Vordergrund, durch die
Irland ein eigenes Parlament zur Regelung der ausschließlich irischen Angelegenheiten gewährt werden
sollte. Sofort rief er damit eine Spaltung im liberalen Lager
[* 2] hervor, Hartington, Chamberlain,
Trevelyan und
Bright fielen
von ihm ab und traten an die
Spitze einer selbständigen liberalen Partei, der
«Unionisten» (s. d.). In einer bedeutungsvollen
Rede entwickelte Gladstone die Grundzüge seiner
Home-Rule-Politik vor dem
Unterhaus, doch vermochte er keine Mehrheit für
seine
Ansichten zu gewinnen.
Auch die einer Parlamentsauflösung folgenden Neuwahlen fielen durchaus zu Gunsten der vereinigten Konservativen und
Unionisten
aus, und räumte Gladstone wieder Salisbury den Platz. Die von der Königin ihm angebotene
Grafenwürde lehnte er ab und beteiligte sich trotz seiner hohen Jahre noch immer in lebhaft agitatorischer
Weise am öffentlichen
Leben. Die konservative Regierung, vor allem natürlich ihre irische Politik, wurde stark von ihm angefeindet; nur in auswärtigen
Fragen verhielt er sich mehr entgegenkommend. NachParnellsVerurteilung in dem Ehescheidungsprozeß des
Kapitän O'Shea (Nov. 1890) verlangte Gladstone entschieden dessen Rücktritt von
der irischen Parteileitung und wußte den größten
Teil der irischen Nationalpartei zu bestimmen, sich von ihm loszusagen.
Bei den Neuwahlen zum Parlament errang die liberale Partei mit der irischen Nationalpartei eine zwar nur geringeMajorität,
und Gladstone wurde zum viertenmal zur
Bildung eines Ministeriums berufen, mit dem er Aug. 1892 die Regierung übernahm. Im Febr. 1893 trat
er mit seinem neuen abgeänderten
Home-Rule-Antrag vor das
Unterhaus und brachte ihn dort trotz des heftigsten
Widerstandes
der Gegenparteien durch alle drei Lesungen; vom Oberhaus wurde er jedoch mit großer
Majorität abgelehnt.
Besonderes Aufsehen und größte Bewunderung erregte die geistige und körperliche Leistungsfähigkeit, mit welcher der greise
Premierminister («The grand old man») unermüdlich selbst in den Verhandlungen
thätig war. – Dieselbe Frische, die er im öffentlichen Leben zeigte, bewies er auch in fortgesetzter litterar. Thätigkeit.
Er veröffentlichte: «The impregnable rock of Holy Scripture» (1890) und
«Specialaspects of theIrishquestion» (1892);
seine
«Speechesand public addresses» (10 Bde., Lond.
1892) gaben
Hutton und Cohen heraus. (S.
Großbritannien.)
[* 3] Sein ältester Sohn, WilliamHenryGladstone, war zeitweise Unterhausmitglied
und 1869–74 Lord der Schatzkammer.
Der zweite,
Stephen, ist Pfarrer in
Hawarden. Der jüngste und bedeutendste,
HerbertJohnGladstone, geb. herangebildet zu
Eton und Oxford,
[* 4] kam 1880 für Leeds
[* 5] ins
Unterhaus, das er seitdem vertritt.
Er wurde 1886 von seinem
Vater zum Privatsekretär und Lord der Schatzkammer ernannt und trat mit diesem in demselben Jahre
zurück. In G.s viertem Ministerium ist er Parlamentssekretär des Innern.
Vgl.
GeorgeBarnettSmith, The life ofGladstone (2 Bde., Lond. 1879 u. ö.);
Emerson, Gladstone, prime minister of England (ebd. 1881);
ThomasArcher, Will. E.Gladstone and his contemporaries; fifty years of socialand political progress (4 Bde., ebd. 1883 u. ö.);
so genannt im
Gegensatz zu den Mitgliedern der Parteien, die sich zur Aufrechterhaltung der
Reichseinheit vereinigt haben (s.
Unionisten und
Tory).
Die Gladstonianer zählen in dem 1892 gewählten Parlament 356 Mitglieder und bestehen aus den Liberalen, die 1886 bei
der
Trennung der Partei zu
Gladstone hielten, und die man auch im engern
Sinne Gladstonianer nennt, sowie den in Parnelliten und
Antiparnelliten
zerfallenden
Home-Rulers (s. d.).
