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494 führte, und die Isère (Isara) bis zu der Rhône (Rhodanus) und dem Genfersee (Lacus Lemanus). Nach Westen wurden sie bald über die Rhône, an deren östl. Ufer die Cavares um Cavaillon (Cabellio) und Avignon (Avenio) und nördlich von ihnen die Vocontier wohnten, bis zu den Cevennen (Cebenna) erweitert, deren östl. Abhang die Helvetier innehatten, und weiter südlich, wo durch die Volcä Arecomici um Nimes [* 2] (Nemausus) und durch die Volcä Tectosages um Carcassonne (Carcaso), Toulouse [* 3] (Tolosa) und Roussillon (Ruscino) die frühern iber.
Bewohner verdrängt worden waren, bis zu den Pyrenäen und der obern Garonne (Garumna). Hier im Westen, am Flusse Atar, gründete 118 L. Licinius Crassus als Sitz der Statthalter die röm. Kolonie Narbo Martius (Narbonne). Nachdem der 109 v.Chr. hereinbrechende Sturm der Cimbern und Teutonen 102 v.Chr. durch Marius glücklich bestanden war, blieben die Römer [* 4] in ruhigem Besitz, ohne zunächst auf eine Grenzerweiterung bedacht zu sein. Erst Julius Cäsar unterwarf 58–51 das ganze übrige Transalpinische Gallien, d.h. das Land, das im Süden von den Penninischen Alpen, [* 5] der «Provinz» und den Pyrenäen, im Westen durch den Atlantischen Ocean begrenzt, im Osten durch die breite Alpenkette des obern Rheinthals von Rhätien, dann durch den Rhein und den Bodensee (Lacus Brigantinus) von Vindelicien, weiterhin durch den Rhein bis zu seinen Mündungen von den Germanen geschieden wurde.
Nach den drei in Sprache, [* 6] Sitten und Einrichtungen verschiedenen Völkergruppen, die Cäsar in diesem Lande vorfand, scheidet er es in seinen Kommentarien über den Gallischen Krieg in drei Teile. Der südlichste, Aquitanien, zwischen Pyrenäen und Garonne, war von mehr als 20 kleinen Völkerschaften bewohnt, die dem Volksstamme der Iberer angehörten, verschieden von dem der Kelten. Den Kelten in dem Sinne, in welchem man gegenwärtig das Wort gebraucht, gehörte die Bewohnerschaft der beiden übrigen Teile an: die eigentlichen Gallier oder, wie sie nach Cäsar sich selbst mit einem nur der Form nach verschiedenen Namen nannten, Kelten, desselben Stammes wie die Gallier der Provinz und des Cisalpinischen Gallien, und die Belgen (s. d., Belgae), ihnen nahe stammverwandt, aber doch (stark mit Germanen durchsetzt) mit hinlänglicher Eigenheit, auch des Dialekts, um von dem Römer von jenen abgesondert zu werden.
Die Belgen sowohl als die eigentlichen Gallier zerfielen in viele Völkerschaften, die ebenso viele Staaten bildeten, aber in der Art, daß häufig kleinere unter der Schutzherrschaft eines größeren standen. Gallier und Belgen waren groß und stark, von heller Farbe und blondem Haar, [* 7] beide tapfer, diese noch mehr als jene. Ihr Fußvolk und ihre treffliche Reiterei kämpften häufig untermischt; auch Streitwagen [* 8] (essedae) hatten sie im Gebrauch. Aufgeweckten Geistes und rührig, werden sie zugleich als stolz, prahlerisch, veränderlich und leicht zu Neuerungen geneigt geschildert.
Bei beiden Stämmen übte die Priesterschaft der Druiden (s. d.) einen großen Einfluß, den sie bei den Galliern mit dem Stande der Ritter, dem Adel, aus welchem sich häufig einzelne Häuptlinge erhoben, teilte. Die übrige Masse des Volks stand unter ihrer ziemlich drückenden Herrschaft, während bei den Belgen das Volk seine Freiheit besser bewahrt hatte und die Verfassung einen mehr demokratischen Charakter trug. Auch hielten die Belgen gegen den gemeinsamen Feind besser zusammen, während die gallischen Staaten sich nur selten fest vereinigten, meist vereinzelt handelten, zum Teil einander feindselig gegenüberstanden und so den Römern die Besiegung erleichterten.
