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der 950-978 mit geringen Unterbrechungen Ratgeber seiner Könige war. Der westsächs. König gebot in dem neuen brit. Gesamtreich über Briten, Angelsachsen und die ansässigen Dänen. Unter schwachen Königen geriet das Reich in neue Bedrängnis vor dän. Anfällen, und als Ethelred der Unberatene (979-1016) sich ihrer zu entledigen suchte, indem er 1002 alle unter den Westsachsen wohnenden Dänen ermorden ließ, erweckte er nur die Rache des Dänenkönigs Svend.
Dieser eroberte 1013 das Reich und vertrieb Ethelred. Svends Sohn, Knut d. Gr., hatte 20 Jahre hindurch (1010-35) den Thron [* 2] der westsächs. Könige inne; er wahrte dem Lande den Frieden, und Handel, Verkehr und Wohlstand hoben sich unter seinem kraftvollen Regiment. Die angelsächs. Landesverfassung ließ er unangetastet. Aber die dän. Herrschaft überdauerte sein Leben nur kurze Zeit, noch einmal bestieg nach dem Ausgang seiner Söhne Harald und Harthaknut der gesetzmäßige Erbe, Eduard der Bekenner, der Sohn Ethelreds (1042-66), den Thron. Er war ein Schwächling, für den Graf Godwin (s. d.) sich die Herrschaft anmaßte, der sie sogar nach Eduards Tode auf seinen Sohn Harald übertragen konnte, den die Großen zum König wählten.
Gestützt auf Zusagen, die ihm sowohl Eduard wie Harald vor seiner Thronbesteigung gegeben, forderte der Herzog Wilhelm von der Normandie die engl. Krone als sein ihm zustehendes Erbe und landete, als Harald einen norweg. Einfall im N. Englands zurückwies, mit großer Flotte und einem aus der Normandie und den Nachbarländern zusammengebrachten Heer an der Südküste in Sussex, Am 14. Okt. wurde die Entscheidungsschlacht bei Senlac, nicht fern von Hastings, geschlagen, die Harald Thron und Leben kostete.
Den weitern Widerstand leicht überwindend ließ Wilhelm sich am folgenden Weihnachtstage zu Westminster krönen. Nur der Südosten war damals in seiner Hand, [* 3] er benutzte jedoch weitere Erhebungen und Anfeindungen, seine Macht auszubreiten, und als er 1070 zuletzt Chester unterworfen hatte, war das gesamte Angelsachsenreich unter seiner Herrschaft geeint. Mit diesem Jahre war somit die normänn. Eroberung und zugleich jener lange Nationalitätenkampf um Herrschaft und Besitz in England zum Ende gekommen.
Von den Völkerschaften, die in diesem Zeitraum miteinander gerungen hatten, waren die Römer [* 4] völlig verschwunden, die kelt. Briten in selbständigen Resten erhalten, in den Angelsachsen aufgegangen waren die dän. Eindringlinge; die Angelsachsen waren die damalige engl. Nation. Sie wurden jetzt durch franz.-normänn. Eroberer aus der Herrschaft gedrängt. Diese, an Zahl die geringern, rissen den meisten Besitz an sich, sie brachten franz. Sprache [* 5] und franz. Sitten ins Land. Zwei Nationalitäten standen somit, zunächst in feindseliger Abgeschlossenheit, in den Siegern und Besiegten auf demselben Boden einander gegenüber, über beiden das starke, beide beherrschende Königtum des Eroberers. Die Aufgabe der folgenden Zeit war es, aus der Verschmelzung dieser nationalen Elemente eine einzige Nation und einen geschlossenen engl. Nationalstaat herauszubilden.
2) Von der Gründung des autokratischen anglo-normannischen Königtums durch Wilhelm den Eroberer bis zur Schaffung des nationalen Verfassungsstaates mit nationalem Königtum unter Eduard I. (1070-1307). Die Arbeit des Eroberers war für Wilhelm abgeschlossen und die des Staatsgründers hatte zu beginnen, denn der Staat, den er erbaute, war ein völlig neuer; den Untergrund bildete allerdings das angelsächs. Rechts- und Verwaltungsleben, von dessen Bestand er vieles mit aufnahm.
