von Orelli als
Anhang zu dessen «Phädrus», Zür. 1832,
von Bährens in
«Poetae latini minores», Bd. 1, Lpz.
1879, und, mit den reichhaltigen noch vorhandenen Scholien, von Breysig, Berl. 1867). -
Vgl. E. von Wietersheim, Der Feldzug
des Germanicus an der Weser (Lpz. 1850);
Altertum, in der Kulturgeschichte Bezeichnung desjenigen Zweiges dieser Wissenschaft, der die Zustände
bei den
Germanen (s. d.) der Urzeit, bis auf
Karl d. Gr. nach den privaten und öffentlichen Seiten behandelt. Grundlegend
für unsere Kenntnis von dem ist die
Schilderung der ältesten Zustände in der
«Germania» des
Tacitus
(s. d.); ihre wichtigste Ergänzung findet sie in den
SchilderungenCäsars und denjenigen, welche die Schriftsteller namentlich
des 4. bis 6. Jahrh. von den Goten,
Alamannen,
Franken u. s. w. machten, die bis zur Gründung ihrer
Staaten auf röm.
Boden
in wesentlich den gleichen Verhältnissen fortlebten, in denen
Cäsar und
Tacitus die
Germanen fanden.
Ferner sind Waffen,
[* 8] Geräte und andere Reste des Lebens,
Altertümer im engern
Sinne, erhalten und mehrfach gesammelt und beschrieben
worden. Auch die ältesten Gesetze, namentlich die Lex Salica, sodann die
Weistümer über Marknutzungen u. s. w. enthalten
noch vieles, was zum Verständnis der Angaben desTacitus und anderer Alten dient.
Schon zur Zeit des
Arminius
waren die
Germanen seßhaft, trieben
Ackerbau und hatten feste Ordnungen für
Ehe und
Recht; aber der
Tag verzehrte den Erwerb,
es wurden noch nicht erhebliche Arbeitsresultate in Besserung des
Ackers, in
Straßen und Häusern angesammelt; deshalb löste
sich das
Volk noch leicht vom
Lande, wenn irgend ein Anstoß dazu drängte.
Wie die Wanderungen uns nicht über die Seßhaftigkeit täuschen, so darf die Bedeutung des Geschlechts im
Staat nicht dazu
verlocken, die
Verfassung dieser Zeit als Geschlechterstaat zu bezeichnen. Das
Recht der Geschlechter fand an den Ordnungen
des
Staates eine scharfe Grenze. Auch zu
Tacitus' Zeit ergriff der
Staat den Mann unmittelbar, nicht durch
die Familie. Der
Knabe wurde in bestimmtem
Alter (etwa im 12. Jahre) aus der Gewalt der Familie entlassen und dem
Staat unterstellt.
Die Gewalt des Hauses und die Gewalt des
Staates wurden als Gegensätze gefühlt, die sich gegenseitig
ausschlossen. Die Familie hatte die Gewalt über die
Kinder und die Frauen, der
Staat über die
Männer; jene Gewalt war mundium
(die Munt), diese lex.
Von den
Ständen bildeten die
Masse des
Volks die
Freien, die Frilinge oder
Kerle, unter ihnen stand der Unfreie, über sie erhob
sich derAdel. Die Unfreien zerfielen in Knechte und Freigelassene, doch waren letztere nicht zahlreich,
und ihre
Lage unterschied sich thatsächlich meist nur wenig von der der Knechte. Der Knecht war rechtlos wie das
Tier oder
die Sache, der Herr konnte ihn töten, wenn er wollte; doch war
seine
Lage gewöhnlich nicht allzu hart,
denn einfacher und roher konnte seine Wohnung und
Speise nicht wohl sein als die der
Freien es war; nur das unterschied die
Knechte, daß sie im Gebrauch der Waffen, auch wohl in der
Tracht, namentlich des
Haares, gewissen
Beschränkungen unterlagen
und daß sie das Feld bebauen, das Vieh hüten u. s. w. mußten, während
der Herr im Nichtsthun den
Tag hinbrachte.
Knechtschaft entstand regelmäßig aus Gefangenschaft und durch
Geburt von unfreien Eltern.
