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Auf Heinrich V. folgte sein Sohn Heinrich VI. (1422-61), ein Kind von einigen Monaten, der auch während der Mannesjahre nie die geistige Unmündigkeit des Kindes ablegte. Während des Königs ehrgeizige Oheime um die Gewalt im Reiche haderten, und die Führung schließlich (seit 1445) an seine willensstarke Gemahlin Margarete von Anjou kam, ging in jahrzehntelangem Krieg (bis 1453) alles verloren, was England auf dem Festland besessen hatte, bis auf das einzige Calais. [* 2]
Und was das Haus Lancaster an der ältern Linie der Plantagenet gethan, das vergalt an Lancaster wieder das jüngere Haus York. Der Ehrgeiz des Herzogs von York (s. d.) rief einen Streit um den Thron [* 3] hervor, der zu einem dreißigjährigen Bürgerkrieg (1455-85), dem Krieg der Weißen Rose York und der Roten Rose Lancaster (s. Rosenkrieg) führte. Richard von York selbst kam in diesen Kämpfen um, aber sein Sohn bestieg als Eduard IV. (1461-83) den Thron und wußte ihn zu halten.
Nur vorübergehend hat Heinrich VI. noch einmal die Krone getragen (1470); nach dem Siege bei Barnet (1471) entledigte Eduard sich des Rivalen und seines Sohnes. Eduard IV. war eine kraftvolle, glänzende Herrschererscheinung, und wenn er auch häufig im sinnlichen Lebensgenuß aufzugehen schien, so konnte er sich plötzlich doch zu mannhafter That aufraffen. Wenn er in manchen Dingen, wie in seiner Finanz- und Parlamentspolitik, dem spätern Neuschöpfer des Staates Heinrich VII. Tudor bereits die Wege wies, blieb er trotz allem ein Usurpator, der nur für die Zeit seines Lebens den geraubten Thron zu sichern vermochte.
Derselben grausamen Selbstsucht, mit der er die Lancaster vertilgt hatte, fielen seine jungen Söhne Eduard V. und Richard zum Opfer; über ihre Leichen hinweg schritt ihr Oheim Gloucester als Richard III. (1483-85) zum Thron. Man muß ihm ein widerstrebendes Bewundern zollen, denn dieser gekrönte Verbrecher war zum Herrscher geboren, entschlossen und von hohem persönlichem Mut. Aber die Thaten, die er vollführte, verdienten den Haß, den die Nachwelt ihm nachtrug. Sein Untergang war würdiger als sein Leben; nachdem er die ersten Empörungen niedergeworfen, erlag er, von fast allen Anhängern verlassen, dem aus Frankreich nahenden Heinrich Tudor, einem Abkömmling aus dem Hause Lancaster von mütterlicher Seite. In tapferm Kampf ist Richard am Entscheidungstage bei Bosworth gefallen, der letzte König aus dem Hause der Plantagenet.
Die dreißig Jahre zerfahrener Parteiregierung nach Heinrichs V. Tode, die dreißig Jahre blutigen Bürgerkrieges, die ihnen folgten, schienen allen staatlichen Bestand in England aufgelöst zu haben. Wohl bestand die Parlamentsverfassung in ihren Formen fort, aber sie war ohne Kraft; [* 4] es herrschte unbedingt die jeweilig obwaltende Partei. Dennoch bedeutet die Wahrung des formellen Bestandes in Parlaments- und Gerichtsverfassung und in der Selbstverwaltung ungemein viel; wenn freilich ihre Ausübung in der Zeit des Faustrechts unterdrückt worden war, die Fundamente des Staates waren bewahrt.
Ebenso war das eigentliche Volk, die untern und Mittelklassen, trotz aller Erschütterung und Entsittlichung im alten Bestand erhalten. Geradezu vernichtet waren dagegen die königl. Geschlechter und der hohe Adel. Das neue Königtum war vor der Gegnerschaft der alten Aristokratie gesichert, die auf den Schlachtfeldern der Rosenkriege lag, es war ungehindert in der Erfüllung seiner großen Aufgabe, auf den gebliebenen Fundamenten den Staat neu zu erbauen.
