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fertigungen dieses Gerichtshofs nur in deutscher Sprache [* 2] zu erlassen. Wenn jedoch die Verhandlung in einer andern als der deutschen Sprache geführt worden ist, hat der oberste Gerichtshof seine Ent- scheidung darüber samt den Gründen in der Sprache, in welcher die Verhandlung in erster Instanz geführt wurde und in der deutschen Sprache binauszugeben. -" Im Königreich Ungarn [* 3] (einschließlich Sieben- bürgen) ist die magyar. Sprache bei allen Gerichten lx, im Königreich Kroatien und Slawonien Mtl. der ehemaligen Militärgrenze) die troat.
Sprache. Gerichtssprengel, s. Gerichtsbezirk. Gerichtsstab. Der Stab [* 4] war nach älterm deutschen Recht das Zeichen der richterlichen Gewalt. Mit demselben gebot der Richter Stille und hegte das Gericht. An dem Stab wurde der Eid geleistet, der Nichter «stabte» den Eid. Bei der Vollziehung der Todesstrafe wurde über dem Verbrecher der Stab gebrochen. Gerichtsstand l^0i-uui). Sofern in einem Staate mebrere auf gleicher Stufe stehende und daher sach- lich gleich zuständige Gerichte, wie mehrere Amts-, Land oder Oberlandesgerichte, vorhanden sind, be- darf es einer Festsetzung, wie unter ihnen die Ge- richtsbarkeit abzugrenzen ist.
Diese Abgrenzung er- folgt naturgemäß nach dem örtlichen Verhältnisse, in welchem die Parteien oder die Streitsacken zu dem Sprengel der konkurrierenden Gerickte steben. Daraus ergiebt sich eine örtliche Zuständigkeit der Gerichte, und diese wird als Gerichtsstand bezeichnet. I. Die Deutsche [* 5] Zivilprozeßordnung ent- hält über den Gerichtsstand im wesentlichen folgende Grund- sätze. Der Gerichtsstand bildet eine auf dem Interesse der Rechtsordnung beruhende Prozeßvoraussetzung. Tesdalb unterliegt die Wahrung desselben der Be- rücksichtigung der Gerichte von Amts wegen, wie der Vorabeinrede des Beklagten.
Für den Gerichtsstand ist maß- gebend der Zeitpunkt der Klageerhebung, d. h. der Zustellung der schriftlichen Klage an den Beklagten. Spätere Veränderungen der thatsächlichen Verbält- nisse bleiben außer Betracht. Im übrigen bestimmt sich der Gerichtsstand nach folgenden Regeln. Zunächst bat das Gesetz einen allgemeinen Gerichtsstand aufgestellt. Die Bedeutung desselben liegt darin, daß er regel- mäßig für alle gegen eine Perfon zu erbebenden Kla- gen gilt. Diesen Gerichtsstand haben physische Personen bei dem Gericht, in dessen Bezirk sie ihren Wohnsitz oder, in Ermangelung eines Wohnsitzes, ihren Aufenthalts- ort im Deutfchen Reiche haben, oder, falls auch ein solcher unbekannt ist, ihren letzten Wohnsitz gehabt haben.
Gewisse Besonderheiten in dieser Beziehung gelten für Militärpersonen, deutsche Exterritoriale (s. Exterritorialität), sowie für Ehefrauen und Kinder, für welche namentlich der Wobnsitz regel- mäßig von dem des Familienhauptes abhängt (sog. abgeleiteter Gerichtsstand). Sagegen haben solche Parteien, welche im Rechtsleben nicht als physische Personen in Betracht kommen, indes als Korporationen, Per- sonenverevne (Gesellschaften, Genossenschaften) oder Vermogensmafsen (Stiftungen, Anstalten) die Fä- higkeit besitzen, im eigenen Namen zu klagen oder beklagt zu werden, ihren allgemeinen Gerichtsstand da, wo sie ihren Sitz haben.
