mehr
679 Finanzen. Der Haushaltplan (1893/94) schließt ab in Einnahme mit 3 851000 M., Ausgabe mit 3 851000 M. Die Schulden betragen 11 875 455,46 M., das Vermögen 17 573 157,27 M. Für Unterrichtszwecke werden aufgewendet rund 381 500 M., für Wohlthätigkeitsanstalten 28 635 M., für Armen und Krankenwesen 305 957 M., für Straßenreinigung [* 2] und -Sprengung (400000 qm Straßenfläche, mittels 10 Sprengwagen = 30000 cbm Wasser pro Jahr) 45 870 M., für öffentliche Beleuchtung [* 3] 183 460 M., für Sicherheitszwecke 193 100 M.
Behörden. H. ist Sitz des Landratsamtes des Saalkreises, eines Landgerichts (Oberlandesgericht Naumburg) [* 4] mit 18 Amtsgerichten (Alsleben a. S., Bitterfeld, [* 5] Cönnern, Delitzsch, [* 6] Eisleben, [* 7] Ermsleben, Gerbstedt, Gräfenhainichen, H., Hettstedt, Lauchstädt, Löbejün, Mansfeld, Merseburg, [* 8] Schkeuditz, Wettin, Wippra, Zörbig) und Kammer für Handelssachen, eines Amtsgerichts, Hauptsteueramtes, Oberbergamtes für die Provinzen Brandenburg, [* 9] Pommern [* 10] und Sachsen [* 11] (7 Bergreviere, 3 Berginspektionen, 3 Salzämter, 1 Bergschule, 3 Bergvorschulen), einer Oberpostdirektion für den Reg.-Bez. Merseburg mit 2695,62 km oberirdischen Telegraphenlinien (12 892,91 cm Leitungen, einschließlich 1424,49 km Stadtfernsprechanlagen) und 298 Verkehrsanstalten, eines Eisenbahnbetriebsamtes (311,28 km Bahnlinien) der königlich preuß. Eisenbahndirektion Erfurt; [* 12] Reichsbankstelle, Handelskammer und Schiedsgericht für 8 Berufsgenossenschaften zur Entscheidung von Unfallversicherungsangelegenheiten.
Unterrichts- und Bildungswesen. Die Gründung der Universität ist eine Folge der Rivalität zwischen Kursachsen und Brandenburg und des Wunsches der Hohenzollern, [* 13] neben Königsberg [* 14] noch eine luth. Hochschule zu besitzen. Die nächste Veranlassung zu der Gründung gab die Flucht des Rechtsgelehrten Christian Thomasius (s. d.) aus Leipzig, [* 15] dem eine Menge von Studierenden folgte. Er hielt im Winter 1690/91 in H. Vorlesungen und zwar in deutscher Sprache. [* 16] 1693 wurde die Universität eröffnet (kaiserl. Privilegium vom 19. Okt.) und mit der seit 1688 bestehenden Ritterakademie vereinigt. Spener (s. d.) und Veit Ludwig von Seckendorf (s. d.), des Thomasius Freunde, hatten großen Einfluß auf die Berufung der Professoren, und so wurde die neue Universität nebst den gleichzeitig entstandenen Franckeschen Stiftungen (s. d.) der Hauptsitz des Pietismus (s. Pietisten).
Diese Richtung blieb die herrschende, bis Christian von Wolf (s. d.) die Gemüter der Studierenden für mathem.-philos. Wissenschaften zu gewinnen wußte, zuletzt mit seiner ganzen Schule das Feld behauptete und mittelbar einem Semler (s. d.) den Weg bahnte, der eine gelehrte histor.-philos.-kritische Behandlung der gesamten Theologie begründete. Ende des 17. Jahrh, zählte die Universität bereits 765, in der ersten Hälfte des 18. Jahrh. 1500 Studenten und nahm seitdem im prot. Deutschland [* 17] eine leitende Stellung ein. Im Anfange des 19. Jahrh, zu bedeutender Blüte [* 18] gelangt, wurde die Universität zweimal bis und 19. Juli bis durch Napoleon aufgelöst.