4) Das Zeitalter der Reformation und der Tudors (1485-1603). Wie die nächste Zukunft Englands abhängig war von der Monarchie, so war deren feste Begründung die vornehmste Aufgabe des ersten Monarchen aus der neuen Tudordynastie, Heinrichs VII. (1485-1509). Bei allen übrigen Aufgaben, die er zu erfüllen hatte, der Herstellung von Ruhe und Ordnung im Innern, einer geachteten Stellung nach außen, mußte die Festigung der Dynastie stets im Mittelpunkt stehen. Mit vollster Sicherheit ist Heinrich VII. seinen Weg gegangen. Er behauptete sein Thronrecht allein durch seine Abstammung vom Lancasterhause, nur zu vermehrter Sicherheit verband er sich mit der Trägerin yorkistischer Ansprüche, mit Elisabeth, der ältesten Tochter Eduards IV. Aufmerksam folgte er jeder empörerischen Bewegung, manche erstickte er im Keim, auch der gefährlichern Prätendenten, eines Lambert Simnel, Perkin Warbeck und Grafen Suffolk wurde er schließlich Herr.
Deren Umtriebe aber verflochten sich für ihn mit seinem Verhältnis zu den Außenmächten. Vor allem suchte er sein Ansehen zu gründen auf eine verwandtschaftliche Verbindung mit dem span. Königshaus; auch strebte er den ewigen Kriegszustand mit Schottland zu beenden. In Irland hob er durch Verwaltungsreformen das engl. Ansehen, und im Handelsverkehr schuf er England eine bevorzugte Stellung. Im Innern bekämpfte er die Reste des Adels mit dem Ausnahmegerichtshof der «Sternkammer» (s. d.), die Einsprache des Unterhauses vermied er durch eine geschickte Finanzverwaltung. So konnte er bei seinem Tode (1509) seinem Sohn ein unanfechtbares Erbrecht, eine feste, im Mittelpunkt des Staatslebens stehende monarchische Gewalt und friedliche Verhältnisse mit allen Außenmächten als Erbe hinterlassen.
Der junge Heinrich VIII. (1509-47) hatte nichts von seines Vaters vorsichtig berechnender Zurückhaltung, seine Würde sollte ihm zum Genuß des Lebens dienen und zur Befriedigung seiner Eitelkeit. Fröhliche Feste und ein zweckloser Krieg mit Frankreich, der ihm einigen Ruhm und sehr wenig Gewinn, aber ungeheure Kosten brachte, füllte die ersten Jahre seiner Regierung, bis sein großer Kanzler Kardinal Wolsey, der seit 1515 den entscheidenden Einfluß besaß, den Staat wieder in die polit.
Bahnen Heinrichs VII. hineinleitete. Aus einer bloß geachteten Stellung erhob er durch seine glänzende diplomat. Leitung England zu einer führenden Macht, und dies wirkte günstig zurück auf den steigenden Handelsverkehr, die Industrie und, bei der großen Wollausfuhr, auch auf die Viehzucht. [* 5] Er reformierte die Gerichtspflege, suchte Wissenschaft und Bildung durch Universitätsgründungen zu heben, um dadurch dem von ihm bekämpften Luthertum mit dessen eigenen Waffen [* 6] zu begegnen.
