Sprache, die Sprache der alten Israeliten und Juden und ihrer im Alten Testament gesammelt
vorliegenden Litteraturüberreste. Im Alten Testament selbst wird sie teils Sprache Kanaans, teils jüd. Sprache genannt; der
Name Hebräische Sprache kommt zuerst im Vorwort des Sirachbuches und im Neuen Testament vor, doch wird damit im Neuen Testament auch die zur
Zeit Jesu übliche aramäische Landessprache bezeichnet. An anderweitigen Denkmalen des Hebräischen hat
man nur wenige Inschriften, namentlich die 1880 gefundene Siloah-Inschrift (s. Siloah).
Die Sprachdenkmale des Alten Testaments umspannen, wenn man das Lied der Debora als ältestes, das Buch Daniel als jüngstes
Zeugnis nimmt, einen Zeitraum von etwa 1000 Jahren. Die sprachlichen Differenzen im Alten Testament sind
im ganzen unerheblich, was sich nur daraus erklären läßt, daß uns sein Text nur in einer schulmäßigen und daher nivellierenden
Bearbeitung erhalten ist. Die Hebräische Sprache, die mit ganz geringen Verschiedenheiten auch von den Kanaanäern
und Phöniziern und deren Kolonien, wie von den Moabitern (vgl. die Inschrift Mesas), wahrscheinlich aber
auch von den Ammonitern, Edomitern und nomadisierenden Stämmen des südl. Palästinas gesprochen worden ist, bildet einen der
Zweige des großen semit.
Sprachstammes. Wie dies die geogr. Lage bedingt, berührt die Hebräische Sprache sich in einzelnen grammatischen und lexikalischen Eigentümlichkeiten
mehr mit den aramäischen, in andern mehr mit den arab. Dialekten. Ihre Beziehungen zum Assyrisch-Babylonischen
sind noch wenig aufgeklärt. In Palästina ist das Hebräische allmählich seit dem 4. Jahrh. v. Chr. durch das Westaramäische
zurückgedrängt worden. Zur Zeit Christi war es im Munde des Volks erloschen, wiewohl die Schriftgelehrten eine Fortbildung
desselben gebrauchten, in der der ältere Teil des Talmud (Mischna) geschrieben ist (s. Rabbinische Sprache).
Das älteste aramäische Schriftstück des Alten Testaments steht im Buche Esra. Starke Beeinflussung durch das Aramäische zeigen
die Bücher Hiob, Koheleth und Psalmen. (Vgl. über diesen Prozeß Stade und O. Holtzmann, Geschichte des Volkes Israel, Bd.
2, Berl. 1888, S. 196 fg.) Im Zusammenhang damit wurde die althebräische Schrift zuerst im profanen Gebrauch,
später auch beim Abschreiben der Bibel durch die Quadratschrift (s. d.) verdrängt.
Die grammatische Behandlung des Hebräischen ist spätern Ursprungs. Ihre Grundlage wie ihr ältester Beleg ist die Punktation,
d. h. die Fixierung der in der Synagoge üblichen Aussprache durch eine den Konsonanten beigegebene Zeichenschrift,
was ohne, wenn auch primitive, grammatische Erwägungen nicht möglich war. Daß grammatische Schulen vorhanden waren, lehrt
der Umstand, daß es zwei Punktationssysteme giebt, das in unsern Drucken gebrauchte tiberiensische und das sog.
assyrische oder babylonische.
Noch sicherer geht dies daraus hervor, daß die überlieferte Punktation nicht nach einheitlichen Gesichtspunkten
verfährt; vielmehr sind oft als isolierte Reste Spuren abweichender Schulmeinungen erkenntlich. Die
natürliche Fortsetzung
bilden die Beobachtungen der Masoreten, welche die Eigentümlichkeiten des überlieferten Textes festlegen und sie in einzelnen
Schriften zu erklären und zu begründen suchen. Ein wissenschaftlicher Zug
kam jedoch in die Grammatik des Hebräischen
erst durch Anregungen, die von den arab. Nationalgrammatikern ausgingen.