Das Keltische Gallien (Celtica) reichte von der Garonne über die Loire (Liger) bis zur Seine (Sequana) und Marne (Matrona). Unter den Völkern, die es bewohnten, sind mit den (zum Teil erst später entstandenen) Städten namentlich bemerkenswert:
a. zwischen Seine und Loire, am Meere, der Bund der Aremoriker, unter denen vornehmlich die Veneter und Uneller, im westl. Teile der heutigen Bretagne und Normandie, östlich von ihnen die Aulerci-Cenomani (Le [* 9] Mans) [* 10] und Aulerci-Eburovices (Evreux) mit der Stadt Mediolanum, die Namnetes mit dem Portus Namnetum (Nantes), [* 11] die Andes oder Andecavi (Anjou) mit Juliomagus (Angers), die Carnutes mit Cenadum, später Civitas Aurelianorum (Orleans), und Autricum (Chartres), die Parisier mitl Lutetia oder Lukotecia (Paris), [* 12] die Senonen um Agedincum (Sens) und Mecletum (Melun); b. zwischen Loire und Garonne die Pictonen (Poitou), die Santonen (Saintonge), Turonen (Touraine), die Bituriger (Berry) mit Avaricum (Bourges), die Lemovicer (Limousin), die Petrocorier am Duranius (Dordogne) mit Vesunna (Périgueux), die Bituriges-Vibisci, noch über der Garonne, mit Burdigala (Bordeaux), [* 13] die Cadurci mit Divona (Cahors), die Arverner (Auvergne) mit Gergovia und Nemossus (später Augustonemetum, im Mittelalter Clarus Mons, [* 14] jetzt Clermont), die Rutener mit Segodunum (Rodez); c. im Osten die Ambarrer an der obern Loire mit Lugdunum (Lyon), [* 15] die Äduer zwischen Saône (Arar, später Sauconna) und Loire mit Bibracte (Mont-Beuvray), Augustodunum (Autun) und Noviodunum (Nevers), die Mandubier mit Alesia (jetzt Alise Ste. Reine), die Lingonen mit Andematunum (Langres), die Sequaner, zwischen der Saône und dem Jura bis in die Vogesen, mit Visontio (Besançon) [* 16] am Dubis (Doubs), die Helvetier, in vier Gauen, unter denen an der Aare der tigurinische, mit Aventicum (Avenches, Wiflisburg), Eburodunum (Yverdun), Vindonissa (Windisch) vom Jura bis zum Rhein, an dessen Biegung die Rauriker mit Augusta Rauricorum (Augst).
Das Belgische Gallien (Belgica) erstreckte sich von der Seine und Marne bis zum Rhein, an dessen Delta [* 17] das german. Volk der Bataver wohnte. Mit dem Namen Belgium bezeichnet Cäsar nur einen Teil dieses Landes im Südwesten, wo die Bellovaken um Beauvais (Caesaromagus) zwischen Seine und Somme (Samara), die Ambianer (Samarobriva, jetzt Amiens) [* 18] in der Picardie, die Atrebaten in Artois, die Velocasser um Rouen [* 19] (Rotomagus) wohnten;
an der Küste nördlich von der Seine die Caleten und die Moriner mit dem Itius Portus (später Gesoriacum, seit dem 4. Jahrh. Bononia genannt, jetzt Boulogne);
zwischen Sabis (Sambre), Scaldis (Schelde), Lego (Lys) bis ans Meer die Nervier;
südlich von ihnen die Viromanduer (um St. Quentin);
weiter die Suessionen mit Noviodunum, später auch Augusta Suessionum (Soissons), die Remer mit Durocortorum (Reims), [* 20] die Leuker mit Tullum (Toul) [* 21] und Mediomatriker mit Divodurum, später Mettis (Metz), [* 22] in Lothringen an der obern Maas (Mosa) und Mosel (Mosella) und an dem weitern Laufe der letztern die Treverer ¶