Ahnlich bestimmt sich dieser Gerichtsstand für den Fiskus des Deutschen Reichs und der Bun- desstaaten durch den Sitz der für den Streitfall zur Malischen Vertretung befugten Behörde.- Auher dem allgemeinen hat das Gefetz eine Reibe be- sonderer Gerichtsstand vorgesehen, d. b. solcher, welcke dem Kläger unter besondern Umständen neben dem all- gemeinen zur Wahl stehen. Hierher gehören folgende Gerichtsstand. Für alle vermögensrechtlichen Klagen wird ein solcher Gerichtsstand durch einen den Verhältnisten nach auf längere Dauer berechneten Aufenthalt begründet bei dem Gericht des Aufenthaltsortes.
Für die auf den selbständigen Geschäftsbetrieb einer gewerblichen Niederlassung, auf die Bewirtschaftung eines Land guts bezüglichen Klagen besteht ein Gerichtsstand beim Gericht des Niederlassung^ortes bez. des Landguts. Gegen Personen, welche im Deutschen Reiche keinen Wobn- sitz haben, kann wegen vermögensrechtlicher An- sprüche bei jedem Gericht geklagt werden, in dessen Bezirk sie Vermögen haben oder sich der in Anspruch genommene Gegenstand befindet. Der allgemeine Gerichtsstand von Korporationeil, Personenvereinen ist auck der Gerichtsstand für solche Klagen, welche von denfelben gegen ibre Mitglieder als solche oder von ihren Mitglie dern in dieser Eigenschaft gegeneinander erhoben werden.
Ein sog. dinglicher Gerichtsstand ist bestimmt für Klagen, welche das Grundeigentum und dessen Be- lastung betreffen, insofern für dieselben das Gericht, in dessen Bezirk das Grundstück belegen ist, zustän- dig, und zwar zum Teil ausschließlich zuständig sein soll. Fernere besondere Gerichtsstand sind: der Gerichtsstand der Erb' schaft, identifch mit dem letzten allgemeinen G.des Erblassers, für gewisse auf den Nachlaß bezügliche Klagen, teils unbeschränkt (wie für die Erbschafts- und Erbteilungsklage), teils nur unter bestimmten Voraussetzungen;
der Gerichtsstand der Vertragsobliga tionen, für Klagen auf Erfüllung oder Feststellung, Vertragsaufhebung oder Entschädigung wegenNicht- erfüllung oder nicht gehöriger Erfüllung, beim Ge- richt des Erfüllungsortes begründet;
hier, d. h. an dein durch den Wechsel bestimmtenZahlungsort,kann auch gegen den Aceeptanten eines gezogenen und den Aussteller eines eigenen Wechsels geklagt wer- den. Dagegen ist der Regreßanspruch gegen die Vor- münner an dem Ort ihrer Handelsniederlassung oder an ihrem Wohnort zu verfolgen. Wenn mehrere Wechselverpflichtete gemeinschaftlich verklagt wer- den, so ist nach ß. 56(i der Deutschen Civilprozeh- ordnung außer dem Gerichte des Zahlungsortes jedes Gericht zuständig, bei dem einer der Beteiligten seinen allgemeinen hat. Enthält der Wechsel die Klausel: «Zahlbar aller Orten», so hat dies nach der Rechtsprechung vor der Deutschen Civilprozeßord- nung die Bedeutung einer Vereinbarung des Wechsel - schuldners mit dem Wechselgläubiger, sich überall belangen zu lassen, wo er angetroffen wird. Der Gerichtsstand des Meß - und Marktortes für Klagen aus auf Messen und Märkten (Jahr-und Wochenmärkte aus- genommen) abgeschlossenen Handelsgeschäften, an die Voraussetzung gebunden, daß sich im Augenblick der Klagerhebung der Beklagte oder ein zur Prozess führung legitimierter Vertreter desselben am Meß- und Marktort oder im Gerichtsbezirk aufhält; der Gerichtsstand der Verwaltung, für Klagen aus einer solchen, beim Gericht des Ortes der Verwaltungsführung; der G.der unerlaubtenHandlung,bei demGericht begründet, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist. Endlich kennt die Civilprozeßordnung noch den besondern Gerichtsstand des Zusammenhangs; und zwar ist für die Widerklage (s. d.), wenn sie mit dem Klage- anspruch oder den gegen diesen vorgebrachten Ver- teidigungsmitteln tonnex ist, das Gericht der Klage, für Klagen der Prozehvertreter, Beistände und Ge- richtsvollzieher wegen Gebühren und Auslagen das Gericht des Hauptprozesses zuständig. Für gewisse Notstandsfälle, die sich in Ansehung der gesetzlichen ¶
