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Römischen Reichs geriet die Hafenbaukunst wieder in Vergessenheit;
die wenigen seefahrenden Völ- ker, die Normannen insbesondere und später die Hanseaten, fuhren mit ihren kleinen Schiffen die Flüsse [* 2] binauf oder in die engen Fjorde hinein und fanden da genügenden Schutz vor dem Unwetter und dem Seegange.
Die Genuesen und Venetianer waren die ersten, die gegen Ende des Mittelalters den Haienbau nach den alten Überlieferungen wie- der aufnahmen.
Bald folgten auch die Franzosen mit künstlichen Hafenanlagen.
Den kleinen Schif- fen des Mittelalters fchadete es nichts, wenn sie in einem Flußlauf oder in einer Bucht während der ^bbezeu auf dem Trocknen sahen;
doch als man im Ui. Jahrh, begann große Kriegsschiffe mit mehrern Batterien von Geschützen übereinander zu bauen, da wurde es nötig, für diefe künstliche Becken zu schaffen, wo sie zu jeder Zeit flott bleiben konnten. Um die Schiffe [* 3] auszubessern, zog man sie früher in den Hafen mit starken Winden [* 4] auf die Hellinge; da dies Verfahren für den Rumpf der großen Kriegsschiffe schädlich war, wurden seit dem Ende des 17. Jahrh, alle Kriegshäfen mit Trockendocks ist Havre; [* 5]
hier legte schon Richelieu Flotthäfen mit Schleusen an. Zur Anlage eines künstlichen Hafen sind vor allem Schutzbauten nötig, um die Hafeneinfahrt vordem Seegang und vor der Versandung zu schützen.
Nach der An der ^chutzbauten kann man alle künstlichen Hafen in zwei große Gruppen einteilen:
1) in solche, die durch Wellenbrecher geschützt sind, 2) in solche, deren Einfahrtkanal durch zwei Leitdämme (Molen) aebildet wird.
Zuweilen findet man sowohl Wellen- brecher wie Leitdämme, z. B. in Odessa, [* 6] Cette, Mar- seille, Genua, [* 7] Livorno, [* 8] Algier, Trieft und Patras. Wo nur Wellenbrecher nötig sind, ist meist schon eine Hasenbucht vorhanden, die nur noch eines Schutzes bedarf.
Das großartigste Beispiel hierfür ist der 4000 m lange Wellenbrecher von Cherbourg [* 9] (s. d.).
Aus Besorgnis vor Cherbourgs Bedeutung baute England zwei große Wellenbrecher, den von Plymouth [* 10] und den bei der Portlandbill;
auch diese beiden, obgleich bedeutend kleiner als der von Cher- bourg, sind Meisterwerke der Hafenbaukunst.
Von neuern Wellenbrechern seien die großen Bauten bei Dover, [* 11] Boulogne, Kapstadt [* 12] sowie der noch unfer- tige Schutzdamm in Iokohama erwähnt.
Die Mehr- zahl der künstlichen Hafen ist lediglich durch zwei, eine meist lange und schmale Einfahrtrinne bildende haven, Curhaven, Swinemünde, Pillau, Tün- kirchen, Calais, [* 13] Havre, Southampton, Portsmouth, [* 14] Kronstadt, [* 15] Barcelona, [* 16] Malaga, [* 17] Ancona, [* 18] Vuenos- Aires, Madras, [* 19] Kalkutta, [* 20] Biserta [* 21] und viele andere. Durch den Einfahrtkanal gelangt man in das Hafenbecken.
Dieses ist oft in einzelne Becken ge- gliedert.
Der vorderste Teil heißt der Außen- oder Vorhafen, der innere der Binnenhafen.
Man hat zu unterscheiden zwischen künstlichen Hafen mit offenen und folchen mit gefchlossenen Hafenbecken.
Überall, wo der Flutwechsel groß ist, wie z. V. an der franz. Nordküste, wird der Binnenhafen durch eine oder mehrere Schleufen gegen den Vorhafen abgeschlossen.
Die Schleusen werden nur zur Zeit des Hochwassers geöffnet, sodaß also der Schiffs- verkehr auf wenige Stunden des Tages beschränkt ist;
man baut gewöhnlichDoppelschleusen,um kleinere zu können.
Die Schleusenthore werden hydraulisch oder durch Winden bewegt.
