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längst erwartete «Mémoires d'outre-tombe», die Lebensgeschichte der George Sand, Erinnerungen und Briefe von Madame Récamier, die Memoiren von dem ältesten Dupin, Odilon Barrot und Balzac, wovon der Briefwechsel des letztern in persönlicher Beziehung sehr interessant ist. Von Guizot erschienen «Mémoires pour servir à l'histoire de mon temps» und von Villemain «Souvenirs contemporains d'histoire et de littérature». Hierzu kommen die Memoiren Carnots, des Marschalls Soult und des Grafen Miot von Melito.
Wichtig sind die von A. Du Casse herausgegebenen «Mémoires et correspondance politique et militaire du roi Joseph», noch wichtiger jedoch ist die «Correspondance de Napoléon Ier», für deren Veröffentlichung Napoleon III. eine eigene Kommission bestellte. An der Spitze der litterarischen Kritik behauptete sich Sainte-Beuve; unter den jüngern Talenten traten hervor Prévost-Paradol, Weiß, Taine, E. Scherer, Sarcey, Paul de Saint-Victor. Die politischen Zeitungen verloren dagegen während des zweiten Kaiserreichs Macht und Bedeutung und kamen beinahe ganz auf ihre ursprüngliche Beschaffenheit und Bestimmung zurück, nämlich auf trockne Mitteilung polit. und anderweitiger Neuigkeiten ohne mißliebigen Kommentar. -
Vgl. Vapereau, L'Année littéraire et dramatique (19 Bde., Par. 1858-69);
Charpentier, La Littérature française au XIX siècle (ebd. 1875; deutsch von Otto, Stuttg. 1876).
12) Unter der dritten Republik (seit 1870). Keiner unter den lyrischen Dichtern, die schon während des Zweiten Kaiserreichs Berühmtheit erlangt hatten, hat die allgemeine Geltung V. Hugos errungen, nach dessen Tode etwa Lyriker wie Sully-Prud'homme, Coppée, Le [* 2] Conte de Lisle als die Angesehensten unter den Modernen bezeichnet werden können. Dieselben Richtungen, die schon im vorhergehenden Zeitraum an die Oberfläche treten, werden mit Talent und Eifer fortgesetzt und auch, was in ihnen schon ungesund war, noch durch krankhaften Widersinn übertrumpft. Den Parnassiern folgt seit dem großen Kriege ein jüngeres Geschlecht von Kunstpoeten nach; die begabtesten sind: Jean Aicard (geb. 1848), Frédéric Bataille (geb. 1850), Henri Chantavoine (geb. 1850), der feinsinnige Kritiker Anatole France (geb. 1844) und Paul Déroulède, der bekannteste Vertreter der reichhaltigen Kriegsdichtung von 1870 und 1871 («Chants du soldat», 1872). Frei von Künstelei sind die frischen Landschafts- und Strandbilder von André Lemoyne (geb. 1822) und die von warmem Natur- und Heimatsinn zeugenden Poesien André Theuriets.
Auch lehnte sich eine Gruppe von Lebendigen («Les vivants») gegen den Götzendienst der Form auf, aber bald trennten sich diese vier: Paul Bourget, Maurice Bouchor, Raoul Ponchon, Jean Richepin, wieder voneinander;
Richepin setzte den Pessimismus und Naturalismus, die ganze Fäulnispoesie von Baudelaire, fort und that groß mit Cynismen und lasterhaftem Tiefsinn in seinen «Blasphèmes» (1884), ohne darum in diesen und andern Dichtungen seine reiche poet.
Kraft [* 3] zu verleugnen. Nach ihm gefielen sich andere darin, durch Cynismen und Lästerungen Aufsehen und Anstoß zu erregen, wie z. B. Ponchon. Von Baudelaires und Richepins Ausschreitungen ausgehend, brachte dann die Sucht, durch etwas ganz Neues und Unerhörtes die Frühern zu überholen, die Schule der «Décadents», «Symbolistes» oder «Déliquescents» auf, die, außer dem Wunsch Aufsehen zu erregen, selber nicht recht wissen, was sie wollen, aber sich recht ungeberdig und anmaßend zeigen.
