mehr
kirchliche und profane Geräte beschränken. (Hierzu die
Tafeln: Goldschmie
dekunst
[* 2] I und II.) Die
Sitte, sich durch glänzende
Gegenstände zu schmücken, ist allen Völkern gemeinsam und daher schon in den ältesten
Zeiten zu beobachten.
Früh suchte
man dem Schmuck durch Verwendung wertvoller und dauerhafter
Stoffe eine größere Bedeutung zu geben, welche
sich zu symbolischen und abergläubischen Werten steigerte (s.
Amulett). Man wählte bunte oder leuchtende
Steine,
Gold
[* 3] und
Silber
u. dgl. Die orient.
Völker haben schon eine hohe Fertigkeit in der Goldschmie
dekunst bewiesen. Ihr Einfluß zeigt sich in den frühgriech.
Arbeiten, welche die
Ausgrabungen zu Mykenä
[* 4] (s. d.), Tiryus,
Troja
[* 5] (s. d.) und auf der
Insel Cypern
[* 6] zu
Tage
förderten. Auch die spätern
Arbeiten der
Etrusker und der Griechen zeichnen sich durch die Schönheit, Eigentümlichkeit
und Angemessenheit der Formen aus. Die
Männer trugen Gewandnadeln (s.
Fibula,
[* 7]
Textfigur 1) und
Ringe, in alter Zeit statt der
Goldstickerei auf die Gewänder aufgenähte Goldplättchen, als Kopfschmuck Diademe
[* 8] und
Kronen,
[* 9] bei
Mahlzeiten
und im
Grab gelegentlich auch in
Gold gebildete
Kränze. Ein schönes
Beispiel letzterer Art zeigt der in Armento (Unteritalien)
gefundene ganz naturalistische Totenkranz (jetzt in
München).
[* 10]
Armbänder trugen nur die
Römer.
[* 11] Die Frauen trugen
Haar- und
Kopfputz, namentlich
Haarnadeln,
[* 12] Ohrringe und Fingerringe, Halsketten und Halsreifen, zum
Teil mit Gehängen
für die
Brust,
Armbänder und Spangen, Gürtel
[* 13] u. a.
Die Technik dieser Gegenstände ist eine sehr hohe. Neben fein getriebenen, gestanzten und ciselierten Goldblättchen fand der Filigran und ein mit höchster Feinheit durchgebildeter Metallguß vielfach Anwendung. Gold war das bevorzugte Material. Edelsteine [* 14] sind außer in den Ringen selten und wirken auch dort mehr durch ihren Schnitt, als durch ihr natürliches Feuer. Elfenbein, Bronze, [* 15] Glasflüsse wurden vielfach zum Schmuck verwendet. Ebenso ausgezeichnet sind die antiken Prunkgeräte, besonders die aus dem 1830 gemachten Funde zu Bernay in Frankreich (s. Taf. I, [* 1] Fig. 4) und die aus dem Hildesheimer [* 16] Silberschatz (s. d.). (Vgl. H. Blümner, Das Kunstgewerbe im Altertum, Lpz. 1885.)
Mit der Völkerwanderung trat, soweit es nicht schon in der röm. Kaiserzeit stattgefunden hatte, ein Verfall der ein. Form und Technik verschlechterte sich; doch verdienen einzelne Stücke, wie die im Banat gefundene Flasche [* 17] von Gold (s. Taf. I, [* 1] Fig. 1) und die Goldgefäße aus dem 1799 gemachten Funde von Nagy-Szent-Miklós immerhin Beachtung. Die Byzantiner hielten einigermaßen die Traditionen aufrecht und überlieferten sie dem Mittelalter, welches das, was noch davon übrig war, in dem Kunstbuch des deutschen Mönchs Theophilus, «Diversarum artium schedula» (12. Jahrh.), registrierte.
