mehr
Verhältnise der griech. Staaten untereinander wurden nach humanern Grundsätzen geregelt durch Bildung sog. Amphiktyonien (s. d.). Von den innernpolit. und socialen Verhältnissen der achäischen Staaten geben die Homerischen Gedichte ein wohl ziemlich getreues Bild. Danach war die Regierungsform durchgängig die monarchische. An der Spitze jedes Staates stand ein dem angesehensten Geschlecht, das seinen Ursprung gewöhnlich auf eine Gottheit zurückführte, entsprossener König, dessen Würde erblich war; er war Heerführer im Kriege und hatte im Frieden Recht zu sprechen und gewisse Opfer für das ganze Volk, wie der Hausherr für seine Familie, darzubringen.
Seine Obliegenheiten übte er unter Mitwirkung der Häupter der angesehensten Familien, der Edlen, die seinen Rat bildeten, welcher sich in der Regel in der Behausung des Königs beim Mahle, womit immer ein Opfer verbunden war, versammelte. Bei besonders wichtigen Fragen wird auch die Gemeinde zur Volksversammlung berufen; in derselben sprechen aber nur die Edlen, das Volk giebt nur seinen Beifall oder sein Mißfallen zu erkennen, eine Abstimmung findet nicht statt.
Der Fremde ist ohne besondere Verträge rechtlos, nur durch die Scheu vor den Göttern vor Verletzung geschützt; ebenso die unfreie Dienerschaft, Sklaven und Sklavinnen, deren es wenigstens in den Häusern der Herrscher eine ziemlich bedeutende Zahl gab. Überhaupt ist das Recht in dieser Zeit noch nicht in bestimmte Formeln, Gesetze, fixiert, sondern aufs engste mit den religiösen Anschauungen verbunden: Recht und Sitte fallen noch zusammen. Fast alle Vergehen und Verbrechen, unter Umständen auch Mord und Totschlag, können durch eine Buße an den Verletzten oder seine Rechtsnachfolger gesühnt werden.
Die meisten der alten griech. Staaten und Stämme wurden heftig erschüttert oder auch ganz zertrümmert durch die Wanderungen, welche neue, noch rohere, aber kräftigere Stämme herzuführten. Der erste Anstoß zu diesen gewöhnlich als die dor. Wanderung oder auch als Rückkehr der Herakliden (s. d.) bezeichneten Umwälzungen kam von Nordwesten her, indem der ursprünglich in Thesprotien (in Epirus) seßhafte Stamm der Thessaler (s. Thessalien), durch Illyrer aus ihren Wohnsitzen gedrängt, gegen Osten über den Pindos in die später nach ihnen Thessalien genannte Landschaft zog und die bisherigen äol.
Bewohner derselben teils zu hörigen Bauern (Penesten) machte, teils zur Auswanderung nötigte; namentlich zog der Stamm der Böoter oder Arnäer südwärts in die Landschaft, die von ihnen den Namen Böotien (s. d.) erhielt. Die Einwanderung der Thessaler gab auch den am Olymp sitzenden Doriern (s. d.) den Anstoß, nach Süden vorwärts zu dringen, zuerst nach dem Öta und Parnaß. Später sollen sie nach der Tradition in einem großen Heerhaufen unter Führung der drei Söhne des Aristomachus, Temenos, Kresphontes und Aristodemos, durch Ätolien, wo sich ihnen Oxylos mit einer Schar Ätolier angeschlossen habe, und über den korinth.
Meerbusen nach dem Peloponnes gezogen sein, wo sie durch eine einzige Schlacht, in welcher Tisamenos, der Sohn des Orestes, gefallen sei, den größern Teil der Halbinsel gewonnen und durch Los unter sich geteilt hätten; dem Temenos sei Argos, dem Kresphontes Messenien, den Söhnen des unterwegs verstorbenen Aristodemos, Eurysthenes und Prokles, Lakonien zugefallen; dem Oxylos habe man für seinen Beistand im Kampfe die Landschaft Elis überlassen. Diese Überlieferung leidet aber an starken innern Unwahrscheinlichkeiten und steht auch mit mannigfachen Lokalsagen der Peloponnesier selbst in Widerspruch. In Wahrheit sind die Eroberer (die nach der alten Chronologie gegen Ende des 11. vorchristlichen Jahrh., wahrscheinlich aber erst gegen 1000 v. Chr. sich in Bewegung setzten) nur unter langen und schweren Kämpfen die neuen Herren im Peloponnes geworden.