(spr. -itza) ist der
Name eines der beiden
Alphabete, in denen die älteste kirchenslaw.
Litteratur überliefert ist. Das andere ist die Kyrillica, die für die Schreibung des
Slawischen angewendete griech. Majuskelschrift.
Die Glagolica ist aber ebenfalls griech. Ursprungs und zwar die in eigentümlicher
Weise stilisierte Minuskelschrift. Der Versuch,
die Glagolica auf ein angeblich altes, national-albanes.
Alphabet zurückzuführen (L. Geitler, «Die albanes.
und slaw.
Schriften»,
Wien
[* 6] 1883), ist mißlungen; ebenso sind frühere
Ansichten, die Glagolica sei aus orient.
Alphabeten oder aus slaw. Runen
[* 7] entstanden, aufgegeben. Die Glagolica ist bei zwei
slaw.
Stämmen in Gebrauch gewesen: bei den
Bulgaren und bei den Kroaten; bei den erstern ist der Duktus
der
Schrift rund (daher runde oder bulgarische Glagolica), bei den letztern eckig (eckige oder kroatische Glagolica). In
Bulgarien
[* 8] ist die Glagolica früh, wohl schon im 12. Jahrh., außer Gebrauch gekommen.
Nach Kroatien wurde sie sehr früh verpflanzt, wahrscheinlich schon durch unmittelbare
Schüler von
Cyrillus undMethodius,
und blieb hier weit länger in Gebrauch, nicht bloß für
Kirchenbücher, sondern auch für
Urkunden.
Einige Gemeinden erhielten nach der Kirchenspaltung in occident. und orient.
Kirche vom röm.
Stuhle das Privilegium, die Liturgie
in slaw.
Sprache
[* 9] und glagolitischer
Schrift zu behalten, und haben sich dies zum
Teil bis jetzt erhalten;
für diese sind in
Rom
[* 10] kirchliche
Schriften in glagolitischer
Schrift gedruckt worden. Die krainischen
Reformatoren,
Truber und
Genossen, ließen ebenfalls in kroat.
Sprache glagolitisch drucken zum Unterricht der Kroaten, sodaß auch eine kleine prot.
Litteratur in glagolitischer
Schrift existiert.
(spr. glä bisŏäng),Alexandre, franz. Politiker, geb. zu
Quintin (Depart.
Côtes-du-Nord), betrat 1822 die Advokatenlaufbahn und gehörte als Demokrat und Republikaner zu den eifrigsten
Gegnern der Restauration. Nach der Julirevolution vom
ArrondissementLoudéac zum Deputierten erwählt, vertrat er seinen Wahlbezirk
bis 1848. Nach der Februarrevolution wurde er vom Depart.
Côtes-du-Nord in die
Constituante gesandt, wo er größtenteils
mit der
Bergpartei stimmte.
Das J. 1863 brachte ihn wieder als Oppositionsmann für das Depart.
Côtes-du-Nord in die Kammer. Glais-Bizoin unterlag zwar 1869 bei
den allgemeinen
Wahlen, wurde jedoch Nov. 1869 von der republikanischen Partei in
Paris
[* 11] durchgebracht und nach dem
Sturze des
Kaiserreichs in die Provisorische Regierung berufen. In die Nationalversammlung von
Bordeaux
[* 12] gewählt, siedelte er mit dieser nach Versailles
[* 13] über, ließ sich aber fast nie auf der
Tribüne hören. Auch als Schriftsteller
hat sich Glais-Bizoin versucht; man hat von ihm zwei
Lustspiele: «Une vraie Bretonne ou uncaspendable» (1864) sowie «Le
[* 14] vrai courageou un duel en trois parties» (1862),
die nicht ganz ohne dichterischen Wert sind. Im Juni 1868 rief Glais-Bizoin im
Verein mit Hérold, Pelletan u. a. die demokratische Wochenschrift «LaTribunefrançaise», deren Herausgeber er wurde, ins Leben. 1872 veröffentlichte
¶
mehr
er ein Werk: «Dictature de cinq mois», einen Beitrag zur Geschichte der
Regierung der nationalen Verteidigung. Er starb zu Lamballe.