Nach dem Frieden wurde sie wiederhergestellt und durch königl. Kabinettsorder vom mit der Universität zu Wittenberg [* 19] vereinigt unter dem Namen Vereinigte Friedrichsuniversität Halle-Wittenberg. Seitdem hob sich die Universität wieder rasch (1827: 1330 Studierende) und ist nach einem kurzen Rückgänge seit 1880 wieder im Aufblühen. Die Zahl der Docenten betrug (Sommer 1893) 125, der Hörer 1602. Zur Universität gehören 13 Seminare für alle Zweige der 4 Fakultäten, zahlreiche Institute und Kliniken, ein archäol.
Museum, eine Sternwarte, [* 20] eine Entbindungsanstalt und eine Bibliothek, 1696 gegründet (178000 Bände, 800 Handschriften), vereinigt mit der von Ponickauschen Bibliothek (12 700 Bände, 35000 Broschüren, 1040 Handschriften, meist Litteratur über Sachsen und Thüringen) und verbunden mit einem Münzkabinett und einer Kupferstichsammlung. Das zur Universität gehörige landwirtschaftliche Institut ist 1863, die agrikulturtechnische Versuchsstation 1865 gegründet. -
Vgl. Hertzberg und Böhmer, Zur Geschichte der Vereinigung von Wittenberg und H. (Halle [* 21] 1867);
Minerva, Jahrbuch der gelehrten Welt (Straßb. 1893).
Ferner bestehen eine lat. Hauptschule (Gymnasium), 1697 gegründet und 1808 mit dem luth. und reform. Gymnasium vereinigt und mit einem Alumnat für 250 Zöglinge verbunden (Rektor Dr. Becher, [* 22] 32 Lehrer, 19 Klassen, 662 Schüler), ein städtisches Gymnasium, 1861 gegründet (Direktor Dr. Friedersdorff, 29 Lehrer, 17 Klassen mit 556 Schülern, 6 Vorklassen mit 214 Schülern), ein Realgymnasium, 1835 eröffnet (Inspektor Dr. Strien, 17 Lehrer, 9 Klassen, 334 Schüler), eine Oberrealschule (Direktor Dr. Thaer, 19 Lehrer, 17 Klassen, 480 Schüler), 2 höhere Mädchenschulen und ein Lehrerinnenseminar.
Ein Teil dieser Anstalten ist in den Franckeschen Stiftungen (s. d.) vereinigt. Ferner bestehen eine gewerbliche Zeichenschule, Fortbildungsschule, Bergvorschule, Frauenindustrieschule, Taubstummenanstalt, Schülerwerkstätten, Knabenhorte und Kinderbewahranstalten sowie eine agrikultur-chem. Versuchsstation des landwirtschaftlichen Centralvereins für die Provinz Sachsen, die Herzogtümer Anhalt [* 23] und Gotha, [* 24] die Fürstentümer Schwarzburg-Sondershausen und -Rudolstadt.
Das gegründete Provinzialmuseum in der Moritzburg für heimatliche Geschichte und Altertumskunde enthält vorhistor. Altertümer (Steingeräte, Bronzen, Thongefäße, hölzerne Geräte, Schädel, Waffen, [* 25] Skulpturen aus Holz, [* 26] Thon und Stein, Münzen [* 27] u.a.), das städtische Museum für Kunst und Kunstgewerbe Gemälde, graphische Blätter und die Riebecksammlung kunstgewerblicher Gegenstände aus Griechenland, [* 28] Rumänien, [* 29] Kleinasien, Ägypten, [* 30] Persien, [* 31] Indien, China [* 32] und Japan.
Das Stadttheater (Aktiengesellschaft, 1231 Zuschauerplätze, ausschließlich elektrische Beleuchtung) ist für 26000 M. jährlich verpachtet; außerdem besteht ein Specialitätentheater (Walhalla) und ein Sommer-(Victoria-)Theater.
In H. erscheinen 4 polit. Zeitungen, darunter die liberale «Saale-Zeitung», die konservative «Hallesche Zeitung» und das socialdemokratische «Volksblatt», und Zeitschriften wissenschaftlichen Inhalts, darunter die «Natur».
