forlaufend
558
Im Mittelaller erhoben sich in Italien [* 2] nach Art s der altrom. Villen Landsitze mit Gärten in feen- hafter Ansstattung, wie sie Tasso und Ariosto in ihren Gedichten schildern; auch die Kupfertafeln in dem Werke des franz. Architekten Androuet Ducer- ceau («1^68 iIu8 ßxcelisnts dü.tim6ut8 ä6 ^i^ncs», 2 Bde., Par. 1576-79, in Fol.) und in der Muster- sammlung des Holland. Malers und Baumeisters Hans Vredeman de Vries («Ilortorum viriälr- riorumcius tormae», Antwerp. 1583, in Querfol.) geben einen Begriff von den ital. oder antiken Gär- ten des 16. und der ersten Hälfte des 17. Jahrh., die ganz besonders an den von Carlo Maderno, Domenico Fontana, Alessandro Algardi u. a. in Italien angelegten Gärten ihre Vorbilder hatten. Im großen und ganzen aber waren die Gärten der ilal.
Villen mehr zierliche Anhängsel des Hauses als eigentliche Gärten, die Umgegend bildete den Park. Nach Art der ital. Gärten wurden demnächst auch die Gärten in Frankreich unter Franz I. und Heinrick IV. zu Fontainebleau und St. Germain angelegt, doch erschienen sie ohne die romantischen Umgebungen der ital. Gärten dem König Lud- wig XIV. zu kleinlich, für feine kolossalen neuen Schloßbauten nicht geeignet. Er fand auch in dem Zeitgenossen Andre Le [* 3] Nötre (s. d.) den rechten Mann für die Verwirklichung eines nenen Garten- ideals in großartigem Stil.
Dieser große Garten- künstler befreite sich vor allem von der zu damaliger Zeit überhandnehmenden Sucht nach Spielereien und wirkte ganz besonders durch breite, teilweise einen Blick in die Ferne gestattende und sternförmig durchquerte Avenuen. Än den Kreuzungspunkten derselben, hin und wieder architektonifch erweitert und mit Statuen befetzt, fanden sich große Becken mit hochgehenden Wasserstrahlen, auch alle mög- lichen Spielereien der Wasserhebekunst, während die durcb die einzelnen Alleen gebildeten und durch hohe Buckenhecken coulissenartig abgeschlossenen Ab- teilungen teils wie Wohnräume behandelt wurden, teils 5)bst- und Küchengärten in ihrem Innern bar- gen. Zur Ausführung gelangten derartige Garten- anlagen zuerst in Vaur, uachher in Versailles, [* 4] zu Paris [* 5] im Tuileriengarten, zu Clugny, Chantilly, St. Cloud, Meudon, Sceaur. Le Nötres Ruhm wuchs dadurch bedeutend: man berief ihn auch nach dem Auslande, um Gärten anzulegen. Er lieferte die Risse zu den Parks von St. James und Green- wich bei London, [* 6] und es galten für die schöne Gartenkunst keine andern Regeln mehr als die seinigen, nach welchen auch die Gärten von Schönbrunn bei Wien, [* 7] von Sanssouci bei Potsdam, [* 8] von Schwetzingen bei Mannheim, [* 9] von Herrnhausen bei Hannover, [* 10] von Nymphenburg und Schleißheim bei München, [* 11] von Ludwigsburg [* 12] und Fcworite bei Stuttgart [* 13] ausge- führt wurden.
Während so in der ganzen Welt die französische Gartenkunst von Le Nötre ihre Glanzperiode feierte, traten in England bereits Anzeichen einer bevorstehenden Umwälzung derselben auf, angeregt zunächst durch Lord Franz Vacon (1561 - 1626), welcher die steifenLinien, geschorenen Bäume,Kanäle, die übermäßige Verwendung von [* 1] Figuren u.s. w. scharf tadelte, auch Vorfchläge machte, in den Gärten die freie Natur zur Darstellung zu bringen; dann durch Miltons Schilderung des Verlorenen Para- dieses (l667j. Addison (1672 - 1719) und Pope (1688 - 1744) folgten dieser Anregung und gestal- teten ihre kleinen Besitzungen demgemäß um, doch erst der Maler Kent, ein Zeitgenosse Popes, und später Repton (1752 - 1817) verschafften dieser neuen, auf eingehendes Studium der Natur begrün- deten Richtung der Gartenkunst allgemeinen Eingang.
