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vornehmlich von den Kolonien, aber auch raffinierter Zucker wird in steigenden Mengen eingeführt. Der Verbrauch betrug (1891) 1,415 Mill. t. DieTabakindustrie ist nicht bedeutend. An Salz (Stein- und Siedesalz) wurden 1890: 638758, 1892: 457458 t im Werte von 652671 und 538983 Pfd. St. ausgeführt; der Rückgang wird einem 1888 geschlossenen Ringe der Salzquellenbesitzer zugeschrieben.
Die brit. Papierindustrie ist sehr beachtenswert in Bezug sowohl auf Menge als auch Beschaffenheit. Die feinsten Sorten werden in Kent und sonst in der Nähe von London, in Manchester und Bath hergestellt. 1892 wurden Lumpen im Werte von 213563 Pfd. St. für diesen Industriezweig eingeführt, außerdem Esparto und andere Pflanzenfasern imWerte von 1288255 Pfd. St. Die Jahresproduktion an Papier wird auf 1500000 t geschätzt, die Ausfuhr betrug (1892) 3576212 Cwt., außerdem gedruckte Bücher im Werte von 1289275 Pfd. St. Edinburgh, Glasgow und vor allem London sind die Mittelpunkte für Buchdruck und Buchbinderei.
Die Lederindustrie beschäftigt etwa 400000 Arbeiter und erzeugt Waren für 16-18 Mill. Pfd. St. 1892 wurden für 1699974 Pfd. St. Stiefeln und Schuhe ausgeführt, für 480299 Sattlerwaren und Kutschgeschirr und für 1244674 Pfd. St. unbearbeitetes Leder. Das Rohmaterial wird fast alles eingeführt, besonders von Südamerika, Britisch-Indien und Rußland. Handschuhe werden in Worcester, Woodstock u. s. w. hergestellt, aber mehr als 18 Mill. Paar werden jährlich namentlich von Frankreich bezogen. Die an Bedeutung zunehmende Kautschuk- und Guttapercha-Industrie stellte 1892 für die Ausfuhr Waren im Werte von 1216662 Pfd. St. her. Seilereien finden sich in den meisten großen Städten; Wagen wurden 1889 für 489750 Pfd. St. ausgeführt.
Außerdem sind noch zu nennen die Fabrikation von Hüten (Ausfuhr 1892 für 1196062 Pfd. St.), Schirmen (582649), Putzmacherwaren (1757060), Häuten und Pelzen (1190074), Tuchen, Schlaguhren, Juwelen, Knochen und Horn, Kork, Möbeln und Konserven jeder Art. Ferner die großen Luxuswagen- und Spazierstockfabriken in London, die Biskuitfabriken in Reading, die Strohflechtereien in Hertfordshire und Bedfordshire. Thurm- und Taschenuhren u. s. w. werden hauptsächlich in Clerkenwell, einem Teile Londons, goldene und silberne Schmucksachen in London und Birmingham verfertigt.
Handel. Eine genaue Berechnung des innern oder einheimischen Handels ist nicht möglich, aber die schnelle Entwicklung der Eisenbahnen und anderer Verkehrsmittel im Verhältnis zur Bevölkerung beweist, daß dieser Handel ungeheure Verhältnisse erreichen muß. Ein besonders lebhafter Verkehr findet statt von Irland aus mit Lebensmitteln, Butter, Eiern, Käse, Vieh und Korn, die vornehmlich nach Liverpool gebracht werden. 1889 waren mehr als 27500000 Schiffstonnen (7000 ausländische) in Verwendung bei dem brit. Küstenhandel, davon 8700000 t bei dem Handel zwischen Großbritannien u. I. Der Außenhandel ist Welthandel wie der keines andern Staates der Erde. Das Vereinigte Königreich gehört zu den Freihandelsstaaten, die einzigen zollpflichtigen Artikel sind Cichorien, Kakao, Kaffee, getrocknete Früchte, Branntwein,Thee,Tabak und Wein. 1890 wurden Abgaben von nur 7 Proz. der eingeführten Waren erhoben. Die folgenden Tabellen verdeutlichen das Wachstum des brit. Handels in den letzten 50 Jahren (in Pfd. St.):
Jahre | Einfuhr | Ausfuhr |
---|---|---|
1841-50 | 83000000 | 75000000 |
1861-70 | 270000000 | 213000000 |
1871-80 | 371000000 | 278000000 |
1885 | 370967955 | 271474303 |
1891 | 435441264 | 309113718 |
1892 | 423892178 | 291460644 |
Von den Ausfuhrwerten des J. 1892 kommen 227,06 Mill. auf brit., 64,40 Mill. Pfd. St. auf ausländische und koloniale Erzeugnisse. Seit 1853 hat der auswärtige Handel sich verfünffacht: 90,9 Proz. kommen auf England und Wales, 7,7 auf Schottland, 1,4 auf Irland. Auf den Kopf der Bevölkerung entfallen (1892) durchschnittlich 11 Pfd. St. 10 Shill. 5 Pence von der Einfuhr, 19 Pfd. St. 14 Shill. von der Ausfuhr.
Die folgende Übersicht zeigt die Einfuhr und Ausfuhr der wichtigsten Warengruppen, wobei in der Ausfuhr nur die inländischen Erzeugnisse berücksichtigt sind:
Einfuhr | Wert in Pfd. St. | Ausfuhr | Wert in Pfd. St. |
---|---|---|---|
Schlachtvieh | 9360715 | Schlachtvieh | 696540 |
Nahrungsmittel1 | 149115912 | Nahrungsmittel | 10427066 |
Nahrungsmittel2 | 26411286 | Rohstoffe | 19328935 |
Tabak | 3574194 | Garne u. Gewebe | 100065975 |
Metalle | 21093537 | Metalle u. Metallwaren | 33057739 |
Chemikalien, Farben u. s. w. | 7707390 | Maschinen | 14798716 |
Öle | 7076035 | Kleidungsstücke u. s. w. | 10419142 |
Rohstoffe zur Weberei | 77631573 | Chemikalien und Arzneimittel | 8587506 |
Andere Rohstoffe | 40977063 | ||
Fabrikate | 65440678 | Andere Fabrikate und Halbfabrikate | 28676725 |
Verschiedene Waren | 14968552 | ||
Postpakete | 535243 | Postpakete | 1001880 |
^[Additionslinie]
Zusammen | 423892178 | Zusammen | 227060224 |
---|---|---|---|
1Zollfrei. 2Zollpflichtig.
In der Einfuhr stehen also Nahrungsmittel, in der Ausfuhr die Erzeugnisse der Textil- und der Eisenindustrie obenan. Von Nahrungsmitteln wurden (1892) 8391808 t Getreide und Mehl im Werte von 58,17 Mill. Pfd. St. eingeführt, und zwar kamen von Weizen 1693 Mill. kg aus den Vereinigten Staaten, 721 aus Indien, 253 aus Rußland; ferner aus Canada, Chile, Australien, Rumänien und der Türkei. Thee (108552000 kg, 9,46 Mill. Pfd. St.) kommt zu 25 Proz. von China und Hongkong, zu 45 Proz. von Indien, zu 25 Proz. von Ceylon. Wichtig sind ferner Kartoffeln, Reis, Speck und Schinken, Fische, Zucker roh und raffiniert (19,77 Mill. Pfd. St.), Butter und Margarine (15,67), Käse, Vieh lebend (9,36) und Fleisch gefroren, Fleisch (22,35), Eier (1139 Mill. Stück für 3,79 Mill. Pfd. St.), Spirituosen, Wein und Früchte.
Andere wichtige Einfuhrartikel sind noch: Holz (für 17,18 Mill. Pfd. St.), Seidenwaren (11,28), Flachs, Hede und Jute (9,02), Leder (6,39 Mill. Pfd).
Die Textilindustrie lieferte 1892 für die Ausfuhr: Baumwollwaren im Werte von 56,26 Mill. Pfd. St., gegen 60,08 im J. 1890, Baumwollgarn für 9,69 (12,34), Wollwaren für 17,90 (20,41), Wollgarn für 4,05 (4,08), Leinenfabrikate für 5,16 (5,71), Leinengarn für 0,88 (0,86), Jutefabrikate für 2,56 (2,62), Jutegarn für 4,84 (5,03), Seidengarne und Gewebe für 1,65 (2,22), Kleidungsstücke für 4,84 (5,03) Mill. Pfd. St. Im ganzen zeigt sich ein Rückgang. 1890 wurden Erzeugnisse der Textilindustrie für 112,447,
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1891 für 105,996, 1892 für 100,065 Mill. Pfd. St. ausgeführt.
Die einzelnen Gattungen der ausgeführten Erzeugnisse der Eisenindustrie sind: Roheisen und Puddeleisen für 1,97 (gegen 3,49 im J. 1890), Stäbe, Bolzen u. s. w. für 1,14 (1,65), Eisen für Eisenbahnen für 2,24 (5,98), Eisendraht für 0,79 (1,08), verzinnte Platten für 5,33 (6,36), Ringe und Platten für 3,34 (3,84), Guß- und Walzeisen aller Art für 4,36 (5,96), Stahl roh und bearbeitet für 2,23 (2,67) Mill. Pfd. St. An Kurz- und Messerschmiedewaren kamen für 2,2 (1890: 2,76), Kupfer für 3,76 (4,55), an Maschinen für 14,79 (16,41) Mill. Pfd. St. zur Ausfuhr. Die Gesamtausfuhr von Metallen und Metallwaren betrug (1892) 33,057 Mill. Pfd. St.
Die Durchfuhr hatte 1887 einen Wert von 9,99, 1890 von 9,77, 1891 von 9,92 Mill. Pfd. St.
Während des ersten Halbjahrs 1893 betrug die Einfuhr 197676219, die Ausfuhr brit. Erzeugnisse 107477940, die ausländischer und kolonialer Erzeugnisse 32806667, zusammen 140284607 Pfd. St.
Folgende Tabelle zeigt den Anteil der brit. Kolonien und der wichtigsten ausländischen Staaten an der Einfuhr und Ausfuhr für die J. 1891 und 1892 in Mill. Pfd. St.:
Länder | Einfuhr 1891 | 1892 | Ausfuhr 1891 | 1892 |
---|---|---|---|---|
Indien | 32,23 | 32,25 | 31,17 | 30,18 |
Australien | 31,26 | 30,44 | 25,50 | 19,30 |
Britisch-Nordamerika | 12,60 | 14,65 | 7,24 | 7,42 |
Britisch-Südafrika | 6,25 | 5,69 | 7,9 | 8,44 |
Straits-Settlements | 5,35 | 4,86 | 2,46 | 2,09 |
Hongkong | 1,10 | 0,83 | 2,53 | 1,79 |
Britisch-Westindien | 1,55 | 1,95 | 2,21 | 2,17 |
Ceylon | 4,16 | 3,96 | 1,01 | 0,94 |
Britisch-Guayana | 0,88 | 0,94 | 0,69 | 0,75 |
Kanal-Inseln | 1,20 | 1,17 | 0,75 | 0,77 |
Britisch-Westafrika | 1,77 | 1,85 | 1,67 | 1,43 |
Malta | 0,12 | 0,10 | 0,89 | 0,77 |
Mauritius | 0,26 | 0,23 | 0,25 | 0,24 |
Andere brit. Besitzungen | 0,66 | 0,75 | 1,56 | 1,89 |
Verein. Staaten v. Amerika | 104,40 | 108,10 | 27,54 | 26,42 |
Frankreich | 44,77 | 43,50 | 16,42 | 14,70 |
Deutschland | 27,03 | 25,71 | 18,84 | 17,64 |
Niederlande | 27,30 | 28,81 | 9,46 | 8,84 |
Belgien | 17,25 | 16,99 | 7,37 | 6,93 |
Rußland | 24,11 | 15,10 | 5,40 | 5,35 |
Spanien | 10,52 | 11,24 | 4,97 | 4,81 |
China | 4,73 | 3,59 | 6,45 | 5,77 |
Brasilien | 4,24 | 3,50 | 8,29 | 7,90 |
Italien | 3,41 | 3,28 | 6,29 | 5,57 |
Ägypten | 10,65 | 10,52 | 3,78 | 3,19 |
Schweden | 8,50 | 8,22 | 2,98 | 2,86 |
Türkei | 5,44 | 6,56 | 6,55 | 6,20 |
Argentinien | 3,45 | 4,53 | 4,24 | 5,64 |
Dänemark | 7,93 | 8,40 | 2,61 | 2,61 |
Portugal | 2,95 | 3,43 | 2,01 | 1,39 |
Rumänien | 5,03 | 2,97 | 1,67 | 1,33 |
Chile und Bolivia | 3,71 | 3,87 | 2,00 | 3,73 |
Japan | 1,15 | 0,80 | 2,88 | 2,93 |
Norwegen | 3,36 | 3,57 | 1,90 | 1,70 |
Java | 1,90 | 1,55 | 2,20 | 2,16 |
Griechenland | 2,16 | 1,82 | 1,12 | 0,92 |
Österreich-Ungarn | 1,46 | 1,23 | 1,22 | 1,14 |
Peru | 0,96 | 1,57 | 1,03 | 0,77 |
Centralamerika | 1,40 | 1,29 | 1,14 | 2,85 |
Die Gesamteinfuhr aus brit. Besitzungen betrug (1891) 99,46, (1892) 97,81, die Gesamtausfuhr 85,95 und 74,58 Mill. Pfd. St.; mit den fremden Staaten erreichte die erstere 335,97 und 325,99, die letztere 161,27 und 152,47 Mill. Pfd. St. An Gold wurden außerdem 1888: 15,78, 1892: 21,47 eingeführt, 14,94 und 14,83 Mill. Pfd. St. ausgeführt;
für Silber lauten die Ziffern 6,21 und 10,74 in der Einfuhr, 7,71 und 14,07 Mill. Pfd. St. in der Ausfuhr.