Vereinswesen und Kassen. Von den Vereinen sind zu nennen: die Leopoldinisch-Karolinische Deutsche [* 33] Akademie der Naturforscher (s. Akademien B, I) mit Bibliothek, die Naturforschende Gesellschaft (1779), der Naturwissenschaftliche Verein für Sachsen und Thüringen (1852), der Verein für Erdkunde [* 34] (1873), die Polytechnische Gesellschaft (1839), der Verband der [* 35] landwirtschaftlichen Genossenschaften der Provinz Sachsen und der ¶
mehr
an-680 grenzenden Staaten (1889), der Gartenbauverein (1870), der Ornithologische Centralverein für Sachsen und Thüringen, der Verein für Insektenkunde (1889), Journalleseverein der Halleschen Ärzte (1851), Verein der praktischen Ärzte (1860), Verein für Volkswohl mit 9 Abteilungen, der Kunstgewerbeverein sowie mehrere Musikvereine (Singakademie, Neue Singakademie u. a.). In der städtischen Sparkasse befanden sich (Ende 1892) auf 37 859 Büchern 17 Mill. M., in der Sparkasse des Saalkreises auf 72 287 Scheinen 12,418 Mill. M.
Die Stadt hatte (Ende 1892) 21 Orts-, 12 Betriebs-, 2 Innungskranken- und 2 freie Hilfskassen mit 13 218, 1900, 456 und 869 Mitgliedern, 219 887, 43104, 1993 und 7706 M. Einnahmen, 221 223, 37 741, 2815 und 8101 M. Ausgaben und 201 928, 73985, 1480 und 11 245 M. Gesamtvermögen.
Wohlthätigkeitsanstalten. Es bestehen das Hospital St. Cyriaki et Antonii (14. Jahrh.) zur Ausnahme kranker und unvermögender alter Einwohner, die Diakonissenanstalt (1857 gegründet, 120 Betten, 81 Diakonissen, 52 Hilfsschwestern), das Martinsstift für Sieche und Einsame (80 Insassen), das städtische Siechenhaus (1892 eröffnet), ein Kinderasyl und ein Asyl für Obdachlose.
Außerdem besitzt die Stadt eine Reinigungsstation für Schmutzwässer (bis 3000 cbm täglich) und eine Anstalt zur Desinfektion [* 37] von Kleidungsstücken bei ansteckenden Krankheiten, welche polizeilich vorgeschrieben ist.
Industrie. Der älteste Gewerbebetrieb ist die Salzgewinnung, [* 38] die schon im 10. Jahrh, ein Lehn der Erzbischöfe von Magdeburg [* 39] war. Sie war seit alters her in den Händen der Pfännerschaft, neben deren Saline durch den Großen Kurfürsten eine staatliche Saline entstand. Laut Vertrag mit der Regierung 1817 lieferte die Pfännerschaft jährlich 85 498 Ctr. Salz [* 40] an den Staat; 1868 erwarb sie die königl. Saline, und 1876 bildete sich die Konsolidierte Hallesche Pfännerschaft, die ihr Vermögen in 6000 Kuxe geteilt hat.
Die Saline liegt auf einer Insel der Saale westlich der Stadt, die Solquellen auf der «Halle» nahe der Marienkirche. Die Arbeiter in den Salzwerken sind unter dem Namen der Halloren (s. d.) bekannt. Die Salzwerke lieferten (1890) 8534 t Siedesalz. Sehr alt und noch jetzt bedeutend sind die Weizenstärkefabrikation (19 Fabriken lieferten 5000 t Stärke) [* 41] in Verbindung mit Schweinemästerei, die Brauerei (18 Brauereien verwendeten 1890: 3600 t Gerstenmalz, brauten 40 762 hl obergäriges und 173 821 hl untergäriges Bier und zahlten 155 282 M. Brausteuer), die Branntweinbrennerei, die Zuckerindustrie in der Stadt (Raffinerie und Zuckersiederei) und in der Umgebung.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrh. haben sich entwickelt vor allen die Eisengießerei, [* 42] Maschinenindustrie und Kesselschmiede, namentlich der Bau von Förder- und Wasserhaltungsmaschinen für Bergbaugewerke (die älteste Fabrik, Leutert u. Co. in Giebichenstein, ist 1856 gegründet), von Apparaten für Zuckerfabriken u. s. w. (A. L. G. Dehne; Hallesche Maschinenfabrik und Eisengießerei, Aktiengesellschaft; Wegelin u. Hübner; A. Wernike) und Brennereien und von Dampfkesseln (Victor Lwowsky, F. Schmidt, Seyffert, Melzer, Wuth H Dietrich), von landwirtschaftlichen Maschinen (F. Zimmermann u. Co.), von Dampfmaschinen [* 43] (Weise u. Monski), von Baukonstruktionen (Otto Neitsch u. a.), im ganzen 37 größere Maschinenfabriken, wozu noch eine große Anzahl von andern Metallbearbeitungsanstalten kommen.
