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Von großem Einfluß auf die Entwicklung des Mehrladers war das 1879 patentierte System des Amerikaners Lee. (Vgl. Tafel: Handfeuerwaffen [* 2] II, [* 1] Fig. 5.) Die Grundzüge der Konstruktion sind folgende: der Boden des Verschlußgehäuses G ist von einem Längsausschnitt durchbrochen, der die Patrone aus dem im Bedarfsfälle an die Waffe gesteckten Magazin in die Patroneneinlage leitet. Das Magazin bildet einen kastenförmigen Stahlblechbehälter, der zur Aufnahme von 5 Patronen eingerichtet ist, die in schräger Lage so aufeinander ruhen, daß die Krempen der obern auf den Pulverräumen der untern liegen.
Eine Wförmige Feder drückt die Patronen beständig aufwärts. Um die oberste Patrone und damit die andern in dem von der Waffe getrennten Magazin zu erhalten, ist an der Magazinvorderwand eine halbkugelartige Ausbiegung angebracht, in die die Geschoßspitze der vordersten Patrone einspringt. Bei dem Einstecken des Magazins in die geschlossene Waffe trifft die vorstehende Krempe auf den Verschlußkolben, der sie herunterdrückt. Hierbei tritt die Geschoßspitze aus der Ausbiegung.
Bei dem Vorschieben des Schlosses trifft die Stirnfläche des Verschlußkolbens Kl gegen den Boden der Patrone und schiebt letztere zwischen den Magazinrändern in den Lauf. Der Ausschnitt in der Patroneneinlage muß zum Schießen [* 3] mit Einzelladen geschlossen werden. Diesen Abschluß bewirkt eine Plattfeder, die beim Einstecken des Magazins zur Seite geschoben wird. Da ein leeres Magazin mit der Feder 99 g wiegt, kann die Ausrüstung des Schützen nur mit wenigen Magazinen erfolgen. An dem Verschlüsse sind einige wichtige Neuerungen angebracht. So ist bei der Schußabgabe der Widerstand des Verschlusses ein direkter, da der Rückstoß durch Vermittelung des Grifffußes und der diesem gegenüberliegenden Warze an zwei Stellen im Verschlußgehäuse G aufgefangen wird.
Als geistreiche Weiterbildung des Systems Lee ist die Konstruktion des Ingenieurs Mannlicher anzusehen, die bei dem österr. Gewehr M/86 und 88 angewendet ist. (Vgl. Tafel: Handfeuerwaffen II, [* 1] Fig. 3 u. 4.) An Stelle des abnehmbaren Magazins tritt ein mit dem Abzugsbügel aus einem Stück hergestelltes Gehäuse, in dem der Hebel [* 4] H in ähnlicher Weise wie bei Lee angeordnet ist. Der Patronenzubringer hat vier Teile: Hebel H und Platte P mit je einer Feder. Die Ωförmige Feder F des Hebels hat das Bestreben, den Hebel vorn nieder- und dadurch hinten hochzudrücken. Je 5 Patronen werden im sog. Rahmen R zusammengehalten und mit diesem in die Waffe eingeladen.
Der Rahmen, wohl der originellste Teil des Systems, ist ein durch eingepreßte Rippen versteiftes Blechkästchen, das zu beiden Seiten und rückwärts geschlossen ist. Oben und unten wird der Rahmen durch die etwas nach innen umgebogenen Seitenwände nur so weit geschlossen, daß ein Herausfallen der Patrone verhindert wird. Zum Laden des Gewehrs wird das Magazin mit den Geschoßspitzen vorwärts in die Patroneneinlage gebracht. Ein Druck auf das rückwärtige Rahmenende führt die Nase [* 5] unter den Haken des Hebels Handfeuerwaffen. Die oberste Patrone ragt so weit aufwärts, daß ihr Vodenrand sich vor dem untern Teil des Verschlußkopfs befindet. Beim Vorschieben des Verschlusses geht die vorderste Patrone in das Patronenlager. So gelangen die 5 Patronen nacheinander in den Lauf. Beim Laden der fünften Patrone fällt der Rahmen durch die untere Öffnung des Magazingehäuses.