Kinder des Herrn mit einer Sklavin
konnte der
Vater wie seine echten
Kinder halten. Der umgekehrte Fall kam nicht vor. Eine freie
Mutter konnte von einem Knecht
keineKinder gewinnen, sie verfiel sonst der schmählichsten
Todesstrafe. Denn ein Weib galt nicht selbst
als Herrin; sie
war in fremder Gewalt, in der des Familienhaupts. Die Zahl der Unfreien wechselte mit dem Kriegsglück, aber
regelmäßig hatten nur wenige Familien eine größere Zahl.
Auch
Handel wurde mit Sklaven getrieben. Die
Stellung des
Adels war verschieden nach den
Stämmen und
Zeiten,
aber allgemein gilt, daß die höhere Ehre, die dem
Adel überall, und die
Vorrechte, die ihm hier und da zustanden, die
Freiheit
und Bedeutung der Gemeinfreien nicht gefährden konnten; sie waren weder waffenlos noch wirtschaftlich abhängig. Das
Heer
war das
Volk, der
Acker gehörte der Gemeinde, und wer Genosse der Gemeinde war, hatte auch
Teil am
Acker.
Privatbesitz am
Acker kennt weder
Cäsar noch
Tacitus noch die Lex Salica, aber schon zu
Tacitus' Zeit waren nicht die Geschlechter,
sondern die Dorfgemeinden die Eigentümer des
Ackers. Es gab eine engere und eine weitere Markgenossenschaft.
Wald und
Weide
[* 9] waren noch im Mittelalter mehrern Dörfern, bisweilen der ganzen
Hundertschaft, ja dem
Gau gemeinsam, aber die
Feldmarken waren den Dörfern ausgeschieden. Die Feldgenossen waren die Dorfgenossen. Soviel
Bauern da waren, in soviel Anteile
wurde der
Acker geteilt. Die wirtschaftliche Selbständigkeit der Familie ruhte auf demBesitz an Vieh,
Sklaven und Gerät, und an dem Haus mit der Hofstelle, wenn diese aus der gemeinen
Mark ausgeschieden war.
Der Ackerbau war eine rohe Feldgraswirtschaft. Hatte der
Boden eine oder einige Ernten abgegeben, so blieb er als
«Dreesch»
liegen, bis er sich wieder erholt hatte. Man baute Hafer,
[* 10] Gerste,
[* 11] Weizen, dazu einige Gemüse und Flachs.
Die Viehzucht
[* 12] hatte größere Bedeutung als
der Ackerbau, und die Jagd mußte noch einen erheblichen Beitrag zum
Unterhalt
liefern. An Haustieren hatten die
GermanenPferde,
[* 13] Rindvieh, Schafe,
[* 14] Schweine,
[* 15] an Geflügel namentlich
Gänse.
Große Sorgfalt
wendeten sie auf ihre Jagdtiere; verschiedene
Arten von
Hunden und
Falken, auch gezüchtete Hirsche
[* 16] werden
erwähnt.
Milch,
Käse, Brei und
Brot,
[* 17] vor allem Fleisch bildeten die Nahrung,
Bier und
Met das Getränk.
Ihre Kleidung war von selbstgemachtem
Woll- oder Linnenstoff oder aus Tierfellen. Die
Männer trugen als oft einziges Gewand einen anliegenden Rock, als Umhang ein
Stück groben Wollzeugs oder ein Fell. Der Frauenrock war ohne
Ärmel, der Mantel am liebsten von Leinwand.
Eine Spange heftete den Umhang zusammen. So blieb die
Tracht auch in den folgenden Jahrhunderten. Der sächs. und langobard.
Männerrock war länger als der fränkische. Um die Hüften schloß sich der Gürtel.
[* 18] Reichere trugen Schuhe. DieTracht
des
Haares war nach den
¶
mehr
Stämmen verschieden. Die Kunst des Webens übten die Frauen und erreichten nicht selten darin einen höhern Grad von Fertigkeit.
Schmieden war noch kein Handwerk, sondern eine seltene Kunst. Metallwaffen aus Bronze
[* 20] oder Eisen
[* 21] galten als etwas Kostbares.
