vorzüglich berühmt machten sich unter ihnen Mauriceau,
Portal,
Pen, Dionis und La Motte. Viel weiter zurück stand die in
Deutschland,
[* 2] wo sie fast immer nur von
Hebammen ausgeübt wurde, für deren Unterricht man nur sehr dürftig sorgte. Unter
ihnen erreichte Justine Siegmundin, die kurbrandenb. Hofwehmutter (1690), durch geschicktes und glückliches
Operieren und durch Veröffentlichung eines brauchbaren Hebammenbuchs den bedeutendsten Ruf.
Gleichzeitig mit ihr legte der
Holländer Heinr. von Deventer durch seine beiden
Bücher «Morgenröte der
Hebammen»
(Leid. 1696) und «Das neue Hebammenlicht»
(1701) den ersten
Grund zur wissenschaftlichen Fortbildung der Geburtshilfe.
In diese Zeit fällt auch die folgenreiche Erfindung des für die Geburtshilfe wichtigsten
Instruments, der
Geburtszange
[* 3] (s. d.). Von nun an nahm die Geburtshilfe einen mächtigen Aufschwung.
Levret, Puzos,
Astruc, Solayrés de Renhac und Baudelocque verbreiteten in
Frankreich, sowie in England, wo vorher nur wenig
geleistet wurde, William Smellie (geb. 1680, gest. 1763) durch
Lehren
[* 4] und
Schriften viel Licht
[* 5] über die
neue Wissenschaft. Auch in
Deutschland hob sich diese Wissenschaft schnell durch
JohannGeorg Röderer (geb. 1726, Professor
der
Anatomie und
Chirurgie zu Göttingen,
[* 6] gest. 1763), welchem sein
SchülerGeorg WilhelmStein (gest. 1803) folgte. Der Erfolg
der Bestrebungen dieser
Männer, die allgemeinere
Verbreitunggeburtshilflicher Kenntnisse, wurde hauptsächlich gesichert
durch die Errichtung von Entbindungshäusern, mit denen Lehranstalten für studierende und
Hebammen verbunden waren. Während
in
Paris
[* 7] nur eine Hebammenschule im Hôtel-Dieu bestand,
war inStraßburg
[* 8] 1728 ein Entbindungshaus eingerichtet worden, das
unter Fried (gest. 1769) lange Zeit großen Ruf genoß. In England wurde ein solches zuerst 1765 eröffnet.
Die erste Hebammenschule in
Deutschland errichtete 1751
Friedrich d. Gr. in
Berlin
[* 9] in der
Charité; ihr folgte
in demselben Jahre unter der Leitung Röderers die zu Göttingen, worauf bald noch andere entstanden. In
Deutschland entstanden
unter F. B. Osiander (geb. 1759, gest. als Professor zu Göttingen
1822), der die operative Geburtshilfe auf eine hohe
Stufe erhob, und unter Boer (gest. al5 Professor in
Wien
[* 10] 1835),
der fortan der Naturhilfe ihre
Anerkennung im vollsten
Umfange sicherte, zwei Schulen, die, obgleich in schroffer Opposition
einander gegenüberstehend, die Wissenschaft auf eine vordem ungeahnte Höhe führten. Neben ihnen sind hervorzuheben: Schmitt
(gest. 1827), A. E. von Siebold,
Weidmann (gest. 1819), Wenzel (gest. 1827) und Wigand (gest.
1817), in
Frankreich Lachapelle und in England Denman;
aus neuerer Zeit:
Nägele,
Jörg, d'Outrepont, Ritgen,
Kilian, E. K. J.
von Siebold, Kiwisch von Rotterau, Scanzoni, Roßhirt, Credo, Späth, Martin,
Braun, Schröder,
Winckel, Schatz,
Ahlfeld,
Leopold,
Sänger, B. Schultze,
Spiegelberg, Kleinwächter, Zweifel, Olshausen,
Veit, Fritsch,Hegar, Kaltenbach, Kehrer,
Dohrn, Freund,
Fehling u. a. Eine neue segensreiche
Ara begann für die Geburtshilfe mit der Einführung der antiseptischen Wundbehandlung,
durch welche es gelungen ist, das vordem so gefürchtete
Kindbettfieber (s. d.) in immer engere Schranken zurückzuweisen
und dadurch die Sterblichkeit in den Entbindungshäusern auf ein Minimum herabzudrücken.
Besonders nutzbringend
hat sich die innige
Verbindung der Geburtshilfe mit der
Gynäkologie (s. d.) erwiesen, die beide vermöge ihrer gemeinsamen anatomisch-physiol.
Grundlagen
zueinander in der engsten
Beziehung stehen. -
Vgl. Siebold, Versuch einer Geschichte der Geburtshilfe (2 Bde.,
Berl. 1839-45);
H. Häser, Lehrbuch der Geschichte der
Medizin (3. Aufl., Bd.
