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Fühlung zur lebendigen Wirklichkeit bleiben muß. Destouches (1680-1754) nimmt seine Anregungen von La Bruyère und schließt sich an Molière und Regnard in der Darstellung von Charaktertypen an («Le [* 2] philosophe marié», 1727, «Le glorieux», 1732),
verfolgt dabei aber doch schon unmittelbare moralische Wirkung, während Marivaux (1688-1763) in seinen hervorragendsten Stücken («Les fausses confidences», 1737; «Le jeu de l'amour», 1730) sich in vertiefter Darstellung zarter Herzensbedenken und Gemütsregungen an feinempfindende Hörer wendet. Die Komödie, die nicht mehr erheitern, sondern nur rühren und bessern will, kommt durch La Chaussée (1692-1754) auf, den Schöpfer der comédie larmoyante («Le préjugé à la mode», 1735, «Mélanide», 1741),
die auf den Vers und romanhafte Motive noch nicht verzichtet, aber durch ihren Ernst und ihre moralische Gesinnung die Vorläuferin des bürgerlichen Dramas wird. Auch Voltaire versucht sich im Rührstück («Nanine», 1749),
während Piron («Métromanie», 1738) und Gresset («Le méchant, 1747) der alten Überlieferung der heitern Charakterkomödie treu bleiben. Unter den zahlreichen Romanen des Zeitalters dienen die leichtfertigen, aber eleganten Erzählungen des jüngern Crébillon (»Le sopha", 1745) mit ihren frivolen Liebesabenteuern und märchenhaften Begebenheiten dem oberflächlichen Unterhaltungsbedürfnis, während zu gleicher Zeit der Familien- und Herzensroman ins Dasein tritt in der mit moralischen Absichten gegebenen Darstellung einfacher Herzensgeschichten und Lebensgeschicke aus der bürgerlichen Gesellschaft. Prévosts «Manon Lescaut» (1733),
Marivaux' «Marianne» (1731-42) und «Paysan parvenu» (1735) sind Werke von hervorragender Bedeutung.
Das wichtigste Mittel, um den Ideen der Aufklärung Vorschub zu leisten und von den Fesseln der in Kirche und Staat überlieferten Autorität zu befreien, wurde die Prosa, der man in Briefen, Abhandlungen, Geschichtswerken, Flugschriften eine unterhaltende, witzige, anregende und gemeinverständliche Form gab, um so die Möglichkeit zu gewinnen, das große Publikum für die Behandlung staatsrechtlicher, geschichtlicher, religiöser und moralischer Fragen zu interessieren. Voltaires erstes geschichtliches Werk («Charles XII», 1731) fällt in diese Zeit, ebenso seine philos. Briefe («Lettres sur les Anglais», 1734),
die «Éléments de la philosophie de Newton» (1738) und Montesquieus für die Auffassung der Aufgaben der Geschichte und des Staates epochemachenden Werke «Considérations sur les causes de la grandeur et de la décadence des Romains» (1734) und «De l'esprit des lois» (1748).
7) Von der Mitte des 18. Jahrh. bis zur Revolution (1750-90). Rücksichtsloser, selbstbewußter äußert sich der Geist der Aufklärung und das Streben, den Fortschritt der Menschheit zu befördern, seit Beginn der zweiten Hälfte des Jahrhunderts in den zahlreichen Tendenzdichtungen und sonstigen litterar. Werken Voltaires, Diderots und ihrer Kampf- und Gesinnungsgenossen. Die Aufklärung der Philosophen durchdringt die populärwissenschaftlichen Werke, die Romane, Lehrgedichte, Theaterstücke und geschichtlichen Darstellungen. In ihrem Sinne wird von Diderot und d'Alembert mit der Unterstützung zahlreicher Mitarbeiter jenes große Werk begonnen, das unter dem Namen «Encyclopédie» (28 Bde., 1751-72) das gesamte Wissen der Menschheit leicht zugänglich machen und der Aufklärung die vom Rost der Gelehrsamkeit befreiten Angriffs- und Verteidigungswaffen unmittelbar zur Verfügung stellen wollte. Auch verliert die Litteratur allmählich ihren höfisch-aristokratischen und exklusiven Charakter; statt des Hofs üben neben einzelnen Autoren die litterar. Salons, wie der von Madame Geoffrin, Mlle. de Lespinasse, Madame Du-Dessand und Baron Holbach maßgebenden Einfluß auf Richtung und Ansehen der Litteratur, auf einzelne ihrer Gattungen und Autoren aus.