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495 (Augusta Trevorum, jetzt Trier); [* 24] nördlich von dem Arduennischen Walde, womit man außer den Ardennen auch die Veen und Eifel bezeichnete, die Eburonen zwischen Rhein und Maas, von Cäsar vertilgt, an deren Stelle später die Tungri (Tongern), die Aduatuker westlich der Maas und die Menapier zwischen der untern Maas, Schelde und Rhein traten. Germanischen Stammes dagegen waren die Triboker, Nemeter und Vangionen (mit Borbetomagnus, jetzt Worms), [* 25] die am Rhein im untern Elsaß und nördlich bis gegen Mainz [* 26] (Mogontiacum) wohnten, die Ubier (seit 38 v.Chr.) bei Bonn [* 27] und Köln [* 28] und seit 7 v.Chr. bei Lüttich [* 29] die Sigambern. Cäsar hatte den besiegten Galliern Tribut auferlegt und Besatzung zurückgelassen; die eigentliche Provinzialform erhielt das Land aber erst durch Augustus 27 v.Chr., der nachher zwischen 16 und 13 v.Chr. das Land jenseit der alten Provinz in drei Provinzen unter kaiserl. Statthaltern teilte:
a. Aquitania, das, weit über den alten Umfang hinaus vergrößert, nun alles Land zwischen Pyrenäen, Loire und Cevennen umfaßte; b. Gallia Lugdunensis, zwischen Loire, Seine, Marne und Saone, mit Lugdunum (Lyon), der 43 v.Chr. als röm. Kolonie gegründeten Hauptstadt, und c. im Norden [* 30] Gallia Belgica. Die alte Provincia, jetzt gewöhnlich Gallia Narbonensis genannt, wurde 22 v.Chr. der Verwaltung des Senats zurückgegeben. Am linken Rheinufer wurde der von den allmählich eingewanderten Germanen bewohnte Strich seit den german. Kriegen des Augustus als Cisrhenanisches Germanien [* 31] in zwei Teilen (Germania [* 32] prima oder superior und secunda oder inferior mit dem Gebiet der Sequaner und Helvetier), zwischen denen der Vinatbach (bei Andernach) die Scheide bildete, von Gallien abgesondert verwaltet.
Acht Legionen lagen hier gegen das freie Germanien verteilt in festen Orten und Lagern, aus denen selbst Ortschaften wurden, wie Argentoratum (Straßburg), [* 33] Mogontiacum (Mainz), Confluentes (Koblenz), [* 34] Bonna (Bonn), Colonia Agrippina (Köln) im Lande der Ubier, Castra Vetera (Xanten). Von Diocletian, gegen Ende des 3. Jahrh. n.Chr., wurde jede einzelne Provinz in mehrere Teile geteilt, sodaß nunmehr 17 Provinzen in Gallien bestanden (die Diöcese Galliarum mit 10, die Viennensis mit 7 Provinzen). Aus der Narbonensischen Provinz wurden:
1) Narbonensis I mit der Hauptstadt Narbo, später Septimia mit Tolosa, 2) Narbonensis II mit Aquae Sextiae, 3) Alpes maritimae mit Ebrodunum (Embrun), 4) Viennensis mit Vienna (Vienne) und dazu 5) Alpes Grajae und Penninae (Wallis und das nordöstl. Savoyen). Aus Aquitania:
6) Novempopulana zwischen Pyrenäen und Garonne mit Elusa (Ciutat près d'Eause), 7) Aquitania I mit Civitas Biturigum (Bourges), der östliche, und 8) Aquitania II mit Burdigala (Bordeaux), der westl. Teil des Landes zwischen Garonne und Loire. Gallia Lugdunensis zerfiel in vier Teile:
9) Lugdunensis I mit Lugdunum, 10) Lugdunensis II mit Rotomagus (Rouen), 11) Lugdunensis III mit Civitas Turonum (Tours), [* 35] 12) Lugdunensis IV oder Senonia mit Civitas Senonum (Sens); Gallia Belgica in fünf:
13) Belgica I mit Civitas Treverorum (Trier), 14) Belgica II mit Civitas Rumorum (Reims), 15) Germania II mit Colonia Agrippina, 16) Germania I mit Mogontiacum und 17) Maxima Sequanorum mit Vesontio (Besançon). Unter Konstantin bildete Gallien einen Teil der Praefectura Gallium, die auch Spanien [* 36] und Britannien umfaßte.