1,
Jena
[* 11] 1875);
Schröder, Lehrbuch der Geburtshilfe (12. Aufl.,
Bonn
[* 12] 1893);
Spiegelberg, Lehrbuch der Geburtshilfe (3. Aufl., Lahr
[* 13] 1891);
P.
Müller,
Handbuch der Geburtshilfe (3 Bde., Stuttg.
1888-89).
Winckel, Lehrbuch der Geburtshilfe (2. Aufl., Lpz. 1893);
Zweifel, Lehrbuch der Geburtshilfe (3. Aufl., Stuttg. 1892).
Geburtshilfe bei
Tieren gehört zu den wichtigsten Verrichtungen des Tierarztes. Wenn derselbe auch nicht, wie der
Arzt, zur Leitung und Überwachung normaler
Geburten hinzugezogen wird, so verlangt doch die große Zahl von vorkommenden Geburtshindernissen,
namentlich bei Kühen, sachverständige Geburtshilfe. Die Hilfeleistung ist verschieden, je nachdem die Gebärschwierigkeit
in einer fehlerhaften Beschaffenheit der Organe der
Mutter (zu große Enge oder Verwachsungen der Geburtswege)
oder in einer abnormen
Größe oder abnormen Lagerung des
Jungen ihren
Grund hat. Im erstern Fall müssen unter Umständen,
wie z. B. bei Verhärtung des
Muttermundes, die mütterlichen
Teile durch das
Messer
[* 14] erweitert werden, im letztern Fall sucht
man zuerst durch Eingehen mit derHand
[* 15] die
Lage des
Jungen so einzurichten, daß dasselbe «entwickelt» werden
kann
(Kopf- oder
Steißgeburt) und unterstützt die
Wehen durch kräftigen Zug,
nachdem an der
FruchtStricke angeschleift oder mittels
Haken befestigt worden sind. -
Vgl. Zürn, Handbuch der tierärztlichen Geburtshilfe (2. Aufl., Lpz.
1863);
Baumeister, Die tierärztliche Geburtshilfe (6. Aufl., Stuttg.
1878);
Harms, Lehrbuch der tierärztlichen Geburtshilfe (2. Aufl., Hannov.
1884);
Franck, Handbuch der tierärztlichen Geburtshilfe (2. Aufl., Berl.
1887).
ein Hauptteil der die Bevölkerungsbewegung (s.
Bevölkerung)
[* 16] zum Gegenstand habenden
Statistik, stellt
aus den individuellen Eintragungen der
Geburten in die Civilstandsregister (s. d.) oder in die
Kirchenbücher (s. d.) «große
Zahlen» mit Unterscheidung der besonders bedeutsamen
Kategorien zusammen, weist auf die
Schlüsse bin, die
sich aus denselben in betreff der hygieinischen, socialen, sittlichen und wirtschaftlichen Zustände ergeben, und hebt die
in den Zahlenreihen auftretenden Regelmäßigkeiten oder Gesetzmäßigkeiten hervor.
Zur bessern
Aufstellung dieser letztern Erscheinungen werden in der neuesten Zeit die
Geburten auch vielfach nach Rücksichten
gruppiert, die ein rein naturwissenschaftlich-physiol. Interesse haben,
wie z. B. nach dem Geschlecht in
Verbindung mit dem kombinierten
Alter der Eltern, nach der Ordnungszahl der Niederkünfte
der
Mutter u. s. w. Die Grundziffer der Geburtsstatistik ist natürlich die Gesamtzahl
der Geborenen innerhalb eines Jahres; dieselbe fällt nicht vollständig mit der Zahl der Niederkünfte oder
Geburten zusammen,
da immer ein gewisser Prozentsatz von Mehrlingsgeburten vorkommt. Aus jener Gesamtzahl sind diejenigen Fälle auszuscheiden,
die für die Volksvermehrung keine Bedeutung haben, nämlich die Totgeborenen. Dieser
Begriff ist indes
¶
mehr
in den verschiedenen Ländern nicht gleichmäßig begrenzt, indem er z. B. in Frankreich alle Kinder umfaßt, die bei der Eintragung
in das Civilstandsregister nicht mehr lebten, wenn sie auch lebend zur Welt gekommen waren. In England werden die Totgeborenen
überhaupt nicht registriert. Andere wichtige, insbesondere socialstatist. Fragen knüpfen sich an die
Unterscheidung der Geburten in eheliche und uneheliche, an die Verteilung der Geborenen auf die Jahreszeiten
[* 18] und an die eheliche
Fruchtbarkeit.
