Theodor,
Bruder des vorigen, geb. 1819, wurde 1849 Missionsinspektor in Hermannsburg,
dann vorübergehend Pastor in
Müden, 1865 nach dem
Tode seines
Bruders Direktor der Mission in Hermannsburg; wegen seines
Widerspruchs
gegen die
Civilehe wurde er 1877 seines
Amtes entsetzt und gründete 1878 die separierte luth.
Kirche Hannovers. (S. Hermannsburger
Mission und Separation.) Er starb Außer der
Lebensbeschreibung seines
Bruders sind von seinen
zahlreichen
Schriften zu nennen: «Die letzten Dinge» (2. Aufl., Hermannsburg
1873),
oder
Urin (Urina,Lotium), die von den
Nieren abgesonderte Flüssigkeit, durch welche die Verbrennungsprodukte
der stickstoffhaltigen Nahrungs- und Gewebsbestandteile aus dem Körper entfernt werden. Die während des
Stoffwechsels gebildeten
Zersetzungsprodukte der Nahrung und der Körpersubstanz verlassen den Tierkörper größtenteils durch den Harn vermittelst
der
Nieren. Der Harn enthält fast alle stickstoffhaltigen Zersetzungsprodukte, insbesondere den
Harnstoff. Da der Harn ein Produkt
des
Stoffwechsels und der Nahrung ist, so wird seine Beschaffenheit je nach der Art des
Tiers und der Nahrung verschieden sein.
Der Harn des gesunden
Menschen ist eine klare, gelbe bis gelbrote, in frischem Zustande nicht unangenehm
riechende, salzig und bitter schmeckende Flüssigkeit von schwach saurer Reaktion und wechselndem (zwischen 1,005 und 1,030
schwankendem) spec. Gewicht. Der
Geruch desselben wechselt mit der Nahrung; nur fauler Harn stinkt. Die
Farbe des Harn ist verschieden
je nach seinem Wassergehalt; sie ist am hellsten nach reichlichem Genuß von Getränken, am dunkelsten
im konzentrierten Morgenharn.
Durch den Genuß gewisser
Substanzen wird auch die
Farbe desUrins verändert; so erscheint der letztere nach dem Gebrauch von
Rhabarber, Santonin und Sennesblättern blutrot gefärbt. Bei der
Gelbsucht nimmt der Harn, infolge der Beimischung von Gallenfarbstoffen,
eine intensiv bräunliche, selbst schwarzbraune oder schwarzgrüne, bei
Vergiftung mit
Carbolsäure eine
olivengrüne bis tiefschwarze Färbung an. Ein erwachsener, gutgenährter, nicht mehr als nötig trinkender Mann entleert
täglich 1000-1500 ccm
Urin; mit dem Genuß von Flüssigkeit sowie mit der
Abgabe von Wasser auf anderm Wege als durch die
Nieren (Schweiß u. s. w.) wechselt die Harnmenge.
Die Hauptmasse des Harn macht das Wasser aus. Unter den festen
Bestandteilen (50
g in einem
Tage) macht der
Harnstoff (s. d.) die
größere Menge aus (durchschnittlich 35
g in 24
Stunden) und ist zugleich der stickstoffreichste Körper im
H. und das Hauptzersetzungsprodukt
der Eiweißkörper im Organismus, dessen Zurückhaltung und Anhäufung im
Blute bei gewissen Nierenerkrankungen
die sog.
Harnvergiftung des
Blutes oder
Urämie mit ihren schweren Folgezuständen
erzeugt. (S.
Harnvergiftung.) Die Menge des
ausgeschiedenen
Harnstoffs steigt mit der Menge der in der Nahrung zugeführten
Eiweißstoffe (bis auf 80 g und darüber),
während sie beim
Hungern auf ein Minimum (bis auf 6 g) herabsinkt.
Andere stickstoffhaltige
Substanzen, die zu etwa 0,5 g täglich entleert werden, sind die
Harnsäure (s. d.), eine niedrigere
Oxydationsstufe als der
Harnstoff, ferner das
Kreatin und Kreatinin, das
Xanthin, die
Hippursäure (s. d.) und andere noch niedriger
oxydierte Zersetzungsprodukte. An
Salzen enthält der Harn die aus der Nahrung herrührenden, wie Kochsalz,
kohlensaure, schwefelsaure, phosphorsaure
Salze, die
Alkalien und alkalischen Erden. Die
Phosphate stammen nur von den genossenen
Eiweißkörpern, die schwefelsauren
Salze zum
Teil daher.
Auch ist der Harn reich an gelöster
Kohlensäure, an
Stickstoff und Sauerstoff. Die Farbstoffe des Harn sind fast ganz unbekannt,
doch enthält er einen Körper, der in der
Indigopflanze enthalten ist und bei der
Zersetzung Indigo
[* 2] liefert
(Indican), sowie mehrere specifische Farbstoffe,
Urobilin,
Urochrom und
Uroerythrin, deren Zusammensetzung noch nicht genauer
erforscht ist.
Bald nach der Entleerung setzt sich im H. ein Schleimwölkchen ab, welches hauptsächlich aus Blasenepithelien
und Schleimkörperchen aus den
Schleimdrüsen der
Harnwege besteht. Die
Zersetzung des an der Luft bei längerm
Stehen wird durch eine Bakterienform, Micrococcus ureae Pasteur, veranlaßt, welche den
Harnstoff in kohlensaures
Ammoniak
und Wasser umsetzt; durch die
Verdunstung des
Ammoniaks entsteht der stechende
Geruch, durch die
Vermehrung der
Bakterien die
Trübung des zersetzten Harn
Ammoniak enthält der normale frisch gelassene Harn, wie der ganze Organismus,
nur in
Spuren.
