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Die einverleibten Landgemeinden Hainholz, Herrenhausen, List undVahrenwald haben ^sannen 9389,sodaß Hannover [* 2] seitdem 172928 E. zählt. Rechnet man hierzu noch die Einwohnerzahlen der mit der Stadt Hannover in engster Interessengemein- schaft stehenden benachbarten Ortschaften Stadt Linden (27 833 E.), Döbren (2601) und Wülfel (1493), so ergiebt sich für das Weichbild von Groß- Hannover insgesamt eine Einwohnerzahl (1890) von 204909. Anlage. Die Stadt besteht aus der Altstadt, der Ugidien-Neustadt (1746 angelegt) rechts der Leine, der Calenberger Neustadt [* 3] (im 13. Jahrh, entstanden, seit 1714 Stadt) zwischen Leine und Ihme, Georgs- und Marienstadt (1859 einverleibt) und der großartigen Ernst-Auguststadt.
Jenseit der Ihme liegt Linden. Im O. schließt sich halbkreis- förmig der städtische Forst [* 4] (662 lik) Eilenriede um die Stadt. Zehn zum Teil schöne Brücken [* 5] vermitteln den Verkehr zwischen den einzelnen Stadtteilen. Straßen, Plätze, Denkmäler. DieKnochen- hauer- und Schmiedestraße, welche vom Markte aus nach Norden [* 6] gehen, zeichnen sich durch zahlreiche schöne spätgot. Giebelbauten mit hohen Staffel- giebeln (15. und 16. Jahrh.) aus (Leibnizhaus), während die Georgsstrahe und die Friedrichstraße mit schönen, palastartigen Gebäuden auf der einen und prächtigen, wohlgepstegten Anlagen auf der andern Seite besetzt sind; weitere bedeutendere Straßen sind die Karmarsch-, Grupcn- und Stände- hausstraßc und die Straße Am Schiffgraben.
Auf dem Marktplatze steht ein got. Brunnen [* 7] in Bronze, [* 8] nach Haases Entwurf (1881);
in der Schmiedestraße ein Standbild des Pastors Bödeker von Dopmeyer (1880);
auf dem Ernst-August-Platze vor dem Centralbahnhof die Neiterstatue des Königs Ernst August (1861 von A. Wolfs modelliert);
auf dem Waterlooplatze die 1826 - 32 errichtete Waterloo- säule (47 m), das Standbild (1849) des Grafen Alten, des Führers der Hannoveraner bei Waterloo [* 9] und der Englisch-Deutschen Legion in Spanien, [* 10] von Kümmel;
dabei ein kleiner Tempel [* 11] mit der Büste von Leibniz von dem Irländer Hcwetfon;
auf dem Georgsplatze die Bronzestatue Schillers von Engel- hard (1863);
auf dem Theatcrplatze das Denkmal des Komponisten Marschner von F. Hartzer (1877), des Technologen Karmarsch, des Begründers und ersten Direktors des Polytechnikums (1883), und des Chirurgen Stromeyer (1884), beide von Rassau- Dresden; [* 12]
am Ende der mit schönen Villen besetzten Königstraße erhebt sich das 1884 errichtete Krieger- denkmal von Voltz (Grabdenkmal von schwed. Granit mit einer trauernden Haunovera, zur Seite zwei Löwen, [* 13] oben eine gewaltige Germania, [* 14] von zwei Genien mit der Kaiserkrone geschmückt);
an den An- lagen der Friedrichstraße ein von Ebhardt gestifteter Brunnen mit einem Standbild Gutcnbergs.
Kirchen. Hannover hat 16 Kirchen, davon 11 luth., 2 kath. und je eine der Baptisten, der reform. und engl. Gemeinde. Die älteste Kirche ist die Markt- kirche (14. Jahrh.), eine Hallenkirche in Backstein mit Grabdenkmälern (16. und 17. Jahrh.) an der Außenseite, im Innern schöne Glasgemälde nach Kartons von A. von Kreling und ein geschnitzter Altar [* 15] von Hurtzig, in der Kapelle unter dem Turm [* 16] (90 m) die Fahnen der Englisch-Deutschen Legion (1803-15); die got. Agidienkirche (14. Jahrh.) hat einen Renaissanceturm, die Kreuzkirche ein Altar- bild von Gönne nach Iul.