Faßt man zunächst die Gesamtzahl der Geborenen einschließlich der Totgeborenen ins Auge,
[* 19] so gelangt man für das Deutsche Reich
[* 20] zu folgendem Ergebnis:
Das hier berechnete Verhältnis der Geborenen zur Bevölkerung, die sog. allgemeine Geburtenziffer, ist
im Laufe der letzten 10 Jahre nur unbedeutenden Schwankungen unterworfen gewesen. In den frühern Jahren trifft man auf größere
Unterschiede in der Geburtenfrequenz. Die allgemeine Geburtenziffer betrug nämlich 1841/50: 37,5,1851/60: 36,8, 1861/70:
38,7, 1871/80: 40,7 und 1881/90: 38,2. Wenn es im allgemeinen auch zutreffend erscheint, daß die Geburtenfrequenz
von der wirtschaftlichen Lage der Bevölkerung derart abhängig ist, daß günstige Zustände eine Steigerung, ungünstige eine
Minderung der Geburten herbeizuführen vermögen, so bleibt doch zu beachten, daß andere Umstände das Ergebnis zeitweilig
stark beeinflussen. Es ist daher unzulässig, von einer hohen Geburtenziffer ohne weiteres auf vorteilhafte
ökonomische Verhältnisse zu schließen. Es können z. B. die größere oder geringere Sorglosigkeit,
die Heiratsfrequenz und die hiermit im engen Zusammenhang stehende Verehelichungsgesetzgebung, Kriege, ja selbst die Kindersterblichkeit
auf die Gestaltung der Fruchtbarkeit von Einfluß sein. Zudem kommt in der allgemeinen Geburtenziffer die Vermehrungstendenz
der Bevölkerung überhaupt nur unklar zum Ausdruck, da strenggenommen nur ein Bruchteil der weiblichen
Bevölkerung, nämlich die Zahl der gebärfähigen Frauen, für die Stärke
[* 21] der Fortpflanzung als Maßstab
[* 22] dienen kann. Dieses
Verhältnis der Gebärfähigen zur Gesamtzahl der Geborenen pflegt man als besondere Geburtenziffer der allgemeinen gegenüberzustellen.
Im folgenden sind zu den Gebärfähigen sämtliche Verheiratete und Verwitwete bis zum Alter von 50 Jahren,
ferner die Ledigen von 15 bis 20 Jahren zur Hälfte, sowie sämtliche Ledige im Alter von 20 bis 50 Jahren gerechnet worden.
Es entfielen im Durchschnitt der Periode 1871/85 auf:
Infolge
des abweichenden Verhältnisses der Zahl der gebärfähigen Frauen zur Gesamtbevölkerung ist es für die Rangstellung
der einzelnen Staaten keineswegs belanglos, ob die allgemeine oder die besondere Geburtenziffer zu Grunde
gelegt wird. Besondere Beachtung verdient der scharfe Gegensatz zwischen den deutschen Staaten und Frankreich, wo die Geburtenfrequenz
infolge des dort herrschenden Zweikindersystems (s. d.) außerordentlich gering ist.
Bei der Verteilung der Geborenen auf die einzelnen Monate des Jahres ist zu beachten, daß dieselbe durch die größere oder
geringere Zahl der Konzeptionen bedingt ist. Im DeutschenReich kommen während des Zeitraums von 1872 bis 1888 bei
einem Tagesmittel von 1000 Geborenen für das ganze Jahr auf die Monate:
In Bezug auf die Zahl der Geburten ist die Reihenfolge der Monate: Februar, September, März, Januar, April, Oktober, November,
Dezember, August, Mai, Juli, Juni;
in Bezug auf die Zahl der Konzeptionen: Mai, Dezember, Juni, April, Juli, Januar, Februar,
März, November, August, Oktober, September.
Wenn auch, mit der Verteilung der Eheschließungen aus die Jahreszeiten verglichen (s. Ehestatistik), die
Schwankungen nicht als sehr beträchtlich erscheinen, so sind dieselben dennoch keineswegs bloß zufällige, sondern in ähnlicher
Weise auch in andern Staaten beobachtet worden. Ein Maximum der Konzeptionen entfällt auf den Mai, ein anderes auf den Dezember,
überhaupt ist ihnen das Frühjahr ebenso günstig wie die Herbstmonate ungünstig sind. Physische und
sociale Einflüsse sind hier wirksam. Als solche teils fördernde, teils hemmende Ursachen kommen in Betracht: der belebende
Einfluß des Frühlings, die erschlaffende Wirkung des Sommers infolge der Hitze und der anstrengenden Erntearbeiten, die winterliche
Ruhe der Landbevölkerung und der gesundheitsschädliche Übergang des Winters zum Frühling. Der Wechsel
in der Zahl der Eheschließungen während des Jahres scheint keine
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