man die
Sprache
[* 2] fast eine german.-roman. Mischsprache nennen kann. (S.
Englische Sprache.)
[* 3] Jedoch gilt das in der Hauptsache
nur für die Schriftsprache und für die
Sprache der Gebildeten; der engl. Schiffer kommt ziemlich mit german.
Worten aus.
Überall auf german. Sprachboden bereitet sich eine Verdrängung der Mundarten durch die Umgangssprache
der Gebildeten vor, welcher die Schriftsprache als Richtschnur gilt. In England (von Nordamerika
[* 4] und
Australien
[* 5] ganz zu geschweigen)
ist diese
Bewegung am weitesten vorgeschritten; für
Deutschland
[* 6] vgl.
Deutsche Mundarten
[* 7] und
Deutsche Sprache (Bd. 5, S. 77-78).
Schriftsprachen haben die german.
Völker, von der ausgestorbenen gotischen abgesehen, folgende geschaffen:
1) die deutsche,
d. i. hochdeutsche, deren sich alle
Deutschen in und außerhalb des
Reichs, auch die
Niederdeutschen,
mit Ausnahme der
Niederländer, sowie die Friesen innerhalb der deutschen Reichsgrenzen bedienen;
2) die niederländische der
Niederländer, der sich die innerhalb der
Niederlande
[* 8] wohnenden niedersächs.
Niederdeutschen und
Friesen (s. Karte der deutschen
[* 9] Mundarten, Bd.
5, S. 28) angeschlossen haben; nicht wesentlich hiervon verschieden ist die Mundart, welche die Vlämen
Belgiens als Schriftsprache
zur Geltung zu bringen suchen;
3) die englische, die auch bei den keltisch sprechenden Bewohnern von
Irland, Wales und
Schottland die herrschende und in neuerer
Zeit durch ihre Übertragung nach Nordamerika,Australien und Südafrika
[* 10]
die ersteWeltsprache der Gegenwart
geworden ist;
4) die dänische, welche, wenn auch mit einigen mundartlichen Besonderheiten namentlich im Wortschatze, auch die Norweger
angenommen haben;
5) die schwedische, die auch außerhalb
Schwedens besonders an der
KüsteFinlands noch immer ihre Geltung behauptet. Neben
diesen Schriftsprachen hat sich in neuerer Zeit auch eine reiche mundartliche Litteratur entwickelt.
Über den
Rahmen einer solchen strebt die friesische in der niederländ.
ProvinzVriesland hinaus, der es nur noch an der offiziellen
Anerkennung fehlt. (S. Friesische
Sprache und Litteratur.)
Das grundlegende Werk für die Erkenntnis der gesamten Germanische Sprachen bildet J.
^[Jakob] Grimms «Deutsche
Grammatik»
(4 Bde., Gött. 1819-37; neuer
vermehrter
Abdruck, Bd. 1
u. 2, Berl. 1870-78; Bd. 3, Gütersloh
1890). Die seitdem gemachten Fortschritte sind am besten zu übersehen in
Pauls «Grundriß der german.
Philologie», Bd. 1 (Straßb.
1891; 5.
Abschnitt: «Sprachgeschichte»). Es sei noch auf die folgenden zusammenfassenden
Werke hingewiesen: M. Heyne, Kurze
Grammatik der altgerman.
Dialekte, Bd. 1 (3. Aufl., Paderb.
1874; 2. Abdr. 1880); A. Holtzmann,
AltdeutscheGrammatik, umfassend die got., altnord., altsächs., angelsächs.
und althochdeutsche
Sprache (Bd. 1: Lautlehre, Lpz.
1870-75); O. Schade,
Altdeutsches Wörterbuch (2. Aufl., 2
Tle.,
Halle
[* 11] 1872-82). Von einer «Sammlung kurzer
Grammatiken german.
Dialekte» sind erschienen eine got.
Grammatik von W.