Auch gehen in den Harn viele zufällig in den Körper gelangte
Substanzen über, sofern diese nicht im Organismus
zersetzt werden oder andere
Verbindungen eingehen. Bei fieberhaften
Krankheiten ist der Harn konzentrierter (wegen des Schwitzens)
und dunkler und enthält mehr stickstoffhaltige
Substanz, überhaupt mehr Stoffwechselprodukte als der Harn eines Gesunden unter
den gleichen Ernährungsverhältnissen. Sehr viel Harn entleeren die an Polyurie sowie an
Zuckerharnruhr
Leidenden (s.
Diabetes). Die Polyurie kommt vor bei Blutarmen, Nierenkranken, bei
Hysterischen, bei solchen, die viel trinken.
Sehr wenig Harn wird bei manchen, insbesondere entzündlichen Nierenkrankheiten ausgeschieden.
Der Harn der Säugetiere ist im ganzen so beschaffen wie der des
Menschen, doch zeigt er einige von der
Nahrung sowie von der Körperbeschaffenheit abhängige Verschiedenheiten. So enthält der Harn der
Hunde
[* 4] statt der
Harnsäure
und der
Hippursäure¶
mehr
eine eigentümliche Säure, die Kynurensäure. Im H. des noch saugenden Kalbes findet sich ein der Harnsäure ähnlicher Körper,
das Allantoin. Der Harn der Pflanzenfresser ist reich an Hippursäure und kohlensauren Salzen (wegen der Gegenwart dieser trübe),
wogegen der konsistente Harn der Vögel
[* 6] und Schlangen
[* 7] fast nur aus sauren harnsauren Salzen, die Exkremente
der meisten Insekten
[* 8] aus Harnsäure und Guanin bestehen.
Der bei weitem größte Teil der Harnbestandteile ist schon in den Geweben und im Blute enthalten, wo sie zum Teil gebildet
werden, und wird von der Niere aus dem Blute bloß geschieden, gewissermaßen abfiltriert. AndereStoffe erleiden in den Nieren
selbst noch eine weitere Umänderung, ehe sie abgeschieden werden. Aus den Nieren gelangt der Harn beim Menschen und den Säugetieren
durch die mit trichterförmiger Mündung beginnenden Harnleiter (ureteres) in die Blase.
Die Harnleiter sind häutige, nicht sehr weite, mit Muskeln
[* 9] versehene Schläuche, welche an der hintern Bauchwand zum kleinen
Becken herabsteigen und durch peristaltische Bewegungen den abgesonderten Harn tropfenweise in die Harnblase
befördern. Die letztere bildet einen der Aufbewahrung und zeitweisen Entleerung des Harn dienenden häutigen, dehnbaren
Sack, der in der Mittellinie des Körpers im kleinen Becken hinter dem Schambeinbogen liegt. (S. Harnblase.) Der Grund der Harnblase
spitzt sich trichterförmig in den Blasenhals zu, und dieser setzt sich in einen häutigen Kanal,
[* 10] die Harnröhre
(urethra) fort. Um den Blasenhals liegt beim Manne die Vorsteherdrüse (prostata), eine kastaniengroße, aus drei Lappen bestehende
Drüse, welche erst mit dem Eintritt der Geschlechtsreife ihre volle Entwicklung erreicht. (S. Prostata.) Die Harnröhre des Weibes
ist kurz und weit und mündet in den vordern Teil der Scheide; die engere und längere Harnröhre des Mannes
ist in dem untern Teil des männlichen Gliedes eingebettet und befördert zugleich den Samen
[* 11] nach außen. (S. Geschlechtsorgane,
Bd. 7, S. 897 b.)
Wenn der entleerte Harn mit der Luft in Berührung kommt, so erleidet er zunächst eine saure
Gärung, wobei sich Milch- und Essigsäure bilden und die saure Reaktion zunimmt, geht aber bald in Fäulnis und alkalische
Gärung über, indem durch ein eigentümliches pflanzliches Ferment (Gärungspilze) der Harnstoff in kohlensaures Ammoniak
zersetzt wird. Solcher Harn ist trübe, setzt Salze (namentlich die phosphorsauren Erden, Phosphate) ab (s.
Harnsediment) und stinkt. Da der einmal vorhandene Gärungserreger fortwirkt, so erklärt sich, warum unreinlich gehaltene
Nachtgeschirre immer einen übeln Geruch verbreiten.
Die Harnröhre, zu deren Untersuchung man sich neuerdings des Endoskops (s. d.) bedient, nimmt an den Krankheiten
ihrer Nachbarschaft teil; eine häufige, ihr allein zukommende, ist der Katarrh derselben oder Tripper (s. d.), der trotz
seiner anscheinend geringfügigen Bedeutung sorgsame und gewissenhafte Behandlung
erfordert, weil er sonst leicht Hodenentzündungen,
Impotenz, Verengungen der Harnröhre (s. Striktur) und andere schwer wiegende Störungen der Gesundheit im
Gefolge hat. -
Vgl. Löbisch, Anleitung zur Harnanalyse (2. Aufl., Wien
[* 13] 1881);
Salkowski und Leube, Die Lehre
[* 14] vom Harn (Berl.
1882);
Neubauer und Vogel, Anleitung zur qualitativen und quantitativen Analyse des Harn (9. Aufl., Wiesb. 1890).