Der rein naturalistische Pessimismus hat für sie abgewirtschaftet, sie verbinden damit das übersinnliche, behandeln nur menschliche, dem wirklichen Leben angehörige Stoffe, die aber in die höhere Gedankenwelt erhoben werden vermittelst einer Sprache, [* 4] in der das Wort das Symbol des Gegenstandes ist. Diese Sprache erzeugen sie durch sonderbare metrische Kunststücke, wunderliche Vergleichungen, ausgerenkte Wortstellungen, Archaismen, Neubildungen und Entlehnungen aus dem Lateinisch-Griechischen und andern Sprachen (vgl. Baju, L'école décadente, Par. 1887). Sie haben ihren Höhepunkt schon überschritten, ihre Dichtungen und Zeitschriften («Revue indépendante», «Revue décadente», «Le Symboliste») haben wenig Leser gefunden.
Als die Führer der auch in Belgien [* 5] vertretenen Schule der «Décadents» gelten Paul Verlaine (geb. 1844),
Stéphane Mallarmé (geb. 1842),
bei dem Künstelei und Blödsinn sich vereinen, Jean Moréas (geb. 1856),
Jules Laforgue (geb. 1860). Eine Abzweigung der Schule bilden die «Magier» («Les Mages»),
an deren Spitze der Großmeister des Rosenkreuzes Josephin Peladan steht, und die sich in religiösem Socialismus verlieren. Die volkstümliche «Chanson», diese echte Blüte [* 6] franz. Grazie und poet. Witzes, ist gänzlich unter den Hervorbringungen der Fäulnis und der Albernheit versunken. Der Geschmack der Cafés concerts an Liedern wie die der Yvette Guilbert (im «Concert parisien») und des «Chat-noir» («Chansons du Chat-noir», Par. 1890) hat der alten Chanson Désaugiers und Bérangers den Untergang bereitet.
Die durch den großen Krieg hervorgerufene ernstere Stimmung schien zuerst dem geschichtlichen und heroischen Drama günstig. Aus vaterländischer Begeisterung wurde «Jeanne d'Arc» von Jules Barbier (Gaîté 1873) und «La fille de Roland» von Henry de Bornier (Théâtre français 1875) begrüßt, sein «Mahomet» (1890) wurde auf Wunsch der türk. Botschaft vom Spielplan abgesetzt. Großen Erfolg hatte auch die altröm. Tragödie «Rome vaincue» (1876). Weniger glücklich ist Coppée mit seinen größern geschichtlichen Stücken («La guerre de cent ans», «Madame de Maintenon», «Le luthier de Crémone») gewesen. In Sardous «Thermidor» (1891) wollten viele eine Verunglimpfung der großen Revolution erkennen, und die Regierung ließ sich herbei, eine Zeit lang über dieses Werk ein Aufführungsverbot zu verhängen.
Erckmann-Chatrians dramatisiertes Idyll «L'ami Fritz» (1876) wurde an Erfolg noch übertroffen durch das Drama «Les Rantzau» (1882). Charakteristisch für die Vielseitigkeit und das Anpassungsvermögen der modernen Bühne sind die besonders auf dem Odéon gemachten Versuche, Meisterwerke fremder Sprachen in Frankreich einzubürgern. Es erschienen in franz. Bearbeitung einzelne Tragödien von Äschylus («Les Erinnyes» von Leconte de l'Isle, 1873),
von Euripides («Alceste, drame lyrique» von Gassier, 1891),
der «Comte d'Egmont» von Goethe (1890) und eine ganze Reihe von Neubearbeitungen Shakespearescher Stücke («Songe d'une nuit d'été», «Hamlet», «Macbeth», «Shylock», «Roméo et Juliette», «La mégère apprivoisée» u. a. m.). Eine mittelalterliche Erzählung dramatisierten Silvestre und ¶
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Morand mit Anmut und poet. Empfindung in «Grisélidis» (comédie en vers libres, 1891). Unterdessen bleibt das Pariser Sitten- und Gesellschaftsbild in mehr oder weniger tendenziöser und mehr oder weniger lebenswahrer Behandlung als ?Drame? oder Lustspiel auf der ersten Bühne Frankreichs vorherrschend. Der gediegenste Lustspiel- und Dramendichter der Kaiserzeit, Emile Augier (gest. 1889), war nach dem Kriege wenig fruchtbar, doch trug er noch einmal in der häuslichen Sittenkomödie «Les Fourchambault» (1878) einen großen und wohlverdienten Erfolg davon. A. Dumas (Sohn) fuhr fort, in der Behandlung heikler Gesellschafts- und Lebensfragen sich als guten Beobachter zu erweisen und die Konvenienzmoral mit scharfer Dialektik zu bekämpfen.
