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ansässigen Gewerbetreibenden, welche außerhalb ihres Gemeindebezirks Waren aufkaufen oder Be- stellungen aufsuchen, sowie die solche Gewerbtreibcnde in den gedachten Geschäften vertretenden Hand- lungsreifenden (s. d.) bedürfen einer Legitimations- tarte, die in bestimmten Fällen versagt werden kann. Für den eigentlichen Gewerbebetrieb im Umber- ziehen ist ein «Wandergewerbeschein» erforderlich (f. Hausierhandel und Wanderhandel). Was die Messen, Jahrmärkte und Wochenmärkte betrifft, fo wird deren Zahl, Zeit und Dauer von der zuständigen Behörde festgesetzt. Im allgemeinen stebt der Kauf und Verkauf auf ihuen jedem mit gleichen Befugnissen frei; nur kann, wenn in einem Orte herkömmlich gewisse Handwerkerwaren, die nicht zu den gewöhnlichen Marktwaren gehören, auf dem Wochenmarkte und von einheimischen Ver- käufern feilgehalten werden durften, für diefelben diefes Vorrecht mit Ausfchluß der fremden Ver- täufer aufrecht erhalten werden.
Taxen, d. h. Preisvorfchriften feitens der Obrigkeit, sollen im allgemeinen fortfallen. Bäcker und Gastwirte kön- nen aber durch die Ortsbehörde angehalten werden, ihre Preise in ihrem Lokale oder vor demselben an- zuschlagen und der Polizeibehörde einzureichen, und dleiben, solange sie keine Veränderung angezeigt und angeschlagen, daran gebunden. Ferner dürfen Taxen für öffentliche Lohnfuhrwerke u. s. w., fowie für Dienstmänner, Führer u. s. w. seitens der Orts- behörde vorgeschrieben werden.
Innungen mit Veitrittszwang für die betreffen- den Gewerbtreibenden kennt die Gewerbeordnung nicht; wohl aber begünstigt sie durch die Novellen von 1881/1884,1886 und 1887 den Eintritt in die freiwillig gebildeten Innungen durch den letztern gewährte wichtige Rechte. (S. Innungen.) Von be- sonderer Wichtigkeit ist Titel VII der Deutschen Ge- werbeordnung, welcher die Arbeiterschutzgesetzgebung oder Fabrikgesetzgebung (s.d.) enthält. An der spitze desTitelsVU steht der wichtige Grundsatz'."Die Fest- setzung der Verhältnisse zwischen den selbständigen Gewerbtreibenden und den gewerblichen Arbeiter n ist Gegenstand freier Übereinkunft, vorbehaltlich der durch Reichsgesetz begründeten Beschränkungen».
Das Gesetz gestattet für die Verhältnisse der Arbeit- geber und Arbeitnehmer nur eine solcke Einmischung der öffentlichen Behörde, welche durch die Fürsorge für Unmündige, für einen Nachhilfsunterricht, so- weit derselbe notwendig, für möglichste Sicherung der Arbeiter gegen die aus der besondern Beschaffenheit des Gewerbebetriebes oder der Vetriebsstätte sich ergebende Gefahr für Leben und Gesundheit, für Sicherstellung der Lehr- und Lohnverträge, endlich für Vefeitigung von Mißbrauchen bei Lohnzah- lungen (Trucksystem, f. d.) bedingt ist.
Das Dienst- verhältnis zwischen Arbeitgebern einerseits und Ge- sellen, Lehrlingen und Arbeitern jeder Art anderer- seits ist in allcn Beziehungen geregelt. (^. Dienst- miete.) Die Arbeit von Kindern, jugendlichen Ar- beitern und Frauen in den Fabriken ist nur beschränkt gestattet (s. Frauenarbeit, Kinderarbeit, Fabrikgesetz- gebung). Die Arbeit an Sonn- und Festtagen ist verboten (s. Sonntagsarbeit). DieKoalitionsvcrbote sind aufgehoben ts. Koalition). Der Erlaß von Fabrik- und Werkstattsordnungen (s. d.) in Betrieben mit mindestens 20 Arbeitern ist vorgeschrieben', die Bildung von Arbeiterausschüssen (s. d.) wird begün- stigt.