Fast alle angelsächs. Thans wurden als Rebellen gegen ihn, den rechtmäßigen König, ihrer ganzen Habe oder eines Teils derselben beraubt, und mit dieser gewaltigen frei werdenden Gütermasse belehnte er seine franz.-normänn. Gefolgsleute. Diese, wie die neubelehnten Angelsachsen und ferner die von diesen Kronvasallen unterbelehnten Aftervasallen standen durch Treuschwur in unmittelbar abhängigem Lehnsverhältnis zum König. Verwaltung und Rechtspflege, die übernommenen alten wie die neuen Einrichtungen, alles wurde in gleicher Weise auf die Ausbildung einer centralistischen Autokratie zugeschnitten und die Krone durch Güter, Gefälle und Bußen finanziell selbständig gemacht.
Die Kirche schloß Wilhelm in Satzung und Ritual enger an Rom an, [* 6] ohne aber im mindesten die eigene Hoheit schmälern zu lassen. Der Druck dieser Königsgewalt behagte ebensowenig den unterworfenen Angelsachsen wie den unruhigen Abenteurern, die Wilhelm für jene Fahrt zusammengeworben hatte. Aber mit Strenge wurde jede Erhebung unterdrückt, einmal mußte Wilhelm gegen seinen eigenen Erstgeborenen Robert das Schwert ziehen, glücklich focht er außer-, dem gegen den schott. Nachbar Englands wie den französischen der Normandie.
Dies engl.-normänn. Doppelreich wurde nach seinem Tode geteilt, der älteste Sohn Robert folgte nach väterlicher Erbfolgeordnung in der Normandie, König von England wurde der zweite Sohn, Wilhelm II., zubenannt Rufus, der Rotkopf (1087-1100). Gestützt aus die Angelsachsen, hielt er sich gegenüber den anglo-normänn. Baronen, die sein Königtum anfochten, und sicherte die Grenzen [* 7] gegen Schottland und Wales; aber seine Thatkraft artete in Tyrannei aus, bei einer Jagd fand man den allgemein verhaßten König von unbekannter Hand getötet Gegen die neuen Versuche Roberts, die engl. Krone zu erwerben, sicherte sie sich der jüngste Sohn des Eroberers, Heinrich I. (1100-1135); er warf den wieder von den engl. Baronen unterstützten Bruder nieder, vertrieb ihn sogar aus seinem eigenen Reiche und verband die Normandie wieder mit England (1105). In der Charte, die er beim Antritt als Dank für die Unterstützung durch die angelsächs. Bevölkerung [* 8] erließ, versprach er, sich von den tyrannischen Ausschreitungen seines Vorgängers fern zu halten, sie ist die Grundlage des großen Freibriefs von 1215 geworden. Er wußte die Großen niederzuhalten und dem Reich eine geordnete Verwaltung zu geben.
