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Sprengstoffen zu sichern, das auch die Zustimmung beider Häuser fand, ebenso wie eine frühere Bill, die eine die Mißbräuche der Redefreiheit beschränkende Reform der Geschäftsordnung herbeiführte und sich gegen die Obstruktionspolitik der Iren richtete. Eine Unterstützung wurde der Regierung zu teil durch mehrere päpstl. Erlasse gegen die Landliga, während diese ihre Macht wiederum in der Ermordung des im Prozeß gegen die Phönixpark-Mörder verwendeten Kronzeugen, Jakob Carey zeigte, der als Opfer ihrer Rache, auf einem Dampfschiff [* 2] vor der Kapstadt [* 3] fiel. In Ulster in Irland wurde ein erbitterter Kampf zwischen den Nationalligisten und den Orangemännern in tumultuarischen Versammlungen geführt.
Die Verhältnisse in Ägypten [* 4] nahmen inzwischen eine wenig erfreuliche Wendung. Die Regierung verfolgte auch hier nach dem anfänglichen übertrieben energischen Vorgehen, eine Politik der Halbheit. Während sie für Ägypten selbst von einer Einverleibung absah, aber die Besatzungstruppen im Lande ließ, war ihre Haltung gegenüber den Vorgängen im ägypt. Sudan besonders unrühmlich. Dort hatte sich 1882 ein kriegerischer Prophet, der Mahdi (s. d.) erhoben, den gegen ihn gesandten Hicks Pascha mit seinen ägypt. Truppen bei El-Obeid völlig vernichtet und das Land unterworfen.
Gladstone entschloß sich dem gegenüber zur Räumung und Preisgabe des halb der Kultur gewonnenen Gebietes. Die große öffentliche Entrüstung über das Verhalten führte Jan. 1884 zur Entsendung Gordons nach dem Sudan, die aber nun wieder mit völlig ungenügenden Mitteln geschah. Der von Suakim aus mit ägypt. Truppen vorstoßende Baker Pascha wurde von den Mahdisten unter Osman Digma bei El-Teb in der Nähe von Tokar geschlagen, Ägypten selbst und der Sueskanal [* 5] bedroht.
Gordon wurde in
Chartum eingeschlossen, während im Juni 1884 ein angeblicher Versuch gemacht wurde, sich mit
Frankreich durch
eine Konferenz über ein gemeinsames Vorgehen in
Ägypten zu einigen.
Endlich entschloß sich
Gladstone im
August, eine Entsatzexpedition
unter Wolseley nach
Chartum abgehen zu lassen. Die Bedrängnis des so lange im
Stiche gelassenen
Gordon
hatte indessen ihren Höhepunkt erreicht, und als eine vorgeschickte
Abteilung endlich
bei
Chartum ankam, war es
zu spät. Am 26. Jan. war die Stadt genommen,
Gordon selbst erschlagen worden. (Das Nähere s.
Gordon,
Mahdi,
Sudan.) Dieser durch
die Zauderpolitik des
Kabinetts verursachte tragische Ausgang rief eine ganz außerordentliche öffentliche
Erregung hervor, der
Gladstone beinahe zum Opfer gefallen wäre; ein Tadelsvotum wurde vom Oberhause mit großer Mehrheit
angenommen und im
Unterhause mit nur wenigen
Stimmen verworfen. Gegenüber dem
Sudan selbst wurden zunächst kostspielige Vorbereitungen
zur Wiedereroberung getroffen, bis sich das Ministerium doch schließlich zur völligen Räumung entschloß,
die bis Ende Mai 1885 vollzogen wurde. Die engl. Politik beschränkte sich von nun an auf eine
Verteidigung
Ägyptens gegen das weitere Vordringen des im
Sudan völlig siegreich gebliebenen Gegners.