Die Aufsicht über die Aufrechterhaltung dieser Vesümmungen wird durch die Jabrikinspektoren (s. o.) ausgeübt. Über den Schutz der Arbeiter durch gesetz- liche Versicherungspflicht s. Arbeiterversicherung. In Österreich [* 2] stellte sich die Regierung mit dem Entwurje von 1856, aus dein die Gewerbeordnung vom A). Dez. 1859 hervorging, unvermittelt aus den Boden der Gcwerbefreiheit. Der freie Gewerbe- betrieb wurde als Regel aufgestellt und die beson- dere behördliche Erlaubnis nur bei einer Anzahl von Gewerben zur Vedinguug gemacht (z. B. Bau- meister, Maurer, Steinmetzen, Kunstweinerzeugung, Gasanstalten u. s. w.). Die Konzessionsbedingungen sind im allgemeinen Verläßlichkeit und Unbescholten- heit des Bewerbers, Berücksichtigung der Lokalver- hältnisse, Befähigungsnachweis, gewisse Rücksichten der polizeilichen Überwachung. Im übrigen ist die österr.
Gewerbeordnung wie die deutsche eine Gesetz- gebung im weitern Sinne, die sich auf alle gewerbs- mäßig betriebenen Beschäftigungen erstreckt. Durch die Novelle vom deren Absicht haupt- sächlich auf eine Förderung des Kleingewerbes ge- richtet war, sind die bisherigen freiheitlichen Grund- sätze erschüttert. Sie unterscheidet freie, handwerks- mäßige und konzessionierte Gewerbe und fordert bei den handwerksmäßigen den Befähigungsnachweis und die Absolvierung einer Lehrlings- und Gesellen- zeit. Sie ließ die Zwangsinnungen bestehen (s. Ge- werbegenossenschaften) und fügte zu den bisher kon- zessionierten Gewerben einige neue hinzu. In der Schweiz [* 3] besteht die Gewerbefreiheit in einzelnen Kantonen seit uralter Zeit, in vielen jeden- falls vor 1818, allgemein durch die Landesverfassung vom - In Frankreich erfuhr die radikale freiheitliche Gesetzgebung von 1789 bald einige Einschränkungen, die aber während des zweiten Kaiserreichs wieder beseitigt wurden. Das gewerb- liche Lebrlingswcsen (s. Lehrling) wurde 1851 ge- regelt; die gewerbliche Rechtspflege in den ^on86ii8 äs I'i'uä'IioinmkI (s. Gewerbegerichte, S. 977d) geordnet: die lange verbotene Gründung gewerb- licher Associationen durch Gesetz vom freigegeben. - In England herrschte schon wäbrend des 17. und 18. Jahrh, im ganzen eine Politik der Gewcrbefreihcit; die meisten der alten restriktiven Gesetze wurden im 19. Jahrh, formell aufgehoben; durch diese einzelnen Specialgefetze wurde jedoch nur gesetzliches Recht gefchaffen für das, was in der That längst als Gewohnheitsrecht ausgeübt wurde.
Die heute in England bestehende Gewcrbcfreiheit ist indes keine absolute, sofern Be- schränkungen zur Sicherung des Publikums gegen lästige und gesundheitsgesährliche Anlagen und vor Betrug, gewerblichen Mißbrauch und andern Scha- den sowie zur Förderung eines bessern Gewerbe- betriebes bestehen.- In Rußland hat der durch die Städteordnung von 1785 gemachte Versuch, die Zunftorganisation in den Städten einzubürgern, nie rechten Erfolg gehabt. Ein umfangreiches «Regle- ment über Handwerke» regelt seit der Regierung Aleranders I. die Gewerbeverfassung. Nach dem Handels- und Gewerbesteuerreglement vom ist die Eröffnuug eines Gewerbebetriebes nur noch von der Bezahlung der betreffenden Abgaben abhängig. - Mit größern oder geringern Beschrän- kungen hat sich die Gewcrbefreiheit auch in andern Staaten gehoben. In Belgien [* 4] besteht sie seit 1795, in Holland seit 1819 - 24, in Spanien [* 5] seit 1813, in Norwegen [* 6] seit 1839 bez. 1866, in Schweden seit 1846 bez. 1864, in Dänemark [* 7] seit 1857; ebenso in Italien, [* 8] Portugal, Griechenland, [* 9] Rumänien. [* 10] ¶