Vorzüglich war die Finanzwirtschaft, die Einkünfte stiegen, und nur als die Kriegslust des Königs England in die Beteiligung an dem Kriege Karls V. gegen Franz I. von Frankreich hineintrieb, mußte Wolsey zur einzigen Parlamentsberufung (1523) während seiner Verwaltung schreiten. Eine Intrigue höfischer Gegner, die des Königs Neigung zu der jungen Anna Boleyn geschickt benutzten, bewirkten Wolseys Sturz (1529), weil dieser die vom König geforderte Scheidung von seiner ersten Gattin, ¶
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Katharina von Aragonien, nicht beim Papst durchsetzen konnte. Da Heinrich seine Scheidung und somit die Möglichkeit einer Heirat mit Anna Boleyn nicht vom Papst erlangen konnte, so trieb er England zum Bruch mit Rom und [* 8] zur Lösung der alten Kirchengemeinschaft. Sein Helfer wurde hier der gewandte, kraftvolle und rücksichtslose Thomas Cromwell. Als Heinrich durch den Erzbischof Cranmer die Scheidung vollziehen ließ, die ihm der Papst verweigerte (1533), war der Krieg gegen diesen erklärt, Geistlichkeit und Parlament mußten die Oberhoheit des Königs über die engl. Kirche anerkennen.
Die Fügsamkeit der Parlamente gegenüber dem königl. Willen in diesen Lebensfragen des Staates war die Bewährung eines allmächtigen Absolutismus, während formell die Verfassung in voller Kraft bestand. Jedoch der Versuch Cromwells und Cranmers, das Schisma zu einer prot. Reformation auszugestalten, scheiterte nach scheinbarem anfänglichem Erfolg an dem Widerstand des Königs, der von reaktionär gesinnten Männern, wie Gardiner, beeinflußt wurde. Die Säkularisation des gesamten Güterbesitzes der Kirche (1536-38) ließ er freilich noch gern geschehen, die darauf ausbrechende Empörung wurde jedoch mit Gewalt niedergeworfen, und das in den «Sechs Artikeln» (1539) niedergelegte Dogma der Kirche Heinrichs VIII. stand ganz auf kath. Boden, er begnügte sich mit einem kath. Staatskirchentum. Nachdem Anna Boleyn auf dem Schafott geendet hatte (1536) und Heinrichs nächste Gattin Johanna Seymour nach der Geburt eines Sohnes (des spätern Eduard VI.) gestorben war, gab der Versuch Cromwells, den König in vierter Ehe mit einer prot. Prinzessin Anna von Kleve zu verheiraten, seinen Gegnern Gelegenheit, ihn zu stürzen und aufs Blutgerüst zu bringen (1540), weil die neue Gemahlin Heinrichs höchstes Mißfallen erregte.
Mit Wolsey und Cromwell war die Zeit zu Ende, die der Regierung Heinrichs VIII. ihre geschichtliche Bedeutung verliehen hat; trotz einer letzten kleinen Schwenkung zu Gunsten der prot. Partei ist Heinrich in reformatorischer Beziehung über seine Sechs Artikel nicht hinausgegangen. Wohl focht er noch mit Glück gegen Schottland und gegen Frankreich, auch gingen die Katastrophen am Hofe ihren Gang, [* 9] seine fünfte Gattin, Katharina Howard, endete wie Anna Boleyn; endlich 1547 starb der gewaltthätigste und brutalste Despot aus Englands neuerer Geschichte, und seine königl. Allmacht kam in die Hand [* 10] eines neunjährigen Knaben.
Der eigentliche Herrscher an Stelle des jungen Eduard VI. (1547-53) war der Herzog von Somerset, der Bruder von Eduards Mutter, Johanna Seymour, der sich aus dem von Heinrich VIII. bestellten Regentschaftsrat sofort zum alleinigen Protektor aufschwang. Er war ein reichbegabter, von hohem Sinn erfüllter Mann, jedoch stand er in unsicherer, angefeindeter Stellung. Daher konnte von der Durchführung eines Absolutismus, wie ihn Heinrich geübt, keine Rede sein. Vor allem öffnete er dem Protestantismus das Thor, es kam ein warmer religiöser Zug in die kirchlichen Bestrebungen hinein; doch konnte es nicht fehlen, das; die Einführung der prot.