Da ein leerer Rahmen M/88 nur 19 g wiegt, war es möglich, die ganze Infanteriemunition in solchen verpackt mitzuführen, wodurch erhöhte Feuergeschwindigkeit erzielt wurde. Das Laden einzelner Patronen ist bei dem System Mannlicher wohl möglich, indessen bei der österr. Infanterie nicht reglementarisch. Mannlicher hat einen Geradzugverschluß, d. h. einen solchen, der nur in gerader Linie beweglich ist. Die angeordnete Verriegelung des Schlosses hat den Nachteil, daß der Rückstoß in einseitiger Weise aufgefangen wird. Auf diesen Umstand mag die bedeutende Höhenstreuung des österr. Gewehrs zurückzuführen sein.
Zu Anfang der achtziger Jahre waren verschiedentlich Vorschläge aufgetaucht, das Kaliber des Infanteriegewehrs zu vermindern, um eine ballistisch wirksamere Waffe sowie eine leichtere Munition zu bekommen. Die bisherigen Gewehre von 10,4 bis 11,43 mm verfeuerten Geschosse [* 6] aus Weich- oder Hartblei von 20 bis 31 g Gewicht mit einer Anfangsgeschwindigkeit von 400 bis 440 m. Wollte man eine erheblich flachere Flugbahn erreichen, die die unausbleiblichen Fehler im Entfernungsschätzen weniger fühlbar macht, so mußte man versuchen, dem Geschoß eine möglichst große Geschwindigkeit zu erteilen. Im Kaliber 11 mm stellte sich wenigstens für das gewöhnliche Schwarzpulver die Geschwindigkeit von 450 m schon als die Grenze des Erreichbaren heraus, da im Hinblick auf den Rückstoß an eine Vermehrung der Ladung nicht zu denken war, ganz abgesehen davon, daß eine größere Ladung nicht vollständig verbrannte und daher nicht zur vollen Ausnutzung gelangen konnte.
Für Repetiergewehre kam in Betracht, daß eine starke Pulverladung die Patrone zu groß und so schwer machte, daß die Konstruktion der Mehrladevorrichtung erschwert wurde. Durch Annahme eines kleinen Kalibers von etwa 7,5 bis 8 mm erreichte man dagegen mehrfache Vorteile: das um etwa 40 Proz. erleichterte Geschoß überwand infolge seiner geringen Querschnittfläche den Luftwiderstand um so leichter, zudem die Querschnittsbelastung (s. d.) hoch gehalten werden konnte.
Bei den in allen Staaten durchgeführten Schießversuchen zeigte sich indessen bald, daß das bisherige Schwarzpulver, selbst in zusammengepreßter Form, für das kleine Kaliber nicht paßte. Der Gasdruck war bedenklich hoch und gefährdete die Haltbarkeit der Waffe. Nur mit einem neuen, besondern Treibmittel konnte die Einführung des kleinkalibrigen Gewehrs erfolgen. Diese neuen Präparate, deren Herstellung man nun mit Erfolg näher trat, zeichneten sich noch dadurch vorteilhaft vor dem Schwarzpulver aus, daß sie wenig Rauch entwickelten.
