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betrug die Gesamtschuld 677679571 Pfd. St.; sie zerfällt in fundierte oder konsolidierte Schuld (s. Consols) im Betrage von 577944665 Pfd. St., unfundierte Schuld (s. Exchequer Bills) im Betrage von 35312994 und Annuitäten, deren Kapitalwert 64421912 Pfd. St. beträgt.
Gerichtswesen. Über die Organisation der Gerichte s. S. 411 fg. Der sittliche Charakter des ganzen Volks ist höchst achtungswert und innerhalb der letzten 50 Jahre haben die Verbrechen über 70 Proz. abgenommen. Ungeachtet des großen Luxus und des wachsenden Reichtums ist die Unsicherheit der Person und des Vermögens immer geringer geworden; Zunahme der Verbrechen zeigt sich nicht da, wo dichte Bevölkerung [* 2] und gesteigerte Industrie, sondern dort, wo die Bevölkerung dünner und Handarbeit, besonders ländliche, vorwiegt. So war 1801-51 die Zahl der Verbrechen in Irland auf das Siebenfache (auf 24634), in Schottland auf das Sechsfache (auf 4001), in England und Wales auf das Fünffache (auf 27960) gestiegen.
Seitdem hat jedoch eine merkliche Abnahme der Kriminalfälle stattgefunden; 1891 wurden überführt in England und Wales 9055, in Schottland 1822, in Irland 1255 Personen gegen 10338, 1843 und 1411 im J. 1887. Die Zahl der vorsätzlichen Morde betrug in England und Wales (1891) 161. Selbstmord begingen 2459 Personen. Wahnsinnige Verbrecher wurden 684 männliche, 216 weibliche gezählt. Die Polizeimacht zählt in den drei Landesteilen (1891) 39673, 4228 und 13840 Beamte.
Armenwesen. Obwohl die Statistik der Geburten, Todesfälle und Heiraten eine leidliche Lage aller Volksklassen anzudeuten scheint, und obwohl innerhalb der letzten 50 Jahre die Massenarmut um etwa 50 Proz. sich vermindert hat, zeigt die Armenstatistik die Schattenseiten der Entwicklung (s. Poor Law). Die fortschreitende Umwandlung anbaufähigen Landes in Weideland und der Gebrauch Arbeit ersparender Maschinen lenkt einen stetigen Strom von Arbeitern vom Lande in die Städte, wo sie die schon ungeheure Zahl der im Dienste [* 3] von Handel und Industrie Stehenden vermehren; in noch höherm Grade wird eine Konkurrenz der Arbeitskraft hervorgerufen durch die beträchtliche Einwanderung von Irländern, die hier die unglückliche Neigung zeigen, auf die unterste Stufe der socialen Leiter herabzusinken, eine Neigung, die anderswo unter der irischen Auswanderung nicht hervortritt.
Die Einwanderung von Ausländern wird ebenfalls als eine Ursache der Vermehrung des Übels betrachtet. Viele halten den Zustand der Landgesetze für die Wurzel [* 4] des Übels. Bisher verfolgte die brit. Regierung die Politik des Laisser faire, sah von Schutzmaßregeln, wie dem deutschen Versicherungszwang, ab und begnügt sich mit dem Hilfsmittel eines Armengesetzes. Neuerdings zeigt sich jedoch eine volkstümliche Bewegung zu Gunsten einer mehr socialistischen Gesetzgebung.
Die Armengesetzgebung in Großbritannien [* 5] u. I. ist vielfach vorbildlich geworden für andere zumal prot. Staaten des Kontinents. (S. Armengesetzgebung, Bd. 1, S. 893 u. 894.) Wie hoch die Zahl der zu Unterstützenden und die aufzuwendenden Summen sind, geht schon daraus hervor, daß von allen über 65 Jahre alten Bewohnern Englands jeder vierte um Armenunterstützung nachsuchen muß.
