mehr
Rede sein kann; in dieser Beziehung könnte man besonders die verwandtschaftlichen Sympathien der deutschen Nordseeschiffer, zumal der Hamburger, für die Engländer vergleichen.
Heute giebt es drei große german. Volksstämme ^[richtig: Volksstämme:] die mit finn.-lappischen
Stämmen vermischten Skandinavier
oder Nordgermanen
(zerfallend in
Schweden,
[* 2] Dänen, Norweger und
Isländer);
die mit den kelt. Britten (Kymren, Schotten und Iren) vermischten Engländer und die mit romanisierten Kelten (in West- und Süddeutschland) und Slawen (in Ostdeutschland) vermischten Deutschen, zu denen auch die Niederländer gehören und denen sich die Friesen assimiliert haben.
Diese Dreiteilung
hat sich durch die geschichtlichen Verhältnisse der german.
Völkerwanderung herausgebildet. Vor derselben zerfielen
die in zwei besondere große Gruppen: die Westgermanen
(Deutsche,
[* 3] Friesen und Engländer) einerseits und die
Ost- und Nordgermanen
andererseits. Von den westgerman.
Stämmen sind nur die nach
Italien
[* 4] gewanderten Langobarden gänzlich romanisiert worden.
Die ostgerman. Gruppe existiert heute nicht mehr: die ihr angehörenden Goten, Gepiden,
Rugier,
Vandalen und
Burgunden
sind in den roman. Nationen aufgegangen.
Die Grenze zwischen West- und
Ostgermanen bildete zu Beginn unserer Zeitrechnung etwa die
Wasserscheide der
Elbe und Oder. Beide
Hauptstämme unterschieden sich schon zu Beginn unserer Zeitrechnung nicht unerheblich durch ihre Mundart, ihre Kleidung
und
Bewaffnung, ihre Bauart,
Verfassung u. a. m. Wichtiger noch war der Unterschied, daß die
Westgermanen
dem Bereich der röm. (vor
Cäsar der kelt.) Kultur angehörten, die
Ostgermanen aber unter dem Einfluß der griech.
Kultur standen.
Die letztere Einwirkung ist durchgreifender gewesen, weil die Handelsbeziehungen der griech.
Kaufleute in Olbia (heute Odessa),
[* 5] welche den ostpreuß.
Bernstein
[* 6] von den Goten bezogen, in eine ältere
Zeit hinaufreichen. So finden wir denn, daß im 5. und 6. Jahrh. n. Chr.
die ostgerman. Goten und die ihnen stammverwandten
Völker gesitteter waren, geistig höher standen und empfänglicher waren,
die antike
Bildung in sich aufzunehmen, als die wildern und rohern westgerman.
Stämme.
Über die einzelnen west- und ostgerman.
Stämme und ihre Wohnsitze sowie über die Abgrenzung der Skandinavier von den
Ostgermanen s. Westgermanen
und
Ostgermanen.
Über öffentliche und private Zustände vgl.
Germanisches Altertum.
Körperliche
Merkmale der Germanen
sind blondes
Haar
[* 7] und blaue
Augen und ein größerer und kräftigerer Körperwuchs als bei den
Mittelmeervölkern. In
Deutschland
[* 8] ist der blonde
Typus entschieden der vorherrschende, besonders in Norddeutschland,
am geringsten im Oberelsaß und in Ostbayern. Die Blondheit der Skandinavier ist noch kein
Beweis der Reinheit der Rasse,
weil auch die
Finnen flachsblond sind. In Britannien läßt sich noch vielfach der hochgewachsene blonde
Angelsachse von dem
kleinen und dunkeln anglisierten
Kelten scheiden.
Ähnlich in Deutschland (s. Deutsches Volk 2 und 3, Bd. 5, S. 94 b und 95 a). Im allgemeinen aber überwiegen Mischformen. Hinsichtlich der Schädelform scheint sich die Rasse verändert zu haben. Wenigstens haben die Friesen, die nebst den Dänen von allen german. Stämmen sich am reinsten erhalten haben, nach neuern Messungen meist mittelköpfige Schädel, die obendrein noch zur Kurzköpfigkeit hinneigen und sehr niedrig sind: das gerade Gegenteil von den langköpfigen Schädeln der fränk. und alamann.
Reihengräber aus der Zeit der Völkerwanderung. Während bei den Friesen auf 100 Schädel 51 Mittel-, 31 Kurz- und nur 12 Langköpfe kommen, hat man berechnet, daß unter 100 dän. Schädeln 57 Lang-, 37 Mittel- und 6 Kurzköpfe sind. In Deutschland herrscht im Norden [* 9] der mittelköpfige Typus vor mit Neigung zur Langköpfigkeit, im Süden der kurzköpfige. (S. Deutsches Volk 3.) Wahrscheinlich repräsentiert schon der Urgermane und selbst der Urindogermane keinen anthropologisch reinen Rassentypus, sondern einen Mischtypus.
Vgl. J. ^[Johannes] Ranke, Somatisch-anthropol.
Beobachtungen (in A. Kirchhoffs «Anleitung zur deutschen Landes- und Volksforschung», S. 329-380, Stuttg. 1889).
Wie viele Menschen heute rein german. Abstammung sind, läßt sich auch nicht annäherungsweise mehr bestimmen. Jedenfalls ist die Zahl der Entgermanisierten unvergleichlich geringer als die der Angehörigen anderer Nationen, welche eine german. Sprache [* 10] angenommen haben, besonders wenn man an die Ausbreitung der engl. Sprache denkt. (S. Germanische Sprachen.)
Litteratur. K. Zeuß, Die Deutschen und die Nachbarstämme (Münch. 1837);
J. ^[Jakob] Grimm, Geschichte der deutschen Sprache (2 Bde., Lpz. 1848; 4. Aufl., ebd. 1880);
Ch. Brandes, Das ethnogr.
Verhältnis der Kelten und Germanen (ebd. 1857);
H. Künßberg, Wanderung in das german. Altertum (Berl. 1861);
Germanen Weber, Germanien [* 11] in den ersten Jahrhunderten seines geschichtlichen Lebens (ebd. 1862);
Watterich, Der deutsche Name Germanen und die ethnogr.
Frage vom linken Rheinufer (Paderb. 1870);
K. Müllenhoff, Deutsche Altertumskunde (Bd. 1-3 und Bd. 5, Berl. 1870-92; Bd. 1, 2. Aufl., ebd. 1890);
L. Erhardt, Älteste german. Staatenbildung (Lpz. 1879);
Germanen Kaufmann, Deutsche Geschichte bis auf Karl d. Gr. (2 Bde., ebd. 1880-81);
W. Arnold, Deutsche Urzeit (3. Aufl., Gotha [* 12] 1881);
Dahn, Geschichte der deutschen Urzeit (2 Bde., Gotha 1883-88);
K. Lamprecht, Deutsche Geschichte (Berl. 1891 fg.);
R. Much, Deutsche Stammsitze.
Ein Beitrag zur ältesten Geschichte Deutschlands [* 13] (Halle [* 14] 1892).
(S. auch Germania [* 15] und Germanisches Altertum.)