Gegen seine Erbordnung, die die Nachfolge seiner einzigen Tochter Mathilde und ihrem Gemahl Geoffrey von Anjou zusprach, erhob sich sein Schwestersohn Stephan von Blois, der den Thron in dauernden Kämpfen für die Zeit seines Lebens zu behaupten wußte (1135-54). Einen glänzenden Sieg erfocht er 1138 über die mit seinen aufständischen Baronen verbündeten Schotten. Die unaufhörlichen, mit wechselndem Glück geführten Kämpfe gegen Mathilde und ihren Anhang endeten im Vertrag von Wallingford (1153) mit der Abmachung, daß Stephan die Krone behalten, Mathildens Sohn Heinrich aber als Nachfolger annehmen sollte. Schon im folgenden Jahre machte ¶
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Stephans Tod den Thron frei, den Heinrich nun bestieg. Durch weibliche Erbfolge war die Königswürde damit vom Hause des Eroberers auf die Grafen von Anjou übergegangen, die sämtlich den Beinamen von Mathildens Gemahl, Plantagenet (s. d.), erhielten. Heinrich II. (1154-89) beherrschte ein mächtiges, außer England das halbe Frankreich umfassendes Reich, das durch das Erbe seines Hauses, Anjou, Maine und Touraine, durch die Lande seiner Gattin Eleonore (s. d.), Poitou, Guyenne und Gascogne, und durch die Lande der engl. Krone, England und die Normandie gebildet wurde. (S. Historische Karten von Frankreich 1.) Fast alle die Kämpfe seiner Regierungszeit galten dem Ausbau und der Befestigung dieses Reichsganzen, ohne daß er dieser künstlichen Schöpfung nennenswerte Dauer verleihen konnte.
Was er geschichtlich geleistet hat, beschränkt sich auf England, wo er grundlegend gewirkt hat in Gesetzgebung, Gerichts- und Verwaltungsordnung. Ein Kampf, in den er mit seinem frühern Kanzler, dem Erzbischof Thomas Becket von Canterbury, geriet, war begründet in den widerstreitenden Forderungen staatlicher und kirchlicher Oberhoheit und zwang ihn, eine Stütze in seinen weltlichen Großen zu suchen; damit verlieh er aber diesen zuerst selbständigen Anteil an der bisher autokratischen Reichsregierung.
Der Streit endete mit Beckets Ermordung (1170), und mit formellem Nachgeben des Königs in den Grundsätzen, die schon seine «Konstitutionen von Clarendon» (1164) aussprachen, aber mit thatsächlicher Behauptung seines Standpunktes. Innere Unruhen in Irland benutzte Heinrich zum Beginn einer Eroberung dieses Landes (1171), als dessen rechtmäßige Herren die Könige von England sich seitdem betrachteten, und auch in Schottland wußte er seinen Einfluß geltend zu machen.
Trotz dieser äußern Erfolge wurde ihm sein Leben verbittert durch Familienzwist, bei dem seine oftmals rebellischen Söhne mit ihrer Mutter und auswärtigen Gegnern gegen den Vater standen, und als wieder einmal sein Thronfolger Richard die Waffen [* 10] gegen ihn erhoben hatte, starb Heinrich Der in Sage und Dichtung hochgefeierte Richard I. Löwenherz (1189-99) war eine ritterlich-romantische, zugleich etwas rohe Natur, persönlich tapfer, auch ein geschickter Feldherr, aber mehr Abenteurer als Staatsmann.
Dem entsprach seine Regierung, deren erste Jahre er auf dem Kreuzzug ins Gelobte Land und mit langer Gefangenschaft in Deutschland, [* 11] und deren letzte Zeit er mit dem aussichtslosen Bemühen vergeudete, die Erhaltung des festländischen Teils seines Reichs zu erkämpfen. In diesen Kriegen kam er selbst ums Leben. Sein Bruder Johann (1199-1216), der schon während Richards Abwesenheit im Bunde mit Philipp August von Frankreich Anschläge auf des Bruders Krone geschmiedet hatte, verdrängte jetzt Arthur, den Sohn eines ältern verstorbenen Bruders, und beseitigte ihn schließlich durch Mord. Er selbst aber verlor an Frankreich seinen ganzen Festlandsbesitz bis auf einen Rest im Süden, zugleich erregte die feige Treulosigkeit und tyrannische Grausamkeit des sonst politisch gut beanlagten Königs die Empörung seiner engl. Vasallen.