Der erste Großstaat, der für die Bewaffnung seiner Infanterie das kleine Kaliber annahm, war Frankreich, dessen System Lebel (benannt nach seinem Miterfinder, dem frühern Direktor der Normalschießschule zu Chalons) ein Kaliber von 8 mm besitzt. (Vgl. Tafel: Handfeuerwaffen III, [* 1] Fig. 1 u. 2.) Die Mehrladevorrichtung ist ähnlich der des deutschen Gewehrs 71.84, der Lauf hat 4 Züge mit einer Umdrehung auf 24 cm. Die höchste Einteilung des Visiers entspricht einer Entfernung von 2000 m. Das Schloß zeigt die für Treffgenauigkeit günstige Eigentümlichkeit, daß der Rückstoß zweiseitig und zwar an der Stirnfläche des Verschlußkopfes durch zwei dort angebrachte Warzen aufgefangen wird. Die namentlich durch die Verminderung des Geschoßgewichts eingetretene Erleichterung der Patrone ¶
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ist bedeutend: während die franz. 11 mm-Patrone 43,8 g wog, hat die des 8 mm nur ein Gewicht von 32 g. Der Infanterist kann daher eine um 33 Proz. größere Patronenzahl mitführen, ohne daß er mehr als früher belastet ist. Ebenso wird eine Vermehrung des auf den Fahrzeugen mitgeführten Patronenvorrats möglich. Das 15 g schwere Geschoß ist mit einem Nickelmantel umgeben. Die Ladung beträgt 2,7 g eines besondern Pulvers, das dem Geschoß eine Anfangsgeschwindigkeit von 610 m verleiht. Wieweit durch diese Geschwindigkeit die Gestrecktheit der Bahn vermehrt wird, zeigen nach
stehende Zahlen, die die Scheitelflughöhen für das franz. Gewehr M/86 und das frühere 11 mm-Grasgewehr M/74 enthalten:
Entfernung in m | M/74 | M/86 |
---|---|---|
200 | 36 cm | 14 cm |
300 | 90 | 38 |
400 | 176 | 81 |
600 | 473 | 239 |
800 | 994 | 521 |
1000 | 1816 | 969 |
Das österreichische Gewehr M/88 ist bereits in Bezug auf Verschluß und Mehrladevorrichtung behandelt. Grundsätzliche Verschiedenheiten sind bei M/86 und M/88 nicht vorhanden. Der 8 mm-Lauf des M/88 hat 4 Züge von 0,2 mm Tiefe bei einer Umdrehung auf 25 cm. Das höchste Visier reicht bis 2250 m. Dem 15,8 g schweren Stahlmantelgeschoß erteilte die aus 4 g Schwarzpulver bestehende Ladung eine Anfangsgeschwindigkeit von 515 m. Durch die 1890 erfolgte Einführung eines neuen Treibmittels ist mit 2,75 g eine Anfangsgeschwindigkeit von 620 m erreicht worden.
Das deutsche Infanteriegewehr, amtlich Gewehr 88 genannt (vgl. Tafel: Handfeuerwaffen III, [* 7] Fig. 3), besitzt ein Kaliber von 7,9 mm. Die vier Züge vollenden eine Umdrehung auf 24 cm. Das Gewehr zeigt die eigentümliche Einrichtung, daß der Lauf nicht wie bei den bisherigen Handfeuerwaffen direkt im Schaft ruht, sondern gleichsam in einem zweiten Laufe, dem Laufmantel M steckt. Zwischen Lauf und Mantel bleibt auf der ganzen Strecke ein freier Raum. Der Mantel schützt den Lauf vor Beschädigungen, gestattet dem beim Schießen erwärmten Lauf beliebige Ausdehnung [* 8] der Länge nach und ermöglicht dem Schützen Handhabung der Waffe selbst bei heiß gewordenem Lauf.
Außerdem soll er den Lauf von dem beengenden und die Schußleistung störenden Einfluß der Verbiegungen durch Veränderungen des Schaftes befreien. Da der Mantel hinten auf das Gewinde g des Verschlußgehäuses G geschraubt ist, berührt er nur vorn mit dem Mundring den Lauf, der sich beim Heißwerden ausdehnt und weiter durch die Mündung treten kann. Visier und Korn sind auf dem Mantel angebracht, der Lauf ist also nicht mehr wie früher mit Lötungen versehen, die ungünstig auf den Schuß einwirken.
Das höchste Visier entspricht der Entfernung 3050 m. Der Verschluß fängt den Rückstoß durch zwei an dem vordern Ende des Verschlußkolbens Kl angebrachte Warzen (auf der [* 7] Figur nicht sichtbar) auf, die in den entsprechend gestalteten Ausdrehungen aa im Kopfe des Verschlußgehäuses ruhen. Im übrigen hat man an dem bewährten Verschluß der Gewehre 71 und 71.81 in der Hauptsache festgehalten. Sämtliche Teile der Mehrladevorrichtung sind in einem Kasten K im Mittelschaft unterhalb des Verschluhgehäuses vereinigt. Die dem
Mannlicher ähnliche Mehrladevorrichtung ist wesentlich vereinfacht worden. Der eigentliche Zubringer Z besteht aus der Verstärkung [* 9] v, auf die die Spiralfeder Sp drückt, und dem langen Teil, dessen äußerstes Ende den Patronenträger t bildet. Bei dem Einführen des Rahmens tritt ein an der Rückwand befindlicher Haft unter den Haken des Rahmenhalters Handfeuerwaffen. Zu dem Entfernen des Patronenrahmens genügt ein Druck auf das in den Bügel hineinragende Druckstück d des Rahmenhalters, wodurch die Spiralfeder Sp zusammengedrückt wird.
