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460 Gagern (Haus Christoph Ernst, Frhr. v.) - Gagern (Heinr. Wilh. Aug., Frhr. v.) sich dann der Landwirtschaft auf seinem Gute Neuen- bürg bei Erlangen. [* 2] Er war 1876-82 Mitglied der Landratsversammlung von Oberfranken, ver- trat 1881-93 den Wahlkreis Kronach im Deutschen Reichstage und war 1884-93 Vtitglied der bavr. Zweiten Kammer. Als Mitglied der Centrums- partci nahm er lebhaften Anteil an den tirchen- polit.
Kämpfen, gilt jedoch als maßvoller und ver- söhnlich denkender Politiker.
Auch ist er Mitglied der Kommission für die zweite Lesung des Entwurfs cines Deutschen Bürgerl.
Gesetzbuchs. Gagern, Hans Christoph Ernst, Freiberr von, polit. Schriftsteller und Staatsmann, geb. zu Kleinniedesheim bei Worms, [* 3] studierte in Leipzig [* 4] und Göttingen [* 5] die Rechte, kam frühzeitig in nassau-weilburgiscke Dienste [* 6] und war seit 179 l Gesandter beim Reichstage, dann nassau-weil- burgischer Gesandter in Paris [* 7] und Präsident der Regierung, bis Napoleons Dekret, daß kein auf dem linken Rheinufer Geborener in einem außer- franz. Staate Dienst leisten dürfe, ihn 1811 nötigte, den Abfchied zu nehmen. Er wendete sich nach Wien, [* 8] wo er mit Hormavr und dem Erzherzog Io- bann in Verbindung stand und 1812 einen vorzüg- lichen Anteil an dem Plan einer abermaligen Er- hebung Tirols nahm.
Als derselbe jedoch scheiterte, mußte Gagern 1813 Osterreich verlassen. Er begab sich zunächst in das russ.-preuß. Hauptquartier, wurde Mitglied des von den verbündeten Mächten ein- gesetzten Verwaltungsrats für Norddeutfchland und ging dann nach England. 1814 wurde ihm die Ver- waltung der oranischen Fürstentümer übertragen, und 1815 beteiligte er sich als Gesandter des Kö- nigs der Niederlande [* 9] an den Geschäften des Wiener Kongresses.
Hier gelang es ihm, für das neue Königreich der Niederlande eine Vergrößerung aus- zuwirken. Er war hierauf bis 1818 Gesandter für Luxemburg [* 10] bei dem Deutschen Bunde.
Wie er schon vorher gegenüber dem Fürsten Metternich auf patriotische und gemeinnützige Maßregeln gedrnn- gcn batte, so erhoffte er auch von dem Bundestage eine 'Ära des Segens und Fortschritts für Deutsch- land.
Aber sein freimütiges Eintreten für die Ein- führung landständischer Verfassungen machte ihn in Wien mißliebig, und Metternich bewirkte beim Könige der Niederlande G.s Abberufung.
Nach seiner 1820 erfolgten Pensionierung lebte er auf seinem Gute Hornau bei Höchst im Hessen-Darm- städtischen und ward Zum Mitgliede der Ersten Kannner des Großherzogtums ernannt, wo er eine einflußreiche Thätigkeit entwickelte.
Seit 1848, namentlich seit idn der Verlust seines Sohnes Friedrich schwer getroffen hatte, trat er vom öffent- lichen Leben ganz zurück und starb zu Hornau. Nntcr G.s Schriften sind hervorzuheben: «Die Resultate der Sittengeschichte» (7 Bde.; Bd. 1: «Die Fürsten», Franks. 1808; Bd. 2: «Aristokratie», Wien 1812; Bd. 3: «Demokratie», Frankf. 1816; Bd. 4: «Politik», Stuttg. 1818; Bd. 5 u. 6: «Freundschaft und Liebe», ebd. 1822; Bd. 7: «Civilisation», Tl. 1, Lpz. 1847; 2. Aufl., 1. bis 4. Bd., Stuttg. 1835-37),
«Die Nationalgeschichte der Deutschen» (2. Aufl., 2 Bde., Fraukf. 1825- 26), die u. d. T. «Mein Anteil an der Politik» (l. vis 4. Bd., Stuttg. 1823-33; 5. Bd., Lpz. 1844) erschienenen Memoiren und die «Kritik des Völker- rechts» (Lpz. 1840). Gagern, Heinr. Wilh.