Der Handel mit Deutschland betrug (ohne Gold und Silber in Barren) in der Einfuhr 1891: 27094891, 1892: 25719715 Pfd. St., in der Ausfuhr 18804329 und 17640662 Pfd. St. -
Die wichtigsten Waren dieses Handelsverkehrs sind auf der Tabelle (S. 409) aufgeführt.
Zur Beförderung von Industrie und Handel bestehen die Chambers of Commerce oder Handelskammern in allen größern Städten. Sie geben jährliche, halb- und vierteljährliche Berichte heraus und senden dieselben dem Board of Trade oder Handelsamte zu. Die älteste (1783) Handelskammer hat Glasgow; die von Edinburgh geht bis auf 1785 zurück. 1866 vereinigten sich alle Kammern zu der Association of Chambers of Commerce. Die wichtigsten sind gegenwärtig die zu London und Manchester.
Erstere errichtete 1892 ein Schiedsgericht, Tribunal of Commerce, ernannte 800 Sachverständige, die einzeln einfache Streitfälle, verwickelte im Kollegium von fünf, oft unter Zuziehung von zwei Juristen, endgültig entscheiden können. Die Chamber of Shipping in London vertritt die Interessen der 25 Shipping Associations des Vereinigten Königreichs. Ihre Hauptthätigkeit besteht in der Überwachung der dem Parlament bez. Seehandel zugehenden Gesetze. Das Wirken dieser Kammer zeigt sich besonders in der Verringerung der Seefrachten, der Verringerung der Lotsenkosten im Londoner Hafen u. s. w. Für den Schutz und die Gewährung von Patenten besteht das Patent Office in London. Bewilligt waren von 1877 bis 1886: 169478 Patente; 1892 wurden 24171 Patentgesuche eingereicht und 11164 Patente gewährt. Der Schutz gilt auf 14 Jahre, doch ist Verlängerung möglich.
Bank- und Geldwesen. An der Spitze der brit. Banken und des Bankwesens überhaupt steht die Bank of England (s. d.). Sie ist 1694 gegründet und das erste derartige Unternehmen großen Stils. Die zweite Joint Stock Bank war die London and Westminster Bank (1834) mit einem Kapital von 2800000 und einer Reserve von 1655620 Pfd. St.; 1837 folgte die London Joint Stock Bank mit 1800000 Pfd. St. Kapital und 1163315 Pfd. St. Reserve, 1836 die London and County Bank (2 und 1 Mill. Pfd. St.); und von da ab vermehrten sich diese Banken in steter Anzahl.
Die genannten sowie die Mehrzahl sind Limited Companies, d. h. haben beschränkte Haftpflicht. Sie dürfen keine Banknoten verausgaben. Außer diesen bestehen noch zahlreiche Privatbanken in London, darunter N. M. Rothschild & Söhne sowie Baring Brothers & Comp. Die provinzialen Joint Stock Banks haben zum Teil das Recht der Emission von Banknoten, jedoch nicht unter 5 Pfd. St. Der Totalbetrag der Noten der privilegierten provinzialen Joint Stock Banks und Privatbanken ist gesetzlich auf 6 Mill. Pfd. St. festgestellt. In Wirklichkeit aber haben sie einen mäßigen Gebrauch von dieser Vergünstigung gemacht und Banknoten nur in der Höhe von 3500000 Pfd. St. verausgabt. Diese Papiere sind gesetzlich in Bank of England's Notes zahlbar, wodurch die provinzialen Joint Stock Banks nicht zur Haltung großer Goldreserven verpflichtet sind. 96 Provinzialbanken (einschließlich Privatbanken) hatten das Emissionsrecht von Noten. Neu gegründeten und zu gründenden Banken wird dieses Privileg der Emission von Papiergeld nicht mehr gewährt. Die Londoner und provinzialen Joint
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Einfuhr | Wert in Pfd. St. 1891 | 1892 | Ausfuhr | Wert in Pfd. St. 1891 | 1892 |
---|---|---|---|---|---|
Zucker | 9517563 | 9522725 | Wollene Garne und Zeuge | 2721630 | 2873698 |
Wolle und Wollzeuge | 1407479 | 979025 | Kohlen | 2241948 | 1819006 |
Hölzer | 1223644 | 950000 | Metall- und Eisenwaren | 1828776 | 1143098 |
Getreide | 835676 | 228965 | Baumwollgarne | 1595364 | 1427422 |
Blei, Zink u. s. w. | 810504 | 934021 | Maschinen | 1578761 | 1425959 |
Eier | 782094 | 827295 | Baumwollzeuge | 1097126 | 1031607 |
Papier | 739762 | 672888 | Wollene Garne, roh | 934375 | 2021122 |
Fensterglas | 622151 | 564381 | Fische | 913121 | 819563 |
Butter | 615791 | 713859 | Leinen | 524613 | 413457 |
Nahrungsmittel | 603997 | 650091 | Öle | 508690 | 457306 |
Musikinstrumente | 554604 | 538610 | Leder und Häute | 414545 | 231588 |
Flachs, Hanf u. s. w. | 432063 | 408395 | Künstlicher Dünger | 400202 | 392855 |
Häute und Leder | 389764 | 280560 | Kaffee | 388254 | 579295 |
Chemikalien | 371899 | 400000 | Jute | 336082 | 264415 |
Silbererze | 359128 | 183019 | Chemikalien | 306252 | 443127 |
Baumwollzeuge | 328515 | 285000 | Kautschuk | 185089 | 188725 |
Mehl und Stärke | 250360 | 287000 | Seide und Pelze | 150405 | 107191 |
Porzellan | 246907 | 237196 | Farben | 110081 | 84549 |
Sämereien | 239925 | 267493 | Tuche | 83855 | 26330 |
Wein, Bier, Branntwein | 176000 | 178200 | Papier-maché u. s. w. | 82990 | 73807 |
Obst | 155229 | 157200 | Säcke und Koffer | 69591 | 49744 |
Borsten | 140221 | 80047 | Lebende Tiere | 63822 | 65302 |
Lebende Tiere | 135169 | 136996 | Zucker | 26262 | 28721 |
Stock Banks haben ein Gesamtkapital und -Reserve von 150 Mill. Pfd. St.
In Schottland giebt es keine Privatbanken, sondern nur Joint Stock Banks. Diese haben das Recht Banknoten zu verausgaben. Die geringste schott. Banknote ist die 1 Pfd. St.-Note. - Die älteste Bank ist die 1695 durch Parlamentsbeschluß begründete Bank of Scotland. Das eingezahlte Kapital beträgt 1250000 Pfd. St. 1727 wurde die Royal Bank of Scotland durch königl. Beschluß ins Leben gerufen. Das eingezahlte Kapital beläuft sich auf 2 Mill. Pfd. St. Ihr zur Seite tritt die 1746 begründete British Linen Company mit 1 Mill. Pfd. St. Kapital.
Diese drei haben beschränkte Haftpflicht. Im ganzen giebt es in Schottland nur 10 Banken. Jede hat aber eine Anzahl Filialen. Von den engl. Banken unterscheiden sie sich dadurch, daß die Umwechselung der Banknoten in Gold nur im Hauptgeschäft verlangt werden kann, wodurch der Reservefonds der Filialen bloß in dem von der Bank selbst verausgabten Papier zu bestehen braucht. Jede Bank hat im Hauptgeschäft nach dem Gesetz eine Goldreserve in Höhe der cirkulierenden Banknoten vorrätig zu halten. Die gesetzliche Grenze des zu verausgabenden Papiergeldes ist für alle 10 Banken nur 2676350 Pfd. St. In Wirklichkeit sind aber Banknoten zum Betrage von 5850000 Pfd. St. im Umlauf. Das eingezahlte Kapital aller schott. Banken beträgt 9 Mill., während die Einlagen sich über 80 Mill. Pfd. St. belaufen. Das Gesetz von 1845 untersagt neu gegründeten Banken die Ausgabe von Banknoten.
In Irland wurde 1783 die National Bank of Ireland gegründet. Ihr eingezahltes Kapital ist 2769230 Pfd. St. Die Reserve beträgt 1034000 Pfd. St. Neun Joint Stock Banks und eine Menge Privatbanken mit vielen Filialen treten der Nationalbank zur Seite. Einige haben das Recht der Emission von Banknoten. Nach dem Gesetz sind aber die Filialen der betreffenden Banken gezwungen, dieselben gegen Gold umzutauschen, bez. den Betrag in der Landesmünze zu zahlen, falls solches verlangt wird. Hierdurch sind die Filialen der irländ. Banken gezwungen, eine Goldreserve zu halten. Der Gesamtwert der Banknoten in Umlauf wird auf 5 ¾ Mill. Pfd. St. angegeben. Die gesetzliche Grenze für alle zur Emission berechtigten Banken ist auf 6354494 Pfd. St. festgesetzt. Das Totalkapital der Joint Stock Banks beläuft sich auf 6901996 Pfd. St. Sechs dieser Banken geben Banknoten aus. Die Einlagen oder Deposits betrugen 1886: 33311392 Pfd. St.
In ganz Großbritannien u. I. bestehen 190 Joint Stock Banks (ohne Filialen). In Verbindung mit dem Bankwesen, besonders demjenigen Londons, steht die großartige Abrechnungsstelle des Clearing-House (s. d.).
Aktiengesellschaften wurden 1890 nicht weniger als 2789 eingetragen, die (wenigstens nominell) ein Aktienkapital von 231759472 Pfd. St. darstellten. Seitdem die Akte der beschränkten Haftbarkeit 1862 gesetzliche Geltung erlangt hat, sind 34809 Aktiengesellschaften mit einem Nominalkapital von 3979379483 Pfd. St. gegründet worden, von denen freilich viele nicht mehr bestehen. (S. Aktie und Aktiengesellschaft, Bd. 1, S. 293.) Das Versicherungswesen ist in allen seinen Zweigen zu seiner höchsten Blüte gelangt. Allein bei der Lebensversicherung betrug das versicherte Gesamtkapital 1860 3400 und 1890 11015,6 Mill. M.
Münzen, Maß und Gewicht. Großbritannien u. I. hat Goldwährung, auch Britisch-Indien bereitet den Übergang zu derselben seit Juni 1893 vor. Das Pfund Sterling hat 20 Shilling, 1 Shilling hat 12 Pence. Das Handelsgewicht heißt Avoirdupois (s. d.), das für Edelmetalle Troygewicht (s. d.), das für Getreide Bushel (s. d.). Längenmaße sind die Meile (1609 m) mit 1760 Yards, 5280 Feet (s. Fuß) und 63360 Inches. Die Square Mile hat 2,58 qkm oder 600 Acres; 1 Acre hat 0,405 ha. Einheit für Hohlmaße ist der Gallon (s. d.).
Verkehrswesen. Landstraßen. Die Straßen bilden kein einheitliches Netz wie in den meisten europ. Staaten; die alten «Römerstraßen» bilden die Grundlage der gegenwärtigen Verkehrswege. Jede größere Stadt in Großbritannien hat ihre «London Road», d. h. Chaussee nach London. Zwei Systeme, falls man von dem neuerdings vielfach angewandten Systeme des Thomas Hughe absieht, sind hauptsächlich beim Bau der Landstraßen angewandt, das von Telford und Mae Adam (s. Macadamisieren). Telfords berühmtes Werk ist die bekannte «Glasgow-Carlisle-Holyhead Road». Sein System ist für den schweren Verkehr wohl das beste, da die erste Lage ein künstliches Fundament von Steinen bildet und so
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die Straße sehr widerstandsfähig macht. Mac Adam, der große Restaurator der engl. Landstraßen, sah von einem solchen künstlichen Fundament ganz ab.
