indem sich die
Anfälle in unregelmäßigen Zwischenräumen wiederholen; auch geht sie nicht selten in andere
Nervenkrankheiten,
namentlich in
Hypochondrie und
Hysterie, über. In der Kindheit ist das
Leiden
[* 2] sehr selten; am häufigsten findet es sich zwischen
dem 30. und 50. Lebensjahre, und bei Frauen etwas häufiger als bei Männern.
Das Wesen und die
Ursache des Gesichtsschmerz sind noch sehr dunkel; sowohl allgemeine Schädlichkeiten, erbliche
Anlage,
feuchte Witterung, Erkältung, Gemütsbewegungen u. s. w., als örtliche
Affektionen, insbesondere Wunden,
Geschwüre,
Geschwülste,
kranke
Zähne,
[* 3] Erkrankungen der Schädelknochen, des Mittelohrs
u. dgl., können ihn hervorrufen; nicht selten gesellt er sich
zum
Wechselfieber. Die
Heilung des Gesichtsschmerz gelingt bisweilen auf die
Dauer, wenn der
Nerv, an dessen Verbreitungsbezirk
die
Schmerzen auftreten, durchschnitten wird (sog. Neurektomie) oder vollständig entfernt wird
(sog. Nervenevulsion).
Auch hat die Behandlung mit dem galvanischen
Strom häufig vorzügliche Heilerfolge ergeben.
Wenn der ein
Symptom des
Wechselfiebers
ist, so leisten große Dosen vonChinin oder
Chinoidin meist vortreffliche Dienste.
[* 4] Gegen die einzelnen
Anfälle erweisen sich subkutane Einspritzungen schmerzstillender
Arzneimittel, insbesondere von
Morphium, nützlich, nach denen
meist sofort bedeutender Nachlaß der
Schmerzen, bisweilen selbst dauernde
Heilung eintritt. Neuerdings hat man auch durch
die
Nervendehnung (s. d.) wiederholt sehr hartnäckige Gesichtsneuralgien geheilt.
In jedem Falle muß eine genaue Untersuchung des
Kranken stattfinden. Oft hat man das
Leiden durch Beseitigung
sonstiger krankhaften Zustände, z. B. der Geschlechts- und
Verdauungsorgane
(Stuhlverstopfung u. s. w.), beseitigt.
Augenschwindel, eine Form des Schwindels, dadurch hervorgerufen, daß der Betreffende infolge mangelhafter
Funktionierung der
Augen, namentlich der Bewegungsmuskeln derselben, nicht im stande ist, sich jederzeit
über den Ort seiner eigenen
Person und der ihn umgebenden Objekte genügend zu orientieren.
bilden im weitern
Sinne einen
Teil der
Sinnestäuschungen. Während des Schlafs können dieselben
in der Form des
Traums, während des Wachens in der der
Hallucination und der
Illusion auftreten. In allen
mit diesen
Namen bezeichneten Zuständen begegnen wir Sinnesthätigkeiten, die entweder ausschließlich durch subjektive Reize
angeregt, scheinbar objektive Gestaltung gewinnen, oder die, obwohl durch einen äußern, sog.
adäquaten Sinnesreiz eingeleitet, zu Empfindungen,
Anschauungen und
Vorstellungen führen, deren
Inhalt der einwirkenden Erregungsform
nicht mehr entspricht.
Ganz passend kann ein
Teil dieser Erscheinungen auch
«Sinnesdelirien» genannt werden. Während diese Aufdrücke
auf alle
Sinne in gleichem
Maße anwendbar sind, bezieht sich der
Begriff der «Vision» auf ausschließlich durch den Gesichtssinn
vermittelte Formen der Täuschung. Die
Sinne, in deren
Sphäre der Prozeß dieser Täuschungen sich abspielt, können
an sich
in vollkommen gesundem Zustande sein, und nur die Erregungen führen unter dem Einfluß veränderter
physischer Erregungszustände im
Gehirn,
[* 5] der Ursprungsstätte sämtlicher
Sinnesnerven, zu einer Form sinnlicher Reaktion,
die, von den physiol. Normen sich
wesentlich entfernend, das Truggebilde gebiert.