Schnorr, die Christus- kirche (1864) von Hase, [* 17] ein schöner got. Backsteinbau, enthält schöne Glasgemälde, die Apostelkirche ist gleichfalls von Hafe, die Dreifaltigkeitskirche von Hehl, die neue kath. Marienkirche birgt das Grab von Windthorst, die Nicolaikapelle dient der engl. Gemeinde. Von der im Bau begriffenen Garnison- kirche, zu der der Grundstein gelegt wurde, stürzte einer der beiden Türme ein. Die Synagoge im orient. Stil, von A. Oppler, wurde 1870 vollendet.
Weltliche Gebäude. Die erste Stelle nimmt das königl. Residenzschloh, zeitweilig Residenz des Prinz-Regenten Albrecht von Braunschweig, [* 18] ein. Dasselbe wurde 1636-40 vom Herzog Georg er- baut, seit 1817 aber völlig umgestaltet und mit prachtvoller Kolonnade an der Leinstraße versehen. Die Schloßkapelle enthält ein Altarblatt von Lukas Cranach, die Kreuzigung, Fresken von Osterley, die Himmelfahrt darstellend, und einen fehenswerten Reliquien- und Antiquitätenschatz, den Heinrich der Löwe 1172 zum Teil aus Palästina [* 19] mit nach Braun- schweig brachte; gegenüber liegt das sog. Alte Pa- lais, früher Wohnung des Königs Ernst August, in dem 1774-95 Herzog Karl von Mecklenburg- Strelitz, [* 20] der Vater der Königin Luise, als Gouver- ueur von Hannover residierte; das alte Rathaus, ein spät- got. Backsteinbau, 1439-55 erbaut und 1845 durch einen Flügel vergrößert, ist 1878-79 von Hase umgebaut und 1890-91 erweitert, der große Festsaal enthält Wand- und Deckengemälde von Schaper- Hannover; das königl. Schauspielhaus (82 m breit, 55 in tief) ist 1845 - 52 nach Plänen von Laves erbaut.
Ferner sind zu erwähnen: das Provinzial- ständehaus (1880) in ital. Renaissance von Wall- brecht, die Calenbergische Landschaft, das königl. Militär-Reitinstitut, das Zeughaus (1846) und die Kasernen am Waterloo- und Welfenplatze, das frühere Palais des Königs Georg V., jetzt Neues Rathaus, die Kriegsfchule, das Ernst-Augustpalais, jetzt Generalkommando, das 1889-93 umgebaute königl. Archiv-und Bibliotheksgebäude, das 3Nilitär- krankenhaus, das städtifche Krankenhaus [* 21] in Linden, die Henriettenstiftung (Diakonissenanstalt), die Ent- bindungsanstalt, das Provinzialmuseum (s. unten), das Kestner-Museum, die Technische Hochschule, die Handwerker- und Kunstgewerbeschule, der Packhof, das neue Post- und Telegraphengebäude am Ernst- Augustplatze, 1878 - 81 im Renaissancestil erbaut, das Iustizgebäude, das Konzerthaus, der Schlacht- und Viehhof und die Markthalle.
Verwaltung. Die Stadt wird verwaltet von einem Stadtdirektor (Tramm, seit 1891,15500 M.), Syndikus (Eyl, 8500 M.), 17 Magistratsmitglie- dern (8 besoldet) und 24 Stadtverordneten. Die Berufsfeuerwehr besteht aus 95 Mann und hat 2 Dampf-, 10 Handfpritzen und 1304 Hydranten; die freiwillige Feuerwehr zählt 68 Mann. Ferner bestehen 2 Gasanstalten, ein Elektricitätswerk, ein Wasserwerk, defsen Reservoir in Linden liegt, sowie eine Markthalle. Auf dem städtischen Vieh- und Schlachthofe wurden (1891-92) aufgetrieben 13 036 Stück Rindvieh, 48 962 Schweine, [* 22] 14889 Kälber und 15149 Hammel; gefchlachtet wurden 11763 Stück Rindvieh, 45 396 Schweine, 14443 Kälber uud 14262 Hammel. Finanzen. Der Haushaltplan (1892 - 93) schließt ab in Einnahme mit 9 567 252 M., Aus- gabe mit 9 682 837 M. Die Schulden betragen 28280843 M., das Vermögen 3342893 M. Für ¶