Sie liebten eine außerordentlich reiche Verwendung von Edelmetall, insbesondere Gold in Verbindung mit Zellenschmelz (s. Email) sowie mit Edelsteinen, sowohl an Kronen, Armbändern, Schmuck, Gefäßen, als auch besonders an den Kleidern. Aber die Edelsteine wurden nicht mehr durch Gravierung verziert wie in alter Zeit, noch lernte und übte man bis gegen Ende des Mittelalters den krystallinischen Schliff. Man schliff sie rundlich, halbkugelförmig, in sog. «mugeliger Form», und faßte sie meist sehr roh.
Die
Germanen bewiesen ebenfalls schon früh einen lebhaften
Sinn für die Goldschmie
dekunst. Gemeinsam ist allen deutschen
Stämmen die Verzierung
mit Linienwerk, welches sich oft
wurmartig verschlingt und mit Fratzen durchzogen ist. Gewandnadeln (s.
Fibula,
Textfigur 2), Hängeschmuck, Riemenbeschläge, Schnallen, Brustscheiben, Spangen aus
Bronze,
Eisen,
[* 18] später auch aus
Gold, bilden den wesentlichen
Teil des in Gräbern gefundenen
Geschmeides (vgl. L.
Lindenschmit,
Altertümer der heidn. Vorzeit,
Mainz
[* 19] 1858–87; Akerman, Remains of Pagan Saxondom, Lond. 1855). Einige glückliche Funde haben
uns aber auch bedeutende Goldschmie
dearbeiten jener
Zeiten kennen gelehrt, so fand man 1653 zu
Tournai
im
Grabe König
Childerichs (gest. 481) einen reichen Schatz (jetzt im Louvre); 1837 fand man zu Petreosa
(Walachei) den Schatz des Westgotenkönigs
Athanarich (gegen 30 Pfd.
Gold), 1845 zu Gourdon jenen des Königs Sigismund von
Burgund (gest. 524), 1858 zu Guerrazar bei
Toledo
[* 20] jenen des westgot. Königs Reccared (Anmerkung des Editors:
richtig: Rekkeswinth ) (gest. 672). Eine
Krone dieses Fürsten, ein breiter mit
Saphiren und
Perlen gezierter Goldreif, an dem
die
Buchstaben des
Namens an Goldkettchen hängen, ist das Hauptstück des letztern.
Andere ältere
Arbeiten der Goldschmie
dekunst bewahrt der
Domschatz zu
Monza, darunter die sog.
Eiserne Krone (s. d. und
Tafel: Goldschmie
dekunst I,
[* 1]
Fig. 2) und der
Domschatz zu
Aachen.
[* 21]
In der folgenden Zeit tritt das
Geschmeide dem Prunkgerät gegenüber zurück; hierher gehört die ehedem im
Baseler
Münster,
[* 22] jetzt im Musée de
Cluny zu
Paris
[* 23] befindliche goldene Altartafel (s. Taf. 1,
[* 1]
Fig.
[* 24] 6), der Speisekelch im
Kloster Wilten (s. Taf. I,
[* 1]
Fig. 3), ferner ein Crucifix
[* 25] des ital.
Goldschmieds
Finiguerra (s. Taf. II,
[* 1]
Fig. 4). Seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrh.
stellen die städtischen Goldschmie
dewerkstätten vorzugsweise Prunkgeräte her. Das 16. Jahrh.
muß, was
Ausdehnung
[* 26] und Reichtum betrifft, als die Blütezeit der Goldschmie
dekunst betrachtet werden.
