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H.s erste Entwürfe eines Systems der Philosophie fallen noch in die Zeit seines Aufenthalts in Frankfurt. [* 2] Seine ersten Schriften waren: «Über die Differenz des Fichteschen und Schellingschen Systems» (Jena [* 3] 1801),
«De orbitis planetarum» (ebd. 1801);
bald darauf gab er mit Schelling, mit dem er schon im Tübinger Stift eine vertraute Bekanntschaft geschlossen und mit dessen philos.
Ansichten er sympathisierte, das «Kritische Journal der Philosophie» (Tüb. 1802) heraus. In den folgenden Jahren arbeitete er die «Phänomenologie des menschlichen Geistes» aus, die als erster Teil des «Systems der Wissenschaft» (Bamb. 1807) erschien. In diesem, H.s Eigentümlichkeit am frischesten darstellenden Werke, das er selbst seine Entdeckungsreisen nannte, suchte er nachzuweisen, wie das Subjekt von der Unmittelbarkeit des gemeinen Bewußtseins allmählich auf den Standpunkt des spekulativen Denkens oder der Philosophie fortgetrieben werde, und entwickelte dabei zum erstenmal die ihm eigentümliche dialektische Methode. Es folgten «Wissenschaft der Logik» (3 Bde., Nürnb. 1812–16) und «Encyklopädle der philos. Wissenschaften» (Heidelb. 1817; 3. Aufl. 1830). Mit der Übersiedelung nach Berlin, [* 4] wo er auch die «Grundlinien der Philosophie des Rechts, oder Naturrecht und Staatswissenschaft» (Berl. 1821) herausgab, begann seine Philosophie in Deutschland [* 5] und namentlich in Preußen [* 6] Epoche zu machen.
Die 1827 in Gemeinschaft mit seinen Anhängern gegründeten «Jahrbücher für wissenschaftliche Kritik» wurden ein wirksames Organ für die Verbreitung seiner Lehre, [* 7] und die Gunst des Ministers von Altenstein sicherte dieser Lehre zugleich eine große Anzahl akademischer Lehrstühle auf den preuß. Universitäten. Kurze Zeit nach seinem Tode vereinigten sich mehrere seiner Schüler zu einer Gesamtausgabe seiner Werke (18 Bde., Berl. 1832–42, dazu als 19. Band: [* 8] «Briefe von und an Hegel», hg. von K. Hegel, 1887), unter die auch seine Vorlesungen über die Religionsphilosophie, Ästhetik, Philosophie der Geschichte und Geschichte der Philosophie aufgenommen wurden.
Das Verhältnis der Hegelschen Philosophie zu den unmittelbar vorhergehenden Systemen ist dadurch bezeichnet, daß Hegel die Voraussetzung einer absoluten Identität zwischen dem Wissen und dem Sein, dem Gedanken und der Wirklichkeit, dem Subjektiven und Objektiven aus der Schellingschen Identitätsphilosophie sich aneignete. Aber er sagte sich frühzeitig von der Art und Weise Schellings los, diese Identität samt ihren innern Gegensätzen durch das Medium einer bloßen intellektuellen Anschauung zu betrachten, ging vielmehr auf die Methode der transscendentalen Logik Kants zurück, und zwar in einer ähnlichen Weise, wie hierzu bereits in der deduktiven Methode der Fichteschen Wissenschaftslehre der Anfang gemacht worden war.
Ist nämlich die Ordnung und Verknüpfung unserer Gedanken die Ordnung und Verknüpfung der Dinge selbst untereinander, wie die Kantische Kritik lehrt, so muß die allgemeine Form im Laufe des objektiven Geschehens mit der Form in der Entwicklung unserer Gedanken a priori genau übereinstimmen und umgekehrt. Die allgemeinste Form dessen, was da erscheint, ist aber das Werden; alles Werdende erscheint als solches, welches zugleich ist und nicht ist, was es ist. Indem es ein anderes wird, negiert es sich, und diese immanente Negation, durch welche es sich dauernd erhält und durch immer neue Gestalten sein Dasein bereichert, erscheint als sein Wesen.
Auf diese Weise erklärt Hegel die «immanente Negativität» für die Form und den Ausdruck eines Denkens, dessen Bewegungen, mit dem Prozesse des Werdens identisch, ihm vollkommen korrespondieren. Die dialektische Methode ist daher nach ihm ein mit dem Prozesse der Sache selbst identischer Prozeß des Denkens, der durch Auflösung jedes Begriffs in sein eigenes Gegenteil und die dadurch vermittelte Erhebung desselben zu einem reichern Inhalt sich zum absoluten Wissen fortarbeitet.