Außerdem besteht Fabrikation von Chemikalien, Malz, Wagen, Farbewaren, Cigarren, Cichorien, Kakao und Schokolade, Honigkuchen und Zuckerwaren (David u. Söhne), Korbwaren, Düngemitteln, Soda, Ceresin und Schmieröl, Seifen, Parfümerien, Damenmänteln, künstlichen Blumen, Leder, Handschuhen, Papier (Cröllwitzer Papierfabrik) und Luffawaren, ferner Holzschneidereien, Tischlereien, Wagenbauereien und bedeutende Mühlen [* 44] in der Umgebung (in Böllberg, Döllnitz u. a.). Die zahlreichen Braunkohlengruben in der Nähe haben eine großartige Industrie hervorgerufen.
Die A. Riebeckschen Montanwerke förderten (1890) aus 16 Kohlengruben etwa 24 Mill. hl Kohlen, aus welchen 200000 t Briquetts, 3,6 Mill. Naßpreßsteine und in 592 Schwelöfen 25000 t Teer gewonnen wurden, aus letzterm wieder 1902 t Solaröl, 875 t helle, 10 190 t dunkle Öle [* 45] und 3379 t Paraffin; [* 46] die Sächsisch-Thüringische Aktiengesellschaft (1855 gegründet) förderte 5,5 Mill. hl Kohle und erzeugte in 6 Schwelereien mit 171 Chamottecylindern 7500 t Teer; die Zeitzer Paraffin- und Solarölfabrik zu H. (1884 gegründet) erzeugte 5150 t Teer.
H. ist Sitz der 4. Sektion der Knappschafts-, der 8. der Papiermacher-, 678 Halle der Steinbruchs-, 2. der Magdeburgischen Baugewerks-, 678 Halle der Buchdrucker-, 12. der Fuhrwerksberufsgenossenschaft sowie der 7. Sektion der Berufsgenossenschaft der Schornsteinfegermeister des Deutschen Reichs.
Handel. Der Handel ist gleich der Industrie sehr bedeutend und in lebhaftem Aufschwung begriffen. Hervorragend ist der Handel mit Zucker, [* 47] Getreide [* 48] und Mühlenprodukten, der durch die Gründung der Halleschen Getreide- und Produktenbörse 1865 in der Stadt konzentriert wurde und sich durch die Umwandlung derselben 1888 in die «Börse zu Halle a. S.» noch mehr gehoben hat. Aufsichtsorgan der letztern ist die Handelskammer (1845 gegründet). Die Reichsbankstelle hatte (1892) einen Umsatz von 1098 Mill. M.
Textfigur: Der Schiffsverkehr auf der Saale war schon im Mittelalter sehr bedeutend und erstreckte sich auf Salz, Getreide, Holz, Steine, Kupferschiefer aus dem Mansfeldischen und Kohle. Besonders hob er sich nach dem Dreißigjährigen Kriege durch den vom Großen Kurfürsten befohlenen Umbau der hölzernen Schleusen in steinerne, welcher 1698 beendet war. Durch Regulierung in der Mitte des 19. Jahrh, ist die Saale bis H. für Kähne bis zu 300 t Ladegewicht fahrbar gemacht und durch die Einführung der Kettenschleppschiffahrt 1884 ein regelmäßiger Verkehr hergestellt worden. Im J. 1889 wurden 1858 Frachtschiffe mit einer Ladung von 113 956 t befördert. Durch die erste Saalschleuse bei Calbe gingen:
Eine erhebliche Förderung wird der Schiffs- und Umschlagsverkehr durch die in Angriff ¶