Im J. 1892 hatten die 649 Kirchspiele in England und Wales 754485 Arme, darunter 99534 erwachsene und gesunde Personen zu unterstützen; in Schottland waren es 56903, wozu noch 30458 Angehörige kamen. Nicht eingerechnet sind «Vagabunden» und gelegentlich zu Unterstützende (Casual Paupers). In Irland wurden (einschließlich aller in Blinden- und Taubstummenasylen Befindlichen) 103839 Arme gezählt. (S. auch Armenwesen, Bd. 1, S. 904 b.) Im ganzen Königreich wurden (1891) 10922290 St. aufgewendet und zwar 8,64 Mill. in England und Wales, 0,88 Mill. in Schottland, 1,40 Mill. in Irland.
Viel wirken auch Private und Vereine. In London [* 6] allein giebt es über 1025 milde Stiftungen und Gesellschaften mit einer Jahreseinnahme von mehr als 4 ½ Mill. Pfd. St., die 135 Spitäler und Dispensaries mit großen Einkünften eingerechnet. Sehr zahlreich sind die Krankenhäuser, die Versorgungshäuser (Alms-houses) für Altersschwache, die Waisenhäuser, Blinden- und Taubstummenanstalten sowie die besondern Gesellschaften und milden Stiftungen zum Schutz der Frauen, für Dienstboten, für gefallene Mädchen u. s. w. Fast in steter Zunahme begriffen ist die Zahl der Geisteskranken. Die Zahl der Wahnsinnigen war 1871 in England und Wales 39567, in Schottland 6792, in Irland 9763, auf den Inseln 171; die der Blödsinnigen in England und Wales 29452, in Schottland 4621, in Irland 6742, auf den Inseln 44. Taubstumme gab es 19236, Blinde 31237.
Orden. [* 7] Von Ritterorden bestehen:
1) der von Eduard III. 1349 gestiftete blaue Hosenbandorden (s. d.);
2) der Distelorden (s. d.);
3) der irländ. Orden des heil. Patrick, 1783 von Georg III. gestiftet;
4) der Bath-Orden (s. d.);
5) der Orden des Sterns von Indien, 1861 von der Königin Victoria [* 8] begründet für Personen, die sich um Indien verdient gemacht;
6) der 1818 gestiftete Orden von St. Michael und St. Georg, der für Verdienste im Mittelmeer verliehen wird;
7) der Orden des Indischen Reichs, gestiftet 1878. Der königl. Orden von Victoria und Albert, 1862 gestiftet, und der kaiserl. Orden der Krone von Indien, 1878 gestiftet, sind Damenorden. Außerdem wird noch das 1856 gestiftete Victoriakreuz zur Belohnung persönlicher Tapferkeit vor dem Feinde verliehen und der 1886 gestiftete Distinguished Service Order für Offiziere. Der Militärorden für Eingeborene des großbrit. Ostindiens wurde 1842 zum Andenken an den Krieg gegen Afghanistan [* 9] gestiftet.
Wappen [* 10] und Flagge. Das Wappen (s. Tafel: Wappen der wichtigsten Kulturstaaten, [* 1] Fig. 7) hat vier Felder. Im ersten und vierten stehen die drei goldenen Leoparden von England; im zweiten der rote Löwe von Schottland; im dritten die goldene Davidsharfe mit silbernen Saiten im blauen Felde wegen Irland. Den Schild [* 11] bedeckt die königl. Krone von England mit dem goldenen Löwen. [* 12] Das große blaue Band des [* 13] Hosenbandordens umgiebt den Schild, und unter ihm liegen die beiden Zweige, welche die engl. Rose, die schott. Distel und den irischen Klee in sich vereinigen und mit der Devise der Krone, «Dieu et mon Droit», umschlungen sind. Schildhalter sind ein gekrönter Löwe und ein Einhorn. Die Unionsflagge des Vereinigten [* 14] Königreichs (Union Jack) ist aus den Kreuzen des St. Georg, St. Andreas, St. Patrick zusammengesetzt. (S. Tafel: Flaggen [* 15] der Seestaaten beim Artikel Flaggen.)
