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Leichnam ward in den Tiber geworfen. Dennoch ging die Ackerverteilung fort, freilich nur langsam; an des Tiberius Stelle wurde Publius Crassus Mucianus, nach dessen und des Appius Claudius Tode Marcus Fulvius Flaccus und Gajus Papirius Carbo gewählt. Letzterer schlug als Tribun 131 das Gesetz über Wiederwahl der Tribunen vor, das später, nachdem der jüngere Scipio, eine der stärksten Stützen der Optimatenpartei, 129 ermordet worden war, auch wirklich durchging. Des Flaccus Vorschlag, den Bundesgenossen das Bürgerrecht zu gewähren, wurde jedoch 125 noch beseitigt.
Im J. 123 aber trat Gajus Sempronius Gracchus, der jüngere Bruder (geb. 153), der 126-124 in Sardinien [* 2] Quästor gewesen war und nun Tribun wurde, auf, entschlossen, die Wege seines Bruders, den er an Talenten, besonders an feuriger Beredsamkeit wie auch an leidenschaftlicher Heftigkeit übertraf, zu verfolgen und zugleich seinen Tod zu rächen. Weniger durch die Erneuerung und Herstellung des Ackergesetzes (Lex agraria) in seinem vollen Umfange, als durch ein neues Gesetz, das billigen Getreideverkauf durch den Staat an das Volk (Lex frumentaria) anordnete, gewann er das Volk und durch dasselbe dann das Tribunat auch für das nächste Jahr (122). Während seines Tribunats brachte er in der Volksversammlung, auf welche er einen fast monarchischen Einfluß ausübte, eine Reihe von Gesetzen durch, durch welche die Härte des Militärdienstes gemildert, die Todesstrafe (indem ihre Verhängung dem Volke übertragen wurde) möglichst beschränkt, der Willkür des Senats bei der Verteilung der Provinzen gesteuert, endlich die Geschworenengerichte (quaestiones perpetuae), die bisher in den Händen der Senatoren gewesen waren, den Mitgliedern des Ritterstandes übertragen wurden.
Dagegen scheiterte auch jetzt wieder der von Gajus in Gemeinschaft mit seinem Kollegen Marcus Fulvius Flaccus gemachte Vorschlag, die bisher Meistberechtigten unter den italischen Bundesgenossen zu Bürgern zu machen und den andern italischen Bundesgenossen das bessere Recht jener zu gewähren, und entfremdete dem Gracchus viele seiner Anhänger unter den Altbürgern. Seine Bemühungen, diese besonders auch durch Anlegung von überseeischen Kolonien zu gewinnen, reichten nicht aus, als sein Amtsgenosse Marcus Livius Drusus, welcher im Dienste [* 3] der Optimaten und unter Zustimmung des Senats handelte, dem Volke weit größere Vorteile als in Aussicht stellte.
Auch seine Entfernung von Rom, [* 4] um die neu angelegte Kolonie Junonia-Karthago einzurichten, wußten seine Gegner dazu zu benutzen, seinen Anhang zu schwächen. So wurde er für das J. 121 nicht wieder zum Tribun, dagegen sein entschiedener Feind Lucius Opimius zum Konsul erwählt. Dieser beantragte unter sakralen Vorwänden die Aufgabe der Kolonisation Karthagos und rief am Tage der Abstimmung über diesen Antrag, nachdem bei dem von ihm im kapitolinischen Tempel [* 5] dargebrachten Opfer ein Lictor, der die Gracchaner als «schlechte Bürger» hinwegwies, von einem derselben getötet worden war, die Optimatenpartei zu den Waffen. [* 6]
Als dann die unter der Führung des Flaccus im Tempel der Diana auf dem Aventinischen Berge verschanzte Volkspartei (Gracchus war nur widerwillig und unbewaffnet mitgezogen) die geforderte unbedingte Ergebung verweigerte, ließ Opimius das Zeichen zum Angriff auf den Aventin geben und zugleich jedem, der vor Beginn des Kampfes das Lager [* 7] der Gegner verlassen würde, Straflosigkeit zusichern, eine Maßregel, wodurch die Reihen der Volkspartei sich rasch lichteten. Von den Zurückbleibenden wurden gegen 250 Mann, darunter Flaccus, der sich in einem Hause versteckt hatte, getötet; dem Gracchus gelang es durch die Aufopferung einiger seiner Freunde, auf das rechte Ufer des Tiber zu entkommen, wo man tags darauf im Haine der Furina seinen Leichnam, daneben den eines treuen Sklaven, der wahrscheinlich auf Befehl seines Herrn erst diesen, dann sich selbst getötet hatte, auffand.
Die Leichen der Getöteten wurden in den Tiber geworfen; von den Anhängern des Gracchus, dessen Andenken geächtet ward, aber nur um so lebendiger im Herzen der Volkspartei fortlebte, sollen gegen 3000 mit Todesstrafen belegt worden sein. Aus ihrem konfiszierten Vermögen wurde ein neuer glänzender Tempel der Concordia (Eintracht) errichtet. Erst später wurden den beiden Gracchen von dem Volke Denkmäler errichtet und Kapellen an den Stellen, da sie ihr Blut vergossen, erbaut.
Vgl. Lau, Die Gracchen und ihre Zeit (Hamb. 1854);
Mommsen, Röm. Geschichte (Bd. 2, 8. Aufl., Berl. 1889);
R. Schmidt, Kritik der Quellen zur Geschichte der Gracchischen Unruhen (ebd. 1874);
Neumann, Geschichte Roms während des Verfalls der Republik (2 Bde., Bresl. 1881-84);
Klimke, Die ältesten Quellen zur Geschichte der Gracchen (Beuthen [* 8] 1886);
ders., Beiträge zur Geschichte der Gracchen (Sagan [* 9] 1892).
Die Schicksale der Gracchen wurden in neuerer Zeit vielfach dramatisch bearbeitet.