Aug., Freiherr von, der dritte Sobn des vorigen, geb. zu Bayreuth, [* 11] besuchte 181.2-14 die Militärschule zu München, [* 12] trat, als Napoleon I. von Elba zurück- kehrte, in nassauische Dienste und nabm als Lieute- nant an der Schlackt bei Waterloo [* 13] teil.
Nach dem Frieden studierte er in Heidelberg, [* 14] Göttingen und Jena [* 15] die Rechte, nabm auch lebhaften Anteil an den ersten burschenschaftlichen Verbindungen und ging 1819 zu weiterer wissenschaftlicher Ausbildung nach Genf. [* 16] 1821 ward Gagern Assessor bei dem Land- gericht zu Lorsch, dann vorübergehend Ministerial- sekretär, 1824 Negierungsassessor und 1829 groß- herzoglich Hess.
Regierungsrat;
1827 verfaßte er eine Broschüre «über die Verlängerung [* 17] der Finanz- perioden und Gesetzgebungslandtage», worin er den Antrag auf Verwandlung der dreijährigen Finanzperioden in sechsjährige bekämpfte.
Die Wahlen von 1832 beriefen ihn in die Zweite Kammer.
Der Thätigkeit, die er auf diefem be- wegten Landtage für eine freisinnige Ausbildung des staatlichen Lebens entfaltete, folgte im Nov. 1833 feine Entlassung aus dem Staatsdienste. Er verzichtete auf die ihm bewilligte Pension, beschäf- tigte sich auf dem von feinem Vater erpachteten Gute Monsheim mit Landwirtschaft und fetzte nack seiner Wiedererwählung auch auf den beiden fol- genden Landtagen den Kampf gegen das herrschende System fort.
Als die Regierung 1846 den Verfuch machte, durch eine neue Civilgesetzgebung die rhein- hess. Institutionen zu beseitigen, wies er in einer umfänglichen Schrift das Verfassungswidrige dieses Vorgehens und die Unwahrheit der scheinkonstitutio- nellen Zustände schonungslos nach. Die Ereignisse vom Febr. 1848 waren für seine weitere Laufbahn cntfcheidend.
Der Erbgroßherzog wurde 5. März zum Mitregenten ernannt und Gagern an die Spitze der Verwaltung berufen, von der er iedoch bald wieder zurücktrat.
G.s schwungvolle Frische und das Imponierende seines Wesens ließen ihn als zur polit.
Laufbahn besonders geeignet er- scheinen.
Überdies stimmte der von ihm in ent- sprechende Form gebrachte Plan, den bisherigen l^taatenbund unter wahrhaft konstitutionellen Re- gierungen zu erbalten, dem Deutfchen Reiche aber die gebührende Weltstellung durch ein Parlament und durch die Oberherrlichkeit eines mächtigen Erb- fürsten zu sichern, so vollkommen mit den Ideendes gemäßigten Liberalismus übcrein, daß Gagern nicht nur auf die Heidelberger Verfammlung vom 5. März und auf das 31. März in Frankfurt [* 18] a. M. zusam- mentretende Vorparlament großen Einfluß gewann, sondern auch zum Präsidenten der 18. Mai eröff- neten Deutschen Nationalversammlung gewählt wurde.
Während der ersten enthusiastischen Phase des Bewegungsjahres war Gagern der unbestrittene Führer der bundcsstaatlichen Partei.
Auch bei der Linken gewann er Beifall durch seine Betonung [* 19] der Souveränität der Nation und des Parlaments.
Als die Schaffimg einer provisorischen Central- gewalt Zur Beratung kam, beantragte er, mit einem «kühnen Griff», dieselbe von der Nationalversamm- lung einsetzen zu lassen, und brachte es dahin, daß die Wahl zum Neichsverweser auf den Erzherzog Johann siel. Gagern selbst erhielt bei der Wahl 52 Stim- men. Die Verwicklungen, welche die deutsche Ver- fassungsfrage, insbesondere das Verhältnis zu Osterreich, brachte, änderte indessen alsbald auch G.s Stellung. Es trat die Spaltung zwischen Groß- deutschen und Kleindeutschen ein;
der Asterreicher Schmerling und seine Landsleute schieden aus dem ¶