Der Reichtum dessen, was in diesen Zweigen geschaffen wurde und was noch heute davon in den Museen und im Privatbesitz sich
befindet (obwohl es nur einen kleinen
Teil des Geschaffenen bildet), ist höchst bedeutend. Verschiedene günstige Umstände
kamen hinzu: einmal überhaupt die allgemeine
Erhebung und Ausbreitung der Kunst im Zeitalter der Renaissance,
sodann die Menge edeln Metalls, die durch Entdeckung des Seewegs nach
Indien und
Amerika
[* 27] nach Europa
[* 28] kamen, die allgemeine,
aufs äußerste gesteigerte Schmuckliebe und endlich die jetzt erworbene Geschicklichkeit, die
Edelsteine in Krystallform
zu schleifen. Die Goldschmie
dekunst der Renaissance hat einerseits, was die Formen betrifft, vollendete
Arbeiten geschaffen (s. Taf. II,
[* 1]
Fig. 1), andererseits liebte sie es
ganz besonders, aus den Halbedelsteinen, aus
Achaten (s. Taf. I,
[* 1]
Fig. 5),
Onyx, Jaspis, Lapis Lazuli, ebenso aus dem
Bergkrystall
nicht nur Prunkgefäße, sondern auch
Geschmeide (s. Taf. II,
[* 1]
Fig. 2) zu bilden
und sie mit reichen Goldfassungen
zu versehen. Die bedeutendsten
Goldschmiede jener Zeit waren
Benvenuto Cellini (s. Taf. I,
[* 1]
Fig. 7) und Wenzel Jamnitzer (Merkelscher
Tafelaufsatz; 1549 für den
Rat von
Nürnberg
[* 29] angefertigt, seit 1880 im
Besitz des
Freiherrn
Karl von Rothschild in
Frankfurt
[* 30] a. M.).
Im 17. und 18. Jahrhundert machte die Goldschmie
dekunst große Fortschritte, indem sie
aus gefaßten
Steinen
Broschen, Anhängsel, Ohrgehänge,
Ketten u. s. w. von vornehmster Wirkung hervorbrachte, zu welchen im 18. Jahrh.
herrlich geformte und mit reichem Schmuck versehene
Kannen (s. Taf. II,
[* 1]
Fig. 6), Schalen (s. Taf.
Il,
[* 1]
Fig.
[* 31] 9) sowie die kunstvollen
Uhren,
[* 32] die
¶
mehr
Berlocken (s. d.) u. a. hinzu kamen. Mit dem Streben nach Einfachheit, welches die zweite Hälfte des 18. Jahrh. beherrschte, verschwanden die meisten Kunstformen, um schlichten Goldmassen Raum zu geben. In neuerer Zeit giebt man dem Geschmeide wieder die reichen Formen und Schmuckarten früherer Zeiten. Wie die Goldschmiedekunst gegen früher sich wesentlich verändert hat, so sind auch die Sitze der Fabrikation heute ganz andere geworden. Nürnberg und Augsburg, [* 34] im 16. und 17. Jahrh. die wichtigsten Plätze für die in Europa, sind außer Frage gekommen.
Bis zur Mitte des 19. Jahrh. ging Paris in allen Zweigen der Goldschmiedekunst unbedingt voran. Gegenwärtig ist eine Reform der Goldschmiedekunst im Gange, die an verschiedenen Orten verschiedene Wege einschlägt. Am Niederrhein, z. B. in Köln, [* 35] Aachen, Trier, [* 36] hat man eine Reform der kirchlichen Geräte nach dem Muster der mittelalterlichen Vorbilder begonnen; Wien, [* 37] Berlin, [* 38] Brüssel, [* 39] Mecheln, [* 40] München und jetzt auch Lyon [* 41] und Paris sind in allen bessern Arbeiten gefolgt. In England herrscht in großen Silberarbeiten ein gesunder Naturalismus, auch seine sehr bedeutenden Bijouteriearbeiten ahmen keinen Stil nach, sondern folgen einer ganz modernen Richtung.
Die Berliner [* 42] Goldschmiedekunst machte sehr zu ihrem Vorteil in den achtziger Jahren eine Schwenkung von dem antikisierenden Stil zu Renaissanceformen. Ebenso ist man in Paris, Wien, München, Frankfurt a. M., Dresden, [* 43] Nürnberg mehr auf die Formen der deutschen Renaissance zurückgegangen (s. Taf. II, [* 33] Fig. 3, 5 u. 8). Höchst ausgezeichnete Leistungen im Renaissancestil zeigte die franz. Arbeit (insbesondere das Haus Bapst+Falize) auf der Pariser Weltausstellung von 1889. Sehr schön sind die Imitationen antiken Schmucks, wie sie in Italien [* 44] (Rom und [* 45] Neapel) [* 46] zuerst durch die Castellani geschaffen wurden.