Die Dorier scheinen von Ätolien aus zusammen mit ätol. Scharen, die, weil auch ihr Land von den Illyrern überschwemmt wurde, die Heimat verlassen mußten, über die Meerenge von Rhion nach Elis, von da, nachdem die Ätoler in Elis sich niedergelassen, am Flusse Alpheus aufwärts, nach dem südl. Arkadien gezogen zu sein, wo ihnen die tapfern Bergbewohner Widerstand leisteten. Infolgedessen teilten sie sich wahrscheinlich in zwei Heerhaufen, deren einer mit relativ leichter Mühe die friedlichen Einwohner der reichen Ebene Messeniens unterwarf, während der andere, dem Laufe des Eurotas folgend, sich an der Stelle, wo dann die Stadt Sparta sich erhob, festsetzte und von hier aus lange und hartnäckige Kämpfe mit der achäischen Bevölkerung, [* 2] deren Hauptstadt Amyklä war, zu bestehen hatte.
Eine andere Schar der Dorier unternahm ihren Eroberungszug gegen die argivische Halbinsel offenbar zu Schiffe [* 3] und setzte sich an der Südküste von Argolis fest, beim sog. Temenion, von wo sie nach längerm Kampfe die Stadt Argos gewannen. Von dieser aus brachten sie allmählich, meist auf gütlichem Wege, die kleinern Staaten der Landschaft an sich; an der Nordküste eroberten sie endlich von dem Hügel Solygeios aus Korinth. [* 4] Die nächste Folge dieser Eroberungen war eine starke Auswanderung, besonders der angesehensten Geschlechter der alten Bevölkerung, aus den eroberten Staaten.
Die aus dem südl. Peloponnes Ausgewanderten setzten sich zum Teil in der nördlichsten Landschaft des Peloponnes, die von ihnen den Namen Achaia erhielt, fest und nötigten wieder die ältere ion. Bevölkerung dieser Landschaft, über den Isthmus zu den stammverwandten Athenern zu flüchten; ein anderer Teil verließ den Peloponnes ganz und zog in Verbindung mit Angehörigen der nördl. Stämme unter Führung von Fürsten aus dem Stamme der Pelopiden gegen Osten, wo sie auf der Insel Lesbos und auf den Küsten des westl. Kleinasiens sich ansiedelten.
Von Korinth aus versuchten die Dorier auch nach dem mittlern Geschichte vorzudringen. Es gelang ihnen, die kleine Landschaft Megaris sich zu unterwerfen; aber ihre Versuche zur Eroberung Attikas scheiterten an dem heldenmütigen Widerstand der Athener. Die Sage läßt in diesen Kämpfen den attischen König, Kodros, den Heldentod sterben. Bald nach dieser Zurückweisung der Dorier zogen dann zahlreiche ion. Scharen, ebenfalls mit abenteuerlustigen Genossen aus andern Stämmen vermischt, teils aus dem armen und großenteils wenig fruchtbaren Attika, teils aus Euböa, nach den reichen Küstenlandschaften Kleinasiens hinüber, wo sie 12 Städte gründeten, welche unter sich zu einem Bunde (der ion. Dodekapolis) zusammentraten: Milet, Myus und Priene an der Küste von Karien, Ephesos, [* 5] Kolophon, Lebedos, Teos, Klazomenä, Phokäa und Erythrä an der Küste von Lydien, und Samos und Chios auf den gleichnamigen Inseln. Diese ion. Kolonien, denen sich frühzeitig das ursprünglich äol. Smyrna anschloß, ¶
mehr
erreichten bald eine hohe Stufe der Macht und Kultur; sie wurden später die Ausgangspunkte neuer Koloniegründungen, wie namentlich die Milesier seit dem Beginn der folgenden Periode an der Propontis und an den Küsten des Schwarzen Meers Hauptniederlassungen gründeten; in ihnen entwickelte sich auch zuerst die epische Poesie (Homer) zu hoher Blüte. [* 7] Auch die Dorier beteiligten sich an diesen Seezügen nach den Küsten Kleinasiens, indem sie, hauptsächlich von Argolis aus im Verein mit der dort uransässigen ion. Bevölkerung, die sog. dorische Hexapolis, d. h. sechs zu einem Bunde vereinigte Städte (Halikarnassos und Knidos auf der kar. Küste, Kos auf der Insel dieses Namens, und Jalysos, Kameiros und Lindos auf der Insel Rhodos) gründeten.