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Schulen werden aufgewendet 1224242, für Wohl- thätigkeitsanstalten 5420, für Armen- und Kran- kenwesen 439 940, für Straßenreinigung [* 24] und -Spren- gung 212750, für öffentliche Beleuchtung [* 25] 154900 und für Sicherheitszwecke 222178 M. Behörden. Hannover ist Sitz des Oberpräsidiums der Provinz Hannover, der königl. Bezirksregierung, des Land- ravz^Mes ftr den Landkreis Hannover, eines Landgerichts (Oberlandesgericht Celle) [* 26] mit einer Kammer für Handelsfachen, 15 preuß. Amtsgerichten (Burg- wedel, Calenberg, Hameln, [* 27] Hannover, Coppenbrügge, Lauenstein, Münder a. D., Neustadt am Rübenderge, Obernkirchen, Oldendorf, Polle, Ninteln, Roden- berg, Springe, Wennigsen) und dem waldeckifchen Amtsgericht Pyrmont, eines Amtsgerichts, des Generalsuperintendenten für die Provinz Hannover, eines evang. Konsistoriums, der Provinzialsteuerdirek- tion, einer Generalkommission für die Provinzen und Schleswig-Kolstein, Oberpostdirektion für die Provinz Hannover, mit Ausschluß der den Oberpost- direktionsbezirken Braunschweig, Bremen, [* 28] Ham- burg und Oldenburg [* 29] zugewiesenen Gebietsteile, mit 2611,i0i km oberirdischen Telegraphenlinien (11622,754 km Leitungen, einschließlich 1766,24 km Stadtfernfprechanlagen) und 279 Verkehrsanstalten, einerköniglich preuß. Eisenbahndirektion (2309,88 km Bahnlinien) mit den 3 Betriebsämtern Hannover-Rheine (452,05 km), Hannover-Altenbeken (272,88 km) und Bremen, einer Reichsbankhauptstelle (s. unten, S. 798 a) und Handelskammer, der 1. Armee-Inspektion, des Generalkommandos des 10. Armeekorps, der Kommandos der 19. und 20. Division, 38. und 39. Infanterie-, 20. Kavallerie-und 10. Feldartillerie- brigade, eines Proviantamtes und Traindepots.
Unterrichts- und Bildungswefen. Die Technische Hochschule, seit 1879 in dem umgebauten alten Welfenschlosse, ist 1831 als höhere Gewerbe- schule gegründet und hieß 1874-79 Polytechnische Schule. Sie zählt (1893) 49 Docenten, 510 Stu- dierende und 255 Hospitanten. Die Tierärztliche Hochschule ist 1778 von dem Kurfürsten von Hannover, König Georg III. von England, gegründet und 1887 zur Hochschule erhoben; sie hat 13 Docenten und 230 Hörer. Ferner hat Hannover ein luth.
Lyceum I, 1267 als lat. Schule erwähnt und seit 1348 städtisch (Direktor Dr. Capelle, 19 Lehrer, 9 Klassen mit 314 Schülern, 3 Vorklassen mit 134 Schülern), ein luth. Lyceum II, 1871 eröffuet (Direktor vi-. Radek, 20 Lehrer, 9 Klassen mit 282 Schülern, 3 Vorklassen mit 90 Schülern), ein königl. Kaiser-Wilhclms- Gymnasium, 1875 eröffnet (Direktor Dr. Wachs- mut, 23 Lehrer, 12 Klassen und 3 Vorklassen, 527 Schüler), städtisches luth. Realgymnasium (Direktor Dr. Schuster, 30 Lehrer, 15 Klassen mit 483 Schülern, 4 Vorklassen mit 115 Schülern), städtisches luth.
Leibniz - Realgymnasium (Direktor Ramdohr, 27 Lehrer, 15 Klassen mit 468 Schülern, 3 Vorklassen mit 139 Schülern), eine höhere Realschule, zwei Realschulen, eine höhere Handelsschule, ein Lehrer- und Lehrerinnenseminar, israel. Lehrerseminar, 6 höhere, 5 mittlere Mädchenschulen, Militärreit- institut, Kriegsschule, Militärlehrschmiede, Entbin- dungslehranstalt und Blindenanstalt. Von den Sammlungen für Wissenschaft und Kunst sind befonders hervorzuheben: die königl. Bibliothek (190000 Bände, 4000Handschristen, dar- unter viele von Leibniz), die Stadtbibliothek mit sel- tenen Handschriften, die Societätsbibliothck (32000 Bände), die Bibliothek des Senators Culemann im Kestner-Museum; ferner das Welfenmuseum, eine Sammlung von Landesaltertümern, die Gewerbe- ausstellung, eine Sammlung neuer Apparate, Ma- schinen, Fabrikate und kunstgewerblicher Muster, die Porträtsammlung im Fürstenhaus (1691 erbaut), das Provinzial- und das Kestner-Museum.