Das System der Philosophie gliedert sich in drei große Gedankenkreise. Der erste Teil ist die Logik, als die Wissenschaft der Idee an sich, die in die Lehre vom Sein, als dem Unmittelbaren und Voraussetzungslosen, vom Wesen, als der Reflexion [* 9] oder der Wahrheit des Seins, und dem Begriff oder der Idee, als dem sich selbst bestimmenden Sein, zerfällt. Innerhalb der Naturphilosophie, als des zweiten Hauptteils, worin die Idee in ihrem Dasein oder Anderssein behandelt wird, bezeichnen dann der mechan., der physik. und der organische Prozeß die drei allgemeinsten Stufen oder Momente.
Aber die Idee faßt sich endlich aus ihrer Entfremdung in der Natur wieder zusammen, kommt als Geist zu sich, wird «an und für sich», was sie in der Logik «an sich» und in der Natur «außer sich» war, und die Darlegung der Momente, durch welche dies geschieht, ist die Philosophie des Geistes, der sich von den Stufen des subjektiven durch die des objektiven zu denen des absoluten Geistes erhebt. Während hier die anthropol. und psychol. Erscheinungen dem Gebiete des subjektiven, die rechtlichen und sittlichen Begriffe dem des objektiven untergeordnet werden, bezeichnen die Kunst, die Religion und die Philosophie die Momente des absoluten Geistes.
Die H.sche Philosophie charakterisiert sich demnach erstlich durch ihr Princip, als den positiven Begriff des Geistes, im Gegensatz zu der vagen Schellingschen Indifferenz des Subjektiven und Objektiven; zweitens durch ihre Methode der Dialektik, die Kant bereits in den Antinomien seiner Vernunftkritik in negativer Weise handhabte, aber in positiver Weise durchführte. Hegel hat hierdurch das durch Kant eingeleitete Verhältnis eines unzertrennlichen Ineinandergreifens von Logik und Metaphysik zur Ausführung gebracht und dadurch sämtliche Denkgesetze, Kategorien, Begriffsformen und Methoden in ein allgemeines System vereinigt, in dem zugleich jeder einzelne Zweig des Wissens aus allen Erfahrungsgebieten seine Stelle findet, sodaß ihm hier sein Umfang, seine Grenze, sein Wert, seine Bedeutung, seine Methode und sein Zusammenhang mit allen übrigen Zweigen des Wissens bestimmt und bewiesen wird.
Die Großartigkeit des Plans war es hauptsächlich, wodurch die H.sche Philosophie vor allen übrigen mit ihr wetteifernden Schulsystemen ihr Übergewicht gewann. An diesem encyklopäd. Plane hielt daher auch anfangs die Schule streng fest, wobei sie die Anwendung der dialektischen Methode auf die Zweige einzelner Disciplinen mit emsiger Geschäftigkeit fortsetzte. So wurde die Psychologie als die Wissenschaft des subjektiven Geistes zunächst von Rosenkranz, dann von Erdmann und Schaller gefördert. In der Jurisprudenz war es Gans, der das ewige Recht der praktischen Vernunft gegen die Historische Schule vertrat und das Erbrecht in seiner weltgeschichtlichen Ausbildung entwickelte. Die Moral bearbeitete ¶
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Michelet; die Ästhetik und Kunstgeschichte wurden von Hinrichs, Hotho, Rosenkranz, Vischer, Ruge, Schnaase betrieben. Am lebhaftesten wurde die Bewegung in der Religionsphilosophie durch die Mitleidenschaft, in die sich die Theologie gezogen sah. Wie Kant, Fichte [* 11] und Schelling gethan, so suchte auch und mit ihm Daub, Marheineke, Rosenkranz, Göschel, Vatke u. a., den ewigen Vernunftgehalt des Christentums in seinen histor. und symbolischen Formen nachzuweisen.
Aber mit diesem Streben zerfiel die H.sche Schule durch den Streit über die Christologie, den vorzüglich Strauß [* 12] durch sein «Leben Jesu» (1835) anregte und durch seine «Christl. Glaubenslehre» (1840) nährte. Es bildete sich eine supranaturalistische, eine rationalistische und eine vermittelnde rationellmystische Fraktion, die man die Rechte, die Linke und das Centrum der H.schen Schule zu nennen pflegte. Für die Geschichte der Philosophie, in der Hegel selbst viel geleistet, ist seine Schule in Feuerbach, Schwegler, Zeller, Erdmann, Kuno Fischer vorzüglich thätig gewesen.
Die «Jahrbücher für wissenschaftliche Kritik» (1827–47 durch Henning redigiert) galten gewissermaßen als das Organ der Orthodoxie der H.schen Doktrin bis 1841, wo Schelling nach Berlin kam. Das Bedürfnis, den gleichsam häretischen Ansichten der jüngern Hegelianer einen zwanglosen Ausdruck zu ermöglichen, hatte indessen Ruge und Echtermayer schon 1838 veranlaßt, die «Hallischen Jahrbücher» zu gründen. Infolge der Kölner [* 13] Streitigkeiten gerieten die Junghegelianer mit Leo in Kampf, der sie des Atheismus anklagte.
Schubart und andere gesellten zu dieser Anklage die der Revolution. So ward die H.sche Philosophie, die zu Lebzeiten H.s für kirchlich und politisch konservativ gegolten hatte, als destruktiv verurteilt. Rüge verlegte seine Zeitschrift von Halle [* 14] nach Leipzig [* 15] und nannte sie «Deutsche [* 16] Jahrbücher», die aber 1843 ebenfalls dem Verbot erlagen, Seit dieser Zeit hat der H.sche Denkweg sich in einer freiern Weise als früher weiter entwickelt, nämlich in Gestalt einer fortgesetzten Arbeit auf den Grundlagen der Kantischen Kritik und der Fichteschen Wissenschaftslehre, indem einerseits bedeutende Repräsentanten der Schule sich erhebliche Abweichungen im System erlaubten, wie K. Werder in seiner «Logik» (Berl. 1841),
Rosenkranz in seiner «Wissenschaft der logischen Idee» (2 Tle., Königsb. 1858–59),
Kuno Fischer in seiner «Logik und Metaphysik oder Wissenschaftslehre» (Stuttg. 1852; 2. Aufl., Heidelb. 1865); andererseits Männer von entgegengesetzten Weltansichten, wie J. Hegel Fichte, Weiße, K. Ph. Fischer, Chalybäus, Wirth, Ulrici, Carriere, sich der dialektischen Methode bei ihren Arbeiten bedienten und dadurch von seiten der strengen Schulanhänger sich den Namen der Pseudo-Hegelianer zuzogen. Von innen her reinigte sich die Schule dadurch, daß ihre in Empirismus und Materialismus auslaufenden Zweige (Feuerbach, Moleschott, Noack) förmlich sich von ihr trennten.
Dagegen hat sich die Schule der strengen Observanz seit 1860 in der philos. Zeitschrift «Der Gedanke, Organ der Philosophischen Gesellschaft zu Berlin» (hg. von Michelet) ein Werkzeug ihres festen Bestandes und Einverständnisses gegründet. Im Auslande hat sich das Studium der Philosophie H.s mehr und mehr verbreitet. In Frankreich hat Cousin so lange für sie gewirkt, bis er nach H.s Tode zu Schelling übertrat und von hier ab dessen Polemik teilte. Diese Polemik blieb in Frankreich vorherrschend, bis man neuerdings ein eindringenderes Studium H.s vornahm, das sich sowohl in Übersetzungen der H.schen Werke als in raisonnierenden Darstellungen ihres Inhalts bekundete. Warme Anhänger fand das H.sche System in Dänemark [* 17] (Heiberg, Martensen), Schweden [* 18] und Finland (Snellmann, Tengström, Bring), Norwegen (Monrad). Später drang das Studium H.s nach Italien, [* 19] wo es durch Desanctis, den Rechtsphilosophen Salvetti, den Ästhetiker Tari und ganz besonders durch Vera und Spaventa vertreten ist, und in neuerer Zeit nach England, wo es, durch Hutchison Stirling («The secret of Hegel», 2 Bde., Lond. 1865) eingeführt, namentlich in der Ethik zahlreiche Anhänger gefunden hat. Auch in Polen, Ungarn [* 20] und Nordamerika [* 21] hat die H.sche Philosophie Einfluß gewonnen. –
Vgl. Rosenkranz, H.s Leben (Berl. 1844);
Haym, und seine Zeit (ebd. 1857);
Köstlin, Hegel in philos., polit. und nationaler Beziehung (Tüb. 1870);
Rosenkranz, als deutscher Nationalphilosoph (Lpz. 1870);
E. Caird, Hegel (Lond. 1883).