Braune (3. Aufl.,
Halle 1887), eine altisländische und altnorwegische
von A. Noreen (2. Aufl., ebd. 1892), eine angelsächsische von E. Sievers (2. Aufl.,
ebd. 1886),
eine altsächsische, erste Hälfte von
Gallee (ebd. 1891), eine althochdeutsche von
Braune (2. Aufl., ebd. 1891)
und eine mittelhochdeutsche von
Paul (3. Aufl., ebd. 1889), dazu, als Bd. 1 der
«Ergänzungsreihe», eine nominale
Stammbildungslehre der altgerman. Dialekte von Fr. Kluge (ebd. 1886).
Sprachwissenschaft. Die
Erforschung der german.
Sprachen ist eine besondere
Abteilung der german.
Philologie
(s. DeutschePhilologie). Begründet ist die Germanische Sprachwissenschaft durch J.
^[Jakob] Grimms «Deutsche
Grammatik» und mehr
als die andern Zweige der german.
Philologie durch die Forschungen in den letzten 25 Jahren so gewaltig gefördert worden,
daß sie als eine eigene Wissenschaft für sich dasteht. Von entscheidendem Einfluß ist der Umstand gewesen, daß sie sich
in engstem Zusammenhang mit der vergleichenden indogerman.
Sprachwissenschaft entwickelt hat. Die neueste Epoche der Germanische Sprachwissenschaft datiert seit W. Scherers
Buch «Zur Geschichte der deutschen
Sprache» (Berl. 1868). (S. Deutsche
Philologie, Bd. 5, S. 43 a.)
Bald darauf fanden die Grundsätze der neuesten
Entwicklung der vergleichenden indogerman.
Sprachwissenschaft besonders auf dem
Gebiete der german.
Sprachen Anwendung. Diese Grundsätze bestanden in der strengen Forderung der Ausnahmslosigkeit
der mechanisch gedachten lautlichen (sog. lautgesetzlichen)
Entwicklung, in der
Betonung
[* 12] des Wirkens der
Analogiebildung im
Leben der
Sprache sowie in dem Hinweis, daß die induktiver Untersuchung zugänglichern lebenden
Sprachen und Mundarten von
denselben allgemeingültigen Gesetzen beherrscht werden wie die toten
Sprachen. Die allerjüngsten Bestrebungen
suchen noch mehr, als es früher der Fall war, die lebenden Mundarten für die Sprachgeschichte nutzbar zu machen und die
Grammatik der vormals gesprochenen
Sprache von den
Fesseln der traditionellen
Orthographie zu befreien, und zielen vor allem
dahin, das alte Schema der
Grammatik durch eine wirkliche Geschichte der
Sprache zu ersetzen. -
Volksrechte nennt man die ältesten Rechtsaufzeichnungen der german.
Völker.
Bei den deutschen
Stämmen entstanden
sie seit dem 5. Jahrh. und hießen Leges barbarorum, im Gegensatz zu den
für die röm.
Bevölkerung
[* 14] einzelner german.
Staaten bestimmten Leges Romanae, z. B. Lex Romana Wisigothorum, Lex Romana Burgundionum.
Zum größten
Teile enthalten die Germanische Volksrechte nur die schriftliche, aber amtliche Fixierung des von dem
Stamme geübten Gewohnheitsrechts,
zum
Teil aber auch neue Rechtsnormen, da neuentstandene Bedürfnisse eine gesetzliche Regelung erheischten.
Nur die angelsächs. und nordgerman.
Volksrechte sind in der Landessprache, die übrigen in zumeist barbarischem Latein aufgezeichnet.
Die Germanische Volksrechte kommen auch da, wo sie aus der
Initiative und einem starken Einflusse der Könige hervorgehen, unter Mitwirkung
des
Volks zu stande. Bei der Abfassung der
Volksrechte tritt die Thätigkeit rechtskundiger, erfahrener
Männer hervor, welche das geltende Gewohnheitsrecht weisen und formulieren, in der Gerichtsversammlung darüber Vortrag
halten und ihre
Vorschläge einem Beschlusse der Gerichtsgemeinde unterstellen. Den Anstoß zur Aufzeichnung des
Rechts hat
wohl die Bekanntschaft mit
Römern und dem röm.