Die Schlagbäume (Turnpikes) sind in dem Vereinigten Königreich beinahe gänzlich gefallen und der King's Highway ist von allen hemmenden Verkehrsfesseln befreit. Die Landstraßen, welche in England dem County Council, in Schottland und Irland den zuständigen Gemeindebehörden unterstehen und zu den besten Europas gehören, umfaßten (1890) 160000 engl. Meilen, davon in Schottland 4500, in Irland und auf den Kanalinseln etwa 4766 engl. Meilen.
Seeschiffahrt. Die Handelsflotte ist bei weitem die größte der Welt. Die Tonnenzahl der zum Vereinigten Königreich allein (ausschließlich der Kolonien) gehörenden Schiffe beträgt mehr als das Sechsfache der Tonnenzahl der deutschen Handelsflotte und fast das Achtfache der Tonnenzahl der franz. Flotte sowie der der Vereinigten Staaten von Amerika. Wenn man nur Fahrzeuge von 100 t und mehr rechnet, beträgt die unter brit. Flagge befindliche Tonnenzahl (die den Kolonien gehörenden Fahrzeuge eingeschlossen) 1892: 12 ½ Mill. t, d. i. etwa die Hälfte der Gesamtsumme der Tonnenzahl der Handelsschiffe der Welt.
Während die Zahl der Schiffe langsam abnimmt, steigt der Tonnengehalt rasch an. Seit 1860 hat sich die jene um 5767 vermindert, dieser um 2,805 Mill. vermehrt. Die brit. Handelsflotte betrug (1891) 13823 Segler mit 2,97 und 7720 Dampfer mit 5,30 Mill. t; davon waren 8675 Segler mit 36714 Mann Besatzung und 2211 Dampfer (ohne die Flußdampfer) mit 25107 Mann Besatzung ausschließlich im einheimischen Handel, d. i. in den Häfen zwischen Elbe und Brest, 2127 Segler mit 42679 Mann und 3632 Dampfer mit 129015 Mann ausschließlich im überseeischen Handel beschäftigt. Neugebaut und registriert wurden (1891) 308 Segler und 622 Dampfer. Im auswärtigen Handel liefen (1891) 61380 Fahrzeuge mit 36859000 t in brit. Häfen ein und 62202 mit 37954000 t aus. Am Gesamtverkehr (ein- und auslaufende Schiffe) waren nichtbrit. Flaggen mit 20855000 t beteiligt. Der Anteil der wichtigsten Staaten war folgender:
Staaten | t |
---|---|
Norwegen | 5045538 |
Deutschland | 4400479 |
Holland | 1943854 |
Dänemark | 1889871 |
Frankreich | 1851100 |
Schweden | 1762705 |
Spanien | 1233323 |
Belgien | 952263 |
Rußland | 503788 |
Italien | 476722 |
Ver. St. v. Amerika | 306044 |
Österreich-Ungarn | 133941 |
Die wichtigsten Seehäfen und ihren Anteil am Schiffsverkehr in Tonnen (ohne die starke Küstenschiffahrt) zeigt folgende Übersicht:
Häfen | 1000 t |
---|---|
London | 13425 |
Liverpool | 11087 |
Cardiff | 9386 |
Newcastle | 5283 |
Hull | 3813 |
North- and South-Shields | 3592 |
Glasgow | 2657 |
Newport | 1837 |
Southampton | 1751 |
Sunderland | 1716 |
Leith | 1445 |
Swansea | 1369 |
Great-Grimsby | 1356 |
Middlesbrough | 1349 |
Grangemouth | 1888 |
Bristol | 830 |
Hartlepool | 771 |
Greenock | 438 |
Dundee | 403 |
Belfast | 243 |
Cork | 131 |
Im Küstenverkehr liefen 1891 in sämtlichen Häfen 310770 Fahrzeuge mit 48,83 Mill. t ein und 278600 mit 43,18 Mill. t aus. Großartig ist der regelmäßige Dampferverkehr nach allen Teilen der Erde entwickelt. Über den Schiffbau s. oben S. 406 a.
Die Kanalbauten wurden erst durch die Akte von 1755 begründet, infolge deren der Sankey-Brookkanal begonnen ward, dem der Bridgewaterkanal folgte. Die Kanäle sind mit wenigen Ausnahmen (Caledonischer Kanal) auf Privatkosten erbaut, und etwa ein Drittel derselben befindet sich jetzt in der Hand der Eisenbahngesellschaften. Ihre Länge betrug (1888) in England und Wales 4907, in Schottland 264, in Irland 979 km. (S. die Einzelartikel.) Auf diesen Wasserstraßen wurden insgesamt 36,30 Mill. t Waren und Güter befördert.
Die Vollendung des Manchester-Schiffskanals wird Manchester thatsächlich in einen Seehafen verwandeln und der Plan ist aufgetaucht, Leeds und Sheffield eine ähnliche Stellung zu verschaffen entweder mittels Kanälen oder Schiffseisenbahnen. Viele Schiffe gehen jährlich durch Sturm oder andere Unfälle zu Grunde. 1887 betrug der Verlust brit. Fahrzeuge 500 mit 198186 t; 1888 Personen verloren dabei ihr Leben. Zur Hilfsleistung bei Schiffbrüchen an der engl. Küste unterhielt die Rettungsgesellschaft (National Lifeboat Institution) 293 Rettungsbote und Raketenapparate und 243 Stationen. Seit ihrer Gründung von 1824 bis 1889 hat sie 34043 Leben gerettet. Die Zahl der Leuchttürme, der Leuchtschiffe und Leuchtfeuer, Hafenlichter u. s. w. betrug (1892) 880.
Über die Eisenbahnen s. Großbritannische Eisenbahnen.
Post und Telegraph. Das Post- und Telegraphenwesen ist großartig entwickelt. 1879 wurden im Vereinigten Königreich 1097, 1892: 1767 Mill. Briefe befördert, d. i. 47 Briefe auf den Kopf der Bevölkerung. Postkarten wurden 214,6, Buchpakete 495,3, Zeitungen 162,8 und Pakete 49,4 Mill. gezählt. Die Geldanweisungen (Money Orders) erreichten die Höhe von 10,34 Mill. Stück mit einem Betrag von 28,42 Mill. Pfd. St., die Zahl der Postal Orders (eine Art Papiergeld, das von der Post verausgabt wird) betrug 52,65 Mill. Stück, der Wert derselben 20,56 Mill. Pfd. St. Die Zahl der Postämter betrug (März 1892) 19101. Unter den 68230 dauernd angestellten Beamten waren 9642, unter den 57532 provisorisch Angestellten 16268 weibliche Beamte. Die Gesamteinnahmen betrugen 10,19, die Ausgaben 7,14, der Überschuß also 3,64 Mill. Pfd. St.
Mit der Post verbunden sind die Postsparkassen (seit 1861). (Sie verzinsen mit 2 ½ Proz. Einzahlungen, die jährlich 30 Pfd. St., im ganzen 150 Pfd. St. betragen dürfen, vermitteln den An- und Verkauf garantierter Staatspapiere, wie engl. Consols, und gewähren Annuitäten und Lebensversicherung bis zur Höhe von 100 Pfd. St. 1891 hatten 5118395 Personen an 10063 Bureaus 22993050 Pfd. St. eingezahlt, 19019855 Pfd. St. abgehoben; das Gesamtkapital betrug 71608000 Pfd. St.
Die Telegraphen sind seit 1870 in den Besitz des Staats übergegangen. Sie ergeben nur einen nominellen Gewinn (1892: 1149 Pfd. St.). Die Länge der Linien betrug (1892) 53183, die der Drähte (einschließlich 36390 km Privatdrähte, aber ohne die Drähte der Eisenbahngesellschaften) 325478 km. Es bestanden 7976 Bureaus, einschließlich der 1747 Eisenbahnbureaus. In England und Wales
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wurden 58, in Schottland 7, in Irland 3 Mill. Depeschen aufgegeben. Irland ist durch fünf unterseeische Telegraphenkabel mit Amerika verbunden, zwei ebensolche Kabel führen von Dover nach Frankreich, ein anderes nach dem Haag, zwei nach der Küste von Hannover, eins nach Dänemark und eins nach Norwegen. Im ganzen haben die submarinen Telegraphencompagnien 213330 km, Drähte gelegt; zu diesen Kabeln gehören auch Falmouth-Vigo-Lissabon und Kap Lizard-Bilbao.
Fernsprechwesen. Das Fernsprechwesen des Vereinigten Königreichs ist seit 1880 gleich dem Telegraphenwesen durch richterliche Entscheidung Monopol der Post Office, die jedoch Privatgesellschaften gegen eine Abgabe von einem Zehntel der Roheinnahme das Recht der Anlage und Ausbeutung erlaubt. Wiewohl das Fernsprechwesen in Großbritannien nicht so ausgedehnt entwickelt ist wie in Deutschland, Schweden, den Vereinigten Staaten u. s. w., da das Klima und manche andere Verhältnisse einen schnellen Fortschritt verhindern, sind doch die Ergebnisse im ganzen zufriedenstellend.
London hat fast mit allen größern Städten, z. B. Birmingham, Bradford, Liverpool, Manchester Fernsprechverbindung. Eine der längsten Verbindungen ist die im März 1891 zwischen London und Paris eröffnete Fernsprechlinie. In London hat die Post Office 4900 Abonnenten mit 5150 Apparaten, 550 Trunk Wires (Hauptleitungsdrähte) und 21 Exchanges (Wechsel- oder Übergangsleitungen). Von den Privatgesellschaften ist die bedeutendste die National Telephon Company, die 500 Wechsel- oder Übergangsstationen, 1247 Sprechstellen (Call Offices), 49561 Wechsel- oder Übergangsdrähte, 9470 private Leitungen, insgesamt 59031 Leitungsdrähte besaß.
Rohrpost. Die erste Rohrpost wurde in London 1853 zwischen der Börse (Stock Exchange) und der Internationalen Telegraphen-Compagnie zur Beförderung von Telegrammen eingerichtet und 1858 von Varley verbessert. Jetzt bestehen Rohrposten (Pneumatic Dispatches) zwischen der General Post Office in London und den Ämtern der Innenstadt; dieselben dienen jedoch nur dem innern dienstlichen Verkehr der Postämter untereinander. In den größern Provinzialstädten des Vereinigten Königreichs bestehen ähnliche Einrichtungen. 1887 hatte London 81 Leitungen von 34 engl. Meilen Länge mit 4 Dampfmaschinen (50 Pferdestärken), das Vereinigte Königreich 128 Leitungen von 46 engl. Meilen Länge mit 15 Dampfmaschinen (379 Pferdestärken).
Verfassung. Das Vereinigte Königreich Großbritannien u. I. ist aus der völligen Vereinigung von Schottland mit England (durch die Unionsakte vom und von Irland mit den beiden unierten Königreichen entstanden und ist eine erbliche, konstitutionelle, beschränkte Monarchie, deren Thron seit 1714 die jüngere Linie des Welfen- oder Braunschweig-Lüneburgischen Hauses innehat. Die Krone geht auf den Thronfolger unmittelbar über, ohne daß eine Anerkennung von seiten des Parlaments oder eine Krönung vorherzugehen braucht; gewöhnlich erfolgt letztere aber später in der Westminsterabtei zu London durch den Erzbischof von Canterbury, ebenso ein sofortiges Ausrufen in der Hauptstadt.
Eine eigentliche Verfassungsurkunde existiert nicht. Ein langer geschichtlicher Entwicklungsprozeß (s. Englische Verfassung) hat die Befugnisse des Königs, des Parlaments, der Reichsbehörden, der lokalen Behörden und der Gerichtshöfe geregelt und für die Bethätigung der Rechte des Einzelnen willkürlichen Eingriffen gegenüber prozessuale Behelfe geschaffen. Die Resultate dieses Entwicklungsprozesses sind zum Teil in das ungeschriebene gemeine Recht (s. Common Law) übergegangen und aus den Präjudizien der Gerichtshöfe nachweisbar, teilweise in Gesetzen niedergelegt.