Der Rang im öffentlichen Interesse wurde den ägypt. Dingen streitig gemacht durch die neue Reform des engl. Unterhauses, die vornehmlich das Parlament in der Session von 1884 beschäftigte. Das neue Wahlgesetz dehnte das Haushalterstimmrecht von den städtischen auf die ländlichen Wähler aus und that damit einen bedeutenden Schritt in der fortgehenden Demokratisierung des engl. Unterhauses. Die Zahl der Wähler sollte um etwa zwei Millionen vermehrt werden.
Trotz der konservativen Opposition wurde das Reformgesetz im Unterhause 26. Juni dritter Lesung angenommen; dagegen fanden im Oberhause noch die heftigsten Debatten statt. Die Lords stellten die Forderung, in dieser Frage müsse an die Wähler appelliert werden, worauf die Regierung 14. Aug. die Session vertagte. Der Kampf, der in der Öffentlichkeit fortgesetzt wurde, war ein ausnehmend stürmischer; eine Unzahl von Reformmeetings wurde in den zwei Ferienmonaten abgehalten.
Als das Parlament 24. Okt. wieder zusammentrat, stand ein Ausgleich bereits in Aussicht, der dann auch durch Verhandlungen der Parteiführer hergestellt wurde. Am wurde der Entwurf zum Gesetz erhoben und darauf ein weiterer Entwurf über die beabsichtigte Neueinteilung der Wahlkreise dem Parlament vorgelegt. Nach festländischem Muster wurden an Stelle der altgeschichtlichen Wahlkreise der Grafschaften und Städte Wahldistrikte nach Maßgabe gleicher Bevölkerungszahl mit etwa je 50000 Seelen gesetzt, deren jeder nur einen Vertreter zu wählen hatte. Dies vereinbarte Gesetz wurde dem wieder zusammentretenden Parlament vorgelegt, vollendet wurde die Parlamentsreform mit seiner endgültigen Annahme aber erst als Gladstone bereits nicht mehr im Amte war.
Diese radikale Parlamentsreform hatte England um ein Bedeutendes dem allgemeinen Stimmrecht näher gebracht; sie war jedenfalls der wesentlichste Erfolg von Gladstones zweitem Ministerium, dessen schwache Seite, die auswärtige Politik, besonders hervortrat. Am stärksten hatte sich dies in dem schwächlichen Verhalten gegenüber dem Sudan gezeigt, und noch ehe man hier zum Ende gekommen war, drohte ein neuer bedenklicher Konflikt mit Rußland über die afghan. Grenzfrage.
Zur Regelung der streitigen Grenze waren von russ. und engl. Seite besondere Kommissionen ernannt worden, die an Ort und Stelle die Grenzlinie feststellen sollten; statt der russ. Kommission kam jedoch die Nachricht von einem Vorrücken der russ. Truppen gegen Afghanistan. [* 6] Auf engl. Seite wurden Rüstungen [* 7] vorgenommen, die beschleunigt wurden, als man in London [* 8] von einem Zusammenstoß hörte, der 30. März zwischen Russen und Afghanen stattgefunden hatte, und dem die Besetzung der Grenzstadt Pendschdeh gefolgt war. Das entschiedene Auftreten des engl. Kabinetts veranlaßte Rußland indes bald wieder in friedliche Bahnen einzulenken und gemeinsam mit England die Grenzfrage zu regeln, doch wurde das endgültige Abkommen erst von Gladstones Nachfolger Salisbury geschlossen. (S. Afghanistan, Bd. 1, S. 174.)
Auch an andern Reibungen fehlte es nicht, da die engl. Regierung eine eifersüchtige und unfreundliche Haltung gegenüber den deutschen Kolonialbestrebungen einahm. Gladstone machte wohl freundliche Worte, hinderte aber das deutsche Vorgehen, wo er konnte. Einen andern Erfolg als eine starke, gegenseitige Gereiztheit erlangte er damit nicht, da Bismarck den deutschen Standpunkt mit Entschiedenheit ihm gegenüber behauptete. Wegen Ägypten kam es im März 1885 zu einer Abkunft zwischen den Großmächten, der zufolge eine, von allen ¶
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garantierte Anleihe von 9 Mill. Pfd. St. veranstaltet wurde, deren Kontrolle England erhielt.