Diese kam zum Ausbruch, als er nach dem Verlust seiner franz. Provinzen in einem Streit über die Besetzung des Erzbistums Canterbury von Innocenz III. gebannt und für abgesetzt erklärt, sich so weit demütigte, sein Königreich aus dessen Hand als Lehen zu nehmen (1213) und bald darauf eine Niederlage durch die franz. Waffen bei Bouvines erlitt (1214). Der vereinte geistliche und weltliche Adel entrang ihm in dem großen Freibrief der «Magna Charta» (s. d.) die urkundliche Zusicherung gesetzlichen Regiments und die klare Darlegung der Freiheiten des einzelnen. In diesem auf der Charte Heinrichs I. von 1100 beruhenden und sie erweiternden Freibrief hat man, nicht immer ohne Übertreibung, den Grundstock verfassungsmäßiger Freiheit in England gesehen.
Johann, der zur Nichterfüllung seines Versprechens sofort entschlossen war, ließ sich von seinem päpstl. Lehnsherrn seines geschworenen Eides entbinden, ein Bürgerkrieg entbrannte, in dem seine Gegner so weit gingen, dem franz. Dauphin, dem spätern Ludwig VIII., die Krone anzubieten. Dieser stand in England, als Johann (1216) starb, wurde jedoch durch den Regenten für Johanns unmündigen Sohn Heinrich III. (1216-72), den Grafen von Pembroke, zum Abzug bewogen.
Heinrich III. blieb Zeit seines Lebens ein haltloser wetterwendischer Schwächling, dabei erfüllt von starken Herrschaftsgelüsten. Die Begünstigung von Ausländern, die vom König geduldeten päpstl. Erpressungen, dabei Heinrichs eigene sinnlose Verschwendung erregten steigende Unzufriedenheit bei den Großen. Sie brachten es zur Unterordnung des Königs unter einen Magnatenausschuß, endlich in offenem Krieg, dem sog. Baronenkrieg, unter Simon von Montforts Führung nach des Königs Niederlage bei Lewes (1264) zu seiner Absetzung.
Nur der Spaltung unter den Gegnern und der Kraft [* 12] seines Hohnes Eduard hatte Heinrich es zu danken, daß bei Evesham (1265) Montforts Macht gebrochen und die Herrschaft des Königs wiederhergestellt wurde, die nun ruhig verlief bis zu seinem Tode, So jämmerlich die Regierung des Vaters gewesen, so bedeutend wurde die des Sohnes, Eduards I. (1272-1307), vor allem durch seine Neuschöpfungen auf, dem Gebiet der Gesetzgebung, der Rechtspflege, der Verwaltung, besonders der Polizei und des Lehnswesens.
Gegenüber Frankreich beschränkte er sich auf die Verteidigung des ihm gebliebenen Besitzes, erobernd ging er (1272 und 1282) gegen Wales vor, das noch immer eine gewisse Selbständigkeit behauptet hatte. Der dort 1284 geborene Thronerbe Eduard erhielt zuerst den von nun an gebräuchlichen Titel eines Prinzen von Wales: in die Thronstreitigkeiten, die in Schottland nach dem Aussterben des dortigen Königshauses ausgebrochen waren, griff er entscheidend ein, erzwang von dem neuen König John Baliol die Anerkennung seiner Lehnshoheit und setzte ihn ab, als er sich gegen ihn erhob.
Aber wie gegen Wales so hatte Eduard gegen Schottland fast ununterbrochen Krieg zu führen, und die Anforderungen, die er dafür an sein Land stellen mußte, bewirkten eine grundlegende Neugestaltung des Verfassungswesens. Die alten Einkünfte der Krone aus ihrem Grundbesitz, aus Bußen und Gefällen ^[Einkünfte, die von einem Grundstück anfallen - Sanders, Handwörterbuch], so reichlich sie für ihre Zeit gewesen, genügten längst nicht mehr. Schon Heinrich II. hatte für die Lehendienstleistungen der Kronvasallen eine Ablösung durch eine Geldsteuer neben der üblichen Steuer (tallagium) der nicht Lehendienstpflichtigen eingeführt. Auf diese Steuern verlegte sich mehr und mehr der Schwerpunkt [* 13] der staatlichen Anforderungen, und diese wurden immer drückender. Da benutzten die ¶