fesselt. Bei alledem ergiebt die objektive Untersuchung nicht die geringste anatom.
Veränderung. Von auffallendem Einfluß
ist die Stimmung des
Kranken auf die Intensität des
Leidens; wahrend
Ablenkung und Zerstreuung, eine interessante Unterhaltung
u. dgl. den eben erst unerträglichen
Schmerz oft außerordentlich schnell besänftigen, pflegen eine ängstliche und verzärtelnde
Umgebung hingegen das Übel sehr zu verschlimmern. Der Verlauf ist gewöhnlich ein sehr langwieriger,
schließlich aber doch meist günstiger. Unter den örtlichen Heilmitteln sind energisches Massieren, kalte Begießungen
und Douchen des
Gelenks mit nachfolgenden
Abreibungen des
Gliedes, der länger fortgesetzte Gebrauch kurzer kalter Seebäder
und die Anwendung der Elektricität am wirksamsten. Das Hauptgewicht bei der Behandlung ist aber auf
eine zweckmäßige psychische Beeinflussung des
Krankenzu legen, ohne welche alle örtlichen
Mittel erfolglos bleiben. -
(Rheumatismus articulorum, Rheumarthritis) nennt man alle diejenigen entzündlichen Gelenkaffektionen,
die durch sog. rheumatische Einflüsse, d. h. durch direkte
Einwirkung von Kälte, Nässe und Zugluft auf die äußere
Haut
[* 3] hervorgerufen werden. Man teilt die rheumatischen
Gelenkkrankheiten
in mehrere Gruppen, die sich wesentlich durch ihren Krankheitscharakter, Sitz und Verlauf sowie durch ihre
Symptome und
Komplikationen
voneinander unterscheiden.
1) Der akute fieberhafte Gelenkrheumatismus, die Fliegende
Gicht oder das hitzige
Gliederweh (Rheumatismus articulorum
acutus, Polyarthritis acuta) stellt eine fieberhafte, nicht selten langwierige Allgemeinerkrankung dar, die sich durch schmerzhafte,
oft von einem
Gelenk zum andern überspringende
Gelenkentzündungen sowie durch eine auffallende
Disposition zur Miterkrankung
der serösen
Häute des Körpers, vor allem des
Herzens, zu erkennen giebt. Im frühesten
Kindesalter und ebenso im Greisenalter
kommt der akute Gelenkrheumatismus nur selten vor, am häufigsten werden
Personen vom 15. bis zum 30. Lebensjahre von ihm befallen, und zwar
Männer nahezu gleich häufig wie Frauen, robuste und vollsaftige
Menschen verhältnismäßig häufiger als schwächliche und
blutarme.
Wer die
Krankheit einmal überstanden, wird besonders leicht, oft noch nach Jahren, von ihr wieder ergriffen.
Unter den Gelegenheitsursachen des akuten Gelenkrheumatismus stehen Erkältungen obenan, insbesondere plötzliche
Abkühlungen des schwitzenden Körpers durch Zugluft oder kalten
Regen, der längere Aufenthalt und namentlich das Schlafen
in feuchten Räumen, Arbeitslokalen, Neubauten
u. dgl., und da die arbeitenden
Klassen diesen Schädlichkeiten vorzugsweise
ausgesetzt sind, so werden sie auch häufiger als die wohlhabenden
Stände vom hitzigen
Gliederweh heimgesucht.
Nach den neuern Untersuchungen gewinnt es immer mehr den Anschein, als
ob der akute Gelenkrheumatismus auf einer
Infektion mit niedersten Pilzkeimen
beruhte und somit zu den
Infektionskrankheiten gehörte. Die meisten Erkrankungen fallen auf den Spätherbst und den Vorfrühling,
also auf die naßkalten und wechselnden Jahreszeiten,
[* 4] während im
Sommer und Winter die Morbidität am
geringsten ist. Obwohl über die ganze Erde verbreitet, findet sich die
Krankheit in den gemäßigten Klimaten doch häufiger
als in den heißen und den Polargegenden.