Schon die klägliche Sudanpolitik hatte die Gefahr einer Ministerkrisis nahe gebracht; jetzt kam eine solche bei einem an sich geringfügigen Anlaß, indem bei einer beantragten Steuererhöhung auf Bier und geistige Getränke die Regierung durch Konservative und Parnelliten mit geringer Mehrheit geschlagen wurde, worauf Gladstone seine Entlassung einreichte.
13) Ministerium Salisbury und Gladstones drittes Ministerium (1885-86). Sein Nachfolger Salisbury, dessen Ministerium durch die Aufnahme Lord Randolph Churchills als Minister für Indien ein besonderes Gepräge erhielt, trat die Regierung bei der damaligen Parteigruppierung unter sehr mißlichen Verhältnissen an und sicherte sich vorher ein Versprechen Gladstones, bei der Durchführung der noch unerledigten Maßregeln der Session jede parteiliche Opposition zu vermeiden.
Die laufenden Geschäfte wurden glatt erledigt, die Regierung wahrte eine freundlichere Haltung gegen die Home-Ruler, mit deren Hilfe sie ans Ruder gekommen war; wurde aber das Parlament aufgelöst, in der Erwartung, daß die Neuwahlen dem konservativen Ministerium zu einer festern Stellung verhelfen würden. Da Gladstone die geforderte Auskunft über seine irischen Pläne verweigerte, erließ Parnell ein Manifest an die irischen Wähler, überall gegen die Liberalen zu stimmen. Trotzdem war das Ergebnis den Konservativen nicht günstig, da sie nur 249 Sitze gegenüber 335 Liberalen besaßen und mit Hilfe der 86 Home-Ruler es höchstens zu Stimmengleichheit bringen konnten. Jedenfalls war das Schicksal des Ministeriums in die Hand [* 10] Parnells gelegt.
In den auswärtigen Angelegenheiten hatte Salisbury in Ägypten die von seinem Vorgänger einmal angenommene rein defensive Haltung gegenüber dem Sudan beibehalten, die afghan. Grenzfrage regulierte er durch ein Abkommen vom mit Rußland, auch näherte er sich wieder dem grundlos entfremdeten Deutschland. [* 11] Einen besondern Erfolg erfocht er in Birma, das nach kurzem Feldzug fast ohne Widerstand Nov. 1885 erobert und 1886 dem Indobritischen Reich einverleibt wurde. (S. Birma, Bd. 3, S. 29 a.) Freilich versuchten die Birmanen noch in demselben Jahr die engl. Oberherrschaft abzuwerfen, doch endete die Erhebung nach einem neuen Feldzug mit völliger Unterwerfung des Landes.
Am wurde das neue Parlament eröffnet. Da das Ministerium die irische Forderung des Home-Rule schon in der Thronrede entschieden abgelehnt und neue Zwangsmaßregeln in Aussicht gestellt hatte, so wurde die nächste Gelegenheit eines Zusatzantrages zur Adreßdebatte benutzt, um es durch eine liberal-irische Mehrheit zu schlagen. Salisbury trat zurück, und erhielt Gladstone wieder den Auftrag zur Neubildung des Kabinetts, bis zu dessen Vollendung das Parlament vertagt wurde. In dieser Zeit kam es (8. Febr.) nach einem großen demokratisch-socialistischen Meeting auf Trafalgar-Square zu einer Revolte, Plünderung von Läden und einer mehrstündigen Pöbelherrschaft, bevor das Einschreiten der Polizei die Ruhe wiederherzustellen vermochte.