Ersteres, 1855 nach Hases Plänen im roman. Stil vollendet, enthält die Räume des Künstler- und des Architekten- vereins, naturhistorische, histor. Sammlungen und die Kunstsammlung (Gipsabgüsse, Gemälde), in einem Anbau antike und moderne Skulpturen, kirch- liche und kunstgewerbliche Altertümer, die Gemälde- sammlung (Cumberlandgalerie), welche sich srühcr in den Schlössern Georgs V. und im Welfenmufeum befanden, fowie die Hausmannfche Sammlung.
Das Kestner-Museum, 1884 von Hermann Kestner, dem Enkel von Charlotte Buff (s. d.), der Stadt ge- schenkt, enthält ägypt. und rö'm. Altertümer, Hand- schriften vom 8. Jahrh, an, Inkunabeln, darunter die 42zeilige Bibel [* 30] Gutenbergs, ferner Elfenbein- und Holzschnitzereien, Miniaturen, Emaillen und eine Gemäldesammlung. Das königl. Schauspielhaus (1800Zuschauer- plätze) steht unter einemIntendantenund erhält jähr- lich 400000 M.Zuschuß; das Residenztheater (1500 Plätze) und das lHtadttheater sind Privateigentum.
In H. erscheinen 10 polit. Zeitungen und Ta- gesblätter, darunter der nationalliberale «Hanno- versche Courier» (s.d.),
die welfifche"Deutfche Volks- zeitung" und der socialdemokratische «Volkswille». Vereinswefen und Kaffen. Von den zahl- reichen Vereinen sind zu nennen: der Historische Verein, die Naturhistorische Gesellschaft, der Archi- tekten- und Ingenieurverein, der Ärzteverein, der Künstlerverein, Gewerbeverein, Gartenbauverein, Landwirtschaftliche Verein, sowie zahlreiche Musik-, Gesang-, Turn- und Sportvereine. Die Stadt hat (Ende 1890) 16 Orts-, 30 Betriebs- und 4Innuugs- krankenkassen mit 11294, 6346 und 1930 Mit- gliedern, (1890) 206 568, 142 624 und 72102 M. Einnahmen, 209801, 143 893 und 59 093 M. Ausgaben, und (Ende 1890) 99 583, 139 383 und 48 371 M. Gesamtvermögen.
Wohlth ätigkeitsanstalten. Hannover hat eine große Anzahl Krankenhäuser und Hospitäler, ein Garnisonlazarett, Waisenhaus, Institut für hilf- lose Bürgerkinder u. s. w. Industrie und Handel. Seitdem Hannover der Mittelpunkt des nördl. deutschen Eisenbahnsystems geworden, hat es sich zu einer Fabrikstadt von Be- deutung entwickelt. Größere Etablissements sind: die Reparaturwerkstätte derStaatsbahn, eineVaum- wollspinnerei und Weberei [* 31] (70776 Spindeln, 3478 Doublierspindeln, 7 Webstühle), [* 32] eine mechan. Baumwollweberei (1530 Stühle), eine Flachs- und Hedcgarn-Maschinenspinnerei (3780 Feinspindeln);
ferner eine Wachstuchfabrik, 10 Maschinenfabriken, 6 Eisengießereien (1524 Arbeiter);
außerdem be- stehen Fabriken für Gefchosse und Kriegsmaterial, Zündhütchen, Gold- und Silberwaren, Bronze- und plattierte Waren (je eine), Klaviere und Klavia- turen (9 Fabriken), Chemikalien und Farben (13), Tapeten (3), lackierte Waren und Lampen [* 33] (7), Ta- bak und Cigarren (40);
ferner 2 Fournicrschneide- reien, 2 Kalkbrennereien, 19 Ziegeleien, 11 Braue- reien, 26 Brennereien, 31 Vuchdruckereien und endlich 30 Buchhandlungen. Hannover ist Sitz der Hanno- verscken Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft, der Nordwestlichen Eisen- und Stahl- und der ¶