Den entschiedensten und allgemeinsten Einfluß auf Frankreichs Litteratur und die Geistesrichtung des ganzen Zeitalters hatte Voltaire, der, von größter Universalität in Wissen und Leistungen, bei einem Charakter voll Widersprüche, durch die in ihm am sichtbarsten gewordene furchtbare Gewalt des Wortes über Weltansichten und gesellschaftliche Verhältnisse eine fast beispiellose Macht ausübte. Er war Parteihaupt der franz. Philosophen («Dictionnaire philosophique», 1764), galt in der Litteratur für den gewichtigsten Wortführer und hielt sich für berufen, den Gesamtwillen der geistig Mündigen in Europa [* 3] zu vertreten.
Mit Voltaire und den Encyklopädisten stritt Rousseau (1712-78) wider Unduldsamkeit und geistige Bevormundung; aber er wurde ihr Gegner, als er sich der Rechte des Gemüts gegen die Verstandesaufklärung annahm, als er das im menschlichen Gefühl wurzelnde religiöse Bewußtsein als die Grundlage der Sittlichkeit hinstellte, als er zum Anwalt des durch die Kultur von seiner natürlichen Basis abgedrängten edlen Menschenwürde, als er in seinen Herzens-, Staats- und Erziehungsromanen («La nouvelle Héloïse», 1761, «Contrat social», «Émile», 1762) Grundsätze und Lehren [* 4] verkündete, die in der Gesellschaft, im Staate und in der Familie die Menschheit zu naturgemäßern und darum reinern, einfachern und glücklichern Zuständen zurückbringen sollten.
Durch Voltaires geschichtliche Werke («Siècle de Louis XIV», 2 Bde., 1751; «Essai sur les m?urs et sur l'esprit des nations», 7 Bde., 1756) wurde die Geschichtsforschung und Geschichtschreibung bedeutend vertieft, und was Geschichte der Menschheit und Philosophie der Geschichte genannt wird, verdankt ihm und seinem Vorgänger Montesquieu, sieht man von Bossuets «Discours sur l'histoire universelle» ab, sein Entstehen. Einen ersten Versuch einer Geschichte der Civilisation gab Condorcet (1743-94) in seinem «Esquisse d'un tableau de l'esprit humain».
Unleugbar freilich hat der sogenannte philos. Geist der geschichtlichen Wahrheit bedeutend geschadet. Einer der gelehrtesten Historiker des 18. Jahrh. ist Gabr. Bonnet de Mably (1709-85); nächstdem sind zu erwähnen Jean Jacq. Barthélemy (1716-95), der Verfasser der «Voyage du jeune Anacharsis» (1788), und Guill. Thom. Raynal (1713-96), Verfasser einer philos.-polit. Geschichte der europ. Niederlassungen in den beiden Indien. Die Memoiren dieser Zeit sind zahllos.
Der talentvollste Nachfolger La Bruyères war im 18. Jahrh. der sittlich-strenge, freimütige Charles Pinot Duclos (1704-72), der wohlgetroffene, etwas überladene Charakterzeichnungen lieferte. Durch humoristische Zeitgemälde machte sich Louis Sebast. Mercier (1740-1814) berühmt; Franç. Vinc. Toussaint (1715-72) schrieb anziehende Sittenschilderungen. Eupaty (1746-88) machte sich durch seine Bemühungen um Verbesserung der franz. Kriminalrechtspflege verdienter als durch seine ¶
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in höchst affektiertem Stil geschriebenen «Lettres sur l'ltalie». Noch widriger sind Demoustiers vielgelesenen ^[richtig: vielgelesene] «Lettres à Émilie sur la mythologie» (1786). Der Briefwechsel behielt auch in diesem Jahrhundert neben dem sich entwickelnden Journalismus seine Bedeutung. Für Litteratur- wie Sittengeschichte wichtig ist die «Correspondance littéraire, philosophique et critique» (1753-93), die Grimm, Diderot, Raynal und Meister mit auswärtigen Höfen führten. Einen interessanten Beitrag zur Geschichte der franz. Gesellschaft in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts geben die Memoiren der Madame d'Epinay.
