Werk über
Geistererscheinungen und Hexenwesen, rühmte sich des
ZweitenGesichts und der Gabe,
Geister zu sehen, die, freilich
ohne körperliche Leiber, mit ihm sprachen, in seiner Gegenwart sangen, ihn schlugen und sich sogar zu ihm ins
Bett
[* 2] legten.
Daß bei ihm, wie bei andern sog. Geistersehern,
Illusion und
Hallucination die angeblichen Erscheinungen
bewirkten, ist unzweifelhaft. Viel berühmter wurde
Swedenborg (s. d.), den Kant den Erzgeisterseher unter allen Geistersehern,
den Erzphantasten unter allen
Phantasten nennt, über
den der größte
Teil seines
Buches«Träume eines Geistersehers» handelt.
Auch
Jung-Stilling (s. d.) ist hier zu nennen. Es entstand im 18. Jahrh.
eine ansehnliche Litteratur für und wider die Geisterseherei. So Haubers «Biibliotheca
acta et scripta magica oder gründliche Nachrichten und
Urteile von solchen
Büchern und Handlungen, welche die Macht des
Teufels
in leiblichen Dingen betreffen» (3 Bde., Lemgo 1739-45);
ferner Werke von
Reichard,
Keller, Hennings, H.L. Fischer («Das
Buch vom
Aberglauben», 3 Bde., Lpz. 1791 -
94) und Münter («Merkwürdige Visionen und Erscheinungen nach dem
Tode, zur Verminderung des
Aberglaubens», 3 Bde., Hannov.
1805-14).
Das 19. Jahrh. brachte zunächst kein Nachlassen des
Glaubens an das «Hereinragen einer Geisterwelt in die unsere»,
Somnambulismus
und Geisterseherei standen, wenn auch in etwas modifizierter
Weise, in
Blüte
[* 3] und zeitigten Justinus
Kerners Seherin
von
Prevorst (s. d.),
die eine
Flut ähnlicher
Schriften hervorrief. Du Potet de Sennevoy in seinem «Essai sur l'enseignement
philosophique du magnétisme» (Par. 1815) behauptet, auf
Beispiele von Scheintod gestützt, die Seele könne den Körper auf
einige
Stunden, ja
Tage verlassen, die
Toten können unter gewissen Umständen zurückkehren und Dinge erzählen,
welche den Gelehrten unbekannt sind, ja die Zukunft enthüllen. Bekannt sind die Versuche und Verirrungen der Wundersüchtigen
mit der Elektricität, das
Tischrücken (table-moving),
Geisterklopfen (spirits-rapping) und sonstige Geistermanifestationen
des
Spiritismus (s. d.). Im eigentlichen
Volke geht die Geisterseherei von der
Vorstellung aus, daß der
Tod das Leben
nicht vernichtet, sondern nur verändert, daß die Seele mit ihrem
Bewußtsein ewig fortlebt, aber dieses Leben nach dem
Tode
ist nicht ein verklärtes, sondern haftet an dem Diesseits und wird vorherrschend als eine Art Halbleben, als ein schattenhaftes,
unfreundliches, für die Lebenden unheimliches angesehen.
Das Wiedererscheinen Gestorbener gilt indes nicht bloß als unheimlich und störend für die Lebenden,
sondern auch als Qual für den
Toten, daher sucht man es auch zu verhüten. Die
Geister sieht das
Volk gemeiniglich nur als
Gespenster, die es erschrecken, aber es hat dabei doch auch eine eigene Geisterwelt, die großenteils noch mit dem
Heidentum,
aber mehr mit der heidnischen poet. Naturbetrachtung, als mit der eigentlichen
Religion zusammenhängt.
Dahin gehören die Kobolde, Berggeister,
Nixen,
Elben, Mahrten und andere mythische Wesen, mit welchen die «aufgeklärte»
Geisterseherei nichts zu thun hat.
(grch. charisma), nach
1 Kor. 12. jede besondere Begabung zu irgend einem
Amt oder einer Dienstleistung in der christl. Gemeinde, z. B.