Italien hat übrigens noch andere Specialitäten im Schmuck, so die kleinen, in antiker Art gefaßten Mosaiktäfelchen nach röm. und florentin. Art; sodann die aus dem nationalen Schmuck wieder zum Handelsartikel gewordene Filigranarbeit [* 47] (s. d.). In Norwegen [* 48] (Kristiania) [* 49] versucht man Gleiches mit dem nationalen Schmuck des Landes. Auch in den übrigen europ. Ländern, in Schweden (s. Taf. II, [* 33] Fig. 7), Spanien, [* 50] Rußland hat man in neuester Zeit versucht, sich einen eigenen Stil zu schaffen. Zu den europ. Arbeiten und Stilarten sind auch die des Orients, besonders Indiens, gekommen.
Reizende Silbergefäße in schlanken Formen, ganz mit getriebenen zierlichen Arabesken und Blumen überdeckt, kommen aus dem Pandschab;
Goldtauschierarbeit wird zu Schmuck und Gerät benutzt;
durchscheinendes Schmelz von höchster Schönheit steht noch in reicher Übung (Hauptort Dschaipur);
vor allem aber wissen die Juweliere aus der Zusammensetzung der Steine, aus der Erhöhung ihres Glanzes durch Folie, aus Mitbenutzung von Gold und Email die herrlichsten Effekte zu erzielen.
Außerordentlich ist jetzt der Einfluß Japans, welcher durch seine technische Meisterschaft und den Reichtum seiner Schmuckarten zunächst auf Nordamerika [* 51] (Tiffany in Neuyork), [* 52] dann über England und Frankreich auch auf die deutsche Goldschmiedekunst bestimmend einwirkte.
In Deutschland [* 53] blüht die Goldschmiedekunst, außer in Frankfurt a. M., Stuttgart, [* 54] Berlin und Thüringen, vorzugsweise in Pforzheim, [* 55] Hanau [* 56] und Schwäbisch-Gmünd. Hanau liefert vorzugsweise feinste und in Bezug auf den Metallgehalt nahezu ausschließlich echte Goldschmiedearbeiten, Pforzheim neben feinsten und gediegensten Bijouterien in großen Mengen billigere Massenartikel, Gmünd [* 57] vorzugsweise, feinere Goldartikel nicht ausgeschlossen, Silberbijouterie und unechte Bijouterie. Der Absatz dieser drei Plätze erstreckt sich nach allen Ländern der Erde, nach Südamerika [* 58] und Ostindien, [* 59] Borneo, Java, Hinterindien, [* 60] wo die dortigen Fürsten gute Abnehmer der deutschen Schmuckwaren sind. (S. Goldwaren, S. 141a.)
Vgl. Boué, Traité d’orfèvrerie etc. (2 Bde., Par. 1832);
Castellani, Della oreficeria antica (Flor. 1862);
Cellinis Abhandlungen über die Goldschmiedekunst (deutsch von Brinkmann, Lpz. 1867);
Castellani, Della oreficeria italiana (Rom 1872);
Theophilus, Diversarum artium schedula (übersetzt von Ilg, in den «Quellenschriften für Kunstgeschichte», Bd. 7, Wien 1874);
Wagner, Gold, Silber und Edelsteine (ebd. 1881);
Kulmer, Handbuch für Gold- und Silberarbeiter und Juweliere (2. Aufl., Weim. 1887);
Luthmer, Gold und Silber (Lpz. 1888);
M. Rosenberg, Der Goldschmiede Merkzeichen (Frankf. a. M. 1890);
Ris-Paquot, Dictionnaire des poinçons, symboles, signes figuratifs, marques et monogrammes des orfèvres (Par. 1890);
Hefner-Alteneck, Deutsche [* 61] Goldschmiedewerke des 16. Jahrh. (Frankf. 1890).