Das feuchtere Klima [* 14] Englands begünstigt vor allem die Entwicklung üppiger, frischgrüner Rasen- plätze und geschlossener Gehölzgruppen, deren stim- mungsvoller Baumschlag im Verein mit groszen Rasenbahnen und Wasserflächen die Grundlage zu den nunmehr neu gefchaffenen Anlagen bildete, die im Gegensatze zu den französischen englische ge- nannt wurden. Nach gewöhnlichen Begriffen ist ein Englischer Garten [* 15] ein Fleck Land es, auf welchem man alles Mögliche zusammenbringt und wo die Linien, statt gerade zu sein, krumm gezogen sind.
Man hat sich dabei aber etwas ganz anderes zu den- ken. Eine stattliche Villa, Grotten, Einsiedeleien, Tempelchen, Ruinen, Felsenpartien, Spaliere, Ge- wächshäuser, sparsam angebracht und möglichst vor den Augen versteckt, Bäume und Buschwerk mancher- lei Art und Schattierung, Hecken und labyrinthi- sches Blumengewinde, grüne Flächen, Anhöhen mit sanften Abhängen und freundlichen Fernsichten, silberhelle Teiche und schlangenartig sich windende Bäche, grüne Wiesen und Inseln, auf denen Kühe weiden, Schwäne und Enten [* 16] auf den Wassern, Hirsche [* 17] und Rehe in den Büschen: alle diese Dinge, in einem großen mehr oder weniger begrenzten Be- zirle malerisch wirkungsvoll verteilt, aber ohne über- triebene vorsätzliche Zuthaten der Kunst, bilden in ihrem Gesamtbestande das Ideal eines wahrhaften Englischen Gartens oder einer künstlerisch gestalte- ten, idealisierten Gegend, daher denn auch das System der englischen Gartenkunst, auf größere Strecken angewendet, Landschaftsgärtnerei heiht.
Solchergestalt von William Kent und Repton geschaffene Parkanlagen sind unter andern in Carlton House, Claremont, Esser, Rousham, Croome und Fisherwick. Nach Frank- reich kam die engl. Gartenmode fast gleichzeitig mit ihrer Entstehung und fand hier zunächst glückliche Anwendung bei den Anlagen von Klein-Trianon zu Versailles und bei der Bagatelle in der Nähe von Paris, wo Delille sein bekanntes Lehrgedicht «1^63 M- schrieb, die deshalb auch wie die Parks in Ermenonville, Monfontaine, St. Fargeur, Tivoli bei Paris u. s. w. keine franz., sondern engl. Gär- ten sind. In Deutfchland hält man Wilhelmshöhe bei Cassel, Wörlitz bei Dessau, [* 18] Charlottenburg [* 19] bei Berlin, [* 20] in Osterreich Larenburg bei Wien, Eis- grub in Mähren, [* 21] Sebenstein bei Wiener-Neustadt u. s. w. für die gelungensten und bedeutendsten Proben deo engl. Gartenstils. Deutschland [* 22] besaß zu Ende des 18. Jahrh, seinen berühmtesten Gartenkünstler an Ludwig von Sckell, von welchem unter andern die Englischen Gärten in München, Schönbusch bei Aschaffenburg, [* 23] Birkenau an der Bergstraße, Monbijou in der Pfalz herrühren. Zu den eifrigsten Gartenkünstlern der neuern Zeit gehörte der Fürst Pückler-Muskau (1785-1871), dessen Anlagen zu Muskau und Branitz wie seine Schriften eine Schule für Garten- lüustler (s. Gärtner) sind; nicht minder bedeutend war Peter Joseph Lenne (s. d.). '^ein Schüler Gustav Meyer (1816 - 77), Gartendirektor der Stadt Berlin, bat sich czanz besonders nm die Verschönerung dieser Stadt verdient gemacht und sich in dem Humboldts-Hain, dem Kleinen Tier- garten sowie in dem nach seinen Entwürfen von dem jetzigen Gartendirektor Mächtig zur Ausfüh- ruug gebrachten Treptower Park bleibende Denk-. ¶