In den Vorhäfen, wo sich die Wassertiefen fortwährend ändern, können nur kleine Fahrzeuge oder solche Schiffe, die das Auf- demgrundeliegen vertragen, festmachen.
Alle Lan- dungsbrücken sind hier beweglich.
Der Binnenhafen lauch Flotthafen genannt), dessen Flutbecken (engl. v6t äocic, oder kurzweg äoc^; frz. da,38in g. tiot) sich oft in viele einzelne Teile gliedern, die durch Schleufen miteinander in Verbindung stehen, hat immer gleiche Wassertiefe.
Gewöhnlich sind seine Becken aus dem Lande ausgegraben oder aus durch Dämme abge- sperrten Meeresteilen ausgebaggert;
die Tiefe richtet sich nach der der größten Schiffe, deren Verkehr im H. erwünfcht ist, oder häufig auch nach den Tiefenuer- hältnisscn in und vor der Hafeneinfahrt, z. B. bei Flüfsen.
Alle Flutbecken sind an ihren Rändern durch steinerne Böschungen eingefaßt, neben denen die Schiffe liegen können;
man nennt diefe Anlagen Kaj en (frz. quai; engl. becken noch ein sog. Spülbecken verbunden, das den Zweck hat, eine möglichst große Wassermasse während der Flut zu sammeln, die dazu verwendet wird, während der Ebbe die Haseneinfahrt zu spülen. Beispiele geschlossener Hafen sind Wilhelms- haven, Vremerhaven, Rotterdam, [* 22] Amsterdam, [* 23] Ant- werpen, Düntirchen, Calais, Havre, Cherbourg, St. Malo, ^t^Nazaire, Bordeaux, [* 24] London, [* 25] Hüll, Portsmouth, southampton, Bristol, Cardiff, Liver- pool, Glasgow, [* 26] Newcastle, [* 27] Kalkutta, Buenos-Aires. Wie man sieht, haben die meisten bedeutenden See- handelsplätze mit dem Nachteile der geschlossenen Becken zu rechnen. Offene Binnenhäfen werden dort gebaut, wo der Flutwechsel nur gering ist, z. B. in Hamburg, [* 28] Curhaven (noch im Bau), Bremen, [* 29] Kap- stadt, Karatschi, Bombay; [* 30]
natürlich in allen Ostsee- Hasen, da hier gar kein merklicher Flutwechsel ist. ZujedemH. gehören Betrieb Zeinrichtungen, die das Ein- und Auslaufen und Festmachen der Schisse erleichtern.
Hierzu rechnen Leuchttürme, Signalstationen, Lotsenstationen, Tonnen und Baken [* 31] zur Bezeichnung des Fahrwassers, Nebel- signalapparate und Rettungsboote.
Ferner muß in jedem größern Hafen Gelegenheit sein, Schiffe auszu- bessern.
Hierzu sind Werften und Trockendocks (f.Dock) nötig;
diefe befinden sich gewöhnlich an den Rändern der Flutbecken.
Ferner müssen Kohlenlager in jedem Hafen sein.
Viele Hafen haben auch Schiffbauwerften mit Hellingen und Patenthellingen (Schlipps), wo neue Schiffe gebaut werden können.
Maschinenwerkstätten sind mit den Werften verbunden. Um die Schiffe schnell mit Kohlen zu versehen, haben die Kaien be- sondere Einrichtungen, Kohlenschütten u. dgl. Um l^chiffsgüter aller Art und Proviant aus- und ein- laden («löfchen und laden» seemännisch gesagt) zu können, sind Hebekräne auf den Kajen, die jetzt meist durch Dampf [* 32] getrieben werden und auf Schie- nen verschiebbar sind, je nach der Lage des Schiffs. Nachts werden die Flutbecken der großen Seehäfen elektrisch beleuchtet, um die Arbeit zu fördern und auch um Schiffe die Schleufen bei Hochwasser pas- sieren zu lassen. Dem Zwecke nach unterscheidet man:
1) Kriegs- häfen (s. d.), 2) Handelshäfen, 3) Zuflucht- oder Nothäfen, 4) Fifchereihäfen. In denHandelshäfen kommt es darauf an, daß alle Einrichtungen für das Ausladen und Beladen der Schiffe möglichst gut getroffen sind;
man be- urteilt desbalb oft die Leistungsfähigkeit eines ¶