Unruhen, die infolge der von Augustus neu geregelten Steuereinrichtung 13 v.Chr. in Gallien ausbrachen, wurden durch Drusus schnell unterdrückt. Auch der Aufstand des Treverers Julius Florus und des Äduers Sacrovir unter Tiberius 21 n.Chr. hatte ebensowenig Erfolg als (wenigstens unmittelbar) der des Aquitaniers Julius Vinder (68 n.Chr.) gegen Nero. Der Erlaß des Kaisers Galba, der ganz Gallien das röm. Bürgerrecht gewährte, trug am meisten dazu bei, den Widerwillen gegen die Fremdherrschaft bei den Galliern zu beseitigen.
Als zur Zeit des Thronkrieges zwischen Vitellius und Vespasian 69 n.Chr. Julius Civilis mit seinen Batavern und andern Germanen die Waffen [* 37] am untern Rhein siegreich gegen die Römer erhob, schlossen sich ihm fast allein die Treverer unter Classicus und Julius Tutor und die Lingonen unter Julius Sabinus an. Beide wurden bald überwältigt und Civilis selbst mußte 70 nach Chr. mit dem Römer Petilius Cerialis seinen Frieden machen. Von jetzt an machte die Romanisierung G.s, welches sich nunmehr für lange Jahre bleibender Ruhe erfreute, rasche und sichere Fortschritte.
Die öffentliche Übung des Druidenkultus wurde durch Claudius untersagt und röm. Bildung fand auch außer der alten Provinz besonders in dem südlichern Teile des Landes Eingang. Namentlich Massilia, Nemausus, Arelate, Vienna waren in jener, Lugdunum, Augustodunum, Burdigala in diesem ebenso Sitze des Handels wie der geistigen Kultur, für die hier auch große öffentliche Lehranstalten entstanden. Die lat. Sprache verbreitete sich von den Städten aus, die unter den Römern ansehnlicher, zum Teil neu gegründet wurden, und gestaltete sich zu einer eigenen provinzialen Sprachweise (lingua Romana rustica), durch welche jedoch das Keltische noch im 3. bis 5. Jahrh. nicht ganz verdrängt war.
Andererseits waren es gallische Rhetoren (die sog. Panegyrici), welche noch im 4. Jahrh. die Reinheit des Ciceronianischen Stils zu erreichen suchten. Das Christentum faßte zuerst in der Mitte des 2. Jahrh. Wurzel [* 38] und gedieh; zu Anfang des 4. Jahrh. waren Bischöfe zu Lyon, Bordeaux, Rouen, Reims, Köln. Bis gegen Ende des 2. Jahrh. war die Lage des Volks unter der röm. Herrschaft bei geordneten und damals noch erträglichen Steuern leichter, als sie es früher unter dem Druck des heimischen Adels und Klerus gewesen war, und der Zustand des an Salz [* 39] und Eisen, [* 40] an Getreide, [* 41] Wiesen und Wald, an Pferden, Schafen und Rindern, an Fischen und Geflügel reichen Landes, in welchem durch die Römer der Wein- und Obstbau sowie der Ölbaum weit verbreitet und eine vielseitige Betriebsamkeit der Einwohner geweckt worden war, bei ungestörtem Frieden ein blühender.
Mit dem Kampfe des Septimius Severus gegen Clodius Albinus, der in Gallien ausgefochten wurde, beginnt der Verfall, der schon im 3. Jahrh. rasch und gewaltig zunahm. Die Einfälle der Alamannen und Franken, die 240 n.Chr., sowie die Raubzüge der Sachsen [* 42] an den Küsten, die gegen das Ende des 4. Jahrh. beginnen, trafen nur den Nordosten, und noch gelang es, eine geraume Zeit sie zurückzuweisen. Dagegen stiegen die Verwirrung und das Elend durch die innern Kämpfe in der Zeit des Valerianus und Gallienus ¶