Andererseits kann
Sinnestäuschung infolge der Erkrankung des
Sinnes bei gewissen krankhaften
Dispositionen der nervösen
Centralorgane
eintreten. Durch Krankheitsvorgänge bedingte Reizungen der Netzhaut unsers
Auges erregen z. B. eine von
dem
Träger
[* 6] der Erkrankung allein wahrgenommene (subjektive) Lichtempfindung. Diese
an sich könnte nur im engern
Sinne eine
Sinnestäuschung genannt werden, denn obwohl ihr nicht, wie gewöhnlich, eine objektive Lichtquelle als adäquater Reiz
gegenübersteht, so zeigt sich in ihr doch die dem
Sehnerven specifische Form der Erregung durchaus normal.
Zu einer eigentlichen Täuschung hallucinatorischen, illusorischen oder visionären Charakters erwächst sie erst dann, wenn
etwa anomale Erregungszustände des
Gehirns sich ihrer bemächtigen
und sie zu einem bestimmten Wahngebilde umwandeln. So können
bei Geisteskranken die durch Krankheitszustände der
Sinne ins Leben gerufenen specifischen Erregungsformen
derselben in engste
Beziehung zu dem
Inhalt der jene beherrschenden Wahnvorstellungen treten.
Als Gesichtstäuschungen im engern
Sinne sind diejenigen zu bezeichnen, die innerhalb der
Sphäre des Gesichtssinns, ohne daß das
Gehirn erkrankt
oder ungewöhnlich erregt wäre, entstehen und ablaufen. Gewöhnlich zählt man mehrere durch Erkrankungen des Sehsinns oder
Anomalien seines optischen
Apparats bedingte Erregungsformen hierher. Kongestivzustände innerhalb des
Auges führen, ebenso
wie elektrische, chem. oder mechan. Reizungen des
Sehnerven, zu
Farben- und Feuererscheinungen
(Chromopsie,
Photopsie), d. h.
zu Sinneswahrnehmungen, die gewöhnlich nur durch eine außerhalb des
Auges liegende Reizursache veranlaßt und auf eine solche
bezogen werden.
Zellige Elemente im
Glaskörper des
Auges können dadurch, daß sie auf seine Netzhaut kleine Schatten
[* 7] werfen, subjektiv zur Wahrnehmung gelangen (entoptisches
Sehen)
[* 8] und den Eindruck machen, als schwebten kleine Körperchen
vor dem
Auge
[* 9] in der Luft (Mückensehen, Mouches volantes). Bei dem Falschsehen erscheinen die Gegenstände verschoben und
nach Gestalt und
Größe verändert. Gegenstände von regelmäßiger Form können verzerrt und verbogen
erscheinen
(Metamorphopsie), wenn die Krümmungsflächen der brechenden Medien anomal sind, oder wenn die percipierenden Elemente
der Netzhaut, die Stäbchen und
Zapfen
[* 10] oder ganze
Teile der Netzhaut selbst in ihrer physiol.
Anordnung gestört sind.
Vertikale und horizontale
Striche von gleicher Deutlichkeit erscheinen bei einer gewissen
Anomalie
[* 11] der
Strahlenbrechung
[* 12] des
Auges (s.
Astigmatismus), doch ganz ungleichmäßig deutlich. Gewisse plötzlich eintretende
Veränderungen
in dem
Accommodationsvermögen des
Auges oder in der Leistungsfähigkeit der die Konvergenzstellung der
Augen bewirkenden
Muskeln
[* 13] führen dazu, daß die Gesichtsobjekte größer oder kleiner als gewöhnlich gesehen werden (Makropie und Mikropie).
Gesichtsurnen - Gesind
* 14 Seite 57.943.