Der gemeine Mann bediente sich noch meist aus Holz
[* 22] und Stein hergestellter Waffen und Geräte; auch die
Lanzen hatten nur kurze Eisenspitzen. Das Hans war meist ein rohes Blockhaus, einen einzigen Raum umschließend, daneben eine
durch Dünger gegen Frost geschützte kellerartige Winterstube. Durch den Verkehr mit den Römern lernten die GermanenGeld und
Wein kennen sowie andere Bedürfnisse und die Mittel sie zu befriedigen.
Die Ehe ward in bestimmten Formen geschlossen, unter denen die Zahlung einer Summe (d. h. eine Anzahl von Kühen oder anderm
Vieh) an den Vater oder Vormund die wichtigste war. Das Mädchen ging aus der Gewalt der einen Familie in die der andern über.
Der Mann konnte mehrere Frauen haben, hatte aber regelmäßig nur eine in rechter Ehe geworbene Frau.
Bei einigen Stämmen durfte die Frau nach dem Tode des Mannes nicht wieder heiraten; bei den Herulern sollen sie sich auf dem
Grabe ihres Mannes erhängt haben.
Der Abschluß der Ehe, die Übergabe der Braut, fand im Kreise
[* 23] der Verwandten (der Sippe) statt, nicht in der
Gerichts- oder Landesversammlung. Die Toten wurden in ältester Zeit begraben, später (schon im 1. Jahrh. n. Chr.)
verbrannt, und zwar Vornehme oft mit Kleidung, Waffen und andern Beigaben. (Vgl. Weinhold, Die heidn. Totenbestattung in Deutschland,
Wien
[* 24] 1859.) Tempel
[* 25] hatten die Germanen nur wenig, meist verehrten sie die Götter in heiligen Hainen und
auf Bergen;
[* 26] ein Baum, eine Quelle,
[* 27] ein heiliges Symbol (ein Holz, ein Stein, ein Schwert) galt wohl als Sitz des Gottes. Es wurden
Opfer gebracht und nicht selten auch Menschenopfer; bezeugt sind sie bei den Cimbern und Teutonen und bis ins 8. Jahrh. Es
gab Priester und Priesterinnen, aber keinen Priesterstand und keine Priesterherrschaft. (S. Deutsche Mythologie.)
Die Staaten waren klein, die Gewalt lag in der Versammlung der Freien. An der Spitze standen Fürsten, die entweder den Titel
Könige führten oder den minder glänzenden eines Führers und Richters (princeps, judex). Der König konnte
hoffen, daß sein Sohn ihm einst folge, aber er folgte nur durch Wahl und Anerkennung der Gemeinde. Könige und Fürsten oder
auch sonst an Ruhm und Reichtum hervorragende Männer sammelten eine Schar (s. Gefolge) freier Männer um sich, mit denen sie
zusammen lebten.
Das Gefolge oder Gesinde (so bei den Langobarden) schuldete Gehorsam, hatte neben dem Führer zu kämpfen
und sein Los zu teilen, wäre es auch Tod oder Gefangenschaft. Grundsatz des Rechtslebens war: Selbsthilfe des Geschädigten
oder Fordernden, aber in vom Staate gebotenen Formen. Das Gericht war die versammelte Gemeinde, der Richter war Vorsitzender;
der Kläger machte nicht Anzeige bei dem Richter, damit dieser den Schuldigen lade, sondern hatte ihn selbst
zu laden.
Das Urteil war kein Urteil über die Sache, sondern darüber, wer den Beweis für seine Behauptung zu erbringen habe und durch
welche Beweismittel. Diese waren entweder der Eid mit Eideshelfern (s. d.) oder das Gottesurteil, im besondern
das des Zweikampfes. Die Strafen waren Bußen, d. i. Geldstrafen. Mord kam nicht vor Gericht. Der
Mord erzeugte die Pflicht der
Rache für die Verwandten, aber der Mord des Rächers erzeugte neue Rachepflicht. Um so einem endlosen Morden vorzubeugen, sind
schon früh Formen ausgebildet worden, in denen dem MordeSühne geschafft werden konnte. Der Staat begann
so der Rache Schranken zu ziehen, namentlich die verletzte Familie zu zwingen, die vom Thäter gebotene Sühne anzunehmen. Doch
fallen davon nur die Anfänge in diese Periode. -
Vgl. Gaupp, Die german. Ansiedelungen und Landteilungen in den Provinzen des
röm. Westreiches (Bresl. 1844);