Die Grundlage auf der die Verfassung Großbritanniens beruht, ist die Magna Charta (s. d.), die alle Wirkungen eines Gesetzes hat. Von weitgreifender Bedeutung sind ferner die Bill of Rights (s. d.), die Act of Settlement (s. d.) und die beiden Habeas-Corpus-Akte (s. d.). Formell stehen diese Gesetze und die gemeinrechtlichen staatsrechtlichen Grundsätze den andern Teilen des Rechts vollkommen gleich, und sie können stets ohne weiteres widerrufen und abgeändert werden; ihr Hauptinhalt ist aber fest in das Volksbewußtsein eingewurzelt.
Andere Grundsätze derselben Art sind z. B. die, daß das Parlament jedes Jahr tagen muß, und daß das Ministerium aus Mitgliedern der Partei gebildet werden muß, welche im House of Commons in der Majorität ist. In der Praxis werden sie ebenso beobachtet wie die eigentlichen Rechtssätze; nur kann ihre Verletzung nicht auf dem Rechtswege verhindert oder bestraft werden. Daß jeder zu Recht bestehende Teil der Verfassung unter dem Schutze der ordentlichen Gerichte steht, daß diesen Gerichten gegenüber auch der Befehl eines Vorgesetzten in der Regel nicht entschuldigt - dieser Umstand kennzeichnet das engl. Staatsleben und wird bei der zunehmenden Decentralisierung und Demokratisierung noch eine große Rolle zu spielen berufen sein.
Die Obergerichte können durch Gebot oder Verbot unmittelbar in das Verfahren der Verwaltungsbehörden eingreifen und gegen Pflichtverletzungen der Beamten nicht nur strafrechtliche, sondern auch civilrechtliche Abhilfe schaffen. Es giebt kein besonderes Disciplinarverfahren gegen Beamte und kein besonderes Verwaltungsgericht; selbst die Entscheidungen der bischöfl. Gerichte über Klagen gegen Geistliche wegen Verletzung der Vorschriften über Ritus oder Lehre gehen in letzter Instanz an einen weltlichen Gerichtshof; und auch die Militärgerichtsbarkeit greift nicht in die Gerichtsbarkeit der ordentlichen Gerichte ein.
Die einzelnen Glieder des Staatsorganismus sind die folgenden:
1) Der König. Die Krone ist im Hause Braunschweig-Lüneburg erblich in männlicher und weiblicher Linie nach dem Recht der Erstgeburt, in strenger Linealordnung, sodaß das weibliche Geschlecht in der ältern Linie den männlichen Verwandten der jüngern Linie vorgeht, aber unter Geschwistern immer die Söhne zuerst zur Thronfolge gelangen. Nach der Theorie ist ein König überhaupt nie minderjährig; es werden daher in den einzelnen Fällen besondere Bestimmungen getroffen. Für den Fall von Geisteskrankheit bestehen ebenfalls keine Bestimmungen. Bei der Erkrankung Georgs III. fand man den Ausweg, daß die beiden Häuser den Lord High Chancellor ermächtigten, statt des Königs die Genehmigung zu einem Regentschaftsgesetz zu geben.
Der König muß der engl. Landeskirche angehören. Der Satz, daß der König kein Unrecht thun kann, bedeutet, daß der König weder strafrechtlich noch civilrechtlich für widerrechtliche Handlungen haftet, und daß keine Regierungshandlung, welche nach
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rechtlichen Normen vorgenommen werden muß, vom König allein vollzogen werden kann. Nur die Ernennung einzelner Minister geschieht durch persönliche Überreichung der Amtssiegel, sonst muß sich bei jeder Regierungshandlung ein Beamter beteiligen. Fehlt die Beteiligung, so ist die Handlung ungültig. Ein Beamter, der sich bei einer rechtswidrigen Handlung des Königs beteiligt, haftet für alle Folgen. Der König nimmt Anteil an der Regierung a. im Parlament (The King in Parliament) durch Genehmigung der ihm vorgelegten Gesetzentwürfe (s. Bill); diese ist seit 1707 nie versagt worden.
Ferner eröffnet und schließt er das Parlament und kann dasselbe auflösen. b. Auf vielen Gebieten wird ihm durch das Gesetz ein Verordnungsrecht durch «Order in Council» überlassen. Die Verordnungen werden in einer Sitzung des Privy Council (s. d.), bei welcher der Minister, zu dessen Ressort die Verordnung gehört, zugegen ist, erlassen. Alle anwesenden Mitglieder des Privy Council gelten als beteiligt und haften für die Folgen. Bei solchen Gelegenheiten spricht man vom King in Council. c. Andere Erlasse können ohne Zuziehung des Kabinettsrats ergehen. Bei denselben äußert sich der königl. Wille entweder durch Urkunden, welche nur der Unterschrift (Sign manual) bedürfen und von dem zuständigen Minister gegengezeichnet werden, oder durch Abdruck des Großsiegels (Great Seal), also unter Verantwortlichkeit des Lord High Chancellor, dem dieses Siegel anvertraut ist. Welche Form der Äußerung angewandt wird, entscheiden feststehende Rechtsgrundsätze.
2) Das Parlament besteht aus König, House of Lords (s. Lords, House of) und House of Commons (s. Commons, House of); Vorsitzender des erstern, des Oberhauses, ist der Lord Chancellor (s. d.), Vorsitzender des Unterhauses der Speaker (s. d.). Man wendet den Ausdruck «Parlament» auch auf die augenblickliche Zusammensetzung an. In diesem Sinne sagt man, ein Parlament hört sieben Jahre nach seiner Zusammenkunft auf zu bestehen, wenn es nicht inzwischen aufgelöst worden ist.
Eine Sitzungsperiode (Session) des Parlaments kommt zu Ende infolge Vertagung durch königl. Erlaß (prorogation); doch kann jedes Haus auch selbständig seine Vertagung (adjournment) aussprechen, die sich auf Stunden, Tage oder Wochen erstrecken kann. Nach Beendigung eines adjournment werden alle Geschäfte da aufgenommen, wohin sie vor der Vertagung gelangt waren; bei einer prorogation werden hingegen alle angefangenen Geschäfte hinfällig. Jede neue Session wird durch eine Thronrede eröffnet, die mit Adressen von beiden Häusern beantwortet wird.
Die Adressen geben Gelegenheit zu Debatten über das Programm der Regierung, und wenn die von der Regierung vorgeschlagene Adresse nicht genehmigt wird, muß dieselbe nach einem feststehenden Gebrauch abdanken. Früher löste der Tod des Königs ohne weiteres das Parlament auf; ein Gesetz von 1867 hat diese Regel beseitigt. Die Auflösung erfolgt in der Regel auch ohne besondere Gründe etwas vor Ablauf der gesetzlichen Zeit. Die Gegenwart von Fremden während der Sitzungen ist nicht gestattet, doch sind alle Vorkehrungen für Zulassung des Publikums getroffen; nur ist der Sprecher genötigt, die Galerien räumen zu lassen, wenn ihn ein Mitglied auf die Anwesenheit desselben aufmerksam macht. Es kommt dies nur selten vor.
Das Parlament ist nicht nur eine gesetzgebende und steuerbewilligende Versammlung; beide Häuser haben auch gerichtliche Befugnisse. Sie können ihre eigenen Mitglieder und auch Nichtmitglieder, welche ihre Befehle mißachten, zu Freiheitsstrafen verurteilen. Ferner handelt bei Impeachment (s. d.) das House of Commons im Vorverfahren und das House of Lords im Hauptverfahren als Gerichtshof. In Zivilsachen ist das House of Lords höchste Instanz. Auch die Verhandlung über sog. Private Bills (s. Bill) gleicht mehr dem Verfahren einer gerichtlichen Behörde. In die Verwaltung greift das Parlament ein durch die Einsetzung von Kommissionen zur Untersuchung von Vorgängen bei Regierungsbehörden und, allerdings nur selten, durch Gesuche an den König, welche um die Entlassung solcher Beamten (wie z. B. der Richter) bitten, welche in anderer Weise nicht abgesetzt werden können. Schließlich kann die Regierung jederzeit durch ein Mißtrauensvotum des House of Commons zur Abdankung oder wenigstens zur Auflösung und Ausschreibung von Neuwahlen gezwungen werden.
3) Die Regierung im weitern Sinne bilden diejenigen hohen Staatsbeamten, die in der Regel Mitglieder eines der beiden Häuser sind und abdanken, wenn ihre Partei im House of Commons nicht mehr in der Mehrheit ist (es sei denn, daß das Parlament aufgelöst wird und sich bei der Neuwahl wieder eine Majorität ergiebt). Sie werden als Minister bezeichnet; ein jeder, der mit einer wichtigen Maßregel aus principiellen Gründen nicht einverstanden ist, muß nach einem eingebürgerten Brauch abdanken. In diesem weitern Sinne besteht das Ministerium aus 55 Mitgliedern.
Unmittelbar an der Beratung über die Regierungspolitik beteiligt ist indessen nur ein kleiner Teil, bestehend aus den höchsten Beamten, welche unter dem Namen Cabinet (s. d.) zusammengefaßt werden und regelmäßige Sitzungen (Cabinet Councils) abhalten. Es hängt in gewissem Maße von dem Gutdünken des Prime Minister ab, wen er zum Cabinet zuzieht. Immer werden hinzugezogen: der Lord High Chancellor für Großbritannien, der erste Lord des Schatzamtes, die fünf Staatssekretäre, der Kanzler der Staatskasse, der Präsident des Privy Council, der erste Lord der Admiralität;
gewöhnlich noch 2-6 andere Mitglieder, die eins der folgenden Ämter bekleiden: Lord Chancellor für Irland, Lord Lieutenant (s. d.) für Irland, Hauptsekretär für Irland, Sekretär für Schottland, Präsident des Handelsamtes, Präsident des Amtes für Lokalverwaltung, Präsident des Amtes für Ackerbau, Vicepräsident der Abteilung für Erziehungswesen, Lord Privy Seal (Inhaber des Privatsiegels) und der Generalpostmeister.
Bei diesen Ämtern hängt es meist von der Persönlichkeit des Inhabers ab, ob er zum Mitglied des Cabinet gemacht wird. Der Erste Minister (Prime Minister) vertritt das Cabinet dem König gegenüber; wenn auch ein einzelner Minister direkt Vortrag erstatten kann, so würde er doch bei wichtigern Fragen stets dem Ersten Minister Kenntnis geben. Das Cabinet ist solidarisch verantwortlich in ähnlichem Sinne wie das Gesamtministerium. Rechtlich verantwortlich ist jeder Minister nur für die Handlungen, bei denen seine amtlichen Befugnisse zur Geltung kommen. Keine Urkunde und keine Handlung wird vom Cabinet als solchem vollzogen. Während das Cabinet thatsächlich die Regierungsgewalt ausübt, ist das
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Privy Council ein nur de jure bestehendes Kollegium. Die verschiedenen Ausschüsse (Committes) des Privy Council sind jetzt alle als Ämter organisiert; sie sind ausführende Behörden. Nur das Cabinet ist eigentlich ein dirigierender Ausschuß des Privy Council. Dieser historisch richtigen Auffassung ist man sich aber jetzt nicht mehr bewußt.
4) Die ausführenden Behörden. Als Mitglieder der Regierung und insbesondere des Cabinet bestimmen die Minister die leitenden Gesichtspunkte der Staatsthätigkeit und geben den Anstoß zu einem Teil der Gesetzgebung; als Inhaber eines Amtes nimmt jeder von ihnen Anteil an dieser Thätigkeit. Die Häupter der Hauptstaatsämter sind aber nicht nur Mitglieder der Regierung; sie haben auch ihre ganze Amtsführung und die principiellen Fragen dem Hause gegenüber, dessen Mitglieder sie sind, in ihrer Eigenschaft als Mitglieder zu erklären und zu vertreten. Auch eine Anzahl der höhern Beamten sind Parlamentsmitglieder. Neben diesen polit. Beamten giebt es in allen Ämtern fest angestellte, fachmännisch ausgebildete Oberbeamte. Diese und sämtliche andern Beamten dürfen überhaupt nicht Parlamentsmitglieder sein. Diese scharfe Scheidung zwischen polit. und nichtpolit. Beamten sichert die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Amtsführung. Unter den Ämtern sind zu erwähnen:
a. Das Schatzamt (Treasury). Für die Zwecke der Parteileitung ist die Organisation des Schatzamtes besonders geeignet, da es eine große Anzahl polit. Beamten, darunter die fünf Beamten besitzt, die kommissarisch das Amt des Lord High Treasurer verwalten (s. Englische Verfassung, Bd. 6, S. 446 b), die sog. Lords of the Treasury. Der Erste Lord ist meistens zugleich Erster Minister, der zweite steht unter dem Titel Chancellor of the Exchequer an der Spitze der Finanzverwaltung, vertritt diese im Cabinet und im House of Commons; unter den drei andern, sog. Junior-Lords, ist meist je ein Engländer, Schottländer und Irländer.