Seine größten Erfolge trug er auch jetzt in der Darstellung des «gemeingefährlichen Weibes» («J'ai deshabillé la femme en public») davon, wie in «Princesse Georges» (1872),
«La femme de Claude» (1873) und «L'étrangère» (1876). Victorien Sardou zeichnete sich durch Vielseitigkeit und geschickte Mache aus, versuchte sich mit Erfolg in der Charakterkomödie («Fernande», 1870, «Dora», 1877, «Fédora», 1882),
behandelte die Ehescheidungsfrage scherzhaft in «Divorçons» (1881),
schilderte kleinstädtisches Treiben in «Les bourgeois de Pont-Arcy» (1878),
schrieb das polit. Tendenzstück «Rabagas» (1872, ein Zerrbild Gambettas),
das erfolgreiche histor. Lustspiel «Madame Sans-Gêne» (1891) und für Sarah Bernhardt histor. Ausstattungsstücke («Théodora», «Tosca», «Le crocodile», «Ghismonda»). In dem Geiste des alten Lustspiels dichtete Edouard Pailleron, der in dem erfolggekrönten Stücke «Le monde où l'on s'ennuie» (1881) in feiner und witziger Weise ein modernes Gegenstück zu Molières «Gelehrten Frauen» geschaffen hat. Halévy und Meilhac haben ihr Geschick nicht allein in lebendigen Possen («Toto chez Tata», 1873, «La boule», 1874, «Tricoche et Cacolet», 1871),
sondern auch im Sittendrama («Froufrou», 1869) bewährt, der letztere hat in den letzten Jahren sich von seinem Mitarbeiter getrennt und allein das Sittenbild in Lustspielform («Ma cousine», «Décoré» u. a.) gepflegt. Die Originalstücke Alphonse Daudets haben sich nicht lange auf der Bühne behaupten können, sein letztes Werk «L'obstacle» (1890) behandelt in optimistischer Weise das Thema von Ibsens «Gespenstern». Der angesehene Kritiker Jules Lemaître hat in verschiedenen durch geistreichen Dialog und einzelne Feinheiten ansprechenden Komödien und Dramen («Révoltée», 1889, «Mariage blanc», 1891) doch noch keine große Bedeutung als Bühnendichter erlangt. Henri Becque («Parisienne», 1890, «Les honnêtes femmes»),
Abraham Dreyfous, H. Lavedan («Le prince d'Aurec», 1892),
Georges de Portoriche («Amoureuse», 1891) versprechen für das höhere Lustspiel und Drama etwas zu leisten; den Bühnen, die das Vaudeville und die ausgelassene Posse pflegen, fehlt es nicht an Produzenten, die in der Wahl ihrer Mittel, komische Wirkungen zu erregen, nicht blöde sind und die Zote nicht verschmähen. Labiche (gest. 1888) ist an komischer Erfindung von keinem seiner Nachfolger übertroffen worden; gleich ihm versorgten Gondinet (gest. 1888) und Clairville (gest. 1879), Barrière (gest. 1877) schon die Possenbühnen des zweiten Kaiserreichs; die neueste Possendichtung ist im allgemeinen durch den Naturalismus ungünstig beeinflußt worden, doch verdienen Ernest Blum und Raoul Toché, Grenet-Dancourt, Jules Moineaux, Alexandre Bisson («Feu Toupinel», 1890) und Albin Vallabrègue genannt zu werden.