Bisweilen gehen dem
Ausbruch des fieberhaften Gelenkrheumatismus
einige
Tage lang Vorboten voraus, die sich als allgemeines
Unbehagen, Abgeschlagenheit und Ziehen in den Gliedern, Frösteln und Appetitlosigkeit zu erkennen geben; in andern Fällen
fehlen solche Vorboten, und die
Krankheit beginnt ganz unerwartet und plötzlich mit bald mäßigem, bald hohem
Fieber, mit
Anschwellung und
Schmerzen in einem oder gewöhnlich in mehrern
Gelenken, und nicht selten erreichen diese
beiden Erscheinungen schon binnen wenigen
Stunden eine bedeutende Höhe.
Solange die
Kranken ruhig und unbewegt liegen, pflegt der
Schmerz erträglich zu sein, aber jeder Versuch, das
Gelenk zu bewegen,
ja selbst die leiseste Berührung desselben steigert den
Schmerz derartig, daß die
Kranken oft laut aufschreien oder
wimmern und sich nicht eher wieder beruhigen, als bis das
Glied
[* 5] wieder vollkommen ruhig und bequem gelagert ist. An den befallenen
Gelenken ist zunächst nur eine ödematöse Schwellung der Weichteile, Hitze und meist leichte Hautrötung zu bemerken;
an den größern
Gelenken folgt dann gewöhnlich eine bald nur mäßige, bald beträchtliche
Ausschwitzung
in die Gelenkhöhle mit deutlich schwappendem Flüssigkeitserguß.
Der
Grad der Gelenkschwellung und die Heftigkeit der
Schmerzen stehen nicht immer in geradem Verhältnis; oft sind die
Schmerzen
äußerst heftig, während man die Anschwellung kaum bemerkt, und umgekehrt. Die großen
Gelenke, namentlich die Knie-, Fuß-,
Hand-, Ellbogen- und Schultergelenke, werden am häufigsten befallen, aber auch die kleinen
Gelenke bleiben
durchaus nicht verschont. Die tiefen und straffen
Gelenke verursachen die quälendsten
Schmerzen, so die Hüften, die Wirbelgelenke
und die Schambeinfuge. Die Zahl der befallenen
Gelenke ist verschieden; selten ist anfangs nur ein
Gelenk ergriffen, meist
sind es drei bis vier, in schweren Fällen sind mitunter fast alle
Gelenke Sitz der
Krankheit. Gewöhnlich
werden neue, anfangs verschont gebliebene
Gelenke von der
Entzündung ergriffen, während die zuerst befallenen bereits in der
Heilung begriffen sind.
Fast immer werden die
Kranken von einer anhaltenden übermäßigen Schweißbildung befallen,die nicht selten ein ausgedehntes
und lästiges Schweißfriesel auf der
Haut hervorruft. Entsprechend dem
Fieber und der vermehrten Schweißabsonderung
ist der Durst der
Kranken beträchtlich, ihre Harnsekretion sehr vermindert, der
Harn selbst hochrot, stark sauer, beim Stehen
einen reichlichen ziegelmehlartigen Niederschlag bildend. Die
Verdauung ist fast immer gestört, der
Appetit fehlt gewöhnlich
gänzlich, die
Zunge ist weiß oder gelblich schleimig belegt, der
Geschmack pappig, bisweilen gallig;
öfters ist Brechneigung und fast regelmäßig
Stuhlverstopfung vorhanden.
Unter den
Komplikationen des akuten Gelenkrheumatismus stehen hinsichtlich ihrer Häufigkeit und Gefährlichkeit die
Entzündung des Herzfleisches,
der innern Herzhaut und des
Herzbeutels obenan, die entweder
an sich direkt lebensgefährlich werden oder dauernde schwere
Folgezustände, insbesondere chronische
Herzklappenfehler, hinterlassen können. (S. Herzentzündung.)
Mitunter treten im Verlaufe eines akuten Gelenkrheumatismus auch schwere Hirnsymptome, wie Delirien,
Schlafsucht,
Krämpfe, selbst vorübergehende
tobsuchtähnliche
Anfälle auf, die einen tödlichen Ausgang der
Krankheit herbeiführen können. Die
Dauer des akuten Gelenkrheumatismus beträgt
in leichtern Fällen etwa 14
Tage, in schwerern viele Wochen. Als günstige Zeichen
¶
mehr
sind das Aufhören des Fiebers, die Abschwellung der Gelenke, die Verminderung der Schweißbildung und eine normale Harnbeschaffenheit
zu bezeichnen.