Eine wichtige Persönlichkeit ist der Patronage Secretary, der Decernent für Personalangelegenheiten, zugleich der Haupteinpeitscher (Whip) der Partei, der mit den Mitgliedern derselben im Parlamente zu vermitteln und sie zur Thätigkeit anzuspornen hat. Der Financial Secretary ist der erste polit. Adjutant des Kanzlers der Staatskasse. Die technische Leitung ist in der Hand des Permanent Secretary. Direkt unter dem Schatzamt stehen das Obersteueramt und das Oberzollamt, die von Kollegien geleitet werden, die aus nichtpolit. Beamten bestehen (Commissioners of Inland Revenue, Commissioners of Customs), ferner das Generalpostamt, dessen Haupt ein polit. Beamter (häufig Mitglied des Cabinet) ist, und eine Reihe anderer Behörden, wie z. B. die für Staatsbauten, die Münze, die Prüfungskommission für den permanenten Staatsdienst u. s. w.
b. Die fünf Staatssekretariate. Die Häupter derselben sind stets einflußreiche Mitglieder des Cabinet, insbesondere der Staatssekretär für die auswärtigen Angelegenheiten, der häufig auch Erster Minister ist. Der Staatssekretär für die innern Angelegenheiten (gewöhnlich Home Secretary genannt) hat die Vermittelung zwischen der Krone und den Unterthanen. Er gegenzeichnet z. B. die königl. Erlasse, soweit nicht anderweitige Bestimmungen bestehen, und prüft die Petitionen, die an den König in Person gerichtet werden.
Seine hauptsächliche Thätigkeit ist aber auf dem Gebiete der Justizverwaltung; so untersteht ihm z. B. die Entscheidung, welche Städte ein Gericht für Strafsachen haben sollen, und die Ernennung der Stadtrichter (s. Recorder), die Entscheidung der Begnadigungs- und Auslieferungsgesuche, ferner die Strafvollstreckung, das Gefängniswesen, die Organisation der Polizeigerichtshöfe, in welchen leichte Vergehen summarisch abgeurteilt werden und das Vorverfahren bei schwerern Vergehen und Verbrechen stattfindet. Er ernennt Inspektoren, die ihm Bericht über die Polizei in den Grafschaften und in der City of London abstatten; bei ungünstigem Bericht verweigert er den vom Staat bewilligten Geldzuschuß. Auf dem Gebiete der Wohlfahrt fallen ihm zu: die Fabrikinspektion, Inspektion von Bergwerken, Fischerei u. s. w. Die andern Staatssekretäre sind die für Kriegswesen und die für die Kolonien und für Indien. Jedem Staatssekretär stehen je ein polit. und ein permanenter Untersekretär bei.
c. Die Ämter für die Justizverwaltung und die Gerichtshöfe. Der Lord High Chancellor für Großbritannien ernennt die Richter der höchsten Gerichtshöfe und der Grafschaftsgerichte und hat auch das Recht, die letztern ihres Amtes zu entheben. Er hat auch die Gesetzentwürfe über Rechtspflege zu prüfen und, wenn sie von der Regierung ausgehen, im House of Lords zu vertreten. (Weiteres s. Lord Chancellor.) Er hat einen juristisch gebildeten Sekretär. Ähnliche Funktionen hat der Lord Chancellor für Irland, der ebenfalls häufig Mitglied des Cabinet ist.
Die Kronanwälte, Attorney General (s. d.) und Solicitor General für England und die Beamten mit gleichem Titel für Irland beraten und vertreten die Regierung in Rechtssachen sowohl im Parlament als in den Gerichtshöfen. Ihre englische allgemeine Bezeichnung ist Law Officers. Nach einem noch herrschenden Gebrauch müssen die höchsten Richterstellen (Lord Chief Justice, Master of the Rolls u. s. w.), wenn eine Vakanz eintritt, dem Attorney General in erster, dem Solicitor General in zweiter Linie angeboten werden.
Die entsprechenden Beamten für Schottland haben den Titel Lord Advocate und Solicitor General for Scotland. Der Director of Public Prosecution ist ein permanenter nichtpolit. Beamter, der bei schweren Strafsachen im Namen der Regierung die Klage in die Hand nimmt. Die ständigen Richter dürfen (mit Ausnahme des Stadtrichters der City of London) nicht Mitglieder des House of Commons sein und müssen sich vom polit. Leben fernhalten. Nur der Lord Chancellor ist während seiner Amtsdauer zugleich polit. und richterlicher Beamter. Das Kollegium der Richter (Council of Judges) des Supreme Court (s. Court) überwacht die Ausführungsbestimmungen der Prozeßordnung, die Einteilung der Geschäfte, die Einrichtung der Rundreisen (Circuits) u. s. w. Diese Richter können im Gegensatz zu den County Court Judges nur auf Grund einer von beiden Parlamentshäusern ausgehenden Petition vom König entlassen werden und unterstehen in keiner Weise der Kontrolle der Regierung.
Die hauptsächlichsten Gerichte sind das House of Lords (nur frühere Richter und speciell ernannte Lords nehmen an den Gerichtssitzungen teil);
das Judicial Committee of the Privy Council (s. Privy Council);
der Supreme Court, bestehend aus Court of Appeal und High Court;
die County Courts;
die Assisengerichte und Courts of Quarter Sessions (s. Court).
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d. Die Admiralität. Ebenso wie das Amt des Lord High Treasurer wird auch das des Lord High Admiral von Kommissaren ausgeübt; doch sind die drei Naval Lords allerdings nicht permanente Beamte, aber auch in der Regel nicht Parlamentsmitglieder und stets zur Disposition gestellte Offiziere der Flotte, außerdem sind Kommissare: der Erste Lord der Admiralität, der stets ein Mitglied des Cabinet ist, und ein Civil Lord, der nicht zur Flotte gehört und Parlamentsmitglied sein muß. Die fünf Lords zusammen mit dem polit. und dem permanenten Sekretär bilden ein Kollegium (Board of Admiralty) für die Angelegenheiten der Flotte, der Küstenverteidigung u. s. w. Über die Befugnisse dieses Kollegiums dem Ersten Lord gegenüber, der der eigentliche Marineminister ist, sind schon öfters Kontroversen entstanden.
e. Das Privy Council. Über das Allgemeine s. Privy Council. Unter den Abteilungen sind zu erwähnen:
1) Das Handelsamt (Board of Trade), jetzt als unabhängige Behörde organisiert mit einem Präsidenten, der stets Regierungsmitglied und häufig Mitglied des Cabinet ist, einem polit. und einem permanenten Sekretär. Der Geschäftskreis umfaßt: Handelsstatistik, Überwachung der Behörden für Leuchttürme und Lotsenwesen (Trinity House in England, Commissioners of Northern Lighthouses in Schottland, Commissioners of Irish Lighthouses in Irland), Beaufsichtigung der Eisenbahnen, Gasanstalten und der elektrischen Beleuchtungsanstalten; Maße und Gewichte, Schiffahrt und Überwachung des Konkurswesens.
2) der Ausschuß für Erziehungswesen (Committee of the Council for Education); thatsächlicher Leiter ist der Vicepräsident, Mitglied der Regierung, manchmal auch des Cabinet; ihm steht zur Seite ein permanenter Sekretär. Für die Beaufsichtigung der Universitäten und der höhern Schulen giebt es teils andere, teils keine ständigen Behörden; in das Elementarschulwesen greift die Behörde in doppelter Weise ein: sie bewilligt Zuschüsse an Schulen, je nach ihrer Wirksamkeit, zu deren Ermittelung ständige Inspektoren das Land bereisen (s. Englisches Schul- und Universitätswesen), und veranlaßt die Bildung lokaler Schulbehörden (s. School Boards) für die Bezirke, für welche die bestehenden Privatschulen nicht ausreichen, und diese errichten dann Schulen aus Gemeindemitteln, die sog. Board Schools.
3) Der Local Government Board, ursprünglich aus einer Abteilung des Privy Council und andern Behörden zusammengefaßt, jetzt ein selbständiges Amt, aber ebensowenig wie der Board of Trade unter der Leitung eines Kollegiums. Der Präsident ist öfters ein Mitglied des Cabinet, und außerdem steht ein polit. und ein permanenter Sekretär an der Spitze. Diese Behörde beaufsichtigt die County Councils (s. d.), die lokalen Behörden für Gesundheitspflege (s. Health Acts) und die Armenpflege (s. Poor Law). Da die ganze Kommunalverwaltung noch in einem Übergangszustand ist, wird die Bedeutung dieses Amtes für die nächste Zeit sehr hervortreten, zumal da Provinzial-Staatsbehörden nicht bestehen.
4) Die Behörde für Ackerbau (Board of Agriculture), 1889 begründet, unter einem Präsidenten mit permanentem Sekretär, überwacht die Maßregeln zur Abwehr von Viehseuchen, zerstörenden Insekten u. s. w. und hat jurist. Obliegenheiten, wie die Ablösung von Reallasten und Zehnten, die Einhegung unbebauter Ländereien u. s. w.
f. Noch zu erwähnen sind das Amt für Finanzkontrolle (Comptroller and Auditor General, s. S. 417 b), das Sekretariat für Schottland (s. S. 415 b), das Amt des Generalauditeurs u. s. w.
Kirchenwesen. a. Die Kirche von England. Die engl. Landeskirche (Church of England) kann insofern eine prot. Kirche genannt werden, als sie vom Papste unabhängig ist und einige wesentliche Lehren der röm.-kath. Kirche verwirft; viele ihrer Mitglieder lieben indessen den Ausdruck protestantisch nicht, indem sie die engl. Kirche als die eigentliche kath. Kirche im Gegensatz zu der römischen bezeichnen. Über die innere Verfassung, die Gerichtsbarkeit und die Entwicklung s. Anglikanische Kirche.
Der Zusammenhang der engl. Kirche mit dem Staate äußert sich in folgender Weise: Der König ist Haupt der Kirche, das Privy Council Oberinstanz für die geistlichen Gerichtshöfe, die Lehre und der Ritus der Kirche sind durch Gesetz festgestellt und können nur durch Gesetz verändert werden. Zwar hat die Kirche in den beiden Houses of Convocation (s. d.) Organe, welche die Befugnis haben, Regeln (Canons) zu erlassen, sie müssen sich aber dabei in dem Rahmen der vom Gesetze erlaubten Freiheit halten, oder ihre Erlasse sind wirkungslos, bis sie die staatliche Gesetzgebung bestätigt hat, und in allen Fällen ist die Genehmigung des King in Council erforderlich.
Die Erzbischöfe, Bischöfe und Dekane werden vom Könige auf Vorschlag des Ersten Ministers ernannt. Die Erzbischöfe und die Mehrzahl der Bischöfe haben Sitz und Stimme im House of Lords. Jeder Bischof hat sein geistliches Gericht, dessen Gerichtsbarkeit von einem juristisch gebildeten Laien (Chancellor, Vicar General) ausgeübt wird. Ebenso haben die beiden Erzbischöfe Provinzial-Gerichtshöfe, deren Richter jetzt für beide ein Jurist ist, der den Titel Dean of Arches führt und von den beiden Erzbischöfen ernannt wird, aber von der Krone bestätigt werden muß.
Höchste Berufungsinstanz ist das Judicial Committee of the Privy Council. Die meisten der Pfarrkirchen stehen unter Privatpatronat, doch steht auch eine große Anzahl derselben unter dem Patronat der Krone (ausgeübt auf Vorschlag des Staatssekretärs für das Innere) oder unter dem Patronat des Lord High Chancellor. Die Kirche als solche ist nicht jurist. Person. Das Kirchengut gehört im allgemeinen der einzelnen Pfarrkirche, für die es der Stifter bestimmt hat.
Das Vermögen, ans dem die Einkünfte der Erzbischöfe und Bischöfe bezogen werden, wird indessen von einer Staatsbehörde (Ecclesiastical Commissioners) verwaltet. Die Abgabe der Zehnten (Tithes, s. d.), die ursprünglich eine Haupteinnahme der Kirche bildete, ist jetzt vielfach abgelöst und hat, wo sie noch besteht, mehr den Charakter einer Reallast als einer Steuer. Die staatsrechtliche Stellung ist also durch folgende Hauptpunkte charakterisiert: Ritus und Lehren der Kirche stehen unter Staatskontrolle;
ein staatliches Gericht ist höchste Instanz für die kirchlichen Gerichte;
die Hauptwürdenträger der Kirche werden vom Staate ernannt;
ein großer Teil des Kirchenvermögens wird vom Staate verwaltet.