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Gerichtsstand ergeben können, gewährt das Gesetz den Parteien insofern Allshilfe, als ein zuständiges Gerickt dnrch das im Instanzenzuge znnächst höhere Gericht be- stimmt werden darf. Ein Notfall liegt nach der Civilprozeßordnung in sechs fällen vor, nämlich, wenn das an sich zuständige Gericht im Einzelfalle an Ausübung des Richteramtes verhindert ist, wenn mit Rücksicht auf die Grenzen [* 7] verschiedener Gerichts- bezirke das zuständige Gericht ungewiß ist, wenn der Kläger mehrere Personen, welche ihren allgemeinen Gerichtsstand bei verschiedenen Gerichten haben, als Streit- genossen im allgemeinen Gerichtsstand belangen will und kein gemeinschaftlicker besonderer Gerichtsstand vorliegt, wenn Klä- ger im dringlichen Gerichtsstand klagen will und die Sache in verschiedenen Gerichtsbezirken liegt, endlick wenn ein positiver oder negativer Kompetenzkonflikt un- ter verschiedenen Gerichten gegeben ist. Die Be- stimmung des zuständigen Gerichts muh von einer Partei beim höhern Instanzgericht nachgesucht wer- den und wird von diesem, ohne daß vorgängige mündliche Verhandlung erforderlich, im Befchluß- wege nach sachlichem Ermessen getroffen. Die er- folgte Bestimmung ist unanfechtbar.
Vgl. Civil- prozeßordn.
§H. ." (, 37. - Gegenüber den gesetzlichen hat nun aber die Civilprozeßordnung im In- teresse der Erleichterung und Beförderung der Rechts- pflege eine wichtige Einschränkung dadurch getroffen, daß sie dem übereinstimmenden Willen der Parteien die Befugnis einräumt, ein an sich gesetzlich unzu- ständiges Gericht erster Instanz zuständig zu machen. Dieser Gerichtsstand heißt der vereinbarte Gerichtsstand si'oium pi-n- rna^tnm).
Die Vereinbarung kann ausdrücklich oder stillschweigend sein. Stillschweigende Vereinbarung ist anzunebmen, wenn der Beklagte, ohne die Un- zuständigkeit geltend zumachen, zur Hauptsache, d. h. über den Klageanfprnch selbst, verhandelt. Eine solcbe Vereinbarung bat jedoch keine rechtliche Wir- kung, sofern sie sich nicht auf ein bestimmtes Rechts- verhältnis und die aus demselben entspringenden Rechtsstreitigkeiten bezieht. Sie ist ferner unzulässig, wenn der Rechtsstreit andere als vermögensrechtliche Ansprüche betrifft oder für die Klage ein ausschließ- licher Gerichtsstand begründet ist. In letzterer Beziehung ist noch zu bemerken, daß die Civilprozeßordnung außer dem dinglichen noch eine ganze Reihe von aus- schließlichen Gerichtsstand kennt.
Das Wesen dieses Gerichtsstand be- steht eben darin, daß das tlägerische Wahlrecht zwi- schen mehrern gesetzlichen Gerichtsstand und die Vereinbarung der Parteien über den Gerichtsstand ausgeschlossen ist. Durch die Bestimmungen der Civilprozeßordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes sind die eri- mierten lbefreiten oder privilegierten) Gerichtsstand, foweit sie bis dahin uocb bestanden haben, im allgemeinen beseitigt. Nach den frühern landesrechtlichen Ge- richtsverfassungen bestanden solche erinnerte Gerichtsstand, also Gerichtsstand, welche für gewisse Personen oder Streit sacken, abweichend von der allgemeiueu gesetzlichen Bestiminung, eingerichtet warell,zablreich in Deutsch- land.
Nickt allein die Glieder [* 8] der regierenden Häu- ser, die Mitglieder der mediatisierten Häuser, son- dern auch die höhern Staats- und Hofbeamtcn sdie sog. fchriftsässigen Personen) konnten nur vor den obern Kollegialgerichten, die akademischen Bürger in noch frübern Zeiten vor den Universitätsgerich- ten, die Militärpersonen nur vor den Militär- gerichten, die Geistlichen nur vor den geistlichen Gerichten verklagt werden. Die streitigen Lehn- lachen konnten nur vor den Lehnkurien, Ehesachen vor den Konsistorien oder höbern Landesgerickten verhandelt werden.