Die Behandlung des akuten Gelenkrheumatismus verlangt, auch in den anscheinend leichten Fällen, vor allen Dingen
durchaus absolute Ruhe und Schonung der affizierten Gelenke durch Bettruhe, zweckmäßige Lagerung, nötigenfalls selbst Fixierung
durch leichte Pappwatteverbände, sowie gleichmäßigem Warmhalten durch leichte Umhüllungen mit Werg,
Watte, Flanellbinden u. dgl.; in manchen Fällen leisten zwar kalte Umschläge und Eisbeutel unleugbar gute Dienste,
[* 7] aber im
allgemeinen werden dieselben von den meisten Kranken weniger gut als die trockne Wärme
[* 8] vertragen.
Gegen übermäßige Schmerzen erweisen sich schmerzlindernde Einreibungen (Chloroformliniment, Ichtyol,
Petroleumäther, Elaylchlorür) sowie Einspritzungen von zweiprozentiger Carbolsäurelösung unter die Haut der Gelenkgegend,
unter Umständen auch die örtliche Anwendung der Elektricität und vor allem Morphiuminjektionen nützlich. Von den innern
Heilmitteln haben sich neuerdings die Salicylsäure, das salicylsaure Natron, das Antipyrin und Phenacetin als vortreffliche
Mittel gegen den akuten Gelenkrheumatismus vielfach bewährt; auch das Salol und das Salipyrin,
das Exalpin und das salzsaure Phenocoll wirken oft günstig.
Solange das Fieber währt, ist eine entsprechend schmale Diät zu wählen (s. Fieber); als Getränk reicht man dem Kranken Wasser,
Selters- oder Sodawasser, Citronenlimonade u. dgl. Wenn nach dem Schwinden der akuten Krankheitserscheinungen reichlichere
Gelenkausschwitzungen zurückbleiben, so wende man Jodpinselungen, komprimierende Verbände, in hartnäckigen Fällen Massage
an. Während der Genesung hüte sich der Kranke, das Bett
[* 9] zu früh zu verlassen und vorzeitige Gehversuche anzustellen, da
hierdurch leicht Rückfälle hervorgerufen werden. Überhaupt meide er nach überstandener Krankheit noch lange Zeit hindurch
Erkältungen und übermäßige Anstrengungen, trage wollene Unterkleider, sorge für sonnige und trockne
Wohn- und Schlafräume und suche sich allmählich und mit der gehörigen Vorsicht durch kalte Bäder und Abreibungen gegen
die Witterungseinflüsse abzuhärten.
2) Der akute fieberlose Gelenkrheumatismus (Monarthritis acuta rheumatica) ist eine durch rheumatische Einflüsse hervorgerufene, fieberlos
verlaufende, entzündliche Gelenkaffektion, die immer nur rein örtliche, keinerlei Allgemeinerscheinungen
verursacht, gewöhnlich nur ein Gelenk und zwar mit einer gewissen Vorliebe das Schulter-, Knie-, Fuß- oder Handgelenk befällt,
und unter dem Bilde einer einfachen Gelenkentzündung (s. d.) verläuft. Die Behandlung besteht im Fixieren des Gelenks durch
geeignete Verbände, in der Anwendung von trockner Wärme und von Hautreizen, im weitern Verlaufe im Gebrauch
der Massage und in vorsichtigen passiven Bewegungen.
3) Der chronische Gelenkrheumatismus (Rheumatismus articulorum chronicus, Rheumarthritis chronica) stellt eine
sehr schleichende und langwierige, fieberlose, infolge rheumatischer Schädlichkeiten entstehende Gelenkentzündung dar, die
meist nur ein einzelnes oder nur eine geringe Zahl von Gelenken ergreift, nicht wie der akute Gelenkrheumatismus von einem
Gelenk auf das andere überspringt und niemals Herzaffektionen zur Folge hat. Er entwickelt sich entweder durch Vernachlässigung
und unzweckmäßiges Verhalten aus den beiden vorigen Formen, oder tritt,
was das häufigere ist, von Haus aus als chronische
Entzündung auf.