Andererseits haben die Hauptwürdenträger der Kirche hervorragenden Anteil an der Gesetzgebung und der Kontrolle der Staatsverwaltung.
Den andern religiösen Gesellschaften (s. Dissenters) ist Autonomie gesichert. Der Staat greift ein, indem er diese Autonomie durch seine Gerichte schützt,
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und wenn der Kultus durch Bedrohung der Staatsordnung oder der Sittlichkeit das Strafrecht verletzt.
Die Schließung von Ehen ist den Geistlichen der Landeskirche ohne weiteres, den Geistlichen der dissentierenden Gemeinschaften in Gegenwart eines Civilbeamten gestattet. Die reine Civilehe ist ebenfalls gestattet, aber nicht obligatorisch, wenn die kirchliche Eheschließung vorschriftsmäßig erfolgt ist.
b. Die Kirche von Schottland ist presbyterianisch organisiert. Jeder Kirche steht ein aus dem Geistlichen und den Ältesten zusammengesetzter Vorstand (Kirk Session) vor; über den Kirk Sessions steht das Presbytery, eine aus sämtlichen Geistlichen eines Bezirks bestehende Versammlung, und über den Presbyteries die Synod, der sämtliche Mitglieder der Presbyteries in einem größern Bezirke angehören. Das Gebäude krönt die General Assembly, bestehend aus je zwei Geistlichen und einem oder mehrern Laien, aus jedem Bezirk eines Presbytery. Sie ist höchste gesetzgebende und gerichtliche Instanz für die schort. Kirche. Ein königl. Commissioner ist bei ihren Verhandlungen zugegen, nimmt aber keinen Anteil an denselben. Die schott. Kirche steht somit in weit weniger engem Zusammenhang mit dem Staat als die englische. Auch in Schottland giebt es eine Anzahl von unabhängigen Religionsgesellschaften, deren Stellung dieselbe ist wie in England.
c. Die Kirche von Irland ist seit 1869 eine Privatgesellschaft. Sie hat Erzbischöfe und Bischöfe, an deren Ernennung der Staat unbeteiligt ist. Unter den auch früher unabhängigen Religionsgesellschaften ist die römisch-katholische bei weitem die mächtigste in Irland. (Über die Statistik des Kirchenwesens s. unten S. 419.)
Heerwesen. Die Bill of Rights (s. d.) verbietet die Einrichtung eines stehenden Heers ohne Genehmigung des Parlaments. Aus diesem Grunde wird jetzt jährlich durch Gesetz die Erlaubnis, ein stehendes Heer zu erhalten, erneuert. Diese Gesetze wurden früher Mutiny Acts genannt und werden jetzt als Army Acts bezeichnet. Sie bestimmen jedesmal die Anzahl der Truppen und enthalten das ganze Militärstrafgesetz. Dasselbe benimmt den ordentlichen Gerichten nicht ihre Gerichtsbarkeit über Soldaten, und einige Verbrechen, wie z. B. Mord, sind den Kriegsgerichten (Court martial) entzogen. Ein Überschreiten ihrer Gerichtsbarkeit hat das Eingreifen der ordentlichen Gerichte zur Folge.
Das Heer steht unter dem sog. War Office, dessen Leitung der Staatssekretär für das Kriegswesen hat. Dieses Amt zerfällt in zwei Abteilungen, die militär. und die Civil-Abteilung unter dem Financial Secretary, einem polit. Beamten; letzterm fällt die finanzielle Aufsicht zu, ferner die Fabrikation von Kriegsmaterial und die Beschaffung der erforderlichen Lieferungen. Ein polit. und ein permanenter Unterstaatssekretär unterstützen den Staatssekretär. Näheres über Stärke, Zusammensetzung u. s. w. s. Großbritannisches Heerwesen.
Flotte, s. Großbritannisches Heerwesen.
Kommunalverwaltung. Dieselbe ist jetzt hauptsächlich in den Händen der County Councils (s. d.) für die ländlichen Kreise und der Borough Councils (s. Municipal Corporations) für die größern Städte. Die Justices of the Peace (s. d.) haben noch die Befugnis, Schankgerechtigkeiten zu erteilen, und sind in der Kommission vertreten, welche die Grafschaftspolizei überwacht und deren übrige Mitglieder vom County Council ernannt werden. Für kleinere Abteilungen der Kreise giebt es eine Anzahl von auf verschiedene Art ernannten Behörden mit verschiedenen Befugnissen und verschiedenen Bezirken, unter welchen die Behörden für Armenpflege (s. Poor Law), für Gesundheitspflege (s. Health Acts), für öffentliche Wege (s. Wegeordnungen) und für Elementarschulen (s. School Boards) zu erwähnen sind. Die District Councils und Parish Councils, welche ein von der Regierung im März 1893 dem Parlamente vorgelegter Gesetzentwurf einzurichten beabsichtigt, werden die meisten Funktionen dieser Behörden an sich ziehen. Das Kirchspiel, welches die niederste Einheit der lokalen Verwaltung ist, wird jetzt, insoweit es selbständige Funktionen hat, von der Vestry und den Overseers verwaltet. (S. Parish.)
Die Beamten der Grafschaft sind der Sheriff (s. d.), der Coroner (s. d.) und der Lord Lieutenant (s. d.); die jetzigen Funktionen der beiden erstgenannten Beamten gehören in der Hauptsache dem Gerichtswesen und nicht der Verwaltung an. Der letztere hat nur eine ceremonielle Thätigkeit. Die Einnahmen der Kommunalverbände bestehen in den staatlichen Zuschüssen aus der Erbschaftssteuer, den Überweisungen für die Elementarschulen (s. Englisches Schul- und Universitätswesen) im Betrage von (1891/92) 6228963 Pfd. St. und einer Mietssteuer (rate) der Eingesessenen, die in den Städten 25-30 Proz. beträgt.
Verwaltung in Schottland und Irland. Das Verhältnis zwischen den drei Teilen des Vereinigten Königreichs ist das der Realunion. Nachdem nach erfolgter Vereinigung Schottland anfangs in der Regierung durch einen besondern Staatssekretär vertreten war, übernahm bereits 1746 der Home Secretary die schott. Angelegenheiten, für diese aber fungierte der erste schott. Kronanwalt (Lord Advocate) als polit. Untersekretär. 1885 wurde ein besonderes Amt für Schottland unter einem Sekretär (Secretary for Scotland) errichtet, welcher nun die lokale Verwaltung, die Strafrechtspflege, Gesundheits- und Erziehungswesen u. s. w. für Schottland überwacht, aber seinen Sitz in London hat. Auch in Schottland ist die lokale Verwaltung neuerdings (1889) umgestaltet worden und jetzt ähnlich wie in England eingerichtet.
Das Gerichtswesen ist in Schottland ganz anders als in England organisiert. Dem engl. Supreme Court entspricht der Court of Session, dessen Richter im Outer House in erster (bez. zweiter) Instanz als Einzelrichter sitzen, im Inner House in Senaten von vier Richtern in zweiter (bez. dritter) Instanz tagen. Die beiden höchsten Richter präsidieren in diesen Senaten; sie haben bez. die Titel Lord President und Lord Justice Clerk. Der höchste Gerichtshof in Strafsachen heißt High Court of Justiciary; Präsident ist der Lord President des Court of Session, er hat aber in seiner strafrechtlichen Eigenschaft den Titel Lord Justice General, und die fünf andern Richter, die ebenfalls Richter des Court of Session sind, haben als Strafrichter den Titel Lord Commissioners of Justiciary und tagen als Einzelrichter mit 15 Geschworenen; je zwei Richter bilden eine Revisionsinstanz. Den engl. County Courts entsprechen die Sheriff Courts, sie haben indessen viel weiter gehende Befugnisse und auch eine strafrechtliche Gerichtsbarkeit, welche den engl. Courts of Quarter Sessions (s. Justices of the
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Peace) entspricht. Höchste Instanz für Schottland ist das House of Lords.
Irland hat eine etwas selbständigere Verwaltung, indem der Lord Lieutenant in Dublin beinahe königl. Hofhalt hat und mit einem eigenen Privy Council umgeben ist. Da derselbe indessen stets ein Mitglied des House of Lords ist und bei den schwierigen Verhältnissen in Irland der Hauptsekretär als Vertreter der irischen Regierung im House of Commons eine besondere wichtige Stellung einnimmt, hat das Amt des letztern einen hervorragenden Charakter angenommen, und das erstere beschränkt sich auf Repräsentationspflichten.
Augenblicklich ist der Chief Secretary Mitglied des Cabinet und nicht der Lord Lieutenant. Die Einrichtungen der lokalen Verwaltung sind noch nicht reformiert; ein die Reform anstrebender Gesetzentwurf konnte 1892 infolge der Opposition der Home Rulers (s. d.) nicht mehr vor der Auflösung des Parlaments durchberaten werden. Hingegen liegt jetzt (1893) dem Parlament ein Gesetzentwurf vor, der Irland Home Rule und damit eine selbständige gesetzgebende Körperschaft und selbständige Exekutive geben will. (S. unten Geschichte.)
Die irischen Gerichtshöfe sind ähnlich wie die englischen organisiert, nur in Strafsachen ist die Organisation eine andere. Auch sind besondere Gerichtshöfe für die Regelung von Streitigkeiten zwischen Grundeigentümern und Pächtern vorhanden. Für die gewöhnlichen Gerichtshöfe ist das House of Lords höchste Instanz.
Verfassung der britischen Besitzungen und abhängigen Länder.
a. Indien. Das gewaltige Indobritische Reich nimmt eine Sonderstellung ein. (S. Ostindien.)
b. Die Kolonien. Sie zerfallen in vier Klassen: solche, wo der von der Krone eingesetzte Gouverneur alle Gewalten in sich vereinigt (sog. Crown-colonies), z. B. Gibraltar und St. Helena; solche, bei denen dem Gouverneur ein ernannter ausübender und ein ebenfalls ernannter gesetzgebender Rat zur Seite steht, z. B. Britisch-Neuguinea, Ceylon, die Fidschi-Inseln, einige der westind. Kolonien, die Straits-Settlements (Hauptstadt: Singapur); auch diese werden als Crown-colonies bezeichnet; solche, deren gesetzgebende Versammlung wenigstens teilweise aus der Wahl der Bewohner hervorgeht, bei denen aber der ausführende Rat von der Krone oder vom Gouverneur erwählt ist, hierher gehören einige westind. Kolonien, Mauritius, Malta, Natal u. s. w.; und solche, bei denen nur der Gouverneur von der Krone ernannt ist, und die ähnliche Verfassungen wie England selbst haben, dahin gehören die austral. Kolonien, Neufundland, Kapland; ferner der Bundesstaat Dominion of Canada.
Der Gouverneur hat in allen Kolonien zu den Gesetzen seine Zustimmung zu geben; er kann dieselbe einfach verweigern, oder die Entscheidung der engl. Regierung überlassen, oder das Gesetz unter Zufügung einer Klausel genehmigen, daß es erst in Kraft treten soll, nachdem es die Zustimmung der engl. Regierung erhalten hat. Auch nachdem die unbedingte Genehmigung des Gouverneurs erfolgt ist, kann die engl. Regierung ein Gesetz wieder aufheben. Falls eine Kolonie noch kein gesetzgebendes Organ hat, kann der König durch «Order in Council» Gesetze für dieselbe erlassen.
Das Parlament des Vereinigten Königreichs hat, konkurrierend mit den gesetzgebenden Organen der Kolonien, theoretisch die Befugnis, für diese Gesetze zu erlassen; diese Befugnis könnte, wenn thatsächlich ausgeübt, sehr ernsthafte Folgen haben. Die brit. Regierung wird in Kolonialangelegenheiten durch den Staatssekretär für die Kolonien vertreten. Für die Gerichte aller außerhalb des Vereinigten Königreichs belegenen Länder unter brit. Oberhoheit ist das Judicial Committee of the Privy Council höchste Instanz.
Eine größere Annäherung der geographisch zusammenhängenden Kolonien aneinander hat bereits teilweise stattgefunden und wird noch weiter erstrebt, ebenso ein engerer Zusammenhang sämtlicher Kolonien mit dem Mutterlande. Diese Bestrebungen äußern sich in dem Wunsche nach einer Reichs-Föderation (Imperial Federation) und haben ein Symbol in dem Mai 1893 in London eröffneten Reichsinstitut (Imperial Institute, s. London) gefunden. Aufgeführt sind sämtliche Kolonien oben S. 402.