Reformen auch vielfache Unzufriedenheit hervorrief. Dazu kam die traurige Lage der untern Stände. Der Gewinn der Schafzüchterei brachte mehr und mehr ein Latifundienwesen zur Geltung; der kleine Pächter und Bauer wurde vom Großgrundbesitzer verdrängt. In diesen zum Proletariat herabsinkenden Klassen gärte es lange, die erfolglosen Reformversuche Somersets steigerten die erregte Stimmung, und endlich kam es zum Ausbruch einer nur mit Mühe gedämpften Empörung. In diesen Wirren wurde Somerset vom Herzog von Northumberland gestürzt (1549), jedoch erfüllte dieser die Hoffnungen der Katholiken nicht, sondern vollendete die kirchliche Neuerung durch die 42 Glaubensartikel. (S. Anglikanische Kirche.) Northumberland fiel, als er nach dem Tode Eduards (1553) dessen kath. Schwester Maria die Nachfolge streitig zu machen suchte. Heinrich VIII. hatte die Nachfolge so geordnet, daß auf Eduard Maria, die Tochter seiner ersten Gattin Katharina, dieser Elisabeth, die Tochter der Anna Boleyn, folgen sollte. Beide wollte Northumberland durch eine von Eduard VI. unterzeichnete neue Thronfolgeordnung zu Gunsten seiner Schwiegertochter, der einer jüngern Linie angehörenden Jane Grey, ausschließen. Dabei unterlag er aber und starb nach wenigen Tagen auf dem Schafott (1553).
Maria Tudor (1553-58) hatte ihren kath. Glauben gewahrt und erhoffte mit Sehnsucht dessen Wiederherstellung in England; aber in entsetzlichem Fanatismus hat sie dem neuen Glauben nur mächtig fördernde Blutzeugen geschaffen und ihr Andenken mit dem Beinamen «der Blutigen» belastet. So gehorsam waren die Parlamente, daß sie widerspruchslos alles umstürzen halfen, was sie selbst mitgeschaffen hatten. Als Maria aber dem Vorkämpfer des Katholicismus, dem König von Spanien [* 11] Philipp II., die Hand reichte (1554) und England auch in die span. Politik hineindrängen wollte, da entfesselte sie eine Empörung unter Thomas Wyatt, die sie selbst in London [* 12] in Gefahr brachte.
Der Aufstand wurde zwar niedergeworfen, und mit Zustimmung des Parlaments wurde England in den päpstl. Gehorsam zurückgeführt, aber erschreckend wuchs der Fanatismus Marias, um so mehr, da ihre Ehe ohne Nachkommen blieb und sie in der prot. Stiefschwester Elisabeth die ihrem Werk feindliche Zukunft Englands erblicken mußte. Während der letzte Besitz auf dem Festland, Calais, verloren ging und allerorts die Scheiterhaufen loderten, starb die unheilvolle Frau gebrochenen Herzens (1558).
Die nun sich eröffnende glänzende Epoche der Königin Elisabeth (1558-1603) sollte die Vollendung alles dessen bringen, was unter ihren Vorgängern begonnen war, den Ausbau des neuen England in Staat und Kirche und die Hinüberführung aus dem Mittelalter in die neue Zeit. Der erste Berater der Königin, der ihr 40 Jahre hindurch zur Seite stand, der eigentliche Schöpfer der Größe ihrer Zeit, war Wilhelm Cecil, der spätere Lord Burleigh. Er nahm vor allem Stellung zu der kirchlichen Frage.
Darin blieb er auf dem Boden Heinrichs VIII., daß der kirchlichen Neuerung durchaus ihr polit. Charakter gewahrt wurde, sie war ganz und gar das Werk der Krone, ihr fehlte völlig die religiöse Begeisterung, aber auch der religiöse Haß, sie entsprang vorsichtiger staatsmännischer Erwägung. Das von Thomas Cromwell festgefügte Staatskirchentum blieb bestehen, aber es wurde erfüllt von prot. Geiste; was Cecil schuf, war die im Ritus katholische, dem Wesen nach prot. Anglikanische Staatskirche. Vor allem aber trat England in der großen Politik unter seiner Führung als prot. Staat auf. Mit dem Kampf für den Protestantismus verflocht er den Kampf für Englands ¶