Predigtgabe, Lehrgabe, Prophetengabe, Gabe der
Armen- und
Krankenpflege, Gabe des
Regiments, aber auch Wunderkräfte aller Art,
mit denen man die ersten
Christen ausgestattet
dachte.
oder auch
PsychischeKrankheiten,
Psychosen im weitern
Sinne, vom mediz. Standpunkt
aus betrachtet eine
Abteilung der
Gehirnkrankheiten. Sie lassen sich von der andern
Abteilung der letztern, den sog. gewöhnlichen
Gehirnkrankheiten
(Blutungen,
Abscesse,
Geschwülste u. s. w.) nur teilweise scharf trennen, insofern als manche Formen von
Geisteskrankheiten auf deutlich nachweisbaren, z. B. entzündlichen
Affektionen des
Gehirns beruhen. Die Unterscheidung ist
eine mehr herkömmliche als in der Natur der Sache begründete und beruht zumeist auf praktischen
Gesichtspunkten, insbesondere
auf der
Notwendigkeit, Geisteskranke in besondern Anstalten zu behandeln, auf rechtlichen Verhältnissen u. s. w.,
erst in zweiter Linie auf dem besondern Verhalten der Krankheitserscheinungen und der ihnen zu
Grunde liegenden krankhaften
Zustände und Vorgänge im
Gehirn.
[* 4]
Bei den Geisteskrankheiten im engern
Sinne finden sich vorwiegend
Störungen der psychischen Thätigkeiten (des Sich-Fühlens, Vorstellens,
Strebens) und demgemäß des
Handelns, während die Hauptsymptome der gewöhnlichen Gehirnerkrankungen
(Lähmungen der
Sinnes-
und Bewegungsnerven,
Krämpfe u. s. w.) dabei entweder ganz fehlen oder doch gegenüber den geistigen
Anomalien praktisch in
den Hintergrund treten. Doch kommen auch bei einzelnen Geisteskrankheiten
Anomalien der
Bewegungs- und
Sinnesnerven in ausgeprägter
Form als regelmäßige Begleiterscheinungen der geistigen
Störungen vor (s. unten).
Jede Geisteskrankheit setzt sich aus einer Anzahl einfacher
Anomalien, sog. psychischen Elementarstörungen zusammen, z. B.
Sinnestäuschungen
(Hallucinationen,
Illusionen, s. d.), Wahnvorstellungen, traurige, heitere Verstimmung,
Gedächtnis-, Urteilsschwäche,
Ideenflucht u. s. w., und das eigenartige, gesetzmäßige Austreten
derselben in ihrem Neben- und Nacheinander, die
Entwicklung derselben aus einander kennzeichnet hauptsächlich die geistige
Störung bei den eigentlichen Geisteskrankheiten gegenüber jener bei den gewöhnlichen Hirnerkrankungen.
Hierzu kommt bei erstem eine gewisse Selbständigkeit der geistigen
Anomalien, insofern als sich oft körperliche Erkrankungen,
denen man eine Beeinträchtigung der Gehirnfunktionen zuschreiben könnte, nicht ohne weiteres nachweisen
lassen. Wo das Gegenteil der Fall, z. B. bei dem
Irrereden und Irrehandeln von Fieberkranken, spricht man nicht von Geisteskrankheit,
da hier erfahrungsgemäß die psychische
Störung in der Regel mit dem Nachlaß der körperlichen
Affektion zurückgeht und
so nur als mehr oder weniger bedeutungsvolle Teilerscheinung der Gesamterkrankung aufzufassen ist.
Die scheinbare Intaktheit des Körpers bei zahlreichen Geisteskranken hat zu mancherlei irrtümlichen
Anschauungen über die
Natur des
Irreseins geführt, insbesondere auch zu der, daß es sich um selbständige Erkrankungen einer immateriellen Seele
handle. Indes ist dieser
Schluß nicht haltbar, wie schon die zweifellos festgestellte Entstehung von
Geisteskrankheiten nur infolge von schweren Kopfverletzungen, von schweren
Krankheiten aller Art
(Typhus, akuter
Gelenkrheumatismus u. s. w.)