Gehemmte Thätigkeit eines Augenmuskels (durch Verwundung,
Lähmung u. s. w.) kann bewirken, daß die
wahrgenommenen Gegenstände an einen Ort versetzt werden, an dem sie sich nicht befinden, und daß sie, mit beiden
Augen angesehen,
doppelt erscheinen. Eine außerhalb des
Bewußtseins sich vollziehende (automatische) Augenbewegung täuscht eine Scheinbewegung
der Objekte vor.
Alle diese Täuschungen, deren Zahl eine unbegrenzte ist, beruhen nicht
¶
mehr
sowohl auf einer anomalen Reaktion des Sehsinns, sondern vielmehr darauf, daß die Bedingungen bei Übertragung des Reizes
auf den Sehsinn teils ungewöhnliche, teils pathologisch veränderte sind.
Dieser Kategorie von Gesichtstäuschungen gegenüber ist weiter eine andere aufzustellen, deren Zustandekommen nicht
ungewöhnliche oder pathologisch veränderte Zustände des Sehsinns voraussetzt, sondern aus der physiol.
Natur, man kann auch sagen, aus der Unvollkommenheit, die jener selbst im Normalzustände zeigt, unmittelbar folgt. Sehen
wir z. B. den beim Blitzen in einer zickzackförmigen Bahn sich bewegenden elektrischen Funken als eine zickzackförmige Linie,
einen im Kreise
[* 15] schnell geschwungenen feurigen Punkt als einen leuchtenden Kreis,
[* 16] so sind diese Formen
der Täuschungen durch eine physiol. Ungenauigkeit der Sehperception, dadurch nämlich bedingt,
daß hinreichend schnell wiederholte Eindrücke dieselbe Wirkung auf das Auge machen, wie ein ununterbrochener Eindruck.
Auf diesem Princip beruhen manche Spielereien, die Stroboskopische Scheibe, das Thaumatrop u. s. w. Auch die unter dem Namen
der Irradiation
[* 17] (s. d.) zusammenzufassenden Erscheinungen gehören zum
Teil hierher, ebenso das Auftreten von Nachbildern (s.d.) nach längerm Anschauen von Gesichtsobjekten. Die Nachbilder sind
positive oder gleichfarbige, wenn sie in der dem entschwundenen Gegenstände gleichfarbigen, negative oder komplementäre,
wenn sie in seiner Komplementärfarbe erscheinen. Offenbar liegt auch hier eine Unvollkommenheit zu Grunde, insofern die Reizung
selbst die Einwirkung des Reizes überdauert und der Inhalt jener dem des letztern nicht mehr gleich ist
(negative Nachbilder). Ferner beruhen auf Gesichtstäuschungen das körperliche Sehen im Stereoskop,
[* 18] die scheinbare Verschiebung der sog. Zöllnerschen
Muster, die scheinbare Bewegung der eigenen Person beim starren Hinsehen auf eine bewegte Wasserfläche u. s. w.
Sind die genannten Phänomene einzelne Beispiele solcher Täuschungen, die, weil sie aus der physiol. Natur
des Gesichtssinnes hervorgehen, als streng physiologische Gesichtstäuschungen bezeichnet werden können, so stehen
ihnen die optischen Täuschungen im engern Sinne als dadurch bedingte gegenüber, daß die rein optischen Gesetze des Sehens
benutzt werden, um mittels derselben gewisse Täuschungen hervorzurufen. So erscheinen z. B.
alle durch ein Glasprisma gesehenen Objekte infolge der Ablenkung, welche die durch dasselbe tretenden Lichtstrahlen erfahren,
nach Richtung der Prismenkante hin verschoben.
Die scheinbare Vergrößerung bei Anwendung der Lupen oder des Mikroskops, die Konstruktion der Fernrohre, das scheinbare Heranrücken
der zu sehenden Gegenstände, das Kurzsichtige durch das Tragen der Konkavgläser, das scheinbare Fernrücken,
das Weitsichtige mit Hilfe der Konvexgläser erzielen u. s. w., dies alles beruht im Grunde auf solchen von einem bestimmten
Zweck geleiteten und durch sinnreiche Anwendung der optischen Eigenschaften der hierzu benutzten Apparate auf die optischen
Gesetze des Auges erreichten Täuschungen.