Die akademische Beredsamkeit feiert in dieser Periode ihre Blütezeit. D'Alembert, Chamfort, La Harpe, Thomas (besondere Berühmtheit erhielt dessen «Éloge de Marc-Aurèle»),
Maury, Mairan, Bailly und Graf Guilbert zeichneten sich darin aus.
Den Höhepunkt erreicht der unter der Einwirkung des Engländers Richardson stehende sentimentale Herzens- und Familienroman in Rousseaus «La nouvelle Héloïse» (1761). Es folgen dann in dem sentimentalen Genre Marmontel und Florian und die in glänzende Naturschilderung gefaßte Herzensgeschichte «Paul et Virginie» (1787) von B. de Saint [* 6] Pierre. Die andere Richtung, den philos. Tendenzroman, vertreten vornehmlich die Erzählungen Voltaires («Candide», 1759 u. a.) Endlich der unterhaltende Abenteurerroman verfällt den in gewählter Sprache [* 7] vorgetragenen Schlüpfrigkeiten Louvets de Couvray («Faublas», 1787-89). Die Bemühungen des Grafen Tressan, durch Erneuerung des Geschmacks an den ältern Ritterromanen die giftigen Produkte des Tages zu verdrängen, hatten geringen Erfolg.
Zur Umwandlung der herrschenden dramaturgischen Theorien trug von den Tragikern Ducis (1733-1816) bei, der den Mut hatte, Shakespeare, zum Teil freilich in verstümmelten und verwässerten Bearbeitungen, auf die Bühne zu bringen. Der gewandte Chamfort machte sich durch Tragödien und Komödien beliebt. Die patriotische Saite schlug P. L. de Belloy (1727-75) in seinen Tragödien aus dem Mittelalter an. Teils nach ihm, teils nach Crébillon bildete sich Lemierre (1733-93). Chateaubrun (gest. 1775) suchte sich den tragischen Stil des Sophokles und Euripides anzueignen.
Auch La Harpe traf in einigen seiner bessern Stücke den Ton des Heroismus. Dagegen versteht Madame Riccoboni durch Wärme [* 8] des Gefühls zu rühren. Von Guymond de Latouche ist eine «Iphigénie en Tauride») erwähnenswert. Diderot begründete theoretisch und praktisch das empfindsam-moralische bürgerliche Schauspiel («Fils naturel», 1757, «Père de famille», 1758),
eine Weiterbildung von La Chaussées Rührstück. Seinem Beispiel folgten Sedaine («Le philosophe sans le savoir», 1765),
Saurin und Beaumarchais («Eugénie», 1767). Nur Beaumarchais erweckte das heitere Lustspiel wieder zu neuem Leben durch seine witzsprühenden Komödien «Barbier de Séville» (aufgeführt 1775) und «Mariage de Figaro» (aufgeführt 1784),
die aber mit scharfen satir. Ausfällen gegen die bevorrechteten Klassen durchsetzt sind, und von denen besonders «Figaro» als ein Vorbote der Revolution gelten darf. Charles Collé (gest. 1783) war zu sehr von der Frivolität seiner Zeit angesteckt, um etwas Großes zu leisten. Für die Oper (seit 1762 bestand die «Opéra comique») schrieben Badé (gest. 1757),
Poullain de Saint Foix (gest. 1776),
Marmontel, Rousseau in seinem «Devin du village», Favart (gest. 1792) und Sedaine.
