Bewegungen nützlich zu erweisen. Nur bei solchen Verkrümmungen und Verbildungen des Korpers, bei welchen das Knochengerüst,
z. B. die Wirbelsäule, schon wesentlich in Mitleidenschaft gezogen ist, reicht die Heilgymnastik für
sich allein gewöhnlich nicht aus; in den meisten Fällen der Art kann die Anwendung zweckmäßiger
Apparate und
Maschinen
oder die Vornahme gewisser chirurg.
Operationen (Durchschneidung von
Muskeln,
[* 2]
Sehnenu. dgl.) nicht entbehrt
werden. (S.
Orthopädie.)
Litteratur.Rothstein, Die Gymnastik nach dem
System des schwed. Gymnasiarchen P. Heilgymnastik Ling (5 Bde.,
Verl. 1848-59);
Schreber,Kinesiatrik oder die gymnastische Heilmethode (Lpz. 1852);
Heilige, Heiligung. Heilig ist in der biblischen und kirchlichen
Sprache
[* 4] die
Übersetzung des hebr. Wortes kad/osch,
das alles vom gemeinen Gebrauch des Lebens Ausgesonderte und dem Dienste
[* 5]
GottesGeweihte, Dinge wie
Personen,
bezeichnet. Das spätere
Judentum bezeichnete mit dem
AusdruckHeilige (grch. hagioi) die
Propheten und Gerechten des Alten
Testaments;
dagegen hießen so nach neutestamentlichem Sprachgebrauch die an Jesum Gläubigen
(1 Kor. 1,2),. weil sie durch
Christus dem
Reiche der Welt entnommen und in das
Reich Gottes versetzt, Gott zugeeignet und infolgedessen auch vom
HeiligenGeiste (s. d.),
als dem Princip des neuen religiös-sittlichen Lebens, ergriffen worden sind.
Die Heiligung nach ihrer subjektiven Seite ist im
NeuenTestament zunächst
Sündenvergebung
(Reinigung von der Schuld) und erst
abgeleiteterweise wirklich sittliche Erneuerung. Allmählich fing man dann auch in der christl.
Kirche an, das ursprünglich allen
Christen eigene
Prädikat «heilig» vorzugsweise solchen Männern beizulegen, die durch
besondere Geistesausrüstung und Glaubenskraft vor andern sich auszeichneten: z. B. heilige
Apostel und Evangelisten.
In der kath.
Kirche heißen
Heilige solche Verstorbene, von denen man mit Sicherheit annehmen zu dürfen
glaubt und von denen die kirchlichen Obern erklärt haben, daß
sie der ewigen Seligkeit teilhaftig sind.
Ihnen gebührt eine
gewisse Verehrung; sie können durch ihre Fürsprache bei Gott (intercessio) für die noch Lebenden Wohlthaten erwirken
und sie
dürfen um ihre Fürbitte angerufen werden (invocatio). Zuerst wurden nur Märtyrer (s. d.)
als
Heilige verehrt, später auch Nichtmärtyrer, die sich durch besonderes Gott wohlgefälliges Leben ausgezeichnet hatten:
die sog.
Bekenner (s.
Confessor), und auch Frauen.
Der erste Nichtmärtyrer als
Heiliger war der
Bischof Martin von
Tours
[* 6]
(s. o.). Maria, die
Mutter Jesu, wird als «allerseligste
Jungfrau» (beatissima virgo) und als «Königin
aller
Heiligen» bezeichnet. Von der Gott allein gebührenden
Anbetung (adoratio), dem cultus latriae, wird die Verehrung (veneratio)
der
Heiligen als cultus duliae (bei Maria hyperduliae) unterschieden. In der Praxis wird dieser Unterschied nicht immer streng
festgehalten, daher man auch von Hagiolatrie
(Heiligenverehrung) spricht.
Die Verehrung der
Heiligen als nach nahmungswerter Vorbilder wird dadurch bekundet, daß
ihre Gedächtnistage
(gewöhnlich der Sterbetag) gefeiert werden, daß
Messen und Predigten zu ihrer Ehre gehalten, ihnen
Kirchen undAltäre geweiht,
ihre
Bilder aufgestellt und diese sowie ihre
Reliquien (s. d.) verehrt werden (s.
Bilderdienst und
Bilderverehrung). Im 7. Jahrh.
wurde neben den besondern Heiligenfesten ein Fest
Allerheiligen (s. d.) eingeführt, über die Heiligenlegenden
s.
Acta Sanctorum. - Die Verehrung bestimmter
Personen als
Heiliger wurde früher von den
Bischöfen angeordnet oder gestattet.
Alexander III. behielt 1170 das
Recht der Heiligsprechung (Kanonisation, s. d.) dem Papste vor. Der erste
von einem Papste,
Johann XV., kanonisierte
Heilige ist derBischofUlrich von
Augsburg
[* 7] (993). Das amtliche
Verzeichnis der anerkannten
Heiligen ist das Martyrologium
Romanum (s.
Acta Sanctorum). - Im Laufe der Zeit wurde es
Sitte, daß
jede Gemeinde, jede Stadt, jedes Land, ja jeder
Stand und
Beruf einen bestimmten
Heiligen als
Patron oder Schutzheiligen verehrte.
So riefen die
Franzosen den heil. Dionysius von
Paris,
[* 8] die
Spanier den heil. Jakobus von Compostella, die
Ungarn
[* 9] den heil.
Stephan, die Engländer den heil.
Georg, die
Österreicher den heil.
Leopold als Schutzheiligen an. Den Juristen
galt der heil. Ivo, den Musikern die heil.
Cäcilia, den Malern der heil. Lukas, den Schuhmachern der heil.
Crispin als Schutzpatron. Auch gegen besondere
Krankheiten wurden bestimmte Schutzheilige angerufen, so
Rochus und Sebastian gegen die
Pest, die heil.
Apollonia gegen Zahnschmerzen u.s.w. -
Vgl. Broc de Segange, «Les saints patrons
des corporations et protecteurs spécialement invoqués dans les maledies et dans les circonstances critiques de la vie (2
Bde., 1888).
Opposition gegen die
Heiligen- (und
Reliquien-) Verehrung tritt vereinzelt schon bei
Vigilantius (s. d.) hervor. Eine
Synode
zu
Frankfurt
[* 10] a. M. (794) verbot die Anrufung neuer
Heiligen, und
Karl d. Gr. verschärfte dieses Verbot (805). Aber sowohl diese
Bemühungen als die des 12. und 13. Jahrh., die Hagiolatrie einzuschränken, blieben erfolglos.
Im 14. und 15. Jahrh. wurde sie von den
Humanisten mit den Waffen
[* 11] der Wissenschaft und oft beißender
Satire bekämpft.
Die
Reformation aber verwarf die Anrufung und Verehrung der
Heiligen als Schmälerung des Verdienstes Christi, des alleinigen
Mittlers, und als pelagianischen, die Möglichkeit sündloser
Vollkommenheit für die
Menschen voraussetzenden
Irrtum. Höchstens
zur Stärkung des
Glaubens sei es nützlich, das Andenken der
Heiligen zu bewahren. Seitdem gerieten in der prot.
Kirche die
Heiligentage in Vergessenheit und Heiligenbilder und
Reliquien verschwanden aus den Gotteshäusern.