Dadurch wird der Rahmen frei und nach oben ausgeworfen. Der Patronenrahmen R läßt sich mit seiner obern und untern Seite voran in den Kasten K einführen. Er ist aus dünnem Stahlblech gestanzt und an den Seitenwänden etwas umgebogen, um die Patronen festzuhalten. Die Länge des Gewehrs beträgt 1,245 m, das Gewicht (ungeladen) 3,8 kg. Die Patronenhülsen der bisherigen Konstruktionen besaßen am Boden einen vorspringenden Rand (Krempe), der sich beim Einschieben in den Lauf gegen einen senkrechten Abschnitt desselben setzte und so die Vorwärtsbewegung der Patrone begrenzte.
Bei der Hülse [* 10] 88 legt sich der scharfe Übergang des Pulverraums zum Geschoßraum gegen die entsprechend geformten Wandungen des Laufs, sodaß die Hülse dem Stoß des Schlagbolzens nicht ausweichen kann. Damit die Auszieherkralle die Hülse erfassen kann, ist nahe am Boden eine Eindrehung angebracht. Die Einführung der Hülse ohne Rand hat eine günstigere Lagerung der Patrone in dem Rahmen ermöglicht, gleichzeitig ist der Bodenumfang der Patrone wesentlich verkürzt, sodaß auch der Kasten nur um ein Geringes über den Schaft vorsteht.
Das 14,7 g schwere Geschoß hat einen Kern aus Hartblei, der mit einem kupfernickelplattierten Stahlblech- oder Nickelkupferblech-Mantel umgeben ist. Die Pulverladung besteht aus 2,75 g «Gewehr-Blättchenpulver» und verleiht dem Geschoß eine Anfangsgeschwindigkeit von 620 m (Gewehr 71.84 nur 435 m). Zwischen Geschoß und Pulver ist ein dünnes Puppeblättchen eingeschaltet. Die fertige Patrone wiegt 27,3 g gegen 43 g derjenigen des Gewehrs 71.84. Die ballistischen Leistungen des Gewehrs 88 sind als gute zu bezeichnen. Die Scheitelflughöhen betragen auf
Entfernung in m | bei 71/84 | bei 88 |
---|---|---|
500 | 304 cm | 150 cm |
600 | 490 | 250 |
800 | 1030 | 540 |
1000 | 1854 | 1020 |
Die Streuung des Gewehrs 88 ist ebenfalls wesentlich geringer.
Das Schweizer Repetier gewehr M/89, System Schmidt, besitzt das Kaliber von 7,5 mm. Die drei Züge Rubinscher Konstruktion vollenden eine Umdrehung auf 27 cm. Hervorzuheben ist, daß der ganze Lauf mit einem hölzernen Schutzdeckel, dem sog. Rundschaft versehen ist, der im wesentlichen die Aufgaben des Laufmantels beim deutschen Gewehr 88 erfüllen soll. Der Verschluß (Konstruktion des Oberst Schmidt) gehört dem Geradzugsystem an und zeigt (vgl. Tafel: Handfeuerwaffen III, [* 7] Fig. 4, und IV, [* 7] Fig. 1 u. 2) den langen Verschlußkolben a, der hinten von der Verschlußhülse d umgeben ist (vgl. Taf. IV, [* 7] Fig. 1 u. 2). In letzterer ist eine schraubenartige Nute c bemerkbar, die die geradlinige Bewegung des Griffstücks g in eine Drehung der Verschlußhülse b umsetzt, bei der die ¶