Zur Zeit finden die Bestim- mnngen der Reichsjustizgesetze auch bezüglich der Gerichtsstand auf die Landesherren und die Mitglieder der landes- herrlichen Familien sowie die Mitglieder der fürstl. Familie Hohenzollern [* 9] nur insoweit Anwendung, als nicht besondere Vorschriften der Hausverfasfungen oder der Landesgesetze abweichende Bestimmungen enthalten. Und für Militärpersonen im Mobil mackungsfall fowie für dauernd im Ausland sick aufhaltende Truppenteile sind die landesgefetzlicken Bestimmungen über die Ausübung der bürgerlichen streitigen Gerichtsbarkeit einstweilen in Kraft [* 10] ge- blieben.
Über die Sondergerichte, denen gewifse Rechtssachen zugewiesen sind, s. Ausnahmegerichte. l l. Im Strafproze ß ist der Gerichtsstand begründet so - wohl bei demjenigen Gericht, in dessen Bezirk die strafbare Handlung begangen ist l t'orum äslicU l'mnnn^i), als bei demjenigen, in desfen Bezirk der Angeschuldigte seinen Wohnsitz im Deutschen Reiche, in Ermangelung eines solchen seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort hat, oder, wenn auch ein folcher nicht bekannt ist, seinen letzten Wohnsitz gehabt hat lto- rum (Il)mic;ilji).
Ist bezüglick einer im Auslande begangenen Handlung hiernach ein Gerichtsstand nicht begrün- det, so ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Ergreifung erfolgt lt'ornm il- bat eine folche nicht stattgefunden, fo wird das zustän- dige Gericht vom Reichsgericht bestimmt, ebenso in dem Falle der Begehung im Inlande, wenn weder der Gerichtsstand der begangenen Tbat noch der des Wohn- sitzes ermittelt ist. Ist die strafbare Handlung auf einem deutfchen Schiff [* 11] im Auslande oder in offener See begangen, fo ist das Gerickt des Heimatsbafens oder des zuerst erreichten deutschen Hafens zuständig.
Unter mehrern zuständigen Gerichten geht dasjenige vor, welches zuerst die Untersuchung eröffnet hat. Für zusannnenhängende Strafsachen ist der Gerichtsstand bei jedem Gericht begründet, welckes für eine derselben zuständig ist. Sind dieselben bei verschiedenen Ge- richten anhängig, so können sie durch Vereinbarung der befaßten Gerichte, in deren Ermangelung durch Entfcheidung des gemeinschaftlichen obern Gerichts, verbunden und iu gleicher Weise wieder getrennt werden.
Die Bestimmuug des zuständigen Gerickts durch das zunächst obere tritt ferner ein bei Streit der Gerichte über die Zuständigkeit, selbst wenn sie sich sämtlich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben, ferner im Falle rechtlicher oder thatfächlicher Verhinderung des an sich zuständigen Gerichts im einzelnen Falle, sowie wenn von der Verhandlung vor dem an sich zuständigen Gericht eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit zu besorgen ist. Die Un- zuständigkeit des Gerichts darf nur bis zum Schlusfe der Voruntersuchung, falls aber eine solche nicht stattgefunden, in der Hauptverbandlung bis zur Verlefung des Beschlusses über die Eröffnung des Hauptverfahrens gerügt werden l Strafprozeßord- nung für das Deutsche Reich, §§. 7-21). Nach ßtz. 51 fg. der Österr.
Strafprozeßordnung bildet der Gerichtsstand der begangenen That die Regel der- gestalt, daß, wenn etwa das Gericht des Wohnsitzes dem Gericht des Thatortes zuvorgekommen ist, die Sache auf Verlangen eines Prozeßbeteiligten an das letztere abgegeben werden muß; nur für im Auslande begangene Etrafthat ist das Gericht des Wohnsitzes oder Aufenthalts und in Ermangelung eines solchen das der Ergreifung zuständig. Eine Abnahme von Strafsachen von dem zuständigen Gericht und Überweisung an ein anderes Gericht ¶