Das neue Ministerium Gladstone bestand im wesentlichen aus denselben Männern wie das letzte, Granville erhielt die Kolonien, das Äußere der jüngere Lord Rosebery. Es fehlte Sir Charles Dilke wegen Verwicklung in einen skandalösen Ehescheidungsprozeß und Lord Hartington, weil er der jetzt von Gladstone eingeschlagenen Bahn irischer Politik nicht folgen wollte. Gladstone trat nämlich mit dem neuen Programm einer umfassenden Gewährung von Home-Rule für Irland sein Amt an. Am legte er seinen irischen Gesetzentwurf dem Unterhause vor.
Das von ihm geplante Home-Rule erklärte er nicht für gleichbedeutend mit einer Sprengung der Reichseinheit. Es solle nur ein irisches Parlament geschaffen werden, das ausschließlich irische Angelegenheiten in ähnlicher Weise regeln solle wie das engl. Parlament die Angelegenheiten des Vereinigten [* 12] Königreichs. Die Königin solle nach wie vor durch einen Vicekönig in Irland vertreten, die Armee, Flotte und Steuern von der centralen Staatsbehörde kontrolliert werden.
Zunächst sollten die Mitglieder des neuen irischen Parlaments an dem Reichsparlament in London keinen Anteil nehmen. Die Ergänzung dieses Verfassungsgesetzes war ein neues Landgesetz, das den Rückkauf des in engl. Händen befindlichen Bodens in Irland durch vorhergehenden Staatsankauf ermöglichen sollte. Die irischen Nationalisten begrüßten diesen Antrag mit froher Anerkennung, dafür rief es in dem prot. Teile Irlands, vor allem in Ulster, große Aufregung hervor, die Orangemänner drohten mit bewaffnetem Widerstand, und es kam bereits in Belfast zu blutigen Tumulten. Im Gegensatz zu Gladstones Behauptung sahen seine konservativen Gegner in dem Home-Rule-Plan nichts Geringeres als den Beginn völliger Trennung Irlands von England.
Vom engl. Unterhause war die Bill zur ersten Lesung zugelassen worden, die Debatte über die zweite begann und wurde erst 7. Juni beendet. Der Abfall im liberalen Lager [* 13] war inzwischen so angewachsen, daß in dem außerordentlich stark besuchten Hause die zweite Lesung mit 341 gegen 311 Stimmen abgelehnt wurde. Dennoch gab Gladstone den Kampf nicht auf. Er trat nicht zurück, sondern veranlaßte die Königin das Parlament aufzulösen.
Eine bedeutungsvolle Folge der Home-Rule-Politik Gladstones war die Sprengung der liberalen Partei; wie Hartington, so hatte sich auch John Bright von ihm losgesagt. Im Gegensatz zu den auch jetzt dem Führer folgenden Gladstonianern bildeten die an der Reichseinheit festhaltenden Liberalen eine besondere Partei der Unionisten (s. d.), die in dem jetzigen Wahlgang ein enges Bündnis mit den Konservativen schlossen, während die Parnelliten fest zu Gladstone hielten. Die Wahl ergab 316 Konservative, 73 Unionisten, 195 Gladstonianer und 85 Parnelliten. Gladstone trat zurück, und Salisbury übernahm die Neubildung des Kabinetts.
14) Salisburys zweites Ministerium (1886-92). Das zweite Ministerium Salisbury entsprach in der Hauptsache dem ersten. Das Äußere erhielt diesmal der zum Lord Iddesleigh erhobene Stafford Northcote, Lord Londonderry wurde Vicekönig, Hicks Beach erster Sekretär [* 14] für Irland. Das Schatzkanzleramt und die Führung des Unterhauses erhielt Lord Randolph Churchill. Bezeichnend für die eigentümliche Lage des Ministeriums war die seitdem oft wiederholte Bemerkung, daß es freilich im Amte, aber nicht im Besitze der Macht sei (in office, but not in power). Eine konservative Mehrheit war ¶