Geradezu herrschend ist die Gewohnheit geworden, erfolgreiche Romane für die Bühne einzurichten und zwar mit Vorliebe solche, die dem Zuschauer eine Reihe Situationen des krassen Naturalismus vorführen. Auf diese Weise sind Zolas «Ventre de Paris», [* 8] «Renée», «Germinal», Daudets «Fromont», «Sappho», «L'Immortel» u. d. T. «La lutte pour la vie», der Gebrüder Goncourt «Renée Mauperin» und «Germinie Lacerteux», Theuriets «Raymonde» und andere Romane von Claretie, Glouvet, Bourget, Ohnet u. s. w. dramatisch zugerichtet worden.
Der Schaulust, der Befriedigung der Phantasie, des Gemüts und der Vaterlandsliebe dienen historische und Militärstücke, wie «Sainte-Russie», ein russ.-franz. Verbrüderungsstück von Gugenheim und Lefaure (1890), Volksschauspiele, die aus Feuilletonromanen Xaviers de Montépin u. a. hervorgegangen sind, solche von socialistischer Tendenz u. a. m. Das siegreiche Vordringen der naturalistischen Schule auf dem Gebiete des Romans hat den Wunsch hervorgerufen, das Drama der Zukunft zu schaffen, da nach Goncourt die «kranke Bühnenkunst ihr Ende erreicht hat». Es galt, die Fesseln der theatralischen Konvention in Form und Inhalt zu sprengen und den Dichtern die Möglichkeit zu gewähren, Stücke, die anderswo wegen sittlicher und Anstandsbedenken oder wegen technischer Mängel zurückgewiesen waren, aufzuführen und eine Probe ablegen zu lassen. So entstand unter der Leitung des Schauspielers Antoine mit Unterstützung reicher Liebhaber und bekannter Schriftsteller (Zola, Maupassant, Goncourt) das «Théâtre libre» (seit 1891 in der Porte-Saint-Martin), ein Tummelplatz für die Versuche der Verkannten, Zurückgewiesenen und kühnen Anfänger, Naturalisten und Symbolisten und solcher, die das Handwerk der Kunst verschmähen.
Ibsens, Tolstois, Turgenjews, Strindbergs, G. Hauptmanns Werke wurden hier gespielt, neben denen von Alexis, Céard, Hennique, J. Jullien, G. Ancey, Brieux, Descaves, Méténier u. a. Den Erfolg hat diese Bühne bisher gehabt, daß sich die Kritik angelegentlich mit ihr beschäftigt hat. Neben dem «Freien Theater» [* 9] besteht noch ein «Théâtre des nouveautés» als zweite Versuchsbühne (seit 1890) für ungezügelte und zügellose Talente. Der Merkwürdigkeit wegen verdienen auch die Marionetten Signorets Erwähnung, welche humoristische Mysterien, wie «Le mystère de la nativité» und «Tobie» (1890),
poetisch wertvolle Dichtungen von Maurice Bouchoz, aufführen, endlich die Herberge zum «Chat-noir» mit ihren ausgelassenen und sinnreichen Darstellungen von poetisch-musikalischen Mysterien und Parodien.
Die erfolgreichsten Leistungen der beiden letzten Jahrzehnte gehören unstreitig der erzählenden Dichtung an, dem Roman und der Novelle; mehr als in der dramat. Litteratur drängt sich hier wie auch in der lyrischen Poesie eine herbe, trostlose, zum Pessimismus herabsinkende Lebensauffassung hervor; denn auf dem von Balzac, Flaubert, Edmond und Jules de Goncourt gewiesenen Wege fortschreitend, entscheiden sich die Naturalisten, an ihrer Spitze Emile Zola, grundsätzlich für ein darstellendes Verfahren, das die Erscheinungen, Äußerungen und Umgebungen des sichtbaren Lebens genau beobachtet und mit urkundlicher Treue («art documentaire») den «physiol. Menschen» nachzeichnet, wie ¶