Kirchliche Verhältnisse. Die Kirche hat im Leben des brit. Volks eine starke und bedeutende Stellung. Gegenwärtig herrscht vollkommene ¶
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Religionsfreiheit, aber dies ist nicht ohne heftige Kämpfe, zumal in Irland, erlangt worden. Es giebt zwei Staatskirchen in Großbritannien, die bischöfl. Kirche in England und Wales (s. Anglikanische Kirche) und die presbyterianische in Schottland. In Irland, wo die weit überwiegende Mehrzahl der Einwohner röm. Katholiken sind, giebt es seit der infolge des Irish Church Act von 1869 angeordneten Entstaatlichung und Säkularisierung der Anglikanischen Kirche keine Staatskirche mehr. In England beansprucht die Staatskirche noch, die Kirche der Mehrzahl des Volks zu sein; aber in Wales überwiegen die Dissenters und die Entstaatlichung der Kirche ist nur eine Frage der Zeit. In Schottland bekennt sich über die Hälfte zur presbyterianischen Staatskirche.
Der Katholicismus blieb bis in die neuere Zeit ohne Berechtigung, und von seiten der Regierung zeigte man sich noch strenger gegen ihn, als man nach dem Sturze der Stuarts in ihm einen gefährlichen Anhänger des alten Königshauses oder gar einen Revolutionär argwöhnte. Für die prot. Dissenters, die von der Staatskirche Abweichenden, fand dieToleranz einen wohlthätigen Ausdruck in dem Edikt Wilhelms III. von 1689. Seit 1828 können Dissenters ins Parlament gewählt werden, seit 1829 auch die Katholiken und erst seit 1858 die Juden. Es giebt ungefähr 5750000 röm. Katholiken im Vereinigten Königreich, der großen Mehrzahl nach (3549745) in Irland; die Dissenters verteilen sich auf nicht weniger als 180 verschiedene Sekten, die (abgesehen von den Katholiken) fast alle protestantisch sind.
Unter den Dissenters in England und Wales sind am zahlreichsten vertreten die Methodisten, Independenten und Baptisten, wozu noch die Mitglieder der Heilsarmee kommen. In England bestand ehemals zwischen Staatskirchlichen und Dissenters eine scharfe Trennung, die sich auch auf die socialen Verhältnisse erstreckte, insofern, als nur ein verhältnismäßig kleiner Teil der gebildeten Klassen zu den Dissenters gehörte. Unter den schott. Dissenters zählen die Freie Kirche von Schottland und die Vereinigten Presbyterianer die meisten Anhänger, beide, gleich der Staatskirche, mit presbyterianischer Verfassung; hier fand zwischen Staatskirchlichen und Dissenters keine sociale Trennung statt.
Die schottische prot.-bischöfl. Kirche steht mit der engl. Staatskirche in keinem Zusammenhang. In neuerer Zeit haben die Katholiken in Großbritannien bedeutend an Zahl zugenommen, und selbst Geistliche der Staatskirche sind zu ihnen übergetreten;
ihren Hauptzuwachs verdanken sie jedoch der Einwanderung von Irländern. Es gab 1845 in England erst 328000 Katholiken (1,96 Proz.), 1887 schon um 1354000 oder 4,6 Proz. und in Schottland 326000 oder 9,5 Proz. Es giebt 1 Erzbischof, 14 Bischöfe, 1387 Kapellen und 2588 kath. Geistliche;
in Schottland 2 Erzbischöfe, 4 Bischöfe und 338 Kirchen und Kapellen;
in Irland 4 Erzbischöfe, 23 Bischöfe und 3394 Kirchen und Kapellen.
Außerdem gehören zur kath. Kirche des Vereinigten Königreichs die Erzbischöfe von Quebec, Halifax, [* 17] Kingston, Montreal, [* 18] Ottawa, Port of Spain, Toronto und St. Boniface in Canada, von Agra, Bombay, [* 19] Kalkutta, [* 20] Colombo, [* 21] Cyprus (Maronit), Madras [* 22] und Verapoli in Asien, [* 23] und von Sydney, [* 24] Adelaide, [* 25] Brisbane, Hobart, Melbourne [* 26] und Wellington in Australien [* 27] und Oceanien mit 76 Bischöfen.