Mehrere Dichter dieser Periode suchten Voltaires geistreiche poetische Erzählungen nachzuahmen. Am glücklichsten hierin waren Evariste de Parny (gest. 1814), der sein Vorbild an Schlüpfrigkeit überbot, und sein Freund Bertin (gest. 1790). Auf gleicher Stufe mit ihnen stehen Jean Baptiste Joseph Willart de Grécourt (gest. 1743) und Madame Verdier. Der Chevalier de Boufflers (gest. 1815) erzählt lebendig. Marie Anne du Boccage (gest. 1802) versuchte sich im größern Heldengedichte («Colombiade»). Moncrif (gest. 1770) wurde der Schöpfer der Ballade, und Dorat, Watelet, der Kardinal de Bernis u. a. lieferten Lehrgedichte. Ganz ausgezeichnet sind zum Teil Saint Lamberts (gest. 1803) beschreibende Gedichte.
Nic. Joh. Gilbert (1751-80) war ein vorzüglicher Satiriker und großes lyrisches Talent. Die Idyllendichter, namentlich Léonard (1744-93) und Berquin ahmten zum größten Teile Geßner nach. Florian und Aubert erwarben sich durch Bearbeitung der Fabel einen Namen, obgleich sie Lafontaine durchaus nicht gleichgestellt werden können. Auch an frivolen Lehrdichtern fehlte es nicht; P. J. Bernard (1710-75) lehrte in seinem «L'Art d'aimer» die Kunst zu verführen. In der leichtfertigen Poesie oder der Chanson und in der epikureischen Lyrik glänzte neben Voltaire der reichbegabte Alexis Piron (gest. 1773). Panard (gest. 1765) ist ein berühmter, heiterer Volksdichter. Colardeau (1732-76) führte die Heroide ein; Malfilâtre (gest. 1767) berechtigte zu großen Erwartungen, die sein früher Tod täuschte; durch anmutige Verse und Fabeln zeichnete sich auch der Herzog von Nivernais (gest. 1798) aus. Als Odendichter verdient neben Gilbert nur Lefrane de Pompignan (1709-84) erwähnt zu werden, dessen «Chant sur la mort de J. B. Rousseau» eine der schönsten Dichtungen des 18. Jahrh. ist. Nach ihm erwarb sich Lebrun (1729-1807, gen. Lebrun Pindare) den Lorbeer der klassischen Ode.
Zu den litterar. Arbeiten dieser Periode, die auf die Bildung der Sprache Einfluß ausgeübt haben, gehören auch die zahlreichen, auf Treue und Glanz ausgehenden Übersetzungen klassischer Werke des Altertums und des Auslandes. Cicero wurde von Bouhier und Olivet, Quintilian von Gédoyn, Terenz von Lemonnier, Juvenal von Dussaulx, Persius von Sélis, Homer von Bitaubé und dem Fürsten Lebrun und unter den modernen Dichtern Tasso ebenfalls von Lebrun, Ariosto von Tressan, Shakespeare und Young von Letourneur bearbeitet. -
Vgl. über diesen Zeitraum Villemain, Cours de littérature française (Neue Aufl., 6 Bde., Par. 1864);
Barante, De la littérature française pendant le XVIIIe siècle (5. Aufl., ebd. 1832);
Vinet, Histoire de la littérature française au XVIIIe siècle (2. Aufl., 2 Bde., ebd. 1876);
Hettner, Geschichte der im 18. Jahrh. (2. Bd. der «Litteraturgeschichte des 18. Jahrh.», 5. Aufl., Braunschw. 1894).
8) Die Revolutionszeit und das erste Kaiserreich (1790-1815). Wie sehr auch die Aufklärungslitteratur des 18. Jahrh. der polit. und socialen Umwälzung vorgearbeitet hat, einen unmittelbaren Anstoß zu einer Umgestaltung und Neuschöpfung der überlieferten litterar. Formen haben weder sie noch das eigentliche Zeitalter der Revolution gegeben. Zuerst waren die Geister durch die Behandlung anderer ¶