richter, Schreiber, Büttel, Henker und alle Beteiligten während des Prozesses reiche Gebühren bezogen. Wo das Gericht mit der Marter nicht gleich bei der Hand [* 2] war, half sich die Volksjustiz mit der Hexenprobe, indem die Verdächtigen gebunden, ins Wasser geworfen und bei dem Versinken für schuldlos, bei nicht völligem Untertauchen als Schützlinge des Teufels erkannt wurden.
Auch eine Hexenwage hatte man, weil man glaubte, daß Hexen darauf schwerer oder je nach Belieben der Richter leichter wären, als man sie schätzte. Das Resultat des Wägens führte natürlich stets zum Scheiterhaufen. Die Verurteilungen lauteten nämlich auf den Tod durch Feuer und ergingen in solcher Überzahl, daß z. B. eine etwa fünfjährige Verfolgung im Stift Bamberg [* 3] 600, im Bistum Würzburg [* 4] 900 Opfer forderte, daß im Braunschweigischen die Pfähle, an welche die Hexen auf dem Scheiterhaufen gefesselt wurden, nach der Äußerung des Chronisten wie ein Wald anzusehen waren, und daß es in England einen besondern General-Hexenfinder gab.
Selbst
Kinder wurden nicht geschont, wie denn unter andern in Luzern
[* 5] ihrer
vier von 7 bis 12 Jahren verbrannt wurden. Das Pulver
verbrannter Hexen aber wurde als Heilmittel gebraucht. Wie für die
Ketzer, so hatte man damals auch für
die Hexen besondere
Türme, in denen sie verwahrt, untersucht und hingerichtet wurden, z. B. zu Lindheim
in der Wetterau. Der
Wahn des Hexenglaubens wurzelte so tief, daß es Jahrhunderte bedurfte, bis eine entschiedene Opposition
nur auftreten durfte, und wieder Jahrhunderte, bis sie siegte.
Einigen Eindruck hatten nach frühern Vorgängern die Verwahrungen gemacht, die der Jesuit Spee in seiner «Cautio criminalis» (Rinteln 1631) wider die Praxis der Hexenprozesse einlegte, und gegen das Ende des 17. Jahrh. griff Balthasar Bekker, reform. Prediger in Amsterdam, [* 6] in seiner «Bezauberten Welt» (1691 u. ö.) das Princip der Dämonologie, den Glauben an den Teufel selbst, an. Seit Thomasius in seinen «Lehrsätzen von dem Laster der Zauberei» (1703 u. ö.) den offenen Kampf mit dem finstern Vorurteil aufgenommen hatte, fing man in Deutschland [* 7] allmählich an, sich der Hexenprozesse zu schämen, und gegen die Mitte des Jahrhunderts entfernte auch die Gesetzgebung in Preußen, [* 8] Österreich [* 9] (durch Maria Theresia 1766) und andern Staaten, oder wenigstens der Gerichtsbrauch, das Verbrechen der Zauberei.
Doch war noch 1729 zu
Würzburg Maria Renata, die Subpriorin des
Klosters Unterzell, auf ihr
Geständnis, vom
Teufel besessen
zu sein, lebendig verbrannt und zu Landshut
[* 10] 1754 ein 13jähriges, 1756 ein 14jähriges Mädchen wegen
Hexerei enthauptet worden. Der letzte Todesstreich gegen eine Hexe (die Dienstmagd
Anna Göldi) fiel 1782 zu Glarus
in der
Schweiz.
[* 11] Doch spielte noch immer der Hexenglaube seine Rolle in den
Annalen der Strafrechtspflege längere Zeit fort, insofern in gewissen
Ländern, insbesondere in Mexiko,
[* 12] gelegentlich aber auch in England und
Deutschland, ältere Weiber wegen
Verdachts
Tiere verzaubert zu haben, von der Landbevölkerung angegriffen oder getötet wurden. Selbst jetzt ist der Hexenglaube
nicht völlig verschwunden; 1892 wurde in
Eichstädt ein Franziskanermönch aus
Wemding, der eine Frau als Hexe bezeichnet
hatte, die die angebliche Besessenheit eines
Knaben veranlaßt haben sollte, wegen Ehrenkränkung zu einer
entsprechenden
Strafe verurteilt.
Vgl. Soldan, Geschichte der Hexenprozesse (Stuttg. 1843; neu bearbeitet von Heppe, 2 Bde., 1880);
Haas, Die Hexenprozesse.
Ein kulturhistor. Versuch (Tüb. 1865);
Roskoff, Geschichte des Teufels (2 Bde., Lpz. 1869);
Baldi, Die Hexenprozesse in
Deutschland und ihr
hervorragendster Bekämpfer (Würzb. 1874);
A. Wuttke, Der deutsche Volksaberglaube der Gegenwart (2. Aufl., Berl. 1869): Nippold, Die gegenwärtige Wiederbelebung des Hexenglaubens (ebd. 1875);
Rhamm, Hexenglaube und Hexenprozesse, vornehmlich in den braunschw.
Landen (Wolfenb. 1882);
Mejer, Die Periode der Hexenprozesse (Hannov. 1882);
Leitschuh, Beiträge zur Geschichte des Hexenwesens in Franken (Bamb. 1883);
Diefenbach, Der Hexenwahn vor und nach der Glaubensspaltung in Deutschland (Mainz [* 13] 1886);
Längin, Religion und Hexenprozeß (Lpz. 1888);
Baissac, Les grands jours de la sorcellerie (Par. 1890);
Snell, Hexenprozesse und Geistesstörung (Münch. 1891);
Henne am Rhyn, Der Teufels- und Hexenglaube (Lpz. 1892).