Doch überwog in Halikarnaß die ion. Bevölkerung so sehr, daß nicht nur alle Inschriften dieser Stadt in ion. Sprache [* 8] geschrieben sind (auch der hier geborene Herodot verfaßte sein Geschichtswerk ionisch), sondern auch ihre Verbindung mit den mehr dor. Nachbarstädten früh gelöst wurde. Alle diese Kolonisationen scheinen sich indes bis 900 v. Chr. vollzogen zu haben. Von den dor. Staaten im Peloponnes war jahrhundertelang Argos (s. d.) der mächtigste und blühendste. In Messenien (s. d.) hatten die Dorier sich mehr als irgendwo sonst mit den ältern Einwohnern verschmolzen und unter dem Einfluß der reichen, üppigen Landesnatur ihren kriegerischen Charakter mehr zurücktreten lassen; ihr Herrscherhaus schloß sich eng an die Stämme des südl. Arkadien an. In Sparta (s. d.) waren neben den langen Kämpfen mit der achäischen Bevölkerung bedeutende Unordnungen und Parteikämpfe zwischen den Doriern selbst eingetreten, denen erst durch die (von der gewöhnlichen Chronologie auf 884, richtiger erst nach 825 v. Chr., angesetzte) Gesetzgebung des Lykurgus ein Ende gemacht wurde, die die Verfassung und Sitte der Spartaner neu regelte und ihre militär. Kraft [* 9] so sehr steigerte, daß sie etwa 800–770 v. Chr. endlich das mittlere und südl. Eurotasgebiet erobern konnten. Der in den Bergen [* 10] östlich und westlich des Eurotas wohnende Teil der besiegten Achäer wurde zu freien, aber zinspflichtigen und politisch rechtlosen Unterthanen (Periöken), die Bauern der Ebene selbst zur Leibeigenschaft herabgedrückt.
2) Von der ersten gezählten Olympiade bis zum Beginn der Perserkriege (776–500 v. Chr.). Die Hauptcharakterzüge dieser Periode bilden die Ausbreitung der Griechen nach Osten wie nach Westen auf der Küste des Mittelmeers [* 11] durch Gründung zahlreicher Kolonien;
der Sturz des alten Königtums in fast allen Staaten (um die Mitte des 8. Jahrh.), dem eine mehr als hundertjährige Herrschaft des Adels folgte;
das Auftauchen und der Sturz der Tyrannenherrschaft in vielen griech. Staaten;
endlich das Emporsteigen von Sparta zur Führerschaft (Hegemonie) im Peloponnes.
Was zunächst die Kolonien anlangt, so fällt in den Anfang dieser Periode, ins 8. und 7. Jahrh. v. Chr., die Gründung der zahlreichen Handelsniederlassungen der asiat. Ionier (namentlich der Milesier) in der Propontis und an den Gestaden des schwarzen Meers (Abydos, Lampsakos, Kyzikos, Kardia, Apollonia, Odessos, Tomi, Istros, Tyras, Olbia, Sinope, Trapezunt, Phasis, Pantikapaion) und die mehrerer bedeutender Kolonien in denselben Gegenden von Megara aus (Chalcedon oder Kalchedon, Byzantion, Selymbria und Mesembria); ferner die Besiedelung der thraz.