Die Schädlichkeiten, welche den chronischen Gelenkrheumatismus hervorrufen, bestehen nicht, wie
bei dem akuten, in einmaliger starker Abkühlung der Körperoberfläche, sondern meist in oft wiederholter Einwirkung von
Kälte oder Nässe auf den Organismus. Dem entsprechend kommt der chronische Gelenkrheumatismus vorwiegend bei den
niedern Volksklassen vor und wird am häufigsten durch das Bewohnen kalter und feuchter Räume, durch Hantieren im
Wasser, Stehen auf feuchtem Bodenu. dgl. hervorgerufen, weshalb Wasserarbeiter, Wasch- und Scheuerfrauen,
Tagelöhner, Dienstmädchen und verwandte Berufsklassen mit besonderer Vorliebe von der Krankheit heimgesucht werden.
Auch darin unterscheidet sich der chronische Gelenkrheumatismus vom akuten, daß er nicht wie dieser das jüngere,
sondern im Gegenteil vorwiegend das höhere Lebensalter (vom 40. bis zum 60. Lebensjahre) befällt. Die
hauptsächlichsten Kennzeichen bestehen in mehr oder weniger heftigen, hinsichtlich ihrer Intensität sehr schwankenden Gelenkschmerzen,
welche bei rauher und stürmischer Witterung gewöhnlich ausfallend gesteigert werden, bei warmem und beständigem Wetter
[* 10] hingegen oftmals ganz verschwinden, in einer bald nur mäßigen, bald beträchtlichen Anschwellung der Gelenke,
einer gewissen Steifigkeit und Unbeholfenheit des betreffenden Gliedes, und bei längerm Bestehen des Leidens in gewissen Formveränderungen
der befallenen Gelenke, in denen man häufig infolge der Rauhigkeit ihrer Gelenkflächen bei Bewegungen ein knarrendes oder
knackendes Geräusch vernimmt. Auf das Allgemeinbefinden äußert der chronische Gelenkrheumatismus meist keine nachteiligen
Wirkungen; manche Kranke ertragen ihr Leiden
[* 11] 20, selbst 30 Jahre hindurch bis zum Tode.
Bei der Behandlung des chronischen Gelenkrheumatismus spielen die Hautreize (Einreibungen mit spirituösen Mitteln, Jodtinktur, heiße Douchen
u. dgl.) eine wichtige Rolle, deren Wirkung durch die Anwendung trockner
Wärme (Einwicklung in Werg, Watte, Gichtpapier, Flanellbinden) wesentlich unterstützt wird. Von besonderer
Wichtigkeit ist ferner die Anregung der Hautthätigkeit wie des gesamten Stoffwechsels durch warme Bäder, durch deren methodische
Anwendung in vielen Fällen nicht nur Linderung der Schmerzen, sondern auch eine mehr oder minder vollständige Rückbildung
der Gelenkverdickungen erzielt wird.
Die Bäder können als einfache Warmwasserbäder, Solbäder, Irisch-Römische und Russische
[* 12] Dampfbäder angewendet
werden; in hartnäckigen Fällen ist es dienlich, nach dem Bade die Hauttranspiration durch Einwicklung in wollene Decken zu
steigern. Von den natürlichen Bädern haben die indifferenten Thermen von Teplitz, Gastein, Wildbad und Warmbrunn, die Schwefelbäder
von Aachen
[* 13] und Burtscheid, die Solbäder von Wiesbaden,
[* 14] Kreuznach
[* 15] und Reichenhall besondern Ruf. In hartnäckigen
Fällen von chronischem Gelenkrheumatismus wirken oft auch Moorbäder und heiße Sandbäder vortrefflich. Auch die Elektricität, insbesondere
der konstante Strom, wird häufig mit Vorteil gegen rheumatische Gelenkleiden benutzt, ebenso die Massage (s. d.).
-
Vgl. Hartmann, Der akute und chronische Gelenkrheumatismus (Stuttg. 1874);