Rechte gegeben. Das Bedürfnis nach einer solchen wurde
sodann hervorgerufen durch die
Bildung der neuen
Stämme, durch die Einführung des
Christentums, durch Umgestaltung der polit.
und wirtschaftlichen Verhältnisse, wie Einverleibung ins Frankenreich, Ausbildung der königl.
Gewalt,
¶
mehr
Veränderung der Grundbesitz- und Münzverhältnisse. Die Germanische Volksrechte sind Stammesrechte, nicht Landrechte. Sie haben Geltung für
alle Stammesgenossen, welche auch außerhalb ihres Stammesgebietes nach ihrem angeborenen Rechte beurteilt werden (sog. Personalitätsprincip).
Ihrem Umfang und Inhalt nach sind die Germanische Volksrechte sehr verschieden. Den größten Raum nehmen die Bestimmungen über
Strafrecht ein, oft nur Verzeichnisse von Bußzahlen, daneben fallen die Vorschriften über das gerichtliche
Verfahren ins Gewicht, das Staatsrecht ist nur in wenigen Volksrechten berücksichtigt, das Privatrecht nur dürftig behandelt.
Es war keine erschöpfende Kodifikation.
Durch die Verwandtschaft der Stämme ergeben sich nähere Beziehungen einzelner Volksrechte zueinander. Zu den deutschen Volksrechten
gehören folgende: Das alamannische, in zwei Rechtsaufzeichnungen, von denen die älteste, der sog.
Pactus Alamannorum, in fünf Bruchstücken erhalten, dem Ende des 6. oder Anfang des 7. Jahrh.
entstammt, die zweite, die Lex Alamannorum, ein auf einer Stammesversammlung unter Herzog Landfrid (gest. 730) erlassenes
Gesetz ist, welches in drei Abteilungen Bestimmungen über kirchliche Verhältnisse, über den Herzog und
über verschiedene Verhältnisse enthält; die ältere Ausgabe von Merkel («Monumenta Germaniae», Leges III) ist ersetzt durch
eine neue kritische von K. Lehmann («Monumenta Germaniae», Leges V in 4o); ferner die Lex Salica (s. Salisches Gesetz),
Lex Ribuariorum und Lex Francorum Chamavorum (s. Ribuarisches Gesetz), Lex Baiuvariorum (s. Bayrisches Volksrecht),
Lex Wisigothorum, Lex Romana Wisigothorum (s. Gotische Gesetzgebung), Lex Burgundionum und Lex Romana Burgundionum (s. Burgundisches Gesetz),
Lex Frisionum (s. Friesisches Recht), Lex Saxonum (s. Sächsisches Volksrecht), Lex Angliorum et Werinorum (s. Thüringisches Volksrecht),
Edictus Langobardorum (s. Langobardisches Recht), Edictum Theodorici (s. Gotische Gesetzgebung).
Unter den Germanische Volksrechte sind noch zu nennen die angelsächs. Gesetze,
von denen die ältesten aus den Königreichen Kent von Ethelbert (um 600), Hlothar, Eadric und Withräd (673-696) und aus
Westsachsen von Ine (Ende des 7. Jahrh.), sehr umfangreich, auch für die spätere Gesetzgebung
von Bedeutung, und von Alfred (871-901) stammen, während in der Zeit des konsolidierten Reichs noch Gesetze
der Könige aus dem angelsächs. Geschlecht, Edwards I., Ethelstans, Edwards, Edgars,
Ethelreds (901-1016) folgen (s. Angelsächsische Sprache und Litteratur, Bd. 1, S. 620 a), und die nordgerman. Volksrechte (s.
Nordisches Recht). -
Vgl. Stobbe, Geschichte der deutschen Rechtsquellen, I (Braunschw. 1860);
Brunner, Deutsche Rechtsgeschichte (Lpz. 1887), I, §§. 36 fg.; R. Schröder, Lehrbuch der
deutschen Rechtsgeschichte (ebd. 1880), §. 31.