ergiebt. Die mittels der vollkommenen modernen Hilfsmittel, z. B. mit dem Mikroskop
[* 5] angestellten
genauern Untersuchungen an Lebenden wie an der
Leiche lassen gegen-
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¶
mehr
wärtig in vielen Fällen materielle Störungen nachweisen, wo dies früher unmöglich war, und da, wo sich bestimmte ursächliche
körperliche Momente noch nicht auffinden lassen, sind solche unter Berücksichtigung der allgemeinen Erfahrungen über die
Lebenseigenschaften des Nervensystems im normalen und krankhaften Zustande, über die körperlichen Begleiterscheinungen der
Geistesthätigkeit mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erschließen. Man nimmt so gegenwärtig ziemlich allgemein
an, daß jeder Geisteskrankheit ein anomaler Zustand, bez. Thätigkeitsmodus des Gehirns entspricht, in welch letzterm nach
den Aufschlüssen der Pathologie, Physiologie und vergleichenden Anatomie das Organ der Seelenthätigteiten zu suchen ist.
In der That finden sich in vielen, insbesondere chronischen Fällen von Geisteskrankheiten ausgebreitete,
teils schon mit bloßem Auge
[* 7] sichtbare, teils durch das Mikroskop nachweisbare Veränderungen der Struktur des Gehirns und seiner
Häute, insbesondere Entzündungen, Schrumpfung u. s. w. im Bereich der Großhirnhalbkugeln, deren graue
Rindenschicht (Großhirnrinde) das Substrat der höhern Geistesthätigkeiten darstellt, deren ausgedehnte Erkrankung, sofern
sie auf beiden Halbkugeln gleichzeitig sich findet, auch notwendig geistige Störung im Gefolge hat.
Doch genügt offenbar schon eine hochgradige Überanstrengung (Ermüdung) dieses Organs, z. B. durch heftige Gemütsbewegungen,
anhaltendes Denken, um sie zu einer normalen Funktion auf längere oder kürzere Zeit unfähig zu machen; desgleichen eine
abnorme Mischung des zur Ernährung dienenden Blutes, abnorme Reize, die von andern Organen her (z. B.
Geschlechtswerkzeuge) auf das Gehirn einwirken, weshalb man nicht bei allen Geisteskranken sichtbare Veränderungen des Gehirns
antrifft.
Für den Nachweis des Bestehens von Geisteskrankheiten lassen sich allgemein gültige kurze Regeln nicht geben. Es
giebt kein einziges specifisches Kennzeichen, an dem sich in allen fällen Geisteskrankheit erkennen läßt,
da alle Einzelerscheinungen normaler Geistesthätigkeit, die bei Irren beobachtet werden, für sich gelegentlich auch bei
Geistesgesunden vorkommen können. Nur auf Grund einer den Zustand sämtlicher geistiger Funktionen, die gesamte geistige
und leibliche Persönlichkeit, die Vorgeschichte derselben, die Familienanlage u. s. w. berücksichtigenden Untersuchung
ist in vielen Fällen mit Sicherheit eine Geisteskrankheit zu erkennen, und auch dies führt nicht immer
zum Ziel, da sich zwischen Geisteskrankheit und Gesundheit scharfe Grenzen
[* 8] nicht ziehen lassen (sog.
zweifelhafte Seelenzustände). Charakteristisch ist neben Gruppierung und Verlauf die selbständige, äußerlich nicht begründete
Entstehung und die periodische Wiederkehr der Erscheinungen, die erfahrungsgemäß Geisteskrankheiten zusammensetzen.
Eine umfassende rationelle Einteilung der Geisteskrankheiten läßt sich gegenwärtig nicht geben, weshalb die Psychiatrie
vorläufig einer allgemein gebräuchlichen Terminologie noch entbehrt. Von alters her (Hippokrates) unterscheidet man mit Rücksicht
auf die Einzelerscheinungen verschiedene Arten von Geisteskrankheiten (sog. psychologische Formen), die auch in der modernen
Terminologie ihren Platz behaupten, obwohl die Anschauungen über das Wesen der bezeichneten Zustände
sich völlig geändert hat. Es sind dies: Melancholie, Hypochondrie, Manie, Paranoia (Verrücktheit), Blödsinn;
Wahnsinn ist ein
Kollektivbegriff, wenn schon einzelne damit bald diese, bald jene
Form von Geisteskrankheit bezeichnen.