Seit 1871 hat keine Volkszählung in Bezug auf die Religion stattgefunden, aber ein Begriff von den Verhältnissen der verschiedenen Glaubensbekenntnisse läßt sich aus dem Prozentsatz der von den verschiedenen Kirchen vollzogenen Heiraten entnehmen:
Länder | Staatskirche | Römisch-Katholische | Andere |
---|---|---|---|
England und Wales | 71,6 | 4,4 | 24,4 |
Schottland | 46,0 | 9,74 | 44,26 |
Eine andere Schätzung teilt den verschiedenen Glaubensbekenntnissen folgende Zahlen zu:
Kirchen | England und Wales | Schottland | Irland | Proz. im Reich |
---|---|---|---|---|
Bischöfl.-Protestantische | 18798000 | 99000 | 636000 | 55,8 |
Katholische | 1066000 | 318000 | 3952000 | 15,2 |
Presbyterianer | 114000 | 2997000 | 486000 | 10,3 |
Methodisten u. s. w. | 5990000 | 281000 | 48000 | 18,7 |
Für 1892 hat man aber die Zahl der Katholiken in England und Wales auf annähernd 2 Mill. berechnet. Die Zahl der Israeliten beträgt etwa 98000, darunter 72000 in London. (Über die staatsrechtliche Stellung der Kirchen s. oben S. 414 b fg.)
Unterrichtswesen. Über die eigenartige Organisation der Unterrichtsanstalten s. Englisches Schul- und Universitätswesen sowie die Artikel Irland und Schottland. Im ganzen befand sich das Schulwesen des Vereinigten Königreichs, mit Ausnahme von Schottland, bis vor 23 Jahren in einem vernachlässigten Zustande. Alles war privater oder kirchlicher Thätigkeit überlassen. Noch bleibt viel zu thun übrig, obwohl die letzten 13 Jahre eine Periode thätiger Reformen waren. 1870 betrug der parlamentarische Aufwand für Unterricht, Wissenschaft und Kunst weniger als 170000 Pfd. St., 1892: 8646231 Pfd. St. Schulzwang besteht in England seit 1876, in Schottland seit 1872, in Irland seit 1892. Die folgende Tabelle enthält die Statistik des öffentlichen Elementarunterrichts (Board Schools und Voluntary Schools) für 1891:
Länder | Schulen | Besuch im Durchschnitt | Zuschuß vom Parlament |
---|---|---|---|
England u. Wales | 19508 | 3754956 | 3498078 |
Schottland | 3105 | 538321 | 546997 |
Irland | 8346 | 506336 | 969853 |
In England und Wales konnten (1843) von den Männern 32,7, von den Frauen 49,0 Proz. bei der Verheiratung ihren Namen nicht schreiben. 1891 waren die Ziffern auf 6,4 und 7,3 Proz. zurückgegangen. In Schottland waren es 1857: 12,11 und 24,66, 1890 nur noch 3,92 und 6,42 Proz. Irland wies bei Eheschließungen (1890) 20,4 und 20,9 Proz. Analphabeten auf. Zu den öffentlichen Elementarschulen kommen (1892) noch in England Abendschulen mit 1388 Klassen und 62617 Schülern, zahlreiche Privatschulen, außerdem Arbeitsschulen und Besserungsanstalten.
Der Sekundärunterricht wird vom Staate nicht beaufsichtigt, außer in Schottland, wo 52 Schulen dieser Art unter staatlicher Aufsicht stehen. Aber die neuere Gesetzgebung hat der Einrichtung öffentlicher Mittelschulen den Weg gebahnt. Es bestehen etwa 550 im Vereinigten Königreich, darunter 62 Great Public Schools, meist aus Stiftungen hervorgegangen, wie Eton, Harrow u. a., oder von Gilden und Gesellschaften unterhalten, 9 Colleges mit ¶