Sehr mannigfaltig sind die Verfassungen der nicht zu den Kolonien gerechneten Channel Islands (Kanalinseln) und der Insel Man, ferner von Aden und Cypern.
Finanzen. Früher waren die Zölle die Haupteinnahmequelle. Vor 50 Jahren gab es kaum Lebensmittel, die nicht irgend eine indirekte Abgabe zu zahlen hatten. Der brit. Zolltarif führte 1840 1046 verschiedene Artikel als zollpflichtig auf, 1859 war die Zahl derselben auf 307, 1875 auf 53 und 1890 auf 50 gesunken. Diese sind zum großen Teil Genußmittel und Luxusartikel. Diese indirekten Steuern treffen meistens die reichern Klassen der Bevölkerung.
Das Nationaleinkommen stellte sich (1892) auf 102359607 Pfd. St. Jedoch mußten 11364817 Pfd. St. nachgelassen, teils auf Reklamation hin zurückgezahlt werden. Von den direkten Steuern ist die Einkommensteuer die einträglichste. Ihre Wiedereinführung fällt in das J. 1842 (bis dahin wurde die Einkommensteuer ab und zu als Kriegssteuer erhoben). Seit 1877, wo ein weiterer Penny erhoben wurde, muß dieselbe als eine bleibende jährliche Steuer angesehen werden. 1891/92 betrug die Abgabe 6 Pence pro 1 Pfd. St. bei einem Einkommen von mehr als 150 Pfd. St. Einkommen unter 400 Pfd. werden unter Abzug von 120 Pfd. herangezogen.
Unter den Stempelgebühren sind die 4 Erbschaftssteuern die wichtigsten; von ihrem Gesamtertrage (11 Mill.) flossen 8,2 Mill. in die Staatskasse, der Rest wurde den Kommunalverbänden überwiesen. Von den indirekten Steuern bringen die Zölle, die meistens in England und Wales erhoben wurden, 20092787 Pfd. St., darunter Kaffee und Schokolade 287237 Pfd. St., Thee (das Nationalgetränk) 3424769, Tabak und Schnupftabak 9965221, Wein 1291179, eingeführte Spirituosen 4631700 Pfd. St. Die Accise trug noch größere Summen ein, und zwar warfen am meisten die Taxen auf Spirituosen und Bier ab. Die Spirituosen brachten (1892) 16480199, Bier 9851822 Pfd. St. ein.
Die Accise hat auch einige direkte Steuern unter ihrer Verwaltung, z. B. die Abgaben für die Schankgerechtigkeit und den Tabakverkauf, deren Erträgnisse sich auf 2037343 Pfd. St. beliefen;
ferner die Taxe auf Luxusequipagen, die (1892) 474084 Pfd. St. einbrachte;
die Steuer auf das Anbringen von Wappen, adligen Abzeichen auf Thüren, Eßgeräten, Wagen, Briefpapier, Ringen (75303 Pfd. St.), auf männliche Dienerschaft zum Luxus (143019 Pfd. St.);
dazu kommen noch Hundesteuer, die Steuer auf Patent
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Medicine oder Geheimmittel, Jagdscheine u. s. w. Außer den angeführten Einnahmen erhob die Regierung 1892 Zuschlagssteuern in der Höhe von 7581833 Pfd. St., die den lokalen Behörden nach Maßgabe ihrer Beiträge zur Erleichterung der lokalen Besteuerung, die in England und Wales sehr hoch ist, überwiesen werden; England und Wales erhielten 6426859, Schottland 795713, Irland 359261 Pfd. St.
Die Staatseinnahmen und -Ausgaben betrugen im einzelnen:
Einnahmen | Pfd. St. |
---|---|
Zölle | 19736000 |
Accise | 25610000 |
Stempelgebühren | 13700000 |
Grund- und Haussteuer | 2484000 |
Einkommensteuer | 13810000 |
Post | 10150000 |
Telegraph | 2480000 |
Kronländereien | 430000 |
Zinsen | 222110 |
Vermischte Einnahmen | 2372676 |
Zusammen | 90994786 |
a. Ständige Ausgaben | Pfd. St. |
Staatsschuldzinsen und Rückzahlung | 26628571 |
Civilliste | 409592 |
Gehälter, Pensionen u. s. w. | 431501 |
Gerichtshöfe | 509129 |
Bau von Kasernen | 325000 |
Vermischte Ausgaben | 305705 |
Ausgabe für Münzreform | 400000 |
b. Jährlich bewilligte Ausgaben
Armee | 17259000 |
---|---|
Flotte | 14150000 |
Regierungsbehörden (Civil Service) | 17500709 |
Zollamt | 2691948 |
Post | 6126481 |
Telegraph | 2489000 |
Subventionen an Postdampfer | 701136 |
^[Additionslinie]
89927772 | |
---|---|
Überschuß für das Finanzjahr 1891/92 | 1067014 |
^[Additionslinie]
90994786 | |
---|---|
Für das Finanzjahr 1892/93 waren die Einnahmen auf 90395377, die Ausgaben auf 90375365 Pfd. St. festgesetzt.
Die meisten Einnahmequellen sind dauernd bewilligt. Die Gesetze über die Erhebung der Einkommensteuer und die Erhebung des Zolls auf Thee werden stets nur auf ein Jahr erlassen, sodaß die jährliche Customs and Inland Revenue Act, außer den Bestimmungen über diese beiden letztgenannten Einnahmequellen nur die Steuern berührt, die aufgehoben, verändert oder neu eingeführt werden. Von den Ausgaben werden etwa zwei Drittel stets nur auf ein Jahr bewilligt. Die gesamte Staatseinnahme heißt Consolidated Fund, und die Ausgaben, welche dauernd bewilligt werden, werden aus derselben in erster Linie entnommen. Da die Prüfung der für jedes Jahr zu bewilligenden Ausgaben im House of Commons ziemlich lange dauert, werden zur Bestreitung der laufenden Kassenbedürfnisse von Zeit zu Zeit weitere Summen aus dem Consolidated Fund durch Gesetze (von welchen jedes als Consolidated Fund Act bezeichnet wird) genehmigt.
Die Appropriation Act giebt dann schließlich die Einzelheiten über die Bestimmung der Gesamtsumme. Die Beratungen über die Ausgaben finden im Committee of Supply statt, die Beratung über die Beschaffung der Mittel und über vorläufige Deckung der Kassenbedürfnisse im Committee of Ways and Means; aber diese Gesetze werden nicht erlassen, ehe die Ausgaben, für die sie bestimmt sind, durch Resolutions genehmigt sind. Diese Resolutions, die später in der Appropriation Act zum Gesetz erhoben werden, haben die vorläufige Wirkung, daß die durch die Consolidated Fund Act genehmigten Summen nur in Übereinstimmung mit ihrem Inhalt verausgabt werden können.
Zur Sicherung der genauen Einhaltung der richtigen Verwendung der Staatsausgaben ist ein von der Regierung ganz unabhängiger, für das Parlament nicht wählbarer und ebenso wie die Richter nur auf Grund einer Petition beider Parlamentshäuser absetzbarer Beamter bestimmt: der Comptroller and Auditor General (General-Kontrollbeamter und Rechnungsrevisor). Seinen Bericht begutachtet dann die ständige Kommission des Unterhauses für Rechnungswesen.
Staatsschuld. Die brit. Staatsschuld zeigt eine riesenhafte Höhe. Sie entstand und vermehrte sich im wesentlichen nur durch Kriege. Zur Zeit der letzten engl. Revolution (1689) belief sie sich auf 664263 Pfd. St. Kapital mit einer jährlichen Zinssumme von 39855 Pfd. St. Unter Wilhelm III. wurde sie auf 12767225 Pfd. St. vermehrt; unter der Königin Anna stieg sie von 12767225 Pfd. St. nach dem Spanischen Erbfolgekriege (1714) auf 36175460 Pfd. St.; die Zinslast belief sich bereits auf 3063000 Pfd. St. Georg II. fand eine Schuld von 52850797 Pfd. St. vor.
Bis zum Pariser Frieden 1763 war die Schuld großenteils infolge der Unterstützung Friedrichs II. im siebenjährigen Kriege bis auf 132716049 Pfd. St. angewachsen. Dieselbe verringerte sich während der folgenden Friedenszeit um 5873238 Pfd. St. und betrug beim Ausbruch des nordamerik. Unabhängigkeitskrieges 126842811 Pfd. St. Dieser Krieg veranlaßte neue Anleihen im Betrage von 116220334 Pfd. St., und beim Friedensschluß (1784) hatte die Staatsschuld eine Höhe von 243063145 Pfd. St. erreicht.
Bis 1792 erfolgte eine Verminderung von 3399724 Pfd. St. Während der Kriege mit Frankreich zur Zeit der Revolution und Napoleons I. folgte Anleihe auf Anleihe unter den drückendsten Bedingungen, und zur Zeit des Pariser Friedens von 1815 belief sich die ganze Schuld auf 861039049 Pfd. St., zu deren Verzinsung 32645618 Pfd. St. erforderlich waren. Großbritannien ist jedoch die einzige europ. Großmacht, welche ihre Staatsschuld in der langen Friedensperiode nach 1815, wenn auch nur in mäßigen Verhältnissen, fast beständig zu verringern wußte. Es gab lange Zeit nur zwei Ausnahmefälle. 1835 wurden 20 Mill. aufgenommen, um die Negersklaven, in den Kolonien von ihren Eigentümern loszukaufen, und 1847 wieder 10 Mill. zur Linderung der Hungersnot in Irland. Am Anfang des Krimkrieges (1854) betrug die ganze Schuld 801777305 Pfd. St.; am Ende desselben (1857) 837144597 Pfd. St. Seitdem ist diese ungeheure Summe um mehr als 160000000 Pfd. St. reduziert worden. Am
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betrug die Gesamtschuld 677679571 Pfd. St.; sie zerfällt in fundierte oder konsolidierte Schuld (s. Consols) im Betrage von 577944665 Pfd. St., unfundierte Schuld (s. Exchequer Bills) im Betrage von 35312994 und Annuitäten, deren Kapitalwert 64421912 Pfd. St. beträgt.
Gerichtswesen. Über die Organisation der Gerichte s. S. 411 fg. Der sittliche Charakter des ganzen Volks ist höchst achtungswert und innerhalb der letzten 50 Jahre haben die Verbrechen über 70 Proz. abgenommen. Ungeachtet des großen Luxus und des wachsenden Reichtums ist die Unsicherheit der Person und des Vermögens immer geringer geworden; Zunahme der Verbrechen zeigt sich nicht da, wo dichte Bevölkerung und gesteigerte Industrie, sondern dort, wo die Bevölkerung dünner und Handarbeit, besonders ländliche, vorwiegt. So war 1801-51 die Zahl der Verbrechen in Irland auf das Siebenfache (auf 24634), in Schottland auf das Sechsfache (auf 4001), in England und Wales auf das Fünffache (auf 27960) gestiegen.
Seitdem hat jedoch eine merkliche Abnahme der Kriminalfälle stattgefunden; 1891 wurden überführt in England und Wales 9055, in Schottland 1822, in Irland 1255 Personen gegen 10338, 1843 und 1411 im J. 1887. Die Zahl der vorsätzlichen Morde betrug in England und Wales (1891) 161. Selbstmord begingen 2459 Personen. Wahnsinnige Verbrecher wurden 684 männliche, 216 weibliche gezählt. Die Polizeimacht zählt in den drei Landesteilen (1891) 39673, 4228 und 13840 Beamte.
Armenwesen. Obwohl die Statistik der Geburten, Todesfälle und Heiraten eine leidliche Lage aller Volksklassen anzudeuten scheint, und obwohl innerhalb der letzten 50 Jahre die Massenarmut um etwa 50 Proz. sich vermindert hat, zeigt die Armenstatistik die Schattenseiten der Entwicklung (s. Poor Law). Die fortschreitende Umwandlung anbaufähigen Landes in Weideland und der Gebrauch Arbeit ersparender Maschinen lenkt einen stetigen Strom von Arbeitern vom Lande in die Städte, wo sie die schon ungeheure Zahl der im Dienste von Handel und Industrie Stehenden vermehren; in noch höherm Grade wird eine Konkurrenz der Arbeitskraft hervorgerufen durch die beträchtliche Einwanderung von Irländern, die hier die unglückliche Neigung zeigen, auf die unterste Stufe der socialen Leiter herabzusinken, eine Neigung, die anderswo unter der irischen Auswanderung nicht hervortritt.