Jetzt sind noch dazugekommen:
Folie raisonnante (Handlungs-Irresein ohne Wahnideen), das impulsive Irresein, das moralische Irresein (Gemütswahnsinn, Moral insanity,
s. d.), die psychischen Dämmerzustände u. s. w.
Zweifellos handelt es sich bei diesen verschiedenen Krankheitsbildern um besondere Störungsformen der geistigen Thätigkeiten,
insofern bei den einen mehr Anomalien der Sphäre des Gemüts, bei andern mehr des Verstandes, bei dritten mehr des Strebens
(Willens) in das Auge fallen.
Doch ist es ungerechtfertigt, daraufhin überhaupt die Geisteskrankheiten einteilen zu wollen
nach den «Seelenvermögen», die sich besonders ergriffen zeigen, wie dies
noch bis vor kurzem und zum Teil von namhaften Irrenärzten gethan worden ist. Denn einmal hat sich überhaupt die Annahme
dreier gesonderter «Seelenvermögen» als unhaltbar erwiesen, und dann ist
die Annahme, daß diese Seelenvermögen isoliert «erkranken»
können (in Form sog. «Monomanien») erfahrungsgemäß durchaus unhaltbar. Es beruht in der That auch nur auf einer irrtümlichen
Auffassung, wenn man dem Begründer der Lehre
[* 9] von den «Monomanien», Esquirol, eine derartige Anschauung zuschreibt, die thatsächlich
erst von seinen Nachfolgern ausgebildet worden ist. In Wirklichkeit leiden bei allen alle Seiten geistiger
Thätigkeit; nur erscheint bald einmal die gemütliche Sphäre, bald die Verstandesthätigkeit, bald das Streben (Wollen) als
der Ausgangspunkt der geistigen Erkrankung. In diesem Sinne ist es gerechtfertigt, die alte Einteilung der Geisteskrankheiten im weitern Sinne
in Gemütskrankheiten, und Geistes- (Verstandes-) Krankheiten im engern Sinne beizubehalten.
Zu den Gemütskrankheiten gehören insbesondere die Melancholie und Manie. Erstere besteht im wesentlichen
in grundloser trauriger, bez. ängstlicher (depressiver) Verstimmung mit konsekutiver Verlangsamung des Vorstellungsverlaufs,
Willensschwäche, und in den höhern Graden mit Wahnvorstellungen traurigen Inhalts, Versündigungsideen, Erwartung harter
Strafe, eventuell mit entsprechenden Sinnestäuschungen, während die Manie gerade das gegenteilige Bild darstellt: meist exaltierte,
gehobene (zornige, oder freudige, oder wechselnde) Stimmung, raschen Ideenfluß, gesteigertes Triebleben,
gelegentliche Überschätzungsideen und ab und zu Sinnestäuschungen.
Höhere intellektuelle Operationen sind gestört bei der Verrücktheit, worunter die Psychologie nicht, wie die Laien, jede
Art Geisteskrankheit versteht, sondern nur bestimmte Formen. Hier tritt besonders die Bildung von Wahnideen in den Vordergrund,
die, meist auf Grund von Hallucinationen entstehend, jedem logischen Einwand gegenüber festgehalten und vielfach untereinander
zu einem Wahnsystem verknüpft werden (sog. fixe Ideen). Unterarten der Verrücktheit sind:
der Verfolgungswahn, die Erotomanie, der Querulantenwahnsinn u. s. w. Hierbei kommt es besonders häufig zu einer
völlig falschen Auffassung der eigenen Person, ihres Verhältnisses zur Mitwelt u. s. w. (frz.
aliénation, Irresein, aliéné, der Irre). Ein Krankheitsbild, wobei besonders das Streben (Wollen) gestört erscheint, stellt
das sog. impulsive Irresein dar. Hier begehen die Kranken (meist Epileptiker) komplizierte Handlungen (Mord, Brandstiftung),
ohne sich eines Motivs klar zu werden, ohne heftigen Affekt, lediglich zufolge eines unwiderstehlichen Triebes. Doch leidet
hier bei näherer
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