Halbinsel Chalkidike von den euböischen Städten Chalkis und Eretria aus; endlich die Anlage griech. Städte in Unteritalien und auf Sicilien, ein Unternehmen, an welchem sich die verschiedensten griech. Stämme beteiligten. (S. Großgriechenland.) Auf der Nordküste Afrikas wurde von einer Schar Ansiedler von der Insel Thera aus unter Führung des Battos um 630 die griech. Stadt Kyrene begründet, die bald der Mittelpunkt eines blühenden Reichs wurde. Ägypten [* 12] wurde durch den mit Hilfe griech. Söldner auf den Thron [* 13] gelangten König Psammetich (nach 655) den Ioniern zu freiem Verkehr und auch zur Niederlassung in Naukratis eröffnet.
Mit dieser gewaltigen Entwicklung des griech. Elements nach außen war ein mächtiger Aufschwung im Innern verbunden, der zu bedeutenden Umgestaltungen, namentlich in den polit. Verhältnissen führte. In den meisten griech. Staaten (nur Sparta und Argos bilden eine Ausnahme davon, doch scheint in dem letztern seit dem Tode des Pheidon, welcher um die Mitte des 8. Jahrh, die ganze Landschaft Argolis unter seinem Scepter vereinigt hatte, das Königtum zu einer bloßen Form herabgesunken zu sein) wurde die monarchische Staatsform aufgehoben und machte der aristokratischen Platz, welche alle polit.
Macht und den größten Teil des Grundbesitzes in den Händen einer größern oder geringern Zahl adliger (eupatridischer) Geschlechter konzentrierte. In Athen [* 14] wurde die anfangs lebenslängliche Amtsdauer des Königs 752 auf 10 Jahre beschränkt, 714 das ausschließliche Recht des Geschlechts der Medontiden auf diese Würde aufgehoben, 682 aber ein Kollegium von neun Archonten (die nur aus und von den Eupatriden gewählt wurden) mit einjähriger Amtsdauer an die Spitze des Staates gestellt. In Korinth war längere Zeit die Regierung in den Händen eines großen Adelsgeschlechts, des der Bakchiaden.
Der Druck, den solche herrschenden Geschlechter auf die übrige Bürgerschaft ausübten, in manchen Fällen auch die Härte, womit sie gegen arme Schuldner einschritten, erregte in vielen Gemeinden die Unzufriedenheit des Volks, welche dann meist Männer von hervorragendem Talent, gewöhnlich Mitglieder der Aristokratie selbst, die mit ihren Standesgenossen zerfallen waren oder ehrlich mit dem Demos sympathisierten, zur Befriedigung ihres persönlichen Ehrgeizes ausbeuteten, indem sie sich an die Spitze der Unzufriedenen stellten und, nachdem sie die bestehende Verfassung umgestürzt, sich selbst zu Alleinherrschern (Tyrannen) aufwarfen und gewöhnlich mit Hilfe von Mietstruppen diese Herrschaft behaupteten.
Einige dieser Tyrannen vererbten sie auch auf ihre Nachkommen, so Andreas, oder wie er sich später nannte, Orthagoras, der 605 v. Chr. in Sikyon sich der Herrschaft bemächtigte, die bis zum Tode des Kleisthenes, der 505 ohne männliche Erben starb, bei seiner Familie blieb; so Kypselos, der 657 v. Chr. nach dem Sturze der Bakchiaden die Regierung von Korinth gewann, die er 30 Jahre lang bis zu seinem Tode behauptete und seinem Sohne Periander übergab, der sie 42 Jahre lang (627–585) führte; erst dessen Nachfolger, sein Neffe Psammetich, wurde 582 vertrieben und eine gemäßigt aristokratische Verfassung eingeführt, wie sie in vielen Staaten nach Vertreibung der Tyrannen oft als Übergang zur Demokratie wieder vorkam. ¶