Die Einwanderung von Ausländern wird ebenfalls als eine Ursache der Vermehrung des Übels betrachtet. Viele halten den Zustand der Landgesetze für die Wurzel des Übels. Bisher verfolgte die brit. Regierung die Politik des Laisser faire, sah von Schutzmaßregeln, wie dem deutschen Versicherungszwang, ab und begnügt sich mit dem Hilfsmittel eines Armengesetzes. Neuerdings zeigt sich jedoch eine volkstümliche Bewegung zu Gunsten einer mehr socialistischen Gesetzgebung.
Die Armengesetzgebung in Großbritannien u. I. ist vielfach vorbildlich geworden für andere zumal prot. Staaten des Kontinents. (S. Armengesetzgebung, Bd. 1, S. 893 u. 894.) Wie hoch die Zahl der zu Unterstützenden und die aufzuwendenden Summen sind, geht schon daraus hervor, daß von allen über 65 Jahre alten Bewohnern Englands jeder vierte um Armenunterstützung nachsuchen muß.
Im J. 1892 hatten die 649 Kirchspiele in England und Wales 754485 Arme, darunter 99534 erwachsene und gesunde Personen zu unterstützen; in Schottland waren es 56903, wozu noch 30458 Angehörige kamen. Nicht eingerechnet sind «Vagabunden» und gelegentlich zu Unterstützende (Casual Paupers). In Irland wurden (einschließlich aller in Blinden- und Taubstummenasylen Befindlichen) 103839 Arme gezählt. (S. auch Armenwesen, Bd. 1, S. 904 b.) Im ganzen Königreich wurden (1891) 10922290 St. aufgewendet und zwar 8,64 Mill. in England und Wales, 0,88 Mill. in Schottland, 1,40 Mill. in Irland.
Viel wirken auch Private und Vereine. In London allein giebt es über 1025 milde Stiftungen und Gesellschaften mit einer Jahreseinnahme von mehr als 4 ½ Mill. Pfd. St., die 135 Spitäler und Dispensaries mit großen Einkünften eingerechnet. Sehr zahlreich sind die Krankenhäuser, die Versorgungshäuser (Alms-houses) für Altersschwache, die Waisenhäuser, Blinden- und Taubstummenanstalten sowie die besondern Gesellschaften und milden Stiftungen zum Schutz der Frauen, für Dienstboten, für gefallene Mädchen u. s. w. Fast in steter Zunahme begriffen ist die Zahl der Geisteskranken. Die Zahl der Wahnsinnigen war 1871 in England und Wales 39567, in Schottland 6792, in Irland 9763, auf den Inseln 171; die der Blödsinnigen in England und Wales 29452, in Schottland 4621, in Irland 6742, auf den Inseln 44. Taubstumme gab es 19236, Blinde 31237.
Orden. Von Ritterorden bestehen:
1) der von Eduard III. 1349 gestiftete blaue Hosenbandorden (s. d.);
2) der Distelorden (s. d.);
3) der irländ. Orden des heil. Patrick, 1783 von Georg III. gestiftet;
4) der Bath-Orden (s. d.);
5) der Orden des Sterns von Indien, 1861 von der Königin Victoria begründet für Personen, die sich um Indien verdient gemacht;
6) der 1818 gestiftete Orden von St. Michael und St. Georg, der für Verdienste im Mittelmeer verliehen wird;
7) der Orden des Indischen Reichs, gestiftet 1878. Der königl. Orden von Victoria und Albert, 1862 gestiftet, und der kaiserl. Orden der Krone von Indien, 1878 gestiftet, sind Damenorden. Außerdem wird noch das 1856 gestiftete Victoriakreuz zur Belohnung persönlicher Tapferkeit vor dem Feinde verliehen und der 1886 gestiftete Distinguished Service Order für Offiziere. Der Militärorden für Eingeborene des großbrit. Ostindiens wurde 1842 zum Andenken an den Krieg gegen Afghanistan gestiftet.
Wappen und Flagge. Das Wappen (s. Tafel: Wappen der wichtigsten Kulturstaaten, [* ] Fig. 7) hat vier Felder. Im ersten und vierten stehen die drei goldenen Leoparden von England; im zweiten der rote Löwe von Schottland; im dritten die goldene Davidsharfe mit silbernen Saiten im blauen Felde wegen Irland. Den Schild bedeckt die königl. Krone von England mit dem goldenen Löwen. Das große blaue Band des Hosenbandordens umgiebt den Schild, und unter ihm liegen die beiden Zweige, welche die engl. Rose, die schott. Distel und den irischen Klee in sich vereinigen und mit der Devise der Krone, «Dieu et mon Droit», umschlungen sind. Schildhalter sind ein gekrönter Löwe und ein Einhorn. Die Unionsflagge des Vereinigten Königreichs (Union Jack) ist aus den Kreuzen des St. Georg, St. Andreas, St. Patrick zusammengesetzt. (S. Tafel: Flaggen der Seestaaten beim Artikel Flaggen.)
Kirchliche Verhältnisse. Die Kirche hat im Leben des brit. Volks eine starke und bedeutende Stellung. Gegenwärtig herrscht vollkommene
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Religionsfreiheit, aber dies ist nicht ohne heftige Kämpfe, zumal in Irland, erlangt worden. Es giebt zwei Staatskirchen in Großbritannien, die bischöfl. Kirche in England und Wales (s. Anglikanische Kirche) und die presbyterianische in Schottland. In Irland, wo die weit überwiegende Mehrzahl der Einwohner röm. Katholiken sind, giebt es seit der infolge des Irish Church Act von 1869 angeordneten Entstaatlichung und Säkularisierung der Anglikanischen Kirche keine Staatskirche mehr. In England beansprucht die Staatskirche noch, die Kirche der Mehrzahl des Volks zu sein; aber in Wales überwiegen die Dissenters und die Entstaatlichung der Kirche ist nur eine Frage der Zeit. In Schottland bekennt sich über die Hälfte zur presbyterianischen Staatskirche.
Der Katholicismus blieb bis in die neuere Zeit ohne Berechtigung, und von seiten der Regierung zeigte man sich noch strenger gegen ihn, als man nach dem Sturze der Stuarts in ihm einen gefährlichen Anhänger des alten Königshauses oder gar einen Revolutionär argwöhnte. Für die prot. Dissenters, die von der Staatskirche Abweichenden, fand dieToleranz einen wohlthätigen Ausdruck in dem Edikt Wilhelms III. von 1689. Seit 1828 können Dissenters ins Parlament gewählt werden, seit 1829 auch die Katholiken und erst seit 1858 die Juden. Es giebt ungefähr 5750000 röm. Katholiken im Vereinigten Königreich, der großen Mehrzahl nach (3549745) in Irland; die Dissenters verteilen sich auf nicht weniger als 180 verschiedene Sekten, die (abgesehen von den Katholiken) fast alle protestantisch sind.
Unter den Dissenters in England und Wales sind am zahlreichsten vertreten die Methodisten, Independenten und Baptisten, wozu noch die Mitglieder der Heilsarmee kommen. In England bestand ehemals zwischen Staatskirchlichen und Dissenters eine scharfe Trennung, die sich auch auf die socialen Verhältnisse erstreckte, insofern, als nur ein verhältnismäßig kleiner Teil der gebildeten Klassen zu den Dissenters gehörte. Unter den schott. Dissenters zählen die Freie Kirche von Schottland und die Vereinigten Presbyterianer die meisten Anhänger, beide, gleich der Staatskirche, mit presbyterianischer Verfassung; hier fand zwischen Staatskirchlichen und Dissenters keine sociale Trennung statt.
Die schottische prot.-bischöfl. Kirche steht mit der engl. Staatskirche in keinem Zusammenhang. In neuerer Zeit haben die Katholiken in Großbritannien bedeutend an Zahl zugenommen, und selbst Geistliche der Staatskirche sind zu ihnen übergetreten;
ihren Hauptzuwachs verdanken sie jedoch der Einwanderung von Irländern. Es gab 1845 in England erst 328000 Katholiken (1,96 Proz.), 1887 schon um 1354000 oder 4,6 Proz. und in Schottland 326000 oder 9,5 Proz. Es giebt 1 Erzbischof, 14 Bischöfe, 1387 Kapellen und 2588 kath. Geistliche;
in Schottland 2 Erzbischöfe, 4 Bischöfe und 338 Kirchen und Kapellen;
in Irland 4 Erzbischöfe, 23 Bischöfe und 3394 Kirchen und Kapellen.
Außerdem gehören zur kath. Kirche des Vereinigten Königreichs die Erzbischöfe von Quebec, Halifax, Kingston, Montreal, Ottawa, Port of Spain, Toronto und St. Boniface in Canada, von Agra, Bombay, Kalkutta, Colombo, Cyprus (Maronit), Madras und Verapoli in Asien, und von Sydney, Adelaide, Brisbane, Hobart, Melbourne und Wellington in Australien und Oceanien mit 76 Bischöfen.
Seit 1871 hat keine Volkszählung in Bezug auf die Religion stattgefunden, aber ein Begriff von den Verhältnissen der verschiedenen Glaubensbekenntnisse läßt sich aus dem Prozentsatz der von den verschiedenen Kirchen vollzogenen Heiraten entnehmen:
Länder | Staatskirche | Römisch-Katholische | Andere |
---|---|---|---|
England und Wales | 71,6 | 4,4 | 24,4 |
Schottland | 46,0 | 9,74 | 44,26 |
Eine andere Schätzung teilt den verschiedenen Glaubensbekenntnissen folgende Zahlen zu:
Kirchen | England und Wales | Schottland | Irland | Proz. im Reich |
---|---|---|---|---|
Bischöfl.-Protestantische | 18798000 | 99000 | 636000 | 55,8 |
Katholische | 1066000 | 318000 | 3952000 | 15,2 |
Presbyterianer | 114000 | 2997000 | 486000 | 10,3 |
Methodisten u. s. w. | 5990000 | 281000 | 48000 | 18,7 |
Für 1892 hat man aber die Zahl der Katholiken in England und Wales auf annähernd 2 Mill. berechnet. Die Zahl der Israeliten beträgt etwa 98000, darunter 72000 in London. (Über die staatsrechtliche Stellung der Kirchen s. oben S. 414 b fg.)
Unterrichtswesen. Über die eigenartige Organisation der Unterrichtsanstalten s. Englisches Schul- und Universitätswesen sowie die Artikel Irland und Schottland. Im ganzen befand sich das Schulwesen des Vereinigten Königreichs, mit Ausnahme von Schottland, bis vor 23 Jahren in einem vernachlässigten Zustande. Alles war privater oder kirchlicher Thätigkeit überlassen. Noch bleibt viel zu thun übrig, obwohl die letzten 13 Jahre eine Periode thätiger Reformen waren. 1870 betrug der parlamentarische Aufwand für Unterricht, Wissenschaft und Kunst weniger als 170000 Pfd. St., 1892: 8646231 Pfd. St. Schulzwang besteht in England seit 1876, in Schottland seit 1872, in Irland seit 1892. Die folgende Tabelle enthält die Statistik des öffentlichen Elementarunterrichts (Board Schools und Voluntary Schools) für 1891:
Länder | Schulen | Besuch im Durchschnitt | Zuschuß vom Parlament |
---|---|---|---|
England u. Wales | 19508 | 3754956 | 3498078 |
Schottland | 3105 | 538321 | 546997 |
Irland | 8346 | 506336 | 969853 |
In England und Wales konnten (1843) von den Männern 32,7, von den Frauen 49,0 Proz. bei der Verheiratung ihren Namen nicht schreiben. 1891 waren die Ziffern auf 6,4 und 7,3 Proz. zurückgegangen. In Schottland waren es 1857: 12,11 und 24,66, 1890 nur noch 3,92 und 6,42 Proz. Irland wies bei Eheschließungen (1890) 20,4 und 20,9 Proz. Analphabeten auf. Zu den öffentlichen Elementarschulen kommen (1892) noch in England Abendschulen mit 1388 Klassen und 62617 Schülern, zahlreiche Privatschulen, außerdem Arbeitsschulen und Besserungsanstalten.
Der Sekundärunterricht wird vom Staate nicht beaufsichtigt, außer in Schottland, wo 52 Schulen dieser Art unter staatlicher Aufsicht stehen. Aber die neuere Gesetzgebung hat der Einrichtung öffentlicher Mittelschulen den Weg gebahnt. Es bestehen etwa 550 im Vereinigten Königreich, darunter 62 Great Public Schools, meist aus Stiftungen hervorgegangen, wie Eton, Harrow u. a., oder von Gilden und Gesellschaften unterhalten, 9 Colleges mit