Von diesen ist die mittelalterliche jüd. Grammatik durchaus abhängig. Viele jüd.-grammatische Werke sind daher arabisch
geschrieben. Unter den alten Nationalgrammatikern sind besonders nennenswert: Jehuda Chajug (um 1020), Abraham ben-Esra (um
1150) und David Kimchi (um 1190-1200). Als Begründer des hebr. Sprachstudiums unter
den Christen gilt Joh. Reuchlin (gest. 1522), der sich jedoch, wie
die Grammatiker der nächstfolgenden Zeit bis auf Joh. Buxtorf (gest. 1629), im wesentlichen ganz an die jüd. Überlieferung
und Methode hielt. Eine neue Epoche begann, als sich durch das unter den Christen aufblühende Studium der semit. Schwestersprachen
der Gesichtskreis erweiterte. Namentlich wußten Alb. Schultens (gest. 1750) und Nik. W. Schröder (gest.
1798) das Arabische für die hebr. Grammatik fruchtbar zu machen.
Die Einseitigkeit der sogenannten holländ. Schule hierbei suchten die deutschen Grammatiker zu vermeiden. Besonders waren
es Gesenius (s. d.), der, vielfach angeregt von Silvestre de Sacys grammatischer
Bearbeitung des Arabischen, durch umfassende Beobachtung und übersichtliche Gruppierung des empirisch
vorliegenden Sprachstoffs sich Verdienste erwarb, und Ewald (s. d.), der das rationelle Verständnis der Hebräische Sprache als
eines geistigen Organismus nach histor.-genetischer, aber vielfach sehr willkürlicher Methode sich zur Aufgabe machte. Der
bedeutendste neuere Grammatiker ist J. ^[Justus] Olshausen (s. d.). Sein
Hauptverdienst ist die genaue Sonderung des verwendbaren Materials und die Einsicht, daß die überlieferten Formen aus einer
ältern Sprachgestalt zu erschließen seien. Er ging jedoch darin fehl, daß er bei Bestimmung dieser zu einseitig das Klassisch-Arabische
benutzte. Olshausens «Lehrbuch der Hebräische Sprache» (Braunschw.
1861) hat keine Syntax. F. Böttchers «Ausführliches Lehrbuch der Hebräische Sprache» (2
Bde., Lpz. 1866-68) ist eine umfangreiche
Stoffsammlung.
Nach Olshausens Principien sind gearbeitet A. Müllers «Hebr. Schulgrammatik» (Halle 1875) und G. Bickells «Grundriß der hebr.
Grammatik» (2 Abteil., Lpz. 1869-70). Auf dem
von Olshausen gelegten Grunde hat unter Vermeidung der Einseitigkeiten Olshausens weiter gebaut B. Stade,
«Lehrbuch der Hebräische Sprache» (Tl. 1, Lpz. 1879, ohne Syntax). Nützlich durch die darin gegebene kritische Übersicht über die bisherigen
grammatischen Theorien ist F. E. Königs «Histor.-kritisches Lehrgebäude der Hebräische Sprache» (1.
Hälfte, Lpz. 1881). Kleinere, oft recht bedenkliche Schulgrammatiken giebt es sehr viele. Eine der bessern ist die Hollenbergs
(7. Aufl., Berl. 1889). Gesenius’ Schulgrammatik hat E. Kautzsch dem neuern Stande der Wissenschaft anzupassen unternommen
(25. Aufl., Lpz. 1889). Gesenius’ Lehrgebäude und Ewalds ausführliches Lehrbuch haben histor. Wert durch die Rolle, die
sie in der Geschichte der hebr. Grammatik gespielt haben. - Das umfassendste lexikalische Werk ist Gesenius’ «Thesaurus
linguae hebraicae» (vollendet von Rödiger, 3 Bde., Lpz.
1829-58); von Handwörterbüchern sind zu nennen die von Gesenius (11. Aufl., von Mühlau und
Volck, 2 Bde., ebd. 1890) und von
mehr
Fürst (3. Aufl., von Ryssel, 2 Bde., Lpz.
1876) und das «Hebr. Wörterbuch zum Alten Testamente» von C. Siegfried und Bernh. Stade (ebd. 1893). Seit 1892 hat F. Brown
mit Unterstützung von S. R. Driver und Ch. A. Briggs ein «Hebrew and English Lexicon» herauszugeben begonnen. -
Vgl. Steinschneider,
Bibliogr.
Handbuch über